T 0224/08 () of 18.5.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T022408.20100518
Datum der Entscheidung: 18 Mai 2010
Aktenzeichen: T 0224/08
Anmeldenummer: 01943116.2
IPC-Klasse: F21L 4/08
F21W 101/08
B60Q 3/02
F21V 21/088
F21V 21/096
F21V 5/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Steckerleuchte
Name des Anmelders: Witte & Sutor GmbH
Name des Einsprechenden: emkatron
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Klarheit, Neuheit, erfinderische Tätigkeit: bejaht
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 30. November 2007, mit der das Patent Nr. EP-B- 1 290 374 (auf der Basis einer Internationalen Anmeldung PCT/DE01/01895 mit der Veröffentlichungsnummer WO-A-01/90634) widerrufen wurde.

Insbesondere stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der beanspruchte Erfindungsgegenstand von dem Stand der Technik in naheliegender Weise herleitbar gewesen sei und damit auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe.

II. Die Beschwerde wurde von der Patentinhaberin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) am 21. Januar 2008 eingelegt. Am gleichen Tag wurde die Beschwerdegebühr entrichtet.

Die Beschwerdebegründung wurde am 10. April 2008 eingereicht.

III. Eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 18. Mai 2010 statt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrecherhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung am 18. Mai 2010 eingereichten Anspruchs 1.

Die Einsprechende (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Am Schluss der Verhandlung hat die Kammer ihre Entscheidung verkündet.

IV. Der während der mündlichen Verhandlung am 18. Mai 2010 eingereichte Anspruch 1 lautet folgendermaßen:

a) "Lese-Steckerleuchte (1) zum Anschluss an eine Anschlussbuchse eines, vorzugsweise 12 V- bzw. 24 V-, Niederspannungsnetzes, insbesondere im Kfz.-Bereich,

b) die eine lichtstarke und blendfreie Beleuchtung zum Lesen von Karten bietet,

c) mit einem als Akkumulator ausgebildeten Stromspeicher zur netzunabhängigen Spannungsversorgung der Steckerleuchte (1),

d) wobei als Leuchtmittel eine Leuchtdiode (13) eingesetzt wird,

e) wobei der Akkumulator und die Leuchtdiode (13) derart aufeinander abgestimmt sind, dass die Schwellspannung (Us) der Leuchtdiode (13) größer, gleich einer Entladeschlussspannung (Uo) des jeweiligen Akkus ist,

f) wobei der Akkumulator mehrere Zellen aufweist,

g) wobei die Zahl (z) der Zellen, die Entladeschlussspannung (Uo) der Akkuzellen und die Schwellspannung (Us) der Leuchtdiode (13) so gewählt ist, dass jeweils gilt:

Us >= Uo*z,

h) so dass nach dem Unterschreiten der Schwellspannung (Us) eine weitere Belastung des Akkumulators vermieden wird und ein Tiefentladeschutz für den Akkumulator gegeben ist."

Die Unterstreichungen kennzeichnen die gegenüber dem erteilten Anspruch 1 vorgenommenen inhaltlichen Änderungen.

V. Der im Beschwerdeverfahren herangezogene Stand der Technik beruht auf folgenden Dokumenten:

E2: DE-C- 43 22 509

E3: DE-A- 197 51 077

E6: Kopie einer zweiseitigen Bedienungsanleitung für die Taschenlampe "Acculux LED 2000" der Firma Witte + Sutor GmbH, nicht datiert;

E8: von der Firma Witte + Sutor GmbH an Herrn Winfried Wünsch ausgestellte Rechnung zum Kauf von 10 Taschenlampen "Acculux LED 2000", 22. Dezember 1999;

VI. Die Beschwerdeführerin stützt sich im wesentlichen auf folgende Argumente:

Die Merkmale des Anspruchs 1, insbesondere die hinzugefügten Begriffe "lichtstarke und blendfreie Beleuchtung zum Lesen von Karten" und die geänderten Merkmale g) und h), wenn im Lichte der Gesamtoffenbarung des Patents gewürdigt, genügten den formalen Erfordernissen der Artikel 84 und 123 EPÜ.

