European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2010:T028108.20100511 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 11 Mai 2010 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0281/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 02012159.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | E04C 2/16 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Grossformatige OSB-Platte mit verbesserten Eigenschaften, insbesondere für den Baubereich | ||||||||
Name des Anmelders: | Fritz Egger GmbH & Co. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Kronotex GmbH & Co. KG GLUNZ AG |
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Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit verspätet vorgebrachter Beweismittel (bejaht) Erfinderische Tätigkeit (bejaht) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 16. November 2007, zur Post gegeben am 6. Dezember 2007, das Europäische Patent Nr. 1 267 010 in geändertem Umfang gemäß Hauptantrag, wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung, nach Artikel 102(3) EPÜ 1973 aufrechtzuerhalten.
II. Die Beschwerdeführerinnen I und II (Einsprechende I und II) hatten am 13. Februar 2008 und 5. Februar 2008 Beschwerde eingelegt und am jeweils gleichen Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründungen waren am 15. April 2008 und 10. April 2008 eingegangen. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hatte keine Beschwerde eingelegt.
III. Mit Ladung vom 10. Februar 2010 zur mündlichen Verhandlung teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung in einem Bescheid gemäß Artikel 15(1) VOBK mit. Die Beschwerdeführerin II teilte daraufhin der Kammer mit, nicht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Die mündliche Verhandlung fand am 11. Mai 2010 unter Abwesenheit der Beschwerdeführerin II statt.
IV. Die Beschwerdeführerinnen I bzw. II beantragten in der Verhandlung bzw. im schriftlichen Verfahren die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerden und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang mit den geltenden Ansprüchen 1 bis 25, den in der Verhandlung neu eingereichten Beschreibungsseiten 2 bis 6, und den Figuren 1 und 2.
V. Der unabhängige Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"1. Bauteil, dadurch gekennzeichnet, dass es
mindestens zwei mehrlagige und miteinander mindestens teilweise verklebte OSB-Platten mit erhöhten
mechanisch-technologischen Eigenschaften aus
mindestens zwei Lagen von zusammengepressten und mit einem Bindemittel versehenen Strands aufweist, wobei der Biegeelastizitätsmodul jeder Platte in der
Hauptbelastungsrichtung mindestens 7000 N/mm**(2)
beträgt, wobei jede Platte eine großformatige Platte mit einer Länge von mindestens 7,0 m und einer Breite von mindestens 2,60 m ist, wobei die Strands der
Decklagen jeder Platte eine Länge zwischen 130 und 180 mm, eine Breite zwischen 10 und 30 mm und eine Dicke zwischen 0,4 und 1 mm aufweisen und wobei die OSB-Platten großflächig und fugenlos verbunden sind
und eine mindestens eine Geschosshöhe umfassende tragende Wandkonstruktion darstellen."
VI. Für die vorliegende Entscheidung wurden insbesondere folgende Beweismittel berücksichtigt:
D1 = WO 0029180 A
D3 = "Erste Eurostrand-OSB produziert" aus Holzweb.net
vom 9. März 2001
D10 = J A Youngquist: "Wood-based Composites and Panel
Products" in "Wood Handbook - wood as an engineering material", Seiten 10-1 bis 10-31, Forest Products Laboratory, 1999
D12 = DE 7025943 U
D13 = US 6035594 A
D14 = DIN 1052; Mai 2000
D15 = EN 300; aus DIN-Taschenbuch 60, "Holzfaserplatten
Spanplatten Sperrholz", Seiten 182-189; 6.Auflage Februar 1998
VII. Die Parteien haben im wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:
VII.1 Zulässigkeit von Beweismitteln
Die Beschwerdeführerin I argumentierte, dass die hochrelevanten Dokumente D13 bis D15 mit der Beschwerdebegründung als Reaktion auf die Ansicht der Einspruchsabteilung, wonach überraschenderweise das Doppeln von OSB-Platten durch den Stand der Technik nicht nahegelegt sei, eingereicht worden seien. So beschreibe D13 Wände aus einflächigen OSB-Platten, die DIN-Norm aus D14 verklebte OSB-Platten als tragende Teile von Holzbauwerken und die EN-Norm aus D15 tragende bzw. hochbelastbare OSB-Platten.
