T 0194/08 () of 4.6.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T019408.20090604
Datum der Entscheidung: 04 Juni 2009
Aktenzeichen: T 0194/08
Anmeldenummer: 00964106.9
IPC-Klasse: C08G 65/26
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von Blockweichschaumpolyolen
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: THE DOW CHEMICAL COMPANY
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Hinweis auf die Erteilung des europäischen Patents Nr. 1 230 289 der BASF AG (jetzt BASF SE) wurde am 8. Dezember 2004 veröffentlicht (Patentblatt 2004/50). Das Patent basiert auf der europäischen Patentanmeldung Nr. 00964106.9, die auf die internationale Patentanmeldung Nr. PCT/EP2000/008640 zurückgeht, und wurde am 5. September 2000 unter Beanspruchung der Priorität der deutschen Voranmeldung DE 19944762 vom 17. September 1999 angemeldet.

Das erteilte Patent enthielt 9 Ansprüche, wobei Anspruch 1 wie folgt lautete:

"1. Polyetheralkohole, herstellbar durch ringöffnende Polymerisation von Ethylenoxid und mindestens einem Alkylenoxid mit mindestens 3 Kohlenstoffatomen im Molekül an H-funktionelle Startsubstanzen, dadurch gekennzeichnet, daß an die Startsubstanz Ethylenoxid oder ein Gemisch aus Ethylenoxid und mindestens einem Alkylenoxid mit mindestens 3 Kohlenstoffatomen im Molekül mit einem Gehalt an Ethylenoxid von mindestens 98 Gew.-%, bezogen auf das Gemisch, jeweils in einer Menge von maximal 40 Gew.-%, bezogen auf das Gewicht des Polyetheralkohols, angelagert wird und danach mindestens ein Alkylenoxid mit mindestens 3 Kohlenstoffatomen im Molekül oder ein Gemisch aus Ethylenoxid und mindestens einem Alkylenoxid mit mindestens 3 Kohlenstoffatomen im Molekül mit einem Gehalt von maximal 20 Gew.-% Ethylen oxid, bezogen auf das Gemisch, angelagert wird, und als Katalysator mindestens eine Multimetallcyanidverbindung eingesetzt wird.

II. Gegen das Patent wurde am 7. September 2005 von The Dow Chemical Company Einspruch erhoben. Gestützt auf Artikel 100 a) EPÜ machte der Einsprechende geltend, dass der Gegenstand des Streitpatents weder neu noch erfinderisch sei. Der Einspruch stützte sich unter anderem auf folgende Dokumente:

D8: US 5 137 934 A;

D10: WO 97/20875 A; und

D11: US 5 391 722 A.

Am 27. September 2007 reichte der Patentinhaber Vergleichsbeispiele ein, bei denen anhand von Kontaktwinkelmessungen gezeigt werden sollte, dass die mittels einer Multimetallcyanidverbindung (im Folgenden "DMC") als Katalysator hergestellten Polyetheralkohole eine geringere Hydrophilie aufwiesen als die eines unter Alkalimetall-Katalyse erhaltenen Produkts.

Der Einsprechende reichte noch das Dokument D11 (US 5 391 722 A) und Versuchsreihen ein, die die Unzulänglichkeit der vom Patentinhaber eingereichten Versuche bezüglich der Kontaktwinkelmessungen an verschiedenen Polyetheralkoholen verdeutlichen sollten.

III. Mit der am 8. November 2007 mündlich verkündeten und am 21. November 2007 schriftlich begründeten Entscheidung wies die Einspruchsabteilung den Einspruch zurück.

