European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2009:T014908.20090929 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 September 2009 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0149/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99960780.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | H01L 23/498 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Flächig ausgebildeter Träger für Halbleiter-Chips sowie Verfahren zu seiner Herstellung | ||||||||
Name des Anmelders: | KSW Microtec AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Giesecke & Devrient GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.4.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Während der mündlichen Verhandlung eingereichter Hilfsantrag 3a nicht zugelassen | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 133 796 gemäß Artikel 102(3) EPÜ 1973 in geändertem Umfang aufrecht zu erhalten.
II. Der unabhängige Anspruch des aufrecht erhaltenen Patents lautet (die Merkmalskennzeichnung wurde von der Kammer zur späteren Diskussion eingefügt):
"1. Verfahren zur Herstellung einer elektronischen Anordnung mit
a) einem flexiblen flächigen Träger aus einem elektrisch isolierenden Material und mit
b) einer Leiterbahnstruktur zur kontaktlosen Datenübertragung,
c) bei dem die Leiterbahnstruktur (3) durch Aufdrucken eines elektrisch leitenden Polymers oder Klebers unmittelbar auf die Oberfläche des Trägers (1) hergestellt und
d) der Hableiter-Chip auf die aufgedruckte Leiterbahnstruktur nach dem Flip-Chip-Verfahren aufgesetzt und mit letzterer elektrisch kontaktiert wird, wobei
e) der Träger aus Papier, Karton, Pappe oder einem textilen Material besteht."
III. Folgende Dokumente wurden in der erstinstanzlichen Entscheidung berücksichtigt:
D1 = EP 0 803 839 A
D2 = WO 98/26372 A
D3 = DE 44 03 513 A
D6 = EP 0 824 301 A
D8 = Englische Zusammenfassung der JP 8 202 844 A
D8A = JP 8 202 844 A
D8B = Englische Maschinenübersetzung der D8A
Folgendes Dokument wurde mit der Beschwerdebegründung eingereicht:
D10 = DE 196 39 934 A
IV. Der Einspruch gegen das Patent in vollem Umfang war auf die Gründe der Artikel 100(a), insbesondere fehlende erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ), und 100(c) EPÜ gestützt. In der Beschwerdebegründung wurde lediglich der Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit verfolgt.
V. Die Einspruchsabteilung entschied, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 aus folgenden Gründen erfinderisch sei:
- Gemäß D8 werde die gestellte Aufgabe einer Kostenreduzierung durch die Kombination von (i) der Verwendung von Papier als Träger, (ii) der Herstellung der Leiterbahnen mittels leitender Paste, (iii) der Verwendung des Flip-Chip Verfahrens, und (iv) der Fixierung des Chips mittels anisotrop leitender Paste gelöst. Ferner offenbare D8, dass die leitende Paste, die ein Polymer sei, für die Leiterbahnen auf den Träger aufgedruckt werde, wobei der Flip-Chip auf die anisotrop leitende Paste aufgesetzt und durch sie mit der Leiterbahn elektrisch kontaktiert werde. Ein Aufsetzen des Flip-Chips auf die Leiterbahn wie in Anspruch 1 erfolge jedoch nicht. Die Verwendung einer anisotrop leitenden Paste zur Kontaktierung des Flip-Chips sei in D8 Teil der Gesamterfindung und somit sei ein Abweichen davon nicht naheliegend.
VI. In der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer beantragte die Beschwerdeführerin und Einsprechende, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen; hilfsweise, das Patent in geänderter Form auf der Grundlage der mit Schreiben vom 1. Juli 2008 eingereichten Hilfsanträge 3 oder 4 aufrechtzuerhalten.
Die Hilfsanträge 1 und 2 wurden während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer zurückgezogen. Sie sind somit für die Entscheidung ohne Belang.
VII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 hängt folgende Merkmale an Anspruch 1 des Hauptantrags an:
"f) und die auf dem Träger (1) ausgebildete Leiterbahnstruktur (3) mit einem elektrisch isolierenden Überzug beschichtet wird,
g) wobei der Überzug ein elektrisch nicht leitender Kleber ist, und
h1) der Überzug mit einer Folie oder Papier abgedeckt wird."
Anspruch 1 des während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereichten Hilfsantrags 3a unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 dadurch, dass Merkmal (h2) das Merkmal (h1) ersetzt.
"h2)der Überzug temporär mit einer abziehbaren Folie oder abziehbaren Papier abgedeckt wird."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 hängt folgendes Merkmal an Anspruch 1 des Hauptantrags an:
"i) und der Halbleiter-Chip (2) unmittelbar mit der nicht ausgehärteten Leiterbahnstruktur (3) kontaktiert wird."
VIII. Zur Begründung ihres Antrags führte die Beschwerdeführerin und Einsprechende folgendes aus:
- Die Einspruchsabteilung fand unter Punkt 7.3 der angefochtenen Entscheidung, dass in D8 ein Aufsetzen des Flip-Chips auf die Leiterbahn nicht erfolge. Die Einspruchsabteilung habe dieses Merkmal dahingehend interpretiert, dass der Flip-Chip unmittelbar auf die Leiterbahnstruktur aufgesetzt werde, insbesondere ohne Verwendung eines zusätzlichen Klebers, oder wie in der D8, einer anisotrop leitfähigen Paste. Der Begriff "Flip-Chip-Verfahren" definiere jedoch nicht ein einzelnes, exakt eingrenzbares Verfahren, bei dem der Halbleiterchip unmittelbar auf die Leiterbahnstruktur aufgesetzt werde, ohne dass weitere Mittel das Fixieren und Kontaktieren des Chips unterstützen könnten. Vielmehr bezeichne der Begriff "Flip-Chip-Verfahren" eine ganze Klasse von Verfahren, gemäß derer ein entsprechend eingerichteter Chip mit einer Leiterbahnstruktur auf einem Träger kontaktiert werde. Im Streitpatent werde zur Erklärung des Begriffs Flip-Chip-Verfahren auf das Dokument Dl0 Bezug genommen. Somit sei dem Streitpatent ein entsprechendes Verständnis des Begriffs Flip-Chip-Verfahren zugrunde zu legen. Gemäß der Dl0 werde jedoch zur Kontaktierung des Flip-Chips mit den Substratanschlüssen ein elektrisch leitfähiger Kleber eingesetzt. Ferner sei im Streitpatent bei der Beschreibung eines konkreten Ausführungsbeispiels beschrieben, dass die einzelnen Leiterbahnen an den Kontaktstellen punktuell mit elektrisch leitfähigem Kleber bedruckbar seien, wobei der Druck dem jeweiligen Anschlussmuster des verwendeten Schaltkreiselements entspreche. Somit schließe auch das Streitpatent den Einsatz eines zusätzlichen Klebers, wie in der D8 beschrieben, nicht aus. Die Einspruchsabteilung habe den Begriff Flip-Chip-Verfahren zu Unrecht in einer eingeschränkten Weise interpretiert.
- Zusammenfassend ergebe sich, dass die D8 den nächsten Stand der Technik darstelle und alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag offenbare, mit Ausnahme der Zweckbestimmung der Leiterbahnstruktur ("zur kontaktlosen Datenübertragung"). Da die D8 Chipkarten, Speicherkarten und dergleichen betreffe und es auf diesem Gebiet üblich sei, die Karten, wenn sie zur kontaktlosen Datenübertragung bestimmt seien, mit entsprechenden Antennenstrukturen, insbesondere Spulenantennen, auszustatten, wie es z.B. in der Einführung der D1 offenbart werde, sei es für den Fachmann naheliegend, den Schaltkreis bedarfsweise auch als Antennenstruktur auszubilden. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags beruhe deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
- Die Formulierung des Hilfsantrags 3 verstoße gegen Artikel 123 (2) EPÜ, da sie über die ursprüngliche Offenbarung hinausgehe. Im Absatz [0031], auf den die Patentinhaberin die vorgenommene Änderung stütze, sei beschrieben, dass der die Leiterbahnstruktur abdeckende Kleber temporär mit einer abziehbaren Folie oder einem abziehbaren Papier abgedeckt werde, um zu ermöglichen, die Folie oder das Papier abzuziehen und den Träger beispielsweise in Form eines Etiketts auf einen Gegenstand aufzukleben.
- Der während der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag 3a sei verspätet. Durch das Einfügen der Merkmale "temporär" und "abziehbar" habe sich der Gegenstand des Anspruchs zu einer Verwendung der elektrischen Anordnung als abziehbare Etikette anstatt einer Chipkarte verlagert. Die Einsprechende habe solch eine Verlagerung nicht voraussehen können. Insbesondere, da der Einwand gegen den Hilfsantrag 3 rechtzeitig vorgebracht worden sei und eine entsprechende Reaktion der Patentinhaberin bis zur mündlichen Verhandlung ausgeblieben sei.