Die Beschwerdegegnerin erwiderte, dass bereits vor der mündlichen Verhandlung in der Erstinstanz Hilfsanträge eingereicht worden seien und daher schon zur Einspruchsverhandlung eine entsprechende Reaktion seitens der Beschwerdeführerin I möglich gewesen sei. Darüber hinaus beschreibe etwa D1 bereits hochbelastbare OSB-Platten und auch Fertighausbau sei aus D1 bekannt. Somit seien D13 bis D15 offenbar nicht relevanter als der im Verfahren befindliche Stand der Technik und seien daher als verspätet zurückzuweisen.
VII.2 Erfinderische Tätigkeit
Die Beschwerdeführerin II argumentierte im schriftlichen Verfahren, dass das Merkmal in Anspruch 1, wonach die OSB-Platten eine mindestens eine Geschosshöhe umfassende tragende Wandkonstruktion darstellen, nur eine unklare Zweckbestimmung des im unverbauten Zustand beanspruchten Bauteils sei, welche den Gegenstand des Anspruchs 1 daher nicht weiter einschränke.
Dem nächstliegenden Stand der Technik, der D3, sei dieses Merkmal in jedem Fall zu entnehmen, da in D3 mit 2,80 m Höhe genau das Maß von Eurostrand OSB-Platten als Beplankung geliefert werde, die Standardbreiten an üblichen europäischen Baurastern orientiert seien, und die Anwender besonderes Augenmerk auf die Tragfähigkeit der Beplankung legen. Dass die OSB-Platten in D3 als "Beplankung" bezeichnet werden, sei unerheblich, da Anspruch 1 des Patents weder die Eigenschaft des beanspruchten Bauteils als Beplankung, noch die Anwendung des Bauteils, etwa in Verbindung mit irgendwelchen Ständern, in der geschosshohen tragenden Wandkonstruktion ausschließe. Daher unterscheiden sich die OSB-Platten nach Anspruch 1 von D3 durch deren Biegeelastizitätsmodul und die Breite der verwandten Strands, wobei mindestens zwei verklebte OSB-Platten großflächig und fugenlos miteinander verbunden seien. Die diesen Merkmalen zugrunde liegende Aufgabe könne darin gesehen werden, die Tragfähigkeit der aus D3 bekannten OSB-Platten weiter zu erhöhen.
Der in Anspruch 1 beschriebene Biegeelastizitätsmodul und die angegebene Strandbreite stehen mit keinen Angaben zu den OSB-Platten aus D3 in Widerspruch, und der Fachmann würde daher diese fehlenden Angaben ergänzen bzw. wie bekannt aus D10 entnehmen. Darüber hinaus sei das Doppeln von Platten eine herkömmliche, wenn nicht trivialste Maßnahme überhaupt, um die Tragfähigkeit von Platten zu erhöhen, und der Fachmann hatte daher unmittelbaren Anlass, eben diese Maßnahme zu ergreifen. Da es sich bei OSB-Platten um Spanplatten handle, führe auch D12 zu Anspruch 1, da aus D12 hervorgehe, dass für Spanplatten eine größere Festigkeit erzielbar sei, wenn für ein Wandelement anstatt einer Platte großer Dicke mehrere dünne Spanplatten miteinander verklebt werden. Und schließlich sei aus der EN-Norm in D15 bekannt, dass OSB-Platten mit zunehmender Dicke geringere Biegefestigkeiten aufweisen. OSB-Platten verhielten sich also genau so wie die in D12 angesprochenen Spanplatten, da sie bei geringerer Dicke mit vergleichsweise höherer Festigkeit herstellbar seien, wodurch Doppeln auch aus D15 nahegelegt sei. Daher beruhe, ausgehend von D3, der Gegenstand des Anspruchs 1 auf keiner erfinderischen Tätigkeit.