Nach Ansicht des Einsprechenden stelle ein niedriger Gehalt an ungesättigten Bestandteilen den einzig möglichen Unterschied von DMC-katalysierten Polyetheralkoholen gegenüber basisch katalysierten Polyetheralkoholen dar. Eine basische Katalyse, z. B. mit Kaliumhydroxid (KOH), könne zwar in vielen Fällen einen strukturellen Unterschied im Produkt bewirken, nicht aber bei einer Katalyse mit Caesium- oder Bariumhydroxid (CsOH, Ba(OH)2). Da D8 Polyetheralkohole mit dem gleichen Blockaufbau wie die beanspruchten Polyetheralkohole (Ethylenoxid-Innenblock mit anschließendem Block aus Alkylenoxiden mit mindestens 3 Kohlenstoffatomen) offenbare und die Verwendung von CsOH und Ba(OH)2 explizit nenne, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents gegenüber D8 nicht neu. Die Einspruchsabteilung sah das Argument bezüglich des geringen Gehalts an ungesättigten Bestandteilen bei der Katalyse mit CsOH bzw. Ba(OH)2 nicht als zweifelsfrei erwiesen an und erkannte die Neuheit gegenüber D8 an.

D8 wurde als nächstliegender Stand der Technik angesehen. Die Einspruchsabteilung sah es als hinreichend bewiesen an, dass die Polyetheralkohole gemäß Anspruch 1 des Streitpatents eine geringere Hydrophilie aufwiesen als Polyetheralkohole, die mittels basischer Katalyse hergestellt worden seien. Dies sei auf die Verwendung des DMC-Katalysators zurückzuführen, wie die Vergleichsbeispiele des Pateninhabers zeigen würden. Die dem Streitpatent zu Grunde liegende objektive Aufgabe gegenüber D8 sei daher in der Bereitstellung von Polyetheralkoholen mit geringer Hydrophilie zu sehen. Da sich aus dem vorliegenden Stand der Technik an keiner Stelle ein Zusammenhang zwischen DMC-Katalysatoren und geringerer Hydrophilie ergebe, beruhe der beanspruchte Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit.

IV. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung legte der Beschwerdeführer (Einsprechender) am 21. Januar 2008 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein.

Die Beschwerdebegründung ist am 25. März 2008 eingegangen. Die darin enthaltenen Argumente können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Der Neuheitseinwand gegenüber D8 wurde aufrechterhalten. Zum Beweis dafür, dass der Gehalt an ungesättigten Bestandteilen in CsOH-katalysierten Polyetheralkoholen dem in DMC-katalysierten Polyetheralkoholen entspricht, verwies der Beschwerdeführer auf D12, insbesondere auf das Beispiel 2 von D12.

D12: EP 0 268 922 A2.

b) Der Beschwerdeführer sah weiterhin in D8 den nächstliegenden Stand der Technik. Er bezweifelte, dass der von der Einspruchsabteilung anerkannte Effekt der geringeren Hydrophilie auf aussagekräftigen Vergleichsbeispielen beruhe (zu geringe Messunterschiede bei hoher Messungenauigkeit; keine genauen Angaben der verglichenen Polyetheralkohole). Da nach seiner Ansicht kein Effekt gegenüber D8 nachgewiesen werden konnte, sei der beanspruchte Gegenstand gegenüber D8 in Kombination mit D10 oder D11 nicht erfinderisch.

V. In der Erwiderung vom 13. Oktober 2008 bestritt der Beschwerdegegner (Patentinhaber), dass der niedrige Gehalt an ungesättigten Bestandteilen das alleinige Unterscheidungsmerkmal bei DMC-katalysierten Polyetheralkoholen sei. Er verwies auf sehr hochmolekulare Anteile in den Polyetheralkoholen, die nur bei der Verwendung von DMC-Katalysatoren auftreten würden, und auf weitere Änderungen, die sich durch die Aufarbeitung ergeben würden.

Zum Beweis für die geltend gemachte geringere Hydrophilie der DMC-katalysierten Polyetheralkohole reichte er neue Vergleichsversuche ein, die die bereits im Einspruchsverfahren eingereichten Versuche bestätigen würden. Da der Effekt der geringeren Hydrophilie durch die Dokumente des Standes der Technik nicht nahe gelegt werde, beruhe der beanspruchte Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VI. Mit der Eingabe vom 15. April 2009 bekräftigte der Beschwerdeführer seinen Neuheitseinwand gegenüber D8. Die vom Beschwerdegegner geltend gemachten zusätzlichen Unterschiede seien zum einen nicht belegt oder nicht notwendigerweise in den Produkten vorhanden.

