T 0362/08 () of 25.3.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T036208.20100325
Datum der Entscheidung: 25 März 2010
Aktenzeichen: T 0362/08
Anmeldenummer: 03735417.2
IPC-Klasse: B23Q 11/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zur Aufnahme und Trennung von an Werkzeugmaschinen anfallenden Spänen und Kühlflüssigkeit (Antrieb)
Name des Anmelders: Mayfran International B.V.
Name des Einsprechenden: Bürener Maschinenfabrik GmbH
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 114
Schlagwörter: Zulassung spät eingereichter Dokumente - ja
Neuheit - ja
Erfinderische Tätigkeit - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 19. Mai 2003 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 25. Mai 2002 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 03735417.2 wurde das europäische Patent Nr. 1 474 269 mit 8 Ansprüchen erteilt.

Der Anspruch 1 lautet:

"Vorrichtung zur Aufnahme und Trennung von an Werkzeugmaschinen anfallenden Spänen und Kühlflüssigkeit, wobei die Kühlflüssigkeit zum Wiedereinsatz zurückgeführt und die Späne abgeführt werden, mit einem Aufnahmetank (1) zur Aufnahme der Späne und der Kühlflüssigkeit, einem sich an den Aufnahmetank (1) anschließenden ansteigenden Führungsabschnitt (3), einem sich an den Führungsabschnitt (3) anschließenden erhöhten Abgabeabschnitt (4), einem kettenartigen geschlossenen Transportelement, welches zumindest in dem die Späne und die Kühlflüssigkeit aufnehmenden Bereich sowie in dem Abgabeabschnitt (4) über Umlenkelemente (6, 7) geführt ist, von denen mindestens eines mit einem Drehantrieb gekoppelt ist, und einer drehbar gelagerten Filtertrommel (12), welche mit dem Transportelement in Antriebsverbindung steht, dadurch gekennzeichnet, dass das Transportelement mit radialem Abstand zur Filtertrommel (12) auf Führungsschienen (13) an der Filtertrommel (12) entlang geführt ist und dass an dem Transportelement sowie an der Filtertrommel (12) nur in Umfangsrichtung auf die Filtertrommel (12) wirkende, jeweils im Abstand voneinander angeordnete kooperierende Mitnehmerelemente vorgesehen sind."

II. Gegen das erteilte Patent wurde, gestützt auf die Einspruchsgründe der Artikels 100 a) EPÜ 1973, Einspruch eingelegt und der Widerruf des Patents beantragt.

Mit ihrer am 11. Dezember 2007 zur Post gegebenen Entscheidung wies die Einspruchsabteilung den Einspruch zurück. Sie kam zu dem Ergebnis, dass der beanspruchte Gegenstand neu sei und auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, so dass das Patent den Erfordernissen des EPÜ genüge.

III. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 15. Februar 2008 Beschwerde ein und bezahlte am gleichen Tag die Beschwerdegebühr.

Mit ihrer am 16. April 2008 beim Europäischen Patentamt eingegangenen Beschwerdebegründung verfolgte sie auf der Basis des Artikels 100 a) EPÜ 1973 ihren Antrag auf Widerruf des Patents weiter und reichte eine neue Entgegenhaltung (D10: DE-U-296 05 126) ein.

IV. Die Beschwerdekammer teilte in ihrem Bescheid als Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage mit, wonach das neue, im Hinblick auf mangelnde Neuheit zitierte Dokument prima facie nicht relevanter erscheine als der im Verfahren befindliche Stand der Technik. Die Beurteilung der Neuheit und der erfinderische Tätigkeit durch die Einspruchsabteilung sei nicht zu beanstanden.

V. Mit ihrer Eingabe vom 22. Februar 2010 reichte die Beschwerdeführerin zum Verständnis der Offenbarung von D10 aus der Sicht des Fachmanns noch ein:

D11: Gutachten von Dr.-Ing. Wollesen, TU Hamburg-Harburg.

VI. Am 25. März 2010 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Folgende Entgegenhaltungen spielten in der Diskussion eine Rolle:

D1: US-A-5 871 643

D2: US-A-6 332 983

D6: DE-U-200 07 698

D10: DE-U-296 05 126.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 474 269.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

VII. Die Beschwerdeführerin brachte vor, die Patentansprüche müssten entsprechend ihrem Wortlaut breit ausgelegt werden und dürften nicht anhand des Ausführungsbeispiels einschränkend gesehen werden. Die Zulassung von D10 sei gerechtfertigt, da ausweislich D11 diese Druckschrift der beanspruchten Lösung jedenfalls näher liege als der weitere Stand der Technik. Wenn nicht die Neuheit, so sei zumindest die erfinderische Tätigkeit in Frage gestellt, weil der zwangläufig erforderliche Zwischenboden zur Führung der Transportkette praktisch als Führungsschiene wirke. Dadurch würde eine Kraftübertragung zwischen Kette und Zahnrad nur in Umfangsrichtung stattfinden. Üblicherweise lägen die Kratzerbleche nicht auf dem Zwischenboden auf, weil dadurch hoher Verschleiß entstehe.

Ausgehend von D10 könne als Aufgabe gesehen werden, den Kratzerförderer verschleißärmer und wartungsfreundlicher auszubilden. Eine naheliegende Lösung werde durch D1 aufgezeigt, wo einerseits die Filtertrommel austauschbar sei und andererseits Führungsschienen 122 zur Führung der Transportkette entlang der Trommel offenbart seien. Durch die naheliegende Kombination gelange der Fachmann zum Gegenstand des Anspruchs 1.

Auch die Kombinationen von D2 und D1 sowie D2 und D6 führten zur beanspruchten Lösung. Die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 seien aus D2 bekannt. Hiervon ausgehend sei das technische Problem darin zu sehen, sehr verschiedenartige Späne zu verarbeiten und die Konstruktion zu vereinfachen. Der Fachmann würde durch D1 angeregt, den Vorfilter wegzulassen und die austauschbare Trommel mit den Führungsschienen 122, wie sie in D1 offenbart seien, zu kombinieren.

Ausgehend von D2 werde der beanspruchte Gegenstand auch durch D6 nahegelegt. In D6 sei in Figur 1 die Führung der Förderkette mittels Schienen und in Figur 4 das austauschbare Filterelement gezeigt, wobei das Transportelement mit radialem Abstand an den Filterelementen vorbeigeführt werde. Es liege nahe, die feststehenden Filtertrommeln mit drehbaren Kratzern durch drehbare Filtertrommeln zu ersetzen, wie es z.B. in Figur 24 von D2 gezeigt sei. Die Lösung nach dem Patent beruhe daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

VIII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte, auch wenn in D10 ein Zwischenboden vorhanden sein könne, so sei nicht erkennbar, wie weit sich dieser quer zur Förderrichtung erstrecke und ob er überhaupt eine Führung der Transportkette bewirken könne. Jedenfalls seien keine Führungsschienen offenbart.

Die Kombination von D10 und D1 führe nicht zum beanspruchten Gegenstand, denn selbst wenn man in D10 einen Zwischenboden annehme, so wären die Führungsschienen 122 aus D1 nicht zur Lösung des Problems geeignet. Diese Führungsschienen 122 führten das Transportelement in Form einer Kette eben nicht mit radialem Abstand an der Filtertrommel entlang. Wie die strichpunktierten Linien in Figur 1 zeigten, dienten diese Schienen nur zur Umlenkung der Kette zur Trommel hin und von ihr weg, das Transportelement liege jedoch im oberen Bereich auf der Trommel, so dass keine Entlastung des Trommellagers erzielbar sei.

Auch durch die weitere vorgebrachte Kombination von D2 mit D1 gelange der Fachmann nicht ohne erfinderische Tätigkeit zur patentgemäßen Lösung, da D1 keine Führungsschienen zur Entlastung der Trommellagerung offenbare. Die Kombination von D2 mit D6 führe von der Erfindung weg, denn in D6 gehe es gerade darum, drehbare Filtertrommeln zu vermeiden und diese durch feststehende Filterelemente zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Stand der Technik

Das Dokument D10 wurde zwar sehr spät eingereicht, erscheint bei genauerer Betrachtung aus dem Blickwinkel des einschlägigen Fachmannes jedoch so relevant, dass es in das Verfahren zuzulassen ist. Unstrittig sind die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 offenbart. Das Transportelement wird mit radialem Abstand an zumindest einer Filtertrommel entlang geführt (Figur 2). Ob die kooperierenden Mitnehmerelemente, Zahnrad 6 und Förderkette 5, nur in Umfangsrichtung auf die Filtertrommeln wirken, ist nicht eindeutig offenbart. Wenn die zwischen den beiden Förderketten angeordneten Kratzerbleche auf dem durch einen dickeren Strich angedeuteten Zwischenboden aufliegen (Figur 3), wird die durch das Gewicht der Ketten auf die Trommellagerung wirkende Kraft in radialer Richtung zumindest teilweise vom Zwischenboden aufgenommen, so dass die Trommellager entlastet werden.

3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ 1973)

Das Dokument D10 offenbart jedenfalls keine Führungsschienen, so dass es die Neuheit nicht in Frage stellen kann. Unstrittig offenbart auch keine der weiteren Entgegenhaltungen alle Merkmale des Anspruchs 1, so dass das Neuheitserfordernis erfüllt ist.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)

4.1 Die Beschwerdeführerin geht in ihrer Argumentation zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit einerseits von D10 und andererseits von D2 als nächstkommenden Stand der Technik aus. Gemäß Patentschrift ist es Aufgabe der Erfindung, ausgehend von D2, wo die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 offenbart sind, die Lagerbelastung der Filtertrommel zu reduzieren und es zu ermöglichen, dass trotz kontinuierlich umlaufendem Transportelement sich ein Filterkuchen am Umfang der Trommel außenseitig bilden kann, der die Filterwirkung positiv beeinflusst. Dieses technische Problem wird mit der Vorrichtung nach Anspruch 1 gelöst, insbesondere dadurch, dass das Transportelement mit radialem Abstand zur Filtertrommel auf Führungsschienen an der Filtertrommel entlang geführt ist und dass an dem Transportelement sowie an der Filtertrommel nur in Umfangsrichtung auf die Filtertrommel wirkende, jeweils im Abstand voneinander angeordnete kooperierende Mitnehmerelemente vorgesehen sind.

4.2 Ausgehend von D10 sah die Beschwerdeführerin das zu lösende technische Problem darin, die Vorrichtung im Hinblick auf Verschleißanfälligkeit und Wartungsfreundlichkeit zu verbessern und zur Trennung von Spänen sehr unterschiedlicher Gestalt geeignet zu machen, wie sie bei modernen Werkzeugmaschinen anfallen.

Zur Lösung bietet D10 eine in sich schlüssige Konstruktion an, wobei der Schwerpunkt der Veröffentlichung in der Beschreibung der als Filterelemente wirkenden Spaltrohranordnung liegt. Von der Entlastung der Trommellagerungen ist dort keine Rede, und es ist auch nicht erkennbar, dass die Lager in besonderem Maß belastet sind, da die Förderkette gestreckt tangential entlang läuft und nicht umgelenkt wird.

4.3 In D1 geht es um die Verbesserung der Wartungsfreundlichkeit, insbesondere um die schnelle Austauschbarkeit der Filtertrommel. Die in Bezug auf das angegriffene Patent relevante Konstruktion (Figur 1) zeigt eine Filtertrommel 1, die über ein Zahnrad 41 vom Transportelement, nämlich Ketten 110, 111, angetrieben wird. In Förderrichtung des Transportelements sind vor und nach der Filtertrommel Kettenführungen 122 angeordnet, so dass das Transportelement die geförderten Späne auf einem Winkelbereich von etwa 180º über die Trommel führt. Weitere Führungsschienen oder Leitelemente, die das Transportelement in einem radialen Abstand von der Filtertrommel führen könnten, sind weder beschrieben noch erkennbar. Daher liegt das Transportelement auf der Trommel auf und übt aufgrund des Kettenzuges eine Belastung auf die Trommellagerung aus. Ein Ansatz oder eine Anregung, das Transportelement mit radialem Abstand zur Filtertrommel auf Führungsschienen an der Filtertrommel entlang zu führen, ist dieser Konstruktion nicht entnehmbar. Der Fachmann hat aus diesem Grund keinen Anlass, isolierte und einem unterschiedlichen Zweck dienende Einzelelemente wie die Führungsschienen 122 in einer aus D10 bekannten Vorrichtung zu verwenden, da dies mit der dem anderen Dokument zugrundeliegenden Problematik nichts zu tun hat. Folglich kann diese Kombination des Standes der Technik die Erfindung nicht nahelegen.

4.4 Aus denselben Gründen kann auch die Kombination von D2 mit D1 die Erfindung nicht nahelegen, da in beiden Dokumenten jegliche Anregungen oder Hinweise fehlen, das Transportelement mit radialem Abstand zur Filtertrommel auf Führungsschienen an der Filtertrommel entlang zu führen.

4.5 Schließlich kann auch die Kombination von D2 mit D6 nicht zur beanspruchten Erfindung führen. Zwar sind in D6 - zu einem anderen Zweck als in D1 - Führungsschienen 21, 22 für das Transportelement 16 gezeigt. Diese Konstruktion unterscheidet sich schon grundlegend von der nach D2, indem keine von Ketten 240 umlaufene Filtertrommel 300 verwendet wird, sondern feststehende Filterelemente 4, 6, 8, um die drehbar angeordnete Abstreifer rotieren. Da das zu lösende technische Problem in D6, nämlich das Zusetzen der Filtereinsätze bei Drehung gegen feststehende Kratzer, durch um feststehende Filterelemente rotierende Kratzer gelöst wird, besteht für den zuständigen Fachmann kein Anlass, auf eine Konstruktion zurückzugehen, die durch die neue Lösung gerade verbessert werden soll. Da weder D2 noch D6 im Hinblick auf die Lösung des objektiven Problems einen Hinweis oder Anstoß vermitteln können, beruht die Vorrichtung nach Anspruch 1 auf erfinderischer Tätigkeit.

4.6 Es ist nicht erkennbar, dass die weiteren, in der Verhandlung nicht wieder aufgegriffenen Entgegenhaltungen der beanspruchten Erfindung näher kommen als der oben behandelte Stand der Technik. Es ist auch nicht vorgetragen worden oder erkennbar, dass das allgemeine Fachwissen allein die Vorrichtung nach Anspruch 1 nahelegt. Sie beruht daher auf erfinderischer Tätigkeit.

Mit dem patentfähigen Anspruch 1 sind die abhängigen Ansprüche 2 bis 8, die weitere Ausgestaltungen der Vorrichtung nach der Erfindung enthalten, ebenfalls aufrecht zu erhalten.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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