Das Heranziehen der E6 sei nicht zulässig, da sie bis zur mündlichen Verhandlung nicht im Beschwerdeverfahren gewesen und damit verspätet vorgebracht sei.

Zudem sei von der Einsprechenden nicht nachgewiesen worden, dass die Bediendungseinleitung E6 tatsächlich in den Verpackungsschachteln der 10 verkauften Leuchten Acculux LED 2000 gemäß Rechnung E8 vorhanden waren. Somit gehöre E6 nicht zum Stand der Technik im Sinne von Artikel 54(2) EPÜ.

Außerdem sei die beanspruchte Leuchte gegenüber der Acculux LED 2000 (E6) neu; sie unterscheide sich nämlich indem:

- das Versorgungsnetz ein Niederspannungsnetz sei,

- und der in E6 nicht näher beschriebene Tiefentladeschutz für den Akkumulator erfindungsgemäß durch das gezielte Abstimmen der Schwellspannung der Leuchtdiode mit der Zahl und Entladeschlussspannung der Zellen erreicht werde (Us >= Uo*z).

Die Leuchte der E3 sei weder in ihrem Anzeigemodus mit kleinerer Lichtstärke zur reinen Sichtanzeigefunktion (Display), noch in ihrem Notsignalmodus mit hochintensivem Flackerlicht, und zwar aufgrund der gespendeten Lichtqualität bzw. -intensität, als Lese-Leuchte zum Lesen von Karten geeignet. Ferner gebe es keine Schutzmassnahme in E3 gegen ein Tiefentladen des Akkus (Merkmale g), h) des Anspruchs).

Der Fachmann hätte, jeweils von der E6 oder der E3 ausgehend, die E2 zum Schutz des Leuchtenakkumulators vor einem Tiefentladen nicht herangezogen, weil die E2 einerseits keine Leseleuchte, sondern eine Signalbeleuchtung betreffe, und andererseits die in E2 angegebene technische Aufgabe nichts mit einem Tiefentladeschutz zu tun habe.

Außerdem könne der Fachmann allein aus den konkreten Wertangaben im Rahmen des in Spalte 4 der D2 definierten Ausführungsbeispiels keine allgemeine Lehre oder Regel hinsichtlich einer Abstimmung der Schwellspannung der Leuchtdiode mit der Zahl und Entladeschlussspannung der Akkuelemente herleiten.

Daher sei die beanspruchte Erfindung nicht ohne erfinderisches Zutun aus der Kombination der E3 mit der E2 bzw. der E6 mit der E2 in naheliegender Weise herleitbar und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden.

Der Anspruch 1 sei durch die Aufnahme folgender Begriffe unklar (Artikel 84 EPÜ):

- "zum Lesen von Karten" (Merkmal b), da nur eine Wiedergabe der Aufgabe und nichts aussagend über etwaige Eigenschaften des gespendeten Lichts;

- "so dass nach dem Unterschreiten der Schwellspannung ... ein Tiefentladeschutz für den Akkumulator gegeben ist" (Merkmal h), da damit lediglich ein zu erreichendes Ergebnis definiert werde, der Begriff "Schwellspannung" keine klare universelle Bedeutung habe und daher z.B. auch den Anfangswert der Betriebsspannung der Leuchtdiode bedeuten könne, und letztendlich auch weil keine konkreten Maßnahmen zum Verhindern eines Tiefentladens definiert seien.

Die beanspruchte Leuchte sei durch die Taschenlampe "Acculux LED 2000" (E6) neuheitsschädlich vorweggenommen.

Außer den Merkmalen a) bis d), wobei eine Spannung von 220V-230V bereits als Niederspannungsnetz durchaus zu würdigen sei, offenbare die E6 wie folgt auch die restlichen Merkmale e) bis h) des Anspruchs 1:

- der NiMH-Akku weise vier Akkuzellen auf, wie aus der Tabelle auf Seite 2, Spalte "LED 2000", Zeile "Akku-Spannung: 4*1,2=4,8V" (Merkmal f) herleitbar;

- die als Schwellspannung geltende Betriebspannung der Taschenlampe liege im Bereich von 3,2V-4,8V (vgl. Tabelle, Spalte "LED 2000", Zeile "Spannung"), wobei es zum allgemeinem Fachwissen gehöre (in E9 nachzulesen), dass die Tiefentladespannung für eine NiMH-Akkuzelle bei einem Wert von etwa 0,6V liege; daraus ließe sich schließen, dass auch in E6 die Schwellspannung größer als die Entladeschlussspannung der Akkuzellen bestimmt sei (Merkmale e) und g)), was dann zwangsläufig einem Tiefentladeschutz gemäß dem rein ergebnis-orientierten Merkmal h) entsprechen würde.

Außerdem sei das Merkmal g):

"wobei die Zahl (z) der Zellen, die Entladeschlussspannung (Uo) der Akkuzellen und die Schwellspannung (Us) der Leuchtdiode (13) so gewählt ist, dass jeweils gilt: Us >= Uo*z",

an sich auch aus der E2 bekannt (Spalte 4, Zeilen 1 bis 34) und hätte in naheliegender Weise den Fachmann dazu geführt, die gleichen Maßnahmen an einer Leuchte gemäß E6 oder E3 (wie in der Entscheidung von der Einspruchsabteilung begründet) anzuwenden.

Der beanspruchte Gegenstand beruhe daher auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Im Anspruch 1 vorgenommene Änderungen

2.1 Artikel 123 EPÜ

Gegenüber dem erteilten Anspruch 1 wurden folgende Merkmale hinzugefügt:

- M1: die Steckerleuchte ist eine Lese-Steckerleuchte, die eine lichtstarke und blendfreie Beleuchtung zum Lesen von Karten bietet;

- M2: der Stromspeicher ist als Akkumulator ausgebildet;

- M3: durch ein aufeinander Abstimmen des Akkumulators und der Leuchtdiode wird nach dem Unterschreiten der Schwellspannung eine weitere Belastung des Akkumulators vermieden und ein Tiefentladeschutz für den Akkumulator gegeben.

Die ursprüngliche Offenbarung in den veröffentlichten Anmeldungsunterlagen ergibt sich wie folgt und wurde von der Beschwerdegegnerin auch nicht bestritten:

- zu M1: Seite 2, Zeilen 1 bis 8, und Seite 2, Zeile 30 bis Seite 3, Zeile 2 (bzw. Abschnitte [0004] und [0007] des Patents);

- zu M2 und M3:

Seite 3, Zeile 21 bis Seite 4, Zeile 6 (bzw. Abschnitte [0010] und [0011] des Patents).

Somit sind die Erfordernisse des Artikels 123(2), (3) EPÜ erfüllt.

2.2 Artikel 84 EPÜ

Der beanspruchte Gegenstand betrifft eine Steckerleuchte, welche naturgemäß nur dann benutzt wird, wenn die umgebenden Lichtverhältnisse es zweckdienlich machen. Das Merkmal M1 definiert weiter, welches Licht von der Leuchte gespendet werden soll, nämlich ein derart quantitatives und qualitatives Licht, dass damit eine Karte gut und blendfrei gelesen werden kann.

Für den Fachmann ist also die Angabe durch das Merkmal M1 ohne weiteres klar und verständlich.

Im erteilten Anspruch 1 waren die die Abstimmung der Leuchtdiode auf die Entladeschlussspannung des Stromspeichers definierenden Merkmale e), f) und g) auch schon enthalten; sie stehen daher nicht zur Debatte hinsichtlich der Klarheit nach Artikel 84 EPÜ.

Das Merkmal M3 fügt dem beanspruchten Gegenstand weder ein neues konstruktives noch ein zusätzliches funktionelles Merkmal hinzu.

Es definiert lediglich ein durch die vorhergehende Angabe der Abstimmung der Leuchtdiode und des Akkumulators zu erreichendes Ergebnis.

Das beanspruchte Ergebnis (Merkmal M3 bzw. h) des Anspruchs 1) ist an sich klar genug definiert.

Die Kammer, im Einklang mit der Begründung in der angefochtenen Entscheidung, versteht unter dem Begriff "Schwellspannung" im Zusammenhang mit der Wirkungsangabe "das Vermeiden von weiterer Belastung nach dem Unterschreiten der Schwellspannung" die Spannung, unter welcher nur der vernachlässigbare Ruhestrom der LED und damit kein merklicher Strom durch die Leuchtdiode mehr fließt, so dass folglich der Akkumulator von einem Tiefentladen geschützt werden kann. Der Fachmann würde den Begriff "Schwellspannung" in diesem Kontext keinesfalls als die Betriebspannung, also die Spannung ab welcher die Leuchtdiode beginnt, deutlich wahrnehmbares Licht zu spenden, verstehen, da hierzu ein merklicher und erheblich größerer Betriebsstrom benötigt wird.

Der Anspruch 1 erfüllt daher auch die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.

3. Stand der Technik - Neuheit

3.1 Die Kammer teilt die Auffassung der Einspruchsabteilung, dass die Bedienungseinleitung E6 zusammen mit den vertriebenen Leuchten "Acculux LED 2000" (Rechnung E8) öffentlich zugänglich gemacht wurden und deren Inhalt zum Stand der Technik nach Artikel 54(2) gehört.

Dies wurde allerdings von der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung mit dem Anmerkung bestritten, dass der unmittelbare Zusammenhang der E6 und E8, bzw. dass genau die Einleitung E6 in den Faltschachteln der verkauften Leuchten enthalten war, von der Einsprechenden nie nachgewiesen worden sei.

Die Kammer sieht hier einen Grenzfall des allgemeinen Prinzips der Beweislast für die Einsprechende, zumal die Einsprechende sämtliche, aus ihrer Position zu ermittelnde schriftliche Dokumente vorgebracht und die Umstände und der Gegenstand des ansonst nicht bestrittenen offenkundigen Vertriebs der Leuchten so weit wie überhaupt möglich nachgewiesen hat. Im vorliegenden Fall hat die Firma der Beschwerdeführerin die Rechnung E8 erstellt und die Acculux LED 2000 Leuchten selbst vertrieben. Wäre also entgegen der normalen Erwartung die für das gleichnamige Produkt verfasste Bedienungseinleitung gerade nicht mit dem Produkt mitgeliefert worden, so hätte dem Vertreiber, also der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) freigestanden, objektiv nachvollziehbare Gründe, Erklärungen oder zumindest konkrete Anhaltspunkte zu den bestrittenen Umständen des damaligen Vertriebs anzugeben.

Die Kammer stellt diesbezüglich auch fest, dass die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) im Einspruchsverfahren die offenkundige Vorbenutzung, wie unter anderem durch die E6 und E8 belegt, lediglich formell bestritten hatte ("hiermit ausdrücklich bestritten"), ohne jedoch ein konkretes objektives Argument vorzubringen (siehe Schriftsatz der Patentinhaberin vom 22. Dezember 2006, Seite 7, erster Satz im Abschnitt "2. Neuheit gegenüber der E6").

Aufgrund der vorliegenden Beweismittel liegt der Kammer auch nicht ansatzweise ein Grund vor, an der öffentlichen Zugängigkeit von E6 durch das Mitliefern der für die vertriebenen Leuchten gemäß Rechnung E8 erstellten und mit dem gleichnamigen Titel "Acculux LED 2000" versehenen Bedienungseinleitung E6, wie geltend gemacht und von der Einspruchsabteilung anerkannt, zu zweifeln.

3.2 Neuheit

In der Bedienungseinleitung E6 wird die Acculux LED 2000 Leuchte wie folgt beschrieben:

- eine tragbare Taschen- bzw. Handleuchte, welche implizit eine lichtstarke und blendfreie (gebündelter Lichtstrahl) Beleuchtung bietet, natürlich auch zum Lesen von Karten geeignet;

- mit einer Leuchtdiode als Leuchtmittel (Seite 1, zweite Spalte, Absatz "Leuchtmittel");

- mit einem aufladbaren Akku für eine Aufladespannung von 110-230VAC, 50-60Hz (Seite 1, erste Spalte), wobei der Akkumulator vier Zellen aufweist (Seite 2, Spalte "LED 2000 / NiMH-Akku" der Tabelle, Zeile "Akku-Spannung": "4*1,2=4,8V").

Die beanspruchte Leuchte unterscheidet sich gegenüber der Acculux-Leuchte durch die Merkmale a), e), g) und h) des Anspruchs 1.