Hinsichtlich der vom Beschwerdegegner geltend gemachten geringeren Hydrophilie der DMC-katalysierten Polyetheralkohole wurde erneut darauf verwiesen, dass die vom Beschwerdegegner gemessenen Unterschiede auf Grund der hohen Messungenauigkeit von Kontaktwinkelmessungen innerhalb des Messfehlers lägen, wie D13 beweisen würde.

D13: J. Zhang, J.Li, Y. Han, Superhydrophobic PTFE

Surfaces by Extension, Macromolecular Rapid Communications, 2004, 25, 1105-1108.

Außerdem reichte der Beschwerdeführer eigene Vergleichsversuche ein, bei denen, im Gegensatz zu den Versuchen des Beschwerdegegners, auf strikte Vergleichbarkeit der Polyetheralkohole geachtet worden sei. Diese Versuche würden keine geringere Hydrophilie für DMC-katalysierte Polyetheralkohole zeigen, eher das Gegenteil. Auch sei die "cloud point"-Bestimmung die bessere Methode zur Messung der Hydrophilie. In diesem Zusammenhang verwies der Beschwerdeführer auf D14.

D14: R. Sharma and P. Bahadur, Effect of Different

Additives on the Cloud Point of a Polyethylene Oxide-Propylene Oxide-Polyethylene Oxide Block Copolymer in Aqueous Solution, Journal of Surfactants and Detergents, vol. 5, no. 3 (July 2002), 263-268

VII. Am 19. Mai 2009 reichte der Beschwerdeführer eine schriftliche Zeugenaussage ("witness statement") von Flor A. Castillo, datiert 18 Mai 2009, zusammen mit einem Annex A ("Evaluation of Measurement Process Study") ein.

VIII. Am 4. Juni 2009 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, in der sich die Parteien im Wesentlichen auf ihre bereits schriftlich vorgebrachten Argumente stützten.

Hinsichtlich der Neuheit konzentrierte sich die Frage darauf, ob D8 eine unmittelbare und eindeutige Lehre enthalte, die zu Polyetheralkoholen gemäß Anspruch 1 des Streitpatents führt. Nach Ansicht der Kammer bedurfte es dazu einer zweifachen Auswahl aus der Offenbarung der D8.

Im Zusammenhang mit der erfinderischen Tätigkeit war die entscheidende Frage, ob DMC-katalysierte Polyetheralkohole gegenüber KOH-katalysierten Polyetheralkoholen eine geringere Hydrophilie aufweisen oder nicht. Nach Ansicht des Beschwerdeführers war dieser Effekt nicht nachgewiesen worden. Somit unterschieden sich DMC-katalysierte Polyetheralkohole von KOH-katalysierten Polyetheralkoholen nur durch einen geringeren Gehalt an ungesättigten Bestandteilen. Die Aufgabe des Streitpatents bestehe somit in der Bereitstellung von Polyetheralkoholen mit einem geringeren Anteil an ungesättigten Bestandteilen. Die Lösung dieser Aufgabe sei aber, ausgehend von D8 als nächstliegendem Stand der Technik, nahe liegend. Aus D10 sei nämlich bereits bekannt, dass DMC-Katalysatoren den Gehalt an ungesättigten Bestandteilen verringern.

IX. Der Beschwerdeführer beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent in seiner Gesamtheit zu widerrufen.

Der Beschwerdegegner beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit

2.1 Das einzige im Hinblick auf die Neuheit angezogene Dokument ist D8.

D8 beschreibt ein Verfahren zur Herstellung von Polyetheralkoholen, die zur Herstellung von Polyurethanschäumen geeignet sind. Die Polyetheralkohole werden dadurch erhalten, dass an einen Initiator, der eine Komponente (a) enthält, ein Alkylenoxid mit 3 oder mehr Kohlenstoffatomen angelagert wird. Die Komponente (a) selbst besteht aus einer Startersubstanz, an die mindestens 50 Gewichtsprozent Ethylenoxid anpolymerisiert worden ist. Der Gehalt an polymerisiertem Ethylenoxid in den letztendlich erhaltenen Polyetheralkoholen darf maximal 20 Gew.-% betragen (Anspruch 1). In Spalte 3, Zeilen 2-8 wird weiter ausgeführt, dass die Komponente (a) bevorzugt mindestens 60 Gew.-% oder 70 Gew.-% an polymerisiertem Ethylenoxid enthält, und besonders bevorzugt mindestens 80 Gew.-%. Der restliche Anteil (wenn nicht polymerisiertes Ethylenoxid) ist ein anderes polymerisiertes Alkylenoxid oder der Rest des Initiators.

Der in der Herstellung der Polyetheralkohole zu verwendende Katalysator ist gemäß D8, Spalte 5, Zeilen 15-25, dem Fachmann bekannt, wobei Verbindungen der Gruppe I und II des Periodensystems der Elemente bevorzugt sind, zum Beispiel Natriumhydrodxid, Kaliumhydroxid, Bariumhydroxid, Strontiumhydroxid, Caesiumhydroxid oder Kaliummethylat. Weiterhin wird ausgeführt, dass Ba(OH)2 die Herstellung von Produkten mit minimiertem Gehalt an ungesättigten Bestandteilen ermöglicht. In diesem Zusammenhang wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass auch die Verwendung von CsOH zu Polyetheralkoholen mit einem niedrigen Gehalt an ungesättigten Bestandteilen führen würde, wie D12, insbesondere das Beispiel 2 von D12, beweise.

Nach Ansicht des Beschwerdeführers weisen die Polyetheralkohole der D8 den gleichen Blockaufbau wie die Polyetheralkohole gemäß Anspruch 1 des Streitpatents auf, d.h. an einen aus Ethylenoxid bestehenden Innenblock schließt sich ein Block aus Alkylenoxiden mit mindestens 3 Kohlenstoffatomen an. In der Verwendung von DMC-Katalysatoren, wie in Anspruch 1 des Streitpatents gefordert, sah der Beschwerdeführer kein die Neuheit begründendes Merkmal. Ein niedriger Gehalt an ungesättigten Bestandteilen in DMC-katalysierten Polyetheralkoholen könne zwar in vielen Fällen einen strukturellen Unterschied zu basisch katalysierten Polyetheralkoholen darstellen, nicht aber im Falle der Verwendung von Ba(OH)2 oder CsOH. Diese beiden basischen Katalysatoren würden ebenfalls zu einem geringen Gehalt an ungesättigten Bestandteilen führen. Bei der Verwendung der in der D8 explizit offenbarten Katalysatoren Ba(OH)2 und CsOH würde der Fachmann somit automatisch zu Produkten gemäß Anspruch 1 des Streitpatents gelangen.

2.2 Selbst wenn man zugunsten des Beschwerdeführers annimmt, dass sich die mittels Ba(OH)2 oder CsOH hergestellten Polyetheralkohole nicht von den durch DMC-Katalysatoren hergestellten Polyetheralkoholen unterscheiden (was vom Beschwerdegegner zwar bestritten, aber nicht durch entsprechende Beweismittel belegt worden ist), ist die Kammer der Ansicht, dass D8 keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung der Polyetheralkohole gemäß Anspruch 1 des Streitpatents enthält. Um zu einem Gegenstand gemäß Anspruch 1 des Streitpatents zu gelangen, bedarf es nämlich auf jeden Fall einer zweifachen Auswahl aus der Lehre der D8.

(i) Zunächst ist die Komponente (a) so auszuwählen, dass der Ethylenoxidblock zu mindestens 98 Gew.-% aus Ethylenoxid besteht. Diese Lehre ist der allgemeinen Beschreibung der D8 nicht zu entnehmen. Im Gegenteil, wie oben erwähnt, verweist Spalte 3, Zeilen 5-8 darauf, dass der restliche Anteil von den 60, 70 oder 80 Gew.-% (wenn nicht polymerisiertes Ethylenoxid) ein anderes polymerisiertes Alkylenoxid oder der Rest des Initiators sein kann. D8 verweist somit explizit darauf, dass in der Komponente (a) polymerisiertes Ethylenoxid auch im Gemisch mit anderen Alkylenoxiden vorliegen kann. Auch die in Spalte 3, Zeilen 46-47 im Zusammenhang mit der Komponente (a) erwähnten ethoxylierten Produkte sind kein zwingender Hinweis auf einen reinen Ethylenoxidblock. Wie der Beschwerdegegner ausgeführt hat, kann dies auch nur ein Hinweis auf Produkte sein, die mehrheitlich aus Ethylenoxideinheiten aufgebaut sind, aber nicht notwendigerweise zu mindestens 98 Gew.-%.