Die Beschwerdeführerin I führte in der Verhandlung zunächst zur Interpretation des Begriffs "Hauptbelastungsrichtung" einer OSB-Platte in Anspruch 1 aus, dass den Platten des beanspruchten Bauteils eine solche Belastungsrichtung nicht anzusehen sei und für den Fachmann daher kein klar verständliches Merkmal darstelle. Weiters nehme Anspruch 1 auf vage Begriffe wie "Geschosshöhe" oder "tragende Wandkonstruktion" Bezug, die offenbar keine Merkmale des beanspruchten Bauteils selbst bilden.
Jedenfalls beschreibe der nächstliegende Stand der Technik, D10, auf Seite 10-5 ff. bereits OSB-Platten mit Materialeigenschaften nach Anspruch 1, die als Wand beim Holzhausbau eingesetzt werden. Ausgehend von D10 unterscheide sich Anspruch 1 nur dadurch, dass mindestens zwei Platten zusammengeklebt werden und eine tragende Konstruktion darstellen. Auch D12 betreffe Konstruktionselemente zur Verwendung als Wandteil und beschreibe auf Seite 2, dass mit geringem Herstellungsaufwand die Festigkeit der Elemente erhöht werde, indem mehrere Platten miteinander verklebt seien. Dies sei auch aus wirtschaftlichen Gründen der Fall, da Spanplatten, ebenso wie 40 mm Standard OSB-Platten, nicht mit großer Dicke herstellbar seien.
Da in D10 OSB- und Spanplatten zur gleichen Familie allgemein bekannter Holzwerkstoffplatten gehören, und laut DIN-Norm aus D14 auch OSB-Platten in tragenden Bauteilen verklebt werden können, würde der Fachmann mehrere OSB-Platten aus D10 entsprechend dem Hinweis aus D12 zur wirtschaftlichen Erhöhung der Festigkeit einer tragenden Wand miteinander verkleben, also doppeln, um dadurch naheliegend zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen.
Die Beschwerdegegnerin erwiderte in der Verhandlung, dass zum Verständnis des Anspruchs 1 die Beschreibung des Patents gemäß Auslegungsprotokoll heranzuziehen sei und war der Ansicht, dass unter Hauptbelastungsrichtung "senkrecht zur Plattenebene längs gemäß (europäischer Norm) EN 789" gemeint sei. Darüber hinaus sei das beanspruchte Bauteil sehr wohl durch die Zweckangaben "Geschosshöhe" bzw. "tragende Wandkonstruktion" eingeschränkt, denn diese Angaben beziehen sich auf die hierfür erforderliche Eignung der Platten des Bauteils in dessen Einbauzustand, etwa beim Bau von Fertighäusern. Anspruch 1 beziehe sich daher auf ein Bauteil, das für sich genommen ein tragendes Element darstelle, ohne dass zusätzliche Versteifungselemente wie z.B. Fachwerke oder Pfosten vorgesehen werden müssen.
So führte die Beschwerdegegnerin im schriftlichen Verfahren zur von der Beschwerdeführerin II genannten D3 aus, dass im Gegensatz zu einer bloßen Beplankung bzw. Verkleidung wie in D3, das in Anspruch 1 beanspruchte Bauteil in Richtung der Längsmittelebene eine hohe Tragfähigkeit habe, und somit selbst das tragende Element bilde, sobald es als Wandelement eingesetzt werde. Darüber hinaus offenbare D3 auch kein Bauteil mit mindestens zwei mehrlagigen und miteinander mindestens teilweise verklebten OSB-Platten, die großflächig und fugenlos verbunden seien.
Zur D10 stellte die Beschwerdegegnerin in der Verhandlung fest, dass hierin klar zwischen OSB-Platten und üblichen Spanplatten unterschieden werde. Diese unterscheiden sich sowohl in deren Herstellung als auch in ihren Eigenschaften, etwa den völlig unterschiedlichen E-Moduli wie in den Tabellen auf Seite 10-15 im Vergleich zu Seite 10-17 beschrieben. Dieser Umstand sei auch D13 aus Spalte 10 zu entnehmen: "oriented strandboard is not particleboard". Ausgehend von D10 bzw. D3 sei gemäß Patent eine OSB-Platte so weiterzuentwickeln, dass sie für den Aufbau von Gebäuden als tragende Wandkonstruktion verwendet werden kann, wobei die Festigkeit der OSB-Platte nochmals gesteigert werde.
Es sei nicht bestritten, dass das Doppeln von (Span-) Platten an sich bekannt sei, wie etwa aus der D12. Das Dokument D12 stamme jedoch aus dem Jahre 1971 und beschäftige sich nicht mit OSB-Platten, sondern mit spröden bzw. brüchigen Span- oder Pressplatten, wie aus Seite 1 der D12, und den in D10 beschriebenen geringen E-Moduli für Spanplatten hervorgehe. Der Fachmann würde daher eine Lehre für Platten aus Materialien mit ganz anderen, sehr geringen, Festigkeitseigenschaften so wie in D12 nicht heranziehen, um mehrere großformatige OSB-Platten zu einem Wandelement zu verbinden. Darüber hinaus gebe es im Stand der Technik keinen Hinweis, auch nicht aus der DIN-Norm nach D14, zwei OSB-Platten zu einer tragenden Wandkonstruktion zu verbinden. Im Gegenteil, so sei beispielsweise in D1 eine einteilige OSB-Platte mit bis zu 150 mm Dicke als Wandelement beschrieben, die durch Auswahl von Lagen und Ausrichtung der Späne hohe Festigkeitswerte und somit lastabtragende Tragfähigkeiten erreiche. Im schriftlichen Verfahren führte die Beschwerdegegnerin zu der von der Beschwerdeführerin II genannten EN-Norm aus D15 aus, dass auch in D15 eine höhere Tragfähigkeit bei OSB-Platten nicht zwangsläufig durch Doppeln, sondern vielmehr einfach durch die Erhöhung der Dicke einer Einzelplatte erreicht werden könne. Daher sei Anspruch 1 ausgehend von D10 oder D3 durch den übrigen Stand der Technik nicht nahegelegt.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerden sind zulässig.
2. Zulässigkeit von Beweismitteln
Das Dokument D13 betrifft Holzwände unter Verwendung von OSB-Platten im Fertigteilhausbau (siehe Zusammenfassung; Spalte 1; Spalte 9, Zeile 62 bis Spalte 10, Zeile 28; und die Figuren). Darüber hinaus ist nach der DIN-Norm aus D14 auf den Seiten 121 und 122 die Bemessung von Holzbauwerken für das Verkleben von tragenden Bauteilen, unter anderem von OSB-Platten, geregelt. Über die Anforderungen an tragende OSB-Platten, insbesondere an die für die Bemessung zulässigen E-Moduli in Abhängigkeit von der Plattendicke, gibt Seite 186 der EN-Norm aus D15 Auskunft. Die Kammer vertritt somit die Auffassung, dass diese mit den Beschwerdebegründungen der Beschwerdeführerinnen eingereichten Dokumente in Hinblick auf die Tragfähigkeit und Verklebung mehrerer OSB-Platten bei Wänden von Gebäuden relevant erscheinen. Die Zulassung der Dokumente D13 bis D15 gemäß Artikel 12(4) VOBK ist daher gerechtfertigt.
3. Änderungen
(Artikel 123(2),(3) und 84 EPÜ)
Die Kammer folgt der Ansicht der Einspruchsabteilung, wonach die geänderten Ansprüche die Erfordernisse der Artikel 123(2) und (3) erfüllen, was im übrigen von den Beschwerdeführerinnen nicht angezweifelt wurde. Durch die in der Verhandlung vor der Kammer durchgeführten Änderungen auf den Beschreibungsseiten 4 und 5 und dem Streichen der Figuren 3a, 3b und 4 wurden Widersprüche zu Anspruch 1 ausgeräumt, vgl. Artikel 84 EPÜ.
4. Erfinderische Tätigkeit
(Artikel 100a) i.V.m. Artikel 56 EPÜ)
4.1 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen ist das in Anspruch 1 beanspruchte Bauteil durch ein funktionelles Merkmal eingeschränkt, nämlich dadurch, dass die OSB-Platten des Bauteils eine mindestens eine Geschosshöhe umfassende tragende Wandkonstruktion darstellen. Dass sich diese Angabe für die erforderliche Eignung der Platten nur auf den eingebauten Zustand des Bauteils in Form einer Wand eines Gebäudes beziehen kann, geht aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 nach Ansicht der Kammer unmissverständlich hervor. Weiters stellt die in Anspruch 1 genannte "tragende Wandkonstruktion" einen für den Baufachmann klar verständlichen Begriff dar, der die statische Tragfähigkeit einer solchen Wand impliziert und somit keine lediglich der Raumaufteilung dienende Trennwand betrifft. Eine tragende Wand unterscheidet sich nach Ansicht der Kammer deutlich in ihrer Dimensionierung aus den statischen Nachweisen zufolge Auflast, und folglich auch in ihrer konstruktiven Ausgestaltung von einfachen, statisch nicht tragfähigen Trennwänden: etwa durch die Verwendung bestimmter Ziegeltypen bei gemauerten Wänden, durch die Einlage von Bewehrungskörben im Betonbau oder durch spezielle Sandwichbauweisen im Holzbau. Dieses allgemeine Verständnis zu "tragenden" Bauteilen im Bauwesen geht beispielsweise auch aus Dokument D1 hervor, vgl. Seite 1, Zeilen 1 bis 5 und 21 bis 27 und Seite 2, Zeile 25 bis Seite 3, Zeile 17.
Die Kammer folgt zudem der Auffassung der Beschwerdegegnerin, wonach Anspruch 1 nur dahingehend verstanden werden kann, dass sich Anspruch 1 auf ein Bauteil bezieht, welches im eingebauten Zustand bereits für sich genommen ein tragendes Wandelement in Geschosshöhe darstellt. Die Dimensionierung der OSB-Platten erfolgt also derart, dass sie allein, ohne weitere Verstärkungselemente eine Tragfunktion übernehmen können, womit die in Anspruch 1 beschriebene "Hauptbelastungsrichtung" jeder Platte im Einbauzustand technisch sinnvoll nur in Richtung dieser Tragfunktion liegen kann, d.h. in der Richtung, in der auch der Biegeelastizitätsmodul jeder Platte seinen größten Wert hat. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist nach Auffassung der Kammer für den Fachmann daher hinreichend klar angegeben, welcher keiner weiteren Interpretation unter Zuhilfenahme der Beschreibung des Patents bedarf. Die von der Beschwerdegegnerin verwandte einschränkende Lesart im Lichte der Beschreibung, wonach angeblich mit dem Begriff "Hauptbelastungsrichtung" das Merkmal "senkrecht zur Plattenebene längs gemäß EN 789" gemeint sei, ist somit für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes nach Anspruch 1 ohne Belang.
4.2 Die Kammer stimmt mit der Ansicht der Beschwerde-führerin I überein, wonach Dokument D10 den nächstliegenden Stand der Technik bildet, da D10 OSB-Einzelplatten mit den in Anspruch 1 genannten Plattenabmessungen, Strandgrößen und Biegeelastizitätsmoduli offenbart, und deren Verwendung im Verbund als Dach-, Wand- oder Bodenabdeckung ("sheathing") im Wohn- und Industriebau beschrieben wird (siehe D10; Seite 10-5, rechte Spalte, zweiter Absatz; Seite 10-13, linke Spalte, ab "Particle and Fiber Composites", bis rechte Spalte Ende des zweiten Absatzes; Seite 10-14, linke Spalte, erster Absatz und Figur 10-6; Seite 10-15, "Table 10-7: Modulus of elasticity").
Unter Berücksichtigung der Ausführungen zuvor unter Punkt 4.1 unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Offenbarung aus D10 durch ein Bauteil, welches mindestens zwei mindestens teilweise verklebte OSB-Platten aufweist, welche großflächig und fugenlos verbunden sind, und (bereits alleine) eine mindestens eine Geschosshöhe umfassende tragende Wandkonstruktion darstellen. Die Neuheit des Anspruchs 1 wurde im übrigen von den Beschwerdeführerinnen nicht bestritten.
