T 0367/08 (Lichtschutzmittel/BEIERSDORF) of 2.9.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T036708.20100902
Datum der Entscheidung: 02 September 2010
Aktenzeichen: T 0367/08
Anmeldenummer: 98114030.4
IPC-Klasse: A61K 7/42
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verwendung von röntgenamorphen Oxiden zur Verstärkung des Lichtschutzfaktors und/oder der UV-A-Schutzleistung kosmetischer oder dermatologischer Lichtschutzmittel
Name des Anmelders: Beiersdorf Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Degussa AG
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein) - naheliegende, weitere Lichtschutzzubereitungen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 23. Januar 2008 und am 13. Februar 2008 eingegangenen Beschwerden des Beschwerdeführers I (Einsprechender) bzw. des Beschwerdeführers II (Patentinhaber) richten sich gegen die am 13. Dezember 2007 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, in der festgestellt wurde, dass das europäische Patent Nr. 904 770 in geänderter Fassung den Erfordernissen des Übereinkommens genügt.

II. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang vom Beschwerdeführer I aus den Einspruchsgründen des Artikels 100 (a) EPÜ, insbesondere wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit, angegriffen worden. Zur Stützung des Einspruchs wurde unter anderem die folgende Druckschrift angezogen:

(2) US-A-5 618 520.

III. Der angefochtenen Entscheidung lag als Hauptantrag die erteilten Ansprüche und als Hilfsantrag die in der am 22. November 2007 vor der Einspruchsabteilung abgehaltenen mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1 bis 7 zugrunde, deren unabhängiger Anspruch 5 wie folgt lautete:

"Kosmetische oder dermatologische Lichtschutzzubereitungen enthaltend ein oder mehrere röntgenamorphe Siliciumdioxidpigmente sowie mindestens eine UV-Filtersubstanz gewählt aus der Gruppe

- 4,4',4''-(1,3,5-Triazin-2,4,6-triyltriimino)-tris- benzoesäure-tris(2-ethylhexylester)

- 2,4-Bis-{[4-(2-Ethyl-hexyloxy-2-hydroxy]-phenyl}-6- (4-methoxyphenyl)-1,3,5-triazin,

- 2,4-Bis-{[4-(3-sulfonato)-2-hydroxy-propyloxy)-2- hydroxy]-phenyl}-6-(4-methoxyphenyl)-1,3,5-triazin Natriumsalz,

- 2,4-Bis-{[4-(3-(2-Propyloxy)-2-hydroxy-propyloxy)-2- hydroxy]-phenyl}-6-(4-methoxyphenyl)-1,3,5-triazin,

- 2,4-Bis-{[4-(2-ethyl-hexyloxy)-2-hydroxy]-phenyl}-6- [4-(2-methoxyethyl-carboxyl)-phenylamino]-1,3,5- triazin,

- 2,4-Bis-{[4-(3-(2-propyloxy)-2-hydroxy-propyloxy)-2- hydroxy]-phenyl}-6-[4-(2-ethylcarboxyl)- phenylamino]- 1,3,5-triazin,

- 2,4-Bis-{[4-(2-ethyl-hexyloxy)-2-hydroxy]-phenyl}-6- (1-methyl-pyrrol-2-yl)-1,3,5-triazin,

- 2,4-Bis-{[4-tris(trimethylsiloxy-silylpropyloxy)-2- hydroxy]-phenyl}-6-(4-methoxyphenyl)-1,3,5-triazin,

- 2,4-Bis-{[4-(2''-methylpropenyloxy)-2-hydroxy]- phenyl}-6-(4-methoxyphenyl)-1,3,5-triazin,

- 2,4-Bis-{[4-(1',1',1',3',5',5',5'-Heptamethylsiloxy- 2''-methyl-propyloxy)-2-hydroxy]-phenyl}-6-(4- methoxyphenyl)-1,3,5-triazin."

IV. Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 5 des Hilfsantrages neu und erfinderisch sei, da keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften offenbare bzw. nahelege, dass röntgenamorphe Siliciumdioxidpigmente die UV-A-Schutzleistung kosmetischer oder dermatologischer Zubereitungen, enthaltend mindestens eine übliche UV-A-Filtersubstanz, erhöhe.

V. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 2. September 2010 machte der Beschwerdeführer II den von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Hilfsantrag zu seinem einzigen Antrag und begehrte die Aufrechterhaltung des Streitpatentes nur noch in diesem Umfange.

VI. Der Beschwerdeführer I trug vor, dass der Gegenstand des Streitpatentes nicht erfinderisch sei. Ausgehend von der Druckschrift (2), die ein Sonnenschutzmittel enthaltend röntgenamorphes Siliciumdioxid und die UV-A Filtersubstanz 4-tert-Butyl-4'-methoxydibenzoylmethan enthalte, habe die Aufgabe darin bestanden, lediglich alternative Lichtschutzmittel bereitzustellen. Es habe im routinemäßigen Können des Fachmanns gelegen, das 4-tert-Butyl-4'-methoxydibenzoylmethan durch Triazinderivate, die in der Streitpatentschrift selbst als bekannte UV-Filtersubstanzen beschrieben seien, zu ersetzen, um lediglich alternative Lichtschutzzubereitungen bereitzustellen.

VII. Der Beschwerdeführer II argumentierte, dass der Gegenstand des Streitpatentes erfinderisch sei, und ging auch von der Druckschrift (2) als nächstliegendem Stand der Technik aus. Formulierungsschwierigkeiten hätten den Fachmann davon abgehalten, das im Anspruch 5 erstgenannte Triazinderivat in die Formulierungen gemäß der Druckschrift (2) einzusetzen. Darüber hinaus seien zum Prioritätsdatum der Druckschrift (2) die im Anspruch 5 genannten Triazinderivate nicht bekannt gewesen.

VIII. Der Beschwerdeführer I beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Der Beschwerdeführer II beantragte, die Beschwerde des Beschwerdeführers I zurückzuweisen, d.h. das Patent in der von der Einspruchsabteilung gebilligten Fassung aufrechtzuhalten.

IX. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1 Das Streitpatent betrifft kosmetische oder dermatologische Lichtschutzzubereitungen enthaltend ein oder mehrere röntgenamorphe Siliciumdioxidpigmente sowie mindestens eine übliche organische UV-Filtersubstanz. Die Druckschrift (2) offenbart nun im Beispiel 3 ein Sonnenschutzmittel, welches sowohl das röntgenamorphe Siliciumdioxid Aerosil® R 972 als auch die UV-A Filtersubstanz 4-tert-Butyl-4'-methoxydibenzoylmethan, auch als PARSOL® 1789 bezeichnet, enthält. Demzufolge betrachtet die Kammer, im Einklang mit den beiden Beschwerdeführern, die Druckschrift (2) als nächstliegenden Stand der Technik und Ausgangspunkt bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.

2.2 Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, alternative Lichtschutzzubereitungen zur Verfügung zu stellen. Der Beschwerdeführer II räumte während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ein, dass die Aufgabe lediglich die Bereitstellung einer Alternative sei, da keine Beweismittel vorlägen, die eine Verbesserung der beanspruchten Zubereitungen andeuteten.

2.3 Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent Siliziumdioxidpigmente enthaltende Lichtschutzzubereitungen gemäß Anspruch 5 vor, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie spezifische Triazinderivate als organische UV-Filtersubstanzen enthalten.

2.4 Die erfolgreiche Lösung der patentgemäßen Aufgabe durch die Bereitstellung der anspruchsgemäßen Zubereitungen wird weder in der angefochtenen Entscheidung noch vom Beschwerdeführer I im Beschwerdeverfahren bestritten. Auch die Kammer hat keinen Anhaltspunkt, den Erfolg der Lösung von sich aus in Zweifel zu ziehen.

2.5 Es bleibt nun zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die genannte Aufgabe durch die Bereitstellung der anspruchsgemäßen Zubereitungen zu lösen.