(ii) Daneben ist aus der allgemeinen Lehre der D8 auch Ba(OH)2 oder CsOH als Katalysator auszuwählen, da nur diese basischen Katalysatoren zu Produkten mit einem geringen Gehalt an ungesättigten Bestandteilen führen. Das in den Beispielen 1-6 der D8 verwendete KOH führt im Vergleich zu DMC-katalysierten Polyetheralkoholen zu einem deutlich höheren Gehalt an ungesättigten Bestandteilen.

Somit ist der allgemeinen Lehre der D8 kein unmittelbarer und eindeutiger Hinweis auf eine Komponente (a) mit einem zu mindestens 98 Gew.-% aus Ethylenoxid bestehenden Alkylenoxidblock in Kombination mit den Katalysatoren Barium- oder Caesiumhydroxid zu entnehmen. Auch in den Beispielen der D8 findet sich diesbezüglich keine Anregung. In den Beispielen 1-6 der D8 wird zwar reines Ethylenoxid an eine Startersubstanz angelagert, so dass der daraus resultierende innere Ethylenoxidblock die entsprechenden Erfordernisse des Anspruchs 1 des Streitpatents erfüllt, aber der in diesen Beispielen verwendete Katalysator für die weitere Anlagerung von Propylenoxid ist Kaliumhydroxid.

2.3 Daraus folgt, dass sich die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes gegenüber D8 aus dieser zweifachen Auswahl ergibt. Bei dieser Sachlage erübrigt sich eine weitere Diskussion der Frage, ob die Verwendung von DMC-Katalysatoren außer dem Gehalt an ungesättigten Bestandteilen noch andere Unterschiede in den Polyetheralkoholen bewirkt (in diesem Zusammenhang hat der Beschwerdegegner auf die Ausbildung von sehr hochmolekularen Anteilen bei der DMC-Katalyse verwiesen).

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Die Polyetheralkohole gemäß Anspruch 1 des Streitpatents besitzen einen Ethylenoxid-Innenblock und einen äußeren Block aus einem Alkylenoxid mit mindestens 3 Kohlenstoffatomen. Sie eignen sich zur Herstellung von Polyurethanen, insbesondere Polyurethan-Weichschaum stoffen (Absätze [0001] und [0032] des Streitpatents).

Wie bei der Diskussion der Neuheit gezeigt, offenbaren die Beispiele 1-6 der D8 ebenfalls Polyetheralkohole mit einem Ethylenoxid-Innenblock und einem äußeren Block aus einem Alkylenoxid mit mindestens 3 Kohlenstoffatomen. Auch werden die Polyetheralkohole der D8 auf dem gleiche Gebiet eingesetzt wie die Polyetheralkohole des Streitpatents, nämlich zur Herstellung von Polyurethanschaumstoffen. Die Kammer stimmt daher mit den Parteien überein, dass D8, und insbesondere die Beispiele 1-6 der D8, den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.

3.2 Im nächsten Schritt des Aufgabe/Lösung-Ansatzes ist zu untersuchen, welcher technische Effekt durch den beanspruchten Gegenstand gegenüber dem Stand der Technik erreicht wird. Anhand dieser Effekte ist dann die objektive technische Aufgabe zu formulieren.

3.2.1 Es bestand Einigkeit darüber, dass die Polyetheralkohole der Beispiele 1-6 der D8, die mit KOH als Katalysator hergestellt worden sind, im Vergleich zu den Polyetheralkoholen gemäß Anspruch 1 des Streitpatents einen geringeren Gehalt an ungesättigten Bestandteilen aufweisen. Im vorliegenden Fall war daher die entscheidende Frage, ob durch die in Anspruch 1 vorgeschriebene Verwendung von DMC-Katalysatoren weitere technische Effekte erreicht werden.

3.2.2 In diesen Zusammenhang machte der Beschwerdegegner geltend, dass Polyetheralkohole, die unter Verwendung von DMC-Katalysatoren hergestellt worden seien, eine geringere Hydrophilie aufweisen würden als Polyether alkohole, die unter Verwendung eines KOH-Katalysators erhalten worden seien. Er verwies dabei auf seine mit den Eingaben vom 27. September 2007 (im Einspruchsverfahren) und 13. Oktober 2008 vorgelegten Vergleichsversuche. In diesen Versuchen wurden die Beispiele 2 und 4 des Streitpatents nachgestellt, wobei die Anlagerung in der zweiten Reaktionsstufe einmal mit KOH und einmal mit einem DMC-Katalysator durchgeführt worden ist. Laut Beschwerdegegner zeige die Messung der Kontaktwinkel der Proben sowohl auf einem hydrophoben (PTFE) als auch auf einem hydrophilen Untergrund (Glas), dass die mittels DMC-Katalysatoren hergestellten Polyetheralkohole eine geringere Hydrophilie aufwiesen als solche, die mittels KOH als Katalysator hergestellt worden seien.

3.2.3 Die vom Beschwerdegegner eingereichten Vergleichsversuche sind aber aus folgenden Gründen nicht geeignet, eine geringere Hydrophilie der mittels DMC-Katalysatoren hergestellten Polyetheralkohole zu belegen.

So ist aus dem Versuchsbereicht vom 27. September 2007 nicht ersichtlich, ob es sich bei den Polyetheralkoholen überhaupt um vergleichbare Polyole handelt. Zum Beispiel fehlt in dem Versuchsbericht, wie der Beschwerdeführer bereits im Einspruchsverfahren bemängelt hat, die Angabe der OH-Zahl der beiden Polyetheralkohole. Da ein Unterschied in der OH-Zahl durchaus einen Einfluss auf die hydrophilen Eigenschaften des Polyols haben kann, können diese Versuche nicht eindeutig zeigen, dass der angebliche Effekt der geringeren Hydrophilie tatsächlich durch die Verwendung des DMC-Katalysators bewirkt wird.

Der neue Versuchsbericht vom 13. Oktober 2008 gibt nun die OH-Zahl der beiden Polyetheralkohole an. Es fällt aber auf, dass der mit einem KOH-Katalysator hergestellte Polyetheralkohol eine OH-Zahl von 48,3 aufweist, während der mit einem DMC-Katalysator hergestellte Polyetheralkohol eine OH-Zahl von 46,1 aufweist. Dieser Unterschied in der OH-Zahl bedeutet nach den Berechnungen des Beschwerdeführers, dass der mit einem KOH-Katalysator hergestellte Polyetheralkohol ein Molekulargewicht von ungefähr 3480 besitzt, wohingegen der mit einem DMC-Katalysator hergestellte Polyetheralkohol ein Molekulargewicht von ungefähr 3650 hat. Da der Ethylenoxid-Innenblock bei beiden Polyetheralkoholen unter identischen Bedingungen hergestellt worden ist (und somit in beiden Fällen identisch sein sollte), ist der Unterschied im Molekulargewicht wohl auf die zusätzliche Anwesenheit von Propylenoxidgruppen in dem mit einem DMC-Katalysator hergestellten Außenblock zurückzuführen. Da aber allgemein bekannt ist, dass Propylenoxid ein hydrophobes Monomer ist, ist nicht verwunderlich, dass die zusätzliche Anwesenheit von Propylenoxid-Einheiten die Hydrophobie des Polyols erhöht (oder, anders ausgedrückt, die Hydrophilie verringert). Das Argument des Beschwerdegegners, dass Polyetheralkohole mit einer OH-Zahl von 48,3 und 46,1 durchaus vergleichbar seien, wurde nicht näher belegt und erscheint daher nicht überzeugend.

Darüber hinaus ist auch fraglich, ob der vom Beschwerdegegner gemessene Unterschied hinsichtlich des Kontaktwinkels der verschiedenen Polyetheralkohole überhaupt signifikant ist. So beträgt der Unterschied der Kontaktwinkel der Polyetheralkohole nur 1,4º bei einer angegebenen Standardabweichung von 0,9 bzw. 0,7º (Messungen vom 13. Oktober 2008). Unterzieht man die von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Werte einer statistischen Analyse, so sind, nach den Ausführungen des Beschwerdeführers, die gemessenen Werte für die Kontaktwinkel unter Zugrundelegung eines Vertrauensbereichs von 95% statistisch gesehen nicht verschieden und damit nicht aussagekräftig.

Schließlich werfen auch die vom Beschwerdeführer eingereichten Vergleichsversuche (vorgelegt mit Schreiben vom 15. April 2009) Zweifel hinsichtlich des geltend gemachten Effekts einer geringeren Hydrophilie von DMC-katalysierten Polyetheralkoholen auf. In den Vergleichsversuchen des Beschwerdeführers ist auf die strikte Vergleichbarkeit der Polyetheralkohole geachtet worden (OH-Zahl des KOH-katalysierten Polyetheralkohols 48.0 und OH-Zahl des DMC-katalysierten Polyetheralkohols 47.7). Die Kontaktwinkelmessungen an diesen Polyolen zeigen keine geringere Hydrophilie des DMC-katalysierten Polyetheralkohols. Im Gegenteil, die Versuche zeigen genau den umgekehrten Effekt, nämlich, dass der KOH-katalysierte Polyetheralkohol die geringere Hydrophilie aufweist. Die Versuche des Beschwerdeführers zeigen somit auf jeden Fall, dass der geltend gemachte Effekt einer geringeren Hydrophilie nicht bei allen DMC-katalysierten Polyolen erreicht wird (zumindest nicht bei den vom Beschwerdeführer hergestellten Polyolen). Somit wird der geltend gemachte Effekt nicht im ganzen beanspruchten Bereich erreicht und kann auch aus diesem Grund nicht für die Formulierung der objektiven Aufgabe verwendet werden.

3.2.4 Zusammenfassend ist festzustellen, dass der geltend gemachte Effekt der geringeren Hydrophilie von DMC-katalysierten Polyetheralkoholen nicht glaubhaft belegt ist und somit nicht in die Formulierung der objektiven technischen Aufgabe einfließen kann. Der einzige nachgewiesene Vorteil, den DMC-katalysierte Polyetheralkohole aufweisen, ist ein geringerer Gehalt an ungesättigten Bestandteilen der beanspruchten Polyetheralkohole.

Die objektive technische Aufgabe gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik ist daher in der Bereitstellung von Polyetheralkoholen mit einem ähnlichen Blockaufbau aber einem geringeren Gehalt an ungesättigten Verbindungen zu sehen.

Diese Aufgabe wird, wie die Beispiele im Streitpatent zeigen, mit den DMC-katalysierten Polyetheralkoholen gemäß Anspruch 1 gelöst.

3.3 Es bleibt zu untersuchen, ob die vorgeschlagene Lösung, d. h. Polyetheralkohole mit den Merkmalen gemäß Anspruch 1 des Streitpatents, durch den Stand der Technik nahegelegt wird.

Konfrontiert mit der Aufgabe, ähnliche Polyetheralkohole wie in den Beispielen 1-6 der D8 mit einem geringeren Gehalt an ungesättigten Bestandteilen herzustellen, findet der Fachmann in dem die Seiten 5 und 6 der D10 überbrückenden Absatz den Hinweis, dass DMC-Katalysatoren zu Polyetheralkoholen mit einem geringen Gehalt an ungesättigten Bestandteilen führen ("polyoxyalkylene polyols with low unsaturation"). Dies ist nach Ansicht der Kammer ein eindeutiger Hinweis darauf, den in den Beispielen 1-6 der D8 verwendeten basischen Katalysator KOH durch einen entsprechenden DMC-Katalysator zu ersetzen.

Damit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents im Hinblick auf die Kombination von D8 mit D10 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das europäische Patent Nr. 1 230 289 wird widerrufen.

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