Ausgehend von D10 kann diesen Merkmalen die Aufgabe zugrunde gelegt werden, die aus D10 bekannte OSB-Platte so weiterzuentwickeln, dass sie für den Aufbau von Gebäuden als tragende Wandkonstruktion verwendet werden kann.
Basierend auf der Lehre der D10, wo großformatige OSB-Platten bei Dächern, Wänden und Böden lediglich als Abdeckung ("sheathing"), d.h. als Bauteil im Verbund mit zusätzlichen Stützkonstruktionen vorgeschlagen werden, gibt es für den Fachmann zunächst keinen Anlass, für eine tragende Wand ausschließlich OSB-Platten, und zwar zudem in Geschosshöhe, vorzusehen. Auch D12 beschreibt lediglich die Verwendung eines Konstruktionselements in Form von mehreren übereinanderliegenden Span- oder Pressplatten für ein nicht näher spezifiziertes "Wandteil" bzw. "Wandelement" (siehe D12; Seite 1, erster und zweiter Absatz; Seite 2, zweiter Absatz bis Seite 3 zweiter Absatz; Figur 1). Weiters beschreibt die DIN-Norm nach D14 auf den Seiten 121 und 122 zwar verklebte Verbindungen in tragenden Bauteilen von Holzbauwerken und insbesondere das Verkleben von OSB-Platten. Ein Hinweis, wonach solcherart verklebte OSB-Platten selbst als tragende Wand in Geschosshöhe dienen können ist D14 jedoch nicht entnehmbar. Das gleiche gilt für die Verwendung von OSB-Platten für "tragende Zwecke" in der EN-Norm nach D15 auf Seite 186. Auch D13 ist kein Hinweis zu entnehmen, dass für die Wandpaneele ("wall partitions") mehrere verklebte OSB-Platten selbst eine tragende geschosshohe Wandkonstruktion bilden (siehe D13; Zusammenfassung; Spalte 1, Zeilen 11 bis 40; Spalte 9, Zeile 28 bis Spalte 10, Zeile 28; und die Figuren). Und schließlich führt Dokument D1 von der Ausbildung mehrerer miteinander verbundener OSB-Platten als tragende Wandkonstruktion weg, da D1 ein großformatiges, massives, lastabtragendes Wandelement beschreibt, welches aus einer einteiligen OSB-Platte mit bis zu 150 mm Dicke besteht und dessen Tragfähigkeit mittels Auswahl der Lagen und Orientierung der Flachspanstreifen bestimmt wird (siehe D1; Zusammenfassung; Seite 1, erster Absatz; Seite 2, Zeilen 25 bis 33; Seite 7, Zeilen 5 bis 16; und Figur 4).
Es muss daher der Schluss gezogen werden, dass selbst unter der von den Beschwerdeführerinnen vorgetragenen Annahme, wonach das "Doppeln" von OSB-Platten mittels großflächiger fugenloser Verklebung zur Erhöhung der Festigkeit einer Einzelplatte aus D10 entweder durch allgemeines Fachwissen, oder durch die für Spanplatten bekannte Lehre aus D12 nahegelegt sei, es für den Fachmann aus dem Stand der Technik keinerlei Anregung gibt, zwei solcherart verklebte OSB-Platten alleine als geschosshohe tragende Wand auszubilden. Die gleiche Überlegung gilt ausgehend von D3. D3 offenbart wie D10 lediglich OSB-Platten als Beplankung, und gibt zudem keine Auskunft über Biegeelastizitätsmodul und Strandbreiten der Platten (siehe D3; Zeilen 16 bis 18, 28 bis 30 und 37 bis 38).
Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt daher die Erfordernisse der erfinderischen Tätigkeit.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz
zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent mit den folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
1) Ansprüche 1 bis 25
2) Beschreibung, Seiten 2 bis 6
3) Figuren 1 und 2,
wie in der mündlichen Verhandlung eingereicht.