Im Gebiet der akkubetriebenen Steckerleuchte würde der Fachmann unter dem Begriff "Niederspannungsnetz" eine Spannung unter etwa 36V, beispielsweise in der Größenordnung von 12V-24V, und nicht, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, die Hausnetzspannung von etwa 220V verstehen.

Auch fehlt in E6 eine Angabe über die Entladeschlussspannung des Akkus sowie über das gezielte Abstimmen des Akkumulators mit der Leuchtdiode, wodurch die Schwellspannung (Us) der Leuchtdiode größer, gleich einer Entladeschlussspannung (Uo) des jeweiligen Akkus sein soll (Us>=Uo*z).

Eine von der Beschwerdegegnerin herangezogene Email vom 23. Mai 2006 der Firma Varta Microbattery GmbH als Antwort auf ihre Faxanfrage hinsichtlich der technischen Eigenschaften von Akkus des Typs V150H gehört nicht zum Stand der Technik und kann auch nicht das allgemeine Fachwissen vor dem Prioritätstag des angefochtenen Patents darlegen. Zudem wird dort weder eine Angabe über ein Abstimmen der Leuchtdiode mit dem Akku noch eine Entladeschlussspannung oder Tiefentladespannung des Akkus definiert.

Die E6 gibt zwar in der ersten Spalte der Seite 1 an, dass die Acculux-LED-Leuchte gegenüber den herkömmlichen Glühlampen als Vorteil keine Tiefentladung des Akkus bietet. Es ist aber der E6 nicht zu entnehmen, ob zusätzlich zum Leuchtmittelwechsel von einer herkömmlichen Glühlampe auf eine Leuchtdiode (LED) noch weitere Maßnahmen einzusetzen wären, um das Tiefentladen auch tatsächlich vermeiden zu können.

In diesem Zusammenhang und entgegen der Behauptung der Beschwerdegegnerin entspricht die Betriebspannung der LED in E6 (3,2V bis 4,3V in der Tabelle auf Seite 2), also die Spannung, ab welcher die Leuchtdiode beginnt deutlich wahrnehmbares Licht zu spenden und wozu ein merklicher Betriebsstrom benötigt wird, nicht der beanspruchten Schwellspannung, wie oben dargelegt.

Daher kann der Vergleich dieser Betriebspannung mit irgendeinem anderen Wert einer vermutlichen Entladeschlussspannung der Akkuzellen in keiner Weise einen Hinweis auf die beanspruchte Abstimmung gemäß Merkmal g) und die daraus resultierende Wirkung gemäß Merkmal h) liefern.

Die beanspruchte Leuchte ist auch im Vergleich zu den weiteren vorgebrachten Beweismitteln zum Stand der Technik neu.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 Ausgehend von der E6 hätte der Fachmann keine Anregung finden können, die Leuchtdiode und die Akkuzellen aufeinander wie im Anspruch 1 definiert abzustimmen.

Die von der Beschwerdegegnerin herangezogene E2 betrifft keine Leseleuchte, sondern eine Beleuchtungseinrichtung, wie sie beispielsweise zur Kennzeichnung von Park- oder Begrenzungspfosten verwendet wird, und daher eine Leuchte in einem technisch unterschiedlichen, benachbarten Anwendungsgebiet.

Die dort zu lösende Aufgabe (Spalte 1, Zeilen 21 bis 29) befasst sich nicht mit der erhöhten Langlebigkeit des Akkumulators, sondern liegt darin, die Beleuchtungseinrichtung derart weiterzubilden, dass eine kompakte und kostengünstige Bauweise erzielt wird, die länger wartungsfrei eine bessere Signalwirkung und einen besseren Wirkungsgrad sichern soll.

Es ist demnach vorab fraglich, ob der Fachmann die E2 überhaupt herangezogen hätte, um den in E6 zitierten Tiefentladungsschutz des Akkumulators durch konkrete technische Maßnahmen zu schaffen.

Hätte dennoch der Fachmann die E2 berücksichtigt und gelesen, so hätte er bei der Beschreibung einer speziellen Weiterbildung in Spalte 4, Zeilen 1 bis 34, lesen können, dass eine Tiefentladung des Akkumulators vermieden werden kann (Zeilen 11 und 12). Die E2 nennt hierzu aber keine allgemeine Regel bzw. keine gesonderte Abstimmung der Leuchtdiode mit den Akkuzellen.