2.5.1 Die spezifischen Triazinderivate des Anspruchs 5 sind als UV-Filtersubstanzen in Lichtschutzformulierungen schon bekannt (siehe Seite 7, Zeile 1 und Seite 7, Zeile 36 bis Seite 11, Zeile 24 und Seite 4, Zeile 48 bis Seite 5, Zeile 16 der Streitpatentschrift). Ausgehend von der Lichtschutzzubereitung gemäß Beispiel 3 der Druckschrift (2) liegt es für den Fachmann, der alternative Lichtschutzzubereitungen anstrebt, auf der Hand, das 4-tert-Butyl-4'-methoxydibenzoylmethan in dem Lichtschutzmittel der Druckschrift (2) durch solche bekannten und handelsüblichen organischen UV-Filtersubstanzen zu ersetzen.

2.5.2 Die Kammer kommt in Anbetracht der obigen Feststellungen zu dem Ergebnis, dass der Stand der Technik dem Fachmann eine spezifische und konkrete Anregung bietet, die unter Punkt 2.2 festgelegte patentgemäße Aufgabe durch den Ersatz des 4-tert-Butyl-4'-methoxydibenzoylmethans in dem Lichtschutzmittel der Druckschrift (2) mit bekannten UV-absorbierenden Triazinderivaten zu lösen, wodurch er zu den anspruchsgemäßen Lichtschutzzubereitungen gelangt, d.h. zur vom Streitpatent vorgeschlagenen Lösung, ohne dass er erfinderische Anstrengungen unternehmen müsste.

2.6 Aus den folgenden Gründen kann das Vorbringen des Beschwerdeführers II zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit die Kammer nicht überzeugen.

2.6.1 So wandte der Beschwerdeführer II ein, dass aufgrund der bekannten schlechten Löslichkeit des im Anspruch 5 erstgenannten Triazinderivats (siehe Seite 5, Zeilen 17 bis 20 der Streitpatentschrift) gewisse formulierungstechnische Schwierigkeiten aufträten, die den Fachmann davon abhielten, dieses Derivat in die Formulierungen gemäß der Druckschrift (2) einzusetzen.

Diese möglichen Formulierungsschwierigkeiten hätten jedoch den Fachmann nicht abgehalten wenigstens zu versuchen, das 4-tert-Butyl-4'-methoxydibenzoylmethan der Druckschrift (2) mit diesem Triazinderivat auszutauschen und somit mit angemessener Erfolgsaussicht zu weiteren Zubereitungen mit Sonnenschutzwirkung zu gelangen. Darüber hinaus gilt dieser Einwand ohnehin nur für das im Anspruch 5 erstgenannte Triazinderivat und nicht für die anderen in diesem Anspruch genannten Triazinderivate, wofür keine Löslichkeitsprobleme vorgetragen wurden.

2.6.2 Der Beschwerdeführer II brachte außerdem vor, dass am Prioritätsdatum der Druckschrift (2) die im Anspruch 5 genannten Triazinderivate nicht bekannt gewesen seien.

Es ist jedoch irrelevant, ob die im Anspruch 5 genannten Triazinderivate am Prioritätsdatum der Druckschrift (2) bekannt waren oder nicht. Vielmehr ist für die Frage, ob diese Triazinderivate zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ gehören und damit für die Ermittlung der erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ kombinierbar mit der Lehre der Druckschrift (2) sind, einzig und alleine relevant, ob sie vor dem Prioritätsdatum des Streitpatentes offenbart waren. Laut eigenen Angaben des Beschwerdeführers II sei dies in der Tat der Fall, weswegen sie in der Streitpatentschrift selber (siehe Seite 7, Zeile 1) als "bekannt" unter Angabe der vorveröffentlichen Druckschrift beschrieben sind. Daher ist die Kombination der Lehre der Druckschrift (2) mit diesen bekannten Triazinderivaten zulässig.

2.7 Die Kammer kommt aus den oben angeführten Gründen zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 5 eine naheliegende Lösung der patentgemäßen Aufgabe darstellt und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Der Antrag des Beschwerdeführers II ist folglich wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 52 (1) und 56 EPÜ nicht gewährbar. Da über einen Antrag nur als Ganzes zu entscheiden ist, war auf dessen weitere Ansprüche nicht weiter einzugehen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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