- Gemäß Hilfsantrag 4 werde der Halbleiterchip unmittelbar mit der nicht ausgehärteten Leiterbahnstruktur kontaktiert. Diese Maßnahme sei dem Fachmann allgemein bekannt. Beispielsweise werde in der D6 an mehreren Stellen beschrieben, dass der Halbleiterchip unmittelbar auf die Leiterbahnstruktur aufgesetzt werde, solange diese noch nicht ausgehärtet sei, um mit dieser kontaktiert zu werden. Es handele sich somit um eine dem Fachmann geläufige Maßnahme. Ausgehend von Dokument D2 seien die einzigen Unterschiede zu Anspruch 1 die Verwendung von Papier als Trägermaterial und die oben genannte direkt Kontaktierung mit der nicht ausgehärteten Leiterbahnstruktur. Dokument D3 schlage jedoch vor, aus Kostengründen Papier als Trägermaterial zu verwenden. Auch die direkte Kontaktierung mit der Leiterbahnstruktur diene der Kostenreduzierung und sei deshalb eine weitere Maßnahme, die der Fachmann ergreifen würde, um dieselbe Aufgabe anzugehen.
IX. Zur Begründung ihres Antrags führte die Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin folgendes aus:
- Die der Erfindung zugrundeliegende Idee bestehe darin, Produkte, die bereits für einen anderen Zweck hergestellt seien worden, zusätzlich mit einem Transponder zu versehen. Hierzu diene das Produkt selbst, namentlich Erzeugnisse aus Papier, Karton, Pappe oder Textilien, als Substrat, auf welches die Transponderantenne aufgebracht und im Anschluss mit einem Chip versehen werde. Beispiele für solche Produkte seien Etiketten für Bekleidungsstücke, Etiketten für Paletten, für einzelne Güter oder Tickets, usw. Der erfinderische Gedanke bestehe darin, nicht mehr ein Produkt mit einem vorgefertigten Transponder, der aus Substrat, Antenne und Chip bestehe, für einen bestimmten Zweck herzustellen, sondern ein für einen bestimmten Zweck hergestelltes Produkt selbst als Substrat für den Transponder zu nutzen, um dem Produkt einen Zusatznutzen zu verleihen. Dieser Gedanke und die zugrundeliegende Aufgabenstellung seien keinem der entgegengehaltenen Dokumente zu entnehmen und seien durch diese auch nicht angeregt worden.
- Das in der Druckschrift D8 offenbarte Verfahren beziehe sich auf ein anderes technisches Gebiet, nämlich Speicherkarten und Chipkarten. Demgegenüber handele es sich bei dem erfindungsgemäß hergestellten Produkt um einen Transponder, d.h. einen Transmitter/Responder zur kontaktlosen Datenübertragung, bei dem eine Antennenstruktur auf ein Trägersubstrat gedruckt und anschließend ein Halbleiter-Chip in Flip-Chip-Technik mit der Antennenstruktur verbunden werde. Die besonderen Anforderungen an derartige Transponder unterscheiden sich grundlegend von denen, die an die bestückte Platine einer meist nochmals gekapselten und vor negativen äußeren Einflüssen geschützten Speicherkarte zu stellen seien. Der Fachmann würde nicht erwarten, aus einer Anweisung zur Herstellung einer Speicherkarte eine Anregung zur Lösung eines RFID-spezifischen Problems zu erhalten. Dokument D8 gebe dem Fachmann keinen Hinweis auf ein Produkt zur kontaktlosen Datenübertragung. Es mangele daher an der Motivation, dieses Dokument zur Lösung der Aufgabe heranzuziehen.
- Die Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 seien auf die Abschnitte [0030] und [0031] der Beschreibung gestützt.
- Anspruch 1 des Hilfsantrags 3a entspreche dem Wortlaut des Abschnitts [0031] und des erteilten Anspruchs 17 und erfülle somit Artikel 123(2) EPÜ.
- Hilfsantrag 4 definiere eine Ausführungsform bei der der Halbleiterchip unmittelbar mit der nicht ausgehärteten Leiterbahnstruktur kontaktiert werde. Dieser Gegenstand entspreche dem Patentanspruch 4 des aufrechterhaltenen Patents. Diese Maßnahme sei nicht durch Dokument D6 nahegelegt, da es sich in diesem Dokument um einen Kunststoffträger handele. Dieser sei jedoch, anders als Papier, Karton, Pappe oder ein textiles Material, nicht saugfähig. Es gäbe keinen Hinweis im Stand der Technik, eine Kontaktierung eines Halbleiter-Chips mit einer nicht ausgehärteten Leiterbahnstruktur auf einem saugfähigen Trägermaterial zu versuchen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag - Anspruch 1
2.1 Dokument D8 offenbart eine elektronische Anordnung mit einem flexiblen flächigen Träger 11 aus Papier oder synthetischen Papier, ein elektrisch isolierendes Material, wobei eine Leiterbahnstruktur 12 durch Aufdrucken eines elektrisch leitenden Polymers (D8B, [0014]-[0015]) unmittelbar auf die Oberfläche des Trägers 11 aufgebracht und ein Halbleiter-Chip 15 auf die aufgedruckte Leiterbahnstruktur nach dem Flip-Chip-Verfahren aufgesetzt und mit dieser elektrisch kontaktiert wird (D8, Zusammenfassung und Figur).
2.2 Die elektrische Anordnung der D8 ist für Chipkarten, Speicherkarten, usw. geeignet (D8B, [0001]). D8 offenbart jedoch weder die Struktur noch den Zweck der auf dem Träger aufgedruckten Leiterbahnstruktur 12.
2.3 Die Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin hat vorgebracht, dass der Fachmann D8 zur Lösung der gesetzten Aufgabe nicht berücksichtigen würde, da es ein anderes technisches Gebiet betrifft, nämlich das der Chip- und Speicherkarten. Die der Erfindung zugrundeliegende Idee bestehe jedoch darin, Produkte, die bereits für einen anderen Zweck hergestellt worden seien, wie z.B. Etiketten, zusätzlich mit einem Transponder zu versehen.
2.4 Der von der Beschwerdegegnerin angeführte erfinderische Gedanke ist jedoch im Anspruch 1 nicht erkennbar. Das Patent offenbart, dass "die Erfindung vorteilhaft für Chipkarten, als Transponder, Datenträger oder auch Identifikationssystem (z.B. Etiketten) benutzt werden" kann ([0022]). Es ist somit vorgesehen, dass Chipkarten und Datenträger, d.h. Speicherkarten, auch unter dem Wortlaut des Anspruchs 1 fallen sollen. Ferner richtet sich Anspruch 1 auf ein Verfahren zur Herstellung einer elektronischen Anordnung im Allgemeinen und ist in keiner Weise auf Etiketten oder Ähnliches beschränkt. Die Kammer kommt aus diesen Gründen zu dem Schluss, dass der Fachmann Dokument D8 als relevanten Stand er Technik berücksichtigen würde.
2.5 Die Einspruchsabteilung fand, dass in D8 der Flip-Chip auf die anisotrop leitende Paste aufgesetzt und so mit der Leiterbahn elektrisch kontaktiert werde. Ein Aufsetzen des Flip-Chips auf die Leiterbahn wie in Anspruch 1 erfolge jedoch nicht (Punkt 7.3, 2. Absatz der Entscheidungsgründe).
2.6 Die Beschwerdeführerin und Einsprechende argumentierte dagegen, dass das Flip-Chip Verfahren, wie im Patent und im Anspruch 1 dargestellt, die Verwendung einer anisotrop leitenden Paste nicht ausschließe.
2.7 Das Patent weist auf das Dokument D10 hin, um das Flip-Chip Verfahren zu erläutern ([0010]). Dieses Dokument offenbart die Verwendung eines Leiterklebers zum Anbringen des Chips und erläutert, dass das Drehen des Chips auf sein Gesicht und das direkte Kontaktieren des Chips ohne Kontaktierdrähte oder Anschlussbeinchen das Wesentliche des Flip-Chips Verfahren ist (Spalte 1, 2. Absatz und Spalte 2, Zeilen 2 und 3).
2.8 Ferner offenbart das Patent, dass "ggf. auch auf den bei der herkömmlichen Flip-Chip-Technik verwendeten, sog. Underfiller verzichtet werden" kann (Spalte 6, Zeilen 43 - 46). Die bedeutet jedoch zwangsläufig, dass die Verwendung eines Underfillers, wie in der herkömmlichen Flip-Chip-Technik, gemäß der Patentlehre und im Verfahren des Anspruchs 1 auch vorgesehen ist.
2.9 Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass die in D8 offenbarte Verwendung einer anisotrop leitenden Paste zum Befestigen und Kontaktieren des Halbleiterchips unter den allgemeinen Begriff "Flip-Chip Verfahren" fällt.
2.10 Somit unterscheidet sich das Herstellungsverfahren des Anspruchs 1 von dem in D8 offenbarten Verfahren nur dadurch, dass die Leiterbahnstruktur zur kontaktlosen Datenübertragung vorgesehen ist, da D8 keine Merkmale der Leiterbahnstruktur offenbart.
2.11 Dokument D8 zielt darauf, die Herstellungskosten einer elektronischen Anordnung zu verringern (D8B, [0006]). Es bleibt dem Fachmann überlassen, die elektronische Anordnung und insbesondere die Leiterbahnstruktur, unter Berücksichtigung der in D8 offenbarten Lehre, seinen Erfordernissen anzupassen und dementsprechend zu gestalten.
2.12 Die Leiterbahnstruktur dient u. a. der Kontaktierung des auf der Karte angebrachten Halbleiterchips. Sie kann einerseits die elektrische Verbindung zu externen Kontakten auf der Chipkarte herstellen, wobei die Chipkarte in ein entsprechendes Lesegerät eingeschoben und über diese Kontakte gelesen oder beschrieben wird. Sie kann andererseits eine drahtlose Kontaktierung ermöglichen. So offenbart z. B. das Dokument D1, dass dem Fachmann bekannt war, auf Kunststoff-Chipkarten eine Antenne aus einer leitenden Polymerpaste zu drucken, um den drahtlosen Kontakt mit einem Lesegerät zu ermöglichen (Spalte 1, Zeilen 5 bis 11).
2.13 Es ist für den Fachmann naheliegend, eine Leiterbahnstruktur zur drahtlosen Datenübertragung, wie in der D1 als allgemein bekannt dargestellt, auf der in der D8 offenbarten Chipkarte zu drucken. Insbesondere, da in beiden Druckschriften die Leiterbahnstruktur mit demselben Verfahren hergestellt wird, nämlich das Drucken einer leitenden Polymerpaste auf das Trägermaterial.
2.14 Aus diesen Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass das Herstellungsverfahren des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ 1973).
3. Hilfsantrag 3 - Anspruch 1
3.1 Gemäß Anspruch 1 dieses Antrags wird die auf dem Träger ausgebildete Leiterbahnstruktur mit einem elektrisch isolierenden Kleber beschichtet und mit einer Folie bzw. Papier abgedeckt.
3.2 Die Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin hat als Grundlage für diese Merkmale den Absatz [0031] und Anspruch 17 des erteilten Patents genannt.
3.3 Beide Fundstellen offenbaren, dass die Folie bzw. Papier abziehbar ist. Dies ermöglicht es, die "Folie bzw. das Papier bei Bedarf abzuziehen und den mit Leitbahnstruktur und Halbleiter-Chip versehenen Träger, wie ein Etikett an die verschiedensten Gegenstände zu kleben" (Spalte 6, Zeilen 9 bis 13).
3.4 Da die Folie oder das Papier des Anspruchs 1 keine einschränkenden Merkmale aufweist, fällt auch eine nicht-abziehbare Folie bzw. Papier unter den Wortlaut des Anspruchs. Solch eine Ausführungsform ist jedoch nicht in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart.
3.5 Die Beschwerdegegnerin hat zwar dargelegt, dass der Fachmann das Merkmal der Abziehbarkeit zwangsläufig mitlesen würde. Die Kammer kann jedoch diese Zwangsläufigkeit nicht erkennen, da eine Zwangsläufigkeit nur eine mögliche Interpretation zulässt. Nach Anspruch 1 kann jedoch die Folie bzw. Papier unzweifelhaft abziehbar oder nicht abziehbar sein.
3.6 Da nach Auffassung der Kammer der Gegenstand des Anspruchs 1 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, sind die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht erfüllt.
4. Hilfsantrag 3a - Anspruch 1
4.1 Die Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin reichte den Hilfsantrag 3a während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer ein. Gemäß Anspruch 1 dieses Antrags wird die auf dem Träger ausgebildete Leiterbahnstruktur mit einem elektrisch isolierenden Kleber beschichtet und temporär mit einer abziehbaren Folie oder Papier abgedeckt.
4.2 Die Beschwerdeführerin und Einsprechende wies darauf hin, dass sich durch diese Änderungen der Gegenstand des Anspruchs wesentlich verschoben habe: weg von Chipkarten und hin zu selbsthaftenden Etiketten. Obwohl der Einwand gegen den Hilfsantrag 3 seit längerem vorgebracht worden sei, habe die Reaktion der Patentinhaberin bis zu der mündlichen Verhandlung auf sich warten lassen. Das Ausbleiben einer rechtzeitigen Reaktion seitens der Patentinhaberin habe es ihr unmöglich gemacht, eine fundierte Argumentation vorzubereiten oder einschlägigen weiteren Stand der Technik vorzulegen.
4.3 Das allgemeine Interesse an einer effizienten Durchführung des Beschwerdeverfahrens ist ein wichtiger Aspekt, wenn Beweismittel oder Anträge im Verfahren nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zugelassen werden sollen. Neues Vorbringen oder Anträge können je nach den Umständen unberücksichtigt bleiben, wenn das Verfahren nur mit einer Vertagung abgeschlossen werden kann. Eine Partei, die während der mündlichen Verhandlung einen neuen Gegenstand einbringt, muss gewärtig sein, dass dieser Gegenstand nicht zum Verfahren zugelassen wird.
4.4 Artikel 13(3) VOBK schreibt vor, dass Änderungen des Vorbringen eines Beteiligten nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nicht zugelassen werden, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.
4.5 So liegt der Fall hier. Im vorliegenden Fall sind die Änderungen des Gegenstands des Hilfsantrags 3a auf die Ausgestaltung der elektronischen Anordnung als abziehbares Etikett gerichtet. Diese Merkmale wurden jedoch weder im Einspruchs- noch im Beschwerdeverfahren vor der Einreichung des Hilfsantrags angesprochen.
4.6 Eine gebührende Prüfung dieser Änderungen hätte zumindest eine Vertagung der mündlichen Verhandlung erfordert, um der anderen Partei Gelegenheit zu geben, weiteren Stand der Technik zu recherchieren und ihre Argumentation damit auszubauen, eher dagegen hätte die Sache an die erste Instanz zurückverwiesen werden müssen.
4.7 Da die Beschwerdeführerin für die verspätete Vorlage des Hilfsantrags keinerlei rechtfertigenden Grund genannt hat, ist die Kammer zu der Entscheidung gelangt, den Hilfsantrag 3a nicht in das Verfahren zuzulassen.
5. Hilfsantrag 4
5.1 Gemäß Anspruch 1 dieses Antrags wird der Halbleiter-Chip unmittelbar mit der nicht ausgehärteten Leiterbahnstruktur kontaktiert.
5.2 Dieses Merkmal entspricht Anspruch 5 des erteilten Patents. Es gab hinsichtlich der ursprünglichen Offenbarung dieses Merkmals keine Einwände seitens der Beschwerdeführerin, und auch die Kammer ist der Überzeugung, dass die Erfordernisse des Artikels 123(2) und (3) EPÜ erfüllt sind.
5.3 Wie von der Beschwerdeführerin und Einsprechenden zutreffend dargelegt, offenbart das Dokument D2 eine elektrische Anordnung mit einer auf einem flexiblen Kunststoffträger 30 gedruckten Leiterbahnstruktur 10 zur kontaktlosen Datenübertragung. Die Leiterbahnstruktur 10 besteht aus einer elektrisch leitenden Tinte und der Halbleiter-Chip 20 wird nach dem Flip-Chip-Verfahren auf sie aufgesetzt (Seite 5, Zeile 30 bis Seite 6, Zeile 13; Figuren 1 und 3). Hiervon unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 dadurch, (a) dass Papier das Trägermaterial bildet und (b) dass der Halbleiter-Chip mit der nicht ausgehärteten Leiterbahnstruktur kontaktiert wird.
5.4 Dokument D3 offenbart eine Chipkarte, die einen ein- oder mehrschichtigen Kartenkörper 3 aufweist, in dem ein elektronisches Modul 1 eingebettet ist. Aus Kostenreduzierungsgründen bestehen die verschiedenen Schichten 5, 7, 9 des Kartenkörpers aus Papier und/oder Karton und werden durch thermoaktivierbare Kleber oder Haftkleber miteinander verbunden. Die Chipkarte kann auch mit einem elektronischen Modul versehen werden, das für den berührungslosen Datenaustausch geeignet ist (Zusammenfassung; Spalte 2, Zeilen 43 bis 59; Spalte 4, Zeile 65 bis Spalte 5, Zeile 5; Figur 2).
5.5 Das elektronische Modul 1 der D3 beinhaltet jedoch die gesamte Elektronik der Chipkarte, wobei der Kartenkörper 3 ausschließlich als mechanischer Träger des Gesamtmoduls dient. Das Modul 1 und der Kartenkörper 3 sind somit zwei voneinander unabhängige Teile der Chipkarte.
5.6 Im Gegenzug hat der Kunststoffträger 30 des Dokuments D2 eine doppelte Rolle: als Träger der aufgedruckten Leiterbahnstruktur 10 und als mechanischer Träger des Halbleiter-Chips 20. In der in D2 offenbarten Chipkarte ist die Elektronik auf die gesamte Karte verteilt.
5.7 Die Kammer ist aus diesen Gründen der Auffassung, dass der Fachmann keine Anregung im Dokument D3 findet, den Kunststoffträger der D2 durch einen entsprechenden Träger aus Papier zu ersetzen. In diesem Sinn stimmt die Kammer der Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin zu, dass ohne eine rückblickende Betrachtung die Lehren der Dokumente D2 und D3 nicht zu kombinieren sind.
5.8 Geht man von einer Kombination der Dokumente D8 und D1 aus, wie schon in der Diskussion des Hauptantrags dargelegt, verbleibt das unterscheidende Merkmal (b), dass der Halbleiter-Chip mit der nicht ausgehärteten Leiterbahnstruktur kontaktiert wird.
5.9 Die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich auf die Lehre des Dokuments D6 verwiesen. Dieses Dokument offenbart eine Chipkarte mit einem Kunststoffträger 1, auf dem eine Leiterbahnstruktur mit einer leitenden Polymerpaste gedruckt ist. Auf der nicht ausgehärteten Leiterbahnstruktur wird ein Halbleiter-Chip 10 im Flip-Chip-Verfahren so gesetzt, dass die Elektroden 11 des Chips die entsprechenden Leiterbahnstellen kontaktieren (Spalte 5, Zeilen 9 bis 13; Spalte 6, Zeilen 3 bis 7; Spalte 7, Zeile 58 bis Spalte 8, Zeile 14; Figuren 1 und 3A).
5.10 Die Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin hat geltend gemacht, dass der Fachmann durch die Lehre des Dokuments D6 nicht angehalten wird, das beschriebene Kontaktierverfahren bei einem saugfähigen Trägermaterial, wie Papier oder Pappe es ist, anzuwenden. Der Kunststoffträger des Dokuments D6 ist nicht saugfähig und entzieht daher der für die Leiterbahnstruktur verwendeten Polymerpaste keine Feuchtigkeit. Anders verhält es sich bei Papier, Pappe oder einen textilen Material.
5.11 Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin zu, da es sich bei der elektrischen Kontaktierung eines Halbleiter-Chips um einen sehr präzisen Vorgang handelt. Mehrere winzige Elektroden müssen gleichzeitig und verlässlich mit den entsprechenden Kontaktstellen der Leiterbahnstruktur verbunden werden. Hierzu ist die Konsistenz der nicht ausgehärteten Polymerpaste der Leiterbahnstruktur ausschlaggebend. Diese wird jedoch von der Saugfähigkeit des Trägermaterials beeinflusst. Der Fachmann wird durch das Dokument D6 nicht angeregt, das offenbarte Kontaktierungsverfahren auch bei einem Papierträger zu versuchen.
5.12 Aus diesen Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass das Herstellungsverfahren des Anspruchs 1 des 4. Hilfsantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ 1973 beruht.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderter Form in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche:
1 bis 3 des 4. Hilfsantrags, eingereicht mit Schreiben vom 1. Juli 2008;
Beschreibung:
Kapitel [0024], eingereicht mit Schreiben vom 31. August 2009;
Kapitel [0001] bis [0023] und [0025] bis [0046] wie von der Einspruchsabteilung aufrechterhalten;
Zeichnungen:
Figur 1 der Patentschrift.