Wie der Tiefentladeschutz in E2 gewährleistet wird, könnte der Leser lediglich mit Hilfe eigener Überlegungen, unter Bezug auf die vorhergehende Textstelle (Zeilen 1 bis 11) und die dort enthaltenen spezifischen Wertangaben ermitteln, nämlich:

- eine Betriebsspannung im Wert von 2,5V für den zweizellige Nickel-Cadmium-Akkumulator, wobei ein Überladen ausgeschlossen werden soll, und

- die Durchlassspannung der Leuchtdiode von beispielsweise 1,8V.

Damit würde sich allerdings nur ergeben, dass die Betriebsspannung des Akkus erheblich über der Durchlassspannung der LED liegen soll. Eine Bedeutung oder Berücksichtigung der Entladeschlussspannung des Akkumulators lässt sich daraus nicht ableiten;

eine Regel zum Abstimmen der Schwellspannung der Leuchtdiode mit der Entladeschlussspannung der Akkuzellen liegt daher auch nicht auf der Hand.

Die Zusammenschau der E6 und E2 kann also nicht in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand führen.

4.2 In der angefochtenen Entscheidung und von der Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren weiter verfolgt, wurde eine mangelhafte erfinderische Tätigkeit auch damit begründet, dass für den Fachmann die Zusammenschau der E3 mit der E2 in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand führen würde.

Die E3 weist eine Sichtanzeige auf, die zwar in gewissem Maß und im ganz allgemeinen Sinn als Leuchte angesehen werden kann, jedoch keinesfalls eine Lese-Leuchte mit einer für das Lesen von Karten geeigneten Beleuchtung darstellt.

Diese bekannte Anzeige weist zwei unterschiedliche Betriebssysteme auf:

- im Normal- bzw. Anzeigemodus (Display) bleibt die Leuchte im Zigarettenanzünder eines Fahrzeugs eingesteckt (Spalte 1, Zeilen 8 bis 13; Zeilen 24 bis 30; Zeilen 34 bis 46); in diesem Modus dient die Lichtquelle zum Beleuchten von Anzeigen, Bilddarstellungen oder dgl. und soll dadurch das Fahrvergnügen erhöhen; im Normalmodus spendet die Leuchte ein im Fahrzeug im wesentlich senkrecht nach oben strahlendes Licht und zudem mit geringer Stärke, was ein Lesen von Karten in rein technischer Hinsicht praktisch ausschließt;

- im Notsignalmodus wird die Leuchte vom Fahrzeug abgenommen, von ihrem Akkumulator betrieben und spendet ein hochintensives Flackerlicht (Spalte 1, Zeilen 14 bis 17; Zeilen 30 bis 33; Zeilen 46 bis 56); das Notsignallicht hätte zwar eine für das Lesen von Karten ausreichende Intensität, wäre dennoch dafür gänzlich ungeeignet, weil das Flackern und die hohe Intensität der im Notsignalmodus erforderlichen Beleuchtung ein qualitativ unruhiges und blendendes Licht abgeben (Spalte 1, Zeilen 51 bis 56).

Die Leuchte gemäß E3 kann damit nicht als Ausgangspunkt bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit im Rahmen des Ansatzes Aufgabe-Lösung dienen. Die E3 kann daher auch nicht den nächstliegenden Stand der Technik darstellen.

Eine Zusammenschau der E3, welche, wie bereits in den obigen Absätzen dargelegt, eine Signalbeleuchtung und keine Leseleuchte betrifft, mit der E2 würde somit auf einer reinen ex-post Betrachtung beruhen.

4.3 Die im Anspruch 1 definierte Leuchte beruht damit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 15 in der erteilten Fassung betreffen Weiterbildungen der Leuchte gemäß Anspruch 1.

Die Beschreibung und ggfs. die Figuren sind noch zu überarbeiten und an die geänderte Definition des Erfindungsgegenstands anzupassen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Ansprüchen und einer noch anzupassenden Beschreibung nebst Figuren aufrechtzuerhalten:

- Anspruch 1: während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht;

- Ansprüche 2 bis 15: wie erteilt.

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