European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2009:T002708.20091112 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 12 November 2009 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0027/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01995634.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | B22D 11/12 B22D 11/128 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zum Herstellen von Dünnbrammen | ||||||||
Name des Anmelders: | SMS Siemag AG, et al | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Siemens VAI Metals Technologies GmbH & Co | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (verneint) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent EP-B1-1 365 874 betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Herstellen von Dünnbrammen, deren Querschnitt während der Erstarrung reduziert wird, in einer Stranggießanlage. Gegen das erteilte Patent hatte die Einsprechende (die Beschwerdegegnerin) Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent zu widerrufen, da der Gegenstand der Ansprüche nicht neu bzw. nicht erfinderisch sei (Artikel 100 a) EPÜ) und über den Gegenstand der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe (Artikel 100 c) EPÜ).
II. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass der Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 bis 3 nicht neu sei, und deshalb das Patent widerrufen. Die Entscheidung ist am 23. Oktober 2007 zur Post gegeben worden.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin (die Beschwerdeführerin) am 17. Dezember 2007 Einspruch eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet und am 29. Februar 2008 ihre Beschwerde begründet.
IV. Eine mündliche Verhandlung wurde auf Antrag der Beschwerdeführerin anberaumt. In ihrer Mitteilung als Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung hat die Kammer zur Frage der Neuheit eine vorläufige Stellungnahme abgegeben. Als Antwort hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 9. November 2009 ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen und um Entscheidung nach Aktenlage ersucht. Der anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung wurde daher aufgehoben.
V. Ansprüche
a) Anspruch 1 des erteilten Patents lautet wie folgt:
"1. Verfahren zum Herstellen von Dünnbrammen, deren Querschnitt während der Erstarrung reduziert wird, in einer Stranggießanlage (1), deren an die Kokille (2) anschließende Strangführung mehrere Segmente (3,4,n) mit jeweils mehreren Paaren gegenüber angeordneter Rollen (8) aufweist, wobei nur eines der Segmente (3,4,n) zur Dickenänderung des einen flüssigen Kern (13) aufweisenden Stranges (7) einen keilförmig anstellbaren Rollenabschnitt (11a) aufweist,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Strangdicke unterhalb des der Kokille (2) folgenden ersten Segmentes (3) durch Keilanstellung der dortigen Strangführungsrollen (8) mit weichem Übergang und Mini-Reduktion verringert wird."
b) Der unabhängige Anspruch 3 betrifft eine Vorrichtung:
"3. Vorrichtung zum Herstellen von Dünnbrammen, deren Querschnitt während der Erstarrung reduziert wird, in einer Stranggießanlage (1), deren an die Kokille (2) anschließende Strangführung mehrere Segmente (3,4,n) mit jeweils mehreren Paaren gegenüber angeordneter Rollen (8) aufweist, wobei nur eines der Segmente (3,4,n) zur Dickenänderung des einen flüssigen Kern (13) aufweisenden Stranges einen keilförmig anstellbaren Rollenabschnitt (11a) aufweist, der einlaufseitig einen Drehpunkt (14) und auslaufseitig angeordnete Stellmittel (12) besitzt, insbesondere zum Durchführen des Verfahrens nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass keilförmig anstellbare Rollenabschnitt (11a) an demjenigen Strangführungssegment (4;n) vorgesehen ist, welches dem der Kokille (2) unmittelbar nachgeschalteten Segment (3) folgt, und zur Mini-Reduktion des Stranges (7) ausgebildet ist."
Die abhängigen Ansprüche 2 und 4 bis 6 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des in Anspruch 1 definierten Verfahrens und bzw. der in Anspruch 3 definierten Vorrichtung.
VI. Stand der Technik
Die Einspruchsabteilung ist zum Schluss gekommen, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 3 durch die Entgegenhaltung D1 vorweggenommen wird:
D1: A. Yamanaka et al. "Thin slab casting with liquid
core reduction", Ironmaking and Steelmaking,
Vol. 26, Nr. 6, Seiten 457 bis 462, 1999.
VII. Vorbringen der Beteiligten
Neuheit
a) Vorbringen der Beschwerdeführerin
Die Beschwerdeführerin trug vor, der D1 sei nicht zu entnehmen, dass die Stranggießvorrichtung einen keilförmigen anstellbaren Rollenabschnitt zur Dickenänderung des Stranges aufweise, der einlaufseitig einen Drehpunkt und auslaufseitig angeordnete Stellmittel besitze.
Nach der Auffassung der Beschwerdeführerin bedeutet dieses Merkmal, dass der Drehpunkt genau im Mittelpunkt der ersten Rolle des anstellbaren Rollenabschnittes liege. Im Gegensatz dazu weise das Segment nach D1 zwei Stellmittel auf; deshalb liege der Drehpunkt für die Anlenkung des Stellmittels am Segment und nicht in der Mitte der ersten Rolle.
Die Beschwerdeführerin führte weiter aus, dass D1 nicht offenbare, dass die Strangdicke durch Keilanstellung der Rollen mit weichem Übergang verringert werde, weil dies bei einer Zweizylinderkonstruktion nicht möglich sei.
Das Verfahren nach Anspruch 1 bzw. die Vorrichtung nach Anspruch 3 seien daher neu.
b) Vorbringen der Beschwerdegegnerin
Die Beschwerdegegnerin trug vor, dass das Streitpatent nicht offenbare, wo genau "einlaufseitig" und "auslaufseitig" sei. Insbesondere sei ein Drehpunkt in der Mitte der ersten einlaufseitigen Rolle weder in den Ansprüchen noch in der Beschreibung erwähnt. Nach der Erklärung der Beschwerdeführerin liege bei der Zweirollenanordnung der D1 der Drehpunkt nicht in der Mitte der ersten Rolle, sodass diese Rolle vom Strang abgehoben werde. Dem hielt die Beschwerdegegnerin entgegen, dass ein solchen Abheben zu einer unzulässigen Beanspruchung der noch dünnen Schale des Stranges führen würde und der Fachmann wisse, dass dies unbedingt vermieden werden müsse. Bei der Vorrichtung der D1 bleibe daher ebenso wie im Anspruch 3 die erste Rolle im Kontakt mit dem Strang.
Hinsichtlich D1 definierten die Ansprüche 1 bzw. 3 daher kein neues Merkmal.
VIII. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung aufzuheben und "die Erteilung des Patents zu beschließen". Da jedoch bereits ein Patent erteilt wurde, ist offensichtlich die Aufrechterhaltung des - bereits erteilten - Patents gemeint.
Die Beschwerdegegnerin hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
2. Unabhängige Anspruch 3 - Die Vorrichtung
2.1 Die D1 offenbart eine Versuchsvorrichtung zum Herstellen von Dünnbrammen mit einem Rollenabschnitt, der drei Segmente mit jeweils mehreren Paaren gegenüber angeordneter Rollen aufweist (Seite 457, "Introduction", dritter Absatz). Die Dünnbrammen werden durch Keilanstellung der Segmente verringert und jedes obere Segment wird mittels zweier Stellzylinder bewegt (siehe "Experimental Procedure", Seite 458). Bei den in Tabelle 1 der D1 angegebenen Bedingungen für "High Carbon" in der letzten Zeile erfolgt die gesamte Dickenverringerung nur im Segment #1, also gemäß Bild 3 dem auf das der Kokille nach geschalteten Segment folgenden Segment.
2.2 Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass ein in Anspruch 3 definierter Rollenabschnitt, der einlaufseitig einen Drehpunkt und auslaufseitig angeordnete Stellmittel aufweise, aus der D1 nicht zu entnehmen sei. Die Folge der Anordnung mit zwei Stellzylindern nach D1 sei, dass im Gegensatz zu der Erfindung der Drehpunkt für die Anlenkung des Stellmittels nicht in der Mitte der ersten Rolle liege.
Anspruch 3 definiert lediglich, dass der Rollenabschnitt einlaufseitig einen Drehpunkt und auslaufseitig ein Stellmittel besitzt. Diese Definition schließt nicht das Merkmal ein, dass der Drehpunkt genau im Mittelpunkt der ersten Rolle liegt. Vielmehr hat sie die Bedeutung, dass der Drehpunkt lediglich in der Nähe der Einlaufseite liegt, wie auch die Beschwerdegegnerin argumentiert. Ein Drehpunkt in der Mitte der ersten einlaufseitigen Rolle ist daher kein Unterschiedsmerkmal.
2.3 Die Beschwerdegegnerin hat ferner vorgebracht, dass die von der Beschwerdeführerin vorgetragene Interpretation der D1 nