European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2008:T011008.20080613 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 13 Juni 2008 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0110/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06005582.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | G01B 21/04 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zum Vermessen von Werkstücken mit einem Messtaster an einer Werkzeugmaschine | ||||||||
Name des Anmelders: | Madlener, Wolfgang, et al | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.4.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit eines Verfahrens zum Vermessen von Werkstücken: bejaht | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 06 005 582.9 (Veröffentlichungsnummer EP 1 712 875 A2) wurde von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung haben die Anmelder und Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt.
II. Die Zurückweisung wurde von der Prüfungsabteilung damit begründet, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 5 in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung nicht neu sei im Sinne von Artikel 54(1) und (2) EPÜ 1973.
Der Entscheidung ging von Seiten der Recherchen- bzw. Prüfungsabteilung lediglich der erweiterte Recherchenbericht mit einer Stellungnahme zur Recherche voraus, in der auf folgende Druckschriften Bezug genommen wurde:
D1: WO 2000 / 028 996 A1
D2: WO 03 / 002 938 A1
D3: EP 0 759 534
In dieser Stellungnahme, die von der Prüfungsabteilung in dem Bescheid vom 03.04.2007 aufrechterhalten wurde, ist auch ausgeführt, dass der Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2 und 6 anscheinend auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
III. Mit ihrer Beschwerdebegründung haben die Beschwerdeführer neue Ansprüche 1 und 5 gemäß einem Hilfsantrag eingereicht und gemäß einem Hauptantrag die Erteilung in der ursprünglichen Fassung der Ansprüche beantragt. Die Argumente der Beschwerdeführer lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Das im Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag beanspruchte Verfahren beziehe sich auf die Durchführung einer Vermessung von Werkstücken auf einer Werkzeugmaschine. Im Gegensatz dazu wird das in dem Dokument D2 beschriebene Messverfahren an einer speziellen Messmaschine in der Form eines Koordinatenmessgerätes mit einem Messtisch durchgeführt. Das in D2 beschriebene Koordinatenmessgerät (KMG) eigne sich in keiner Weise für die Vermessung von Werkzeugen an einer Werkzeugmaschine. Vielmehr müssten Werkstücke aus einer Werkzeugmaschine entnommen werden, um daran eine Messung in einem KMG vorzunehmen zu können. Somit sei das Verfahren gemäß dem derzeit gültigen Patentanspruch 1 neu gegenüber der D2. Es sei aber auch neu gegenüber den übrigen Entgegenhaltungen.
Bei dem in der D1 beschriebenen Messverfahren würden alle bei einem Messablauf zur Vermessung eines Werkstückes anzufahrenden Messpunkte festgelegt, die jeweils zugehörigen Schwenkpositionen der beiden Schwenkachsen bestimmt und nach Durchführung einer automatischen Kalibrierung für jeden einzelnen Messpunkt die so erhaltenen Kalibrierdaten zur Wiederverwendung für nachfolgende Messabläufe gespeichert. Die Kalibrierung der jeweiligen Schwenkpositionen erfolge somit, basierend auf der Annahme, dass die jeweilige Position der beiden Schwenkachsen exakt wiederholbar sei, genau einmal.
Demgegenüber liege dem vorliegenden Patentbegehren weiterhin die objektive Aufgabe zu Grunde, eine höhere Genauigkeit bei der Vermessung von Werkstücken an Werkzeugmaschinen mit wenigstens einer Schwenkachse zu erreichen.
In einem ersten Lösungsansatz erfolge dies durch das im derzeit gültigen Patentanspruch 1 beanspruchte Verfahren. Demnach werde ausgehend von der Erkenntnis, dass bei der Positionierung von Schwenkachsen nicht nur Winkelfehler auftreten sondern auch nicht reproduzierbare Ungenauigkeiten in der Position des Schwenkachsenzentrums, für jede neu eingenommene Schwenkposition eine Kalibrierung vorgenommen. Dies ergebe sich aus dem letzten Teilsatz des kennzeichnenden Teils: "wenn am Messobjekt eine Messung in einer entsprechenden Schwenkposition vorgenommen wird".
Dadurch komme zum Ausdruck, dass die Kalibrierprozedur in der betreffenden Schwenkposition ohne Veränderung der Schwenkposition vorzunehmen sei.
Zur D2 sei zunächst festzustellen, dass sich diese mit der Optimierung eines Messverfahrens an einem Koordinatenmessgerät (KMG) beschäftige. Ein KMG sei aber eine vollkommen andere Vorrichtung als eine Werkzeugmaschine. Ein KMG arbeite regelmäßig um ein Vielfaches genauer als eine Werkzeugmaschine. Daher werde ein Durchschnittsfachmann bei der Lösung eines Messproblems an einer Werkzeugmaschine sich keine Anregungen aus dem Bereich der KMGs holen. Selbst wenn er die D2 heranziehe, ergebe sich nur folgende
Situation: In der D2 sei weder ein nicht reproduzierbarer Schwenkfehler von Schwenkachsen noch eine zu dessen Behebung geeignete Lösung thematisiert. Die D2 sei somit nach diesseitiger Auffassung auch nicht dazu geeignet, das im derzeit gültigen Patentanspruch 1 beanspruchte Verfahren nahezulegen, sondern führe im Gegenteil durch den Vorschlag, zur Erleichterung des Betriebs eines Koordinatenmessgerätes mit einem Dreh-Schwenk-Gelenk das gesamte Messsystem nur ein einziges Mal zu kalibrieren, geradezu von der vorliegenden Erfindung weg.
IV. Mit Schreiben vom 05.06.2008 hat die Anmelderin geänderte Unterlagen eingereicht und beantragt, auf dieser Grundlage ein Patent zu erteilen. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 5 lauten wie folgt:
1. Verfahren zum Vermessen von Werkstücken (1) mit einem Messtaster (5) in einer Werkzeugmaschine mit linearen Bewegungsachsen und wenigstens einer Schwenkachse, dadurch gekennzeichnet, dass die Abweichung einer tatsächlich bestimmten Position eines Kalibrierkörpers (2) bei einer Schwenkposition zu einer theoretischen Position, die sich für den Kalibrierkörper (2) ohne einen Schwenkfehler idealer Weise ergeben müsste, herangezogen wird, um einen Korrekturwert zu bestimmen, um welchen ein tatsächlicher Messwert zur Berechnung einer Koordinate eines Messpunktes an einem Messobjekt oder eine theoretische Koordinate eines Messpunktes, die am Messobjekt angefahren werden soll, korrigiert wird, wenn am Messobjekt eine Messung in einer entsprechenden Schwenkposition vorgenommen wird.
5. Werkzeugmaschine mit linearen Bewegungsachsen und wenigstens einer Schwenkachse und einer Vorrichtung zum Vermessen von Werkstücken (1) mit einem Messtaster (5), dadurch gekennzeichnet, dass eine Rechnereinheit dazu ausgelegt ist, die Abweichung einer tatsächlich bestimmten Position eines Kalibrierkörpers bei einer Schwenkposition zu einer theoretischen Position, die sich für den Kalibrierkörper ohne einen Schwenkfehler idealer Weise ergeben müsste, heranzuziehen, um einen Korrekturwert zu berechnen und mit dem Korrekturwert einen tatsächlichen Messwert zur Berechnung einer Koordinate eines Messpunktes an einem Messobjekt oder eine theoretische Koordinate eines Messpunktes, die am Messobjekt angefahren werden soll, zu korrigieren, wenn am Messobjekt eine Messung in einer entsprechenden Schwenkposition vorgenommen wird.
Entscheidungsgründe
1. Interpretation des Anspruchswortlauts
Der Anspruch 1 bezieht sich auf ein "Verfahren zum Vermessen von Werkstücken (1) mit einem Messtaster (5) in einer Werkzeugmaschine". Dieser Wortlaut ist in der Weise zu interpretieren, dass die Verfahrensschritte, wie sie in dem Anspruch definiert sind, an Werkstücken ausgeführt werden, die sich in einer Werkzeugmaschine befinden. Es handelt sich also nicht um ein Verfahren, das für die Anwendung auf eine Werkzeugmaschine lediglich geeignet ist, im Übrigen aber auch bei anderen Gegenständen anwendbar ist. Der Fall ist daher anders gelagert als der einer "Vorrichtung zur Durchführung eines Verfahrens". Eine solche Vorrichtung braucht nämlich lediglich für die Durchführung des genannten Verfahrens geeignet zu sein, eine Interpretation, die auf Verfahren nicht zutrifft, weil bei diesen derartige Merkmale die Verfahrensschritte als funktionelle Merkmale definieren, siehe Richtlinien C-III 4.13, den ersten Absatz und den letzten Absatz.
2. Vergleich mit dem Stand der Technik
In dem von der Prüfungsabteilung als neuheitsschädlich betrachteten Dokument D2, siehe insbesondere die Figur 1 mit der sie erläuternden Beschreibung, ist ein Verfahren zum Vermessen von Werkstücken mit einem Koordinatenmessgerät (KMG) offenbart, das einen Messtaster (Taststift 16) aufweist, der an einem Ständer 12 befestigt ist, der wiederum auf einem Messtisch 10 angeordnet ist. Auch wenn die in D2 gemessenen Daten wie Positionen und Winkelstellungen zur Programmierung des CNC-Ablaufs bei einem Fertigungsprozess dienen, ist dem Dokument D2 nicht zu entnehmen, dass sich das KMG in einer Fertigungsmaschine, insbesondere einer Werkzeugmaschine, befindet. Es ist vielmehr D2, siehe z.B. Seite 1, Zeilen 9 bis 11, zu entnehmen, dass das KMG, welches vom "Ständertyp" ist, völlig getrennt von einer solchen Maschine angeordnet und verwendet wird. In der Figur 1 von D2, auf die die Prüfungsabteilung in diesem Zusammenhang hingewiesen hat, bezeichnet das Bezugszeichen 1 einen Messtisch, aber keine Maschine, insbesondere keine Werkzeugmaschine, an der sich das KMG befindet.
Zu einem Neuheitseinwand der Prüfungsabteilung auf Grund des Dokuments D1 haben die Anmelder in ihrem Schreiben vom 04.07.2007 Stellung genommen. Die Kammer kann sich der dort vorgebrachten Argumentation anschließen, zumal die Prüfungsabteilung diesen Einwand in ihrer Entscheidung nicht wiederholt hat.
Die weiteren in der Akte befindlichen Druckschriften kommen dem beanspruchten Gegenstand nicht näher.
3. Neuheit
Das in dem Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag definierte Verfahren ist daher neu im Sinne von Artikel 54(1) und (2) EPÜ 1973. Dies gilt in analoger Weise auch für die im Anspruch 5 definierte Werkzeugmaschine, in der das Verfahren durchgeführt wird. Da der Anspruch 5 auf eine Werkzeugmaschine selbst gerichtet ist, werden Unklarheiten darüber vermieden, welche Merkmale zu dem beanspruchten Gegenstand gehören bzw. diesen für die Anwendung bei einer Wergzeugmaschine geeignet machen (siehe Punkt 1 oben).
4. Erfinderische Tätigkeit
Die Kammer kann sich auch der Argumentation der Anmelder hinsichtlich des Vorhandenseins einer erfinderischen Tätigkeit anschließen, wie sie in Abschnitt III oben wiedergegeben ist. Da die Prüfungsabteilung der Ansicht war, dass die Gegenstände der Ansprüche 1 und 5 nicht neu waren, hat sie die erfinderische Tätigkeit in Bezug auf diese Ansprüche nicht untersucht und sich folgerichtig in ihrer Stellungnahme, siehe Abschnitt II oben, positiv dahingehend geäußert, dass erst die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 und 6 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten. Die Kammer ist jedoch aus den o.g. Gründen zu dem Schluss gekommen, dass die Neuheit bezüglich der Ansprüche 1 und 5 gegeben ist, und ist auch überzeugt, dass die Gegenstände dieser Ansprüche auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.
5. Auch die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 4 sowie 6 und 7 sind auf Grund ihrer Rückbeziehung auf den Anspruch 1 bzw. 5 patentfähig. Die Beschreibung ist durch eine Darstellung des Standes der Technik gemäß den Druckschriften D1 und D2 ergänzt worden. Sie entspricht im Übrigen, was die Darstellung der Erfindung anbelangt, den an sie zu stellenden Anforderungen.
6. Da dem Antrag der Anmelder entsprochen wurde, brauchte die hilfsweise beantragte mündliche Verhandlung nicht durchgeführt zu werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, ein Patent in folgender Fassung zu erteilen:
Ansprüche:
Nr. 1, 2, 5 und 6, eingereicht mit Schreiben vom 05.06.2008
Nr. 3, 4 und 7, wie ursprünglich eingereicht
Beschreibung:
Seiten 1, 2, 2a, 4, 4a, 5, 5a, 6 und 6a, eingereicht mit Schreiben vom 05.06.2008
Seiten 3 und 7, wie ursprünglich eingereicht
Zeichnungen:
Blatt 1/1, wie ursprünglich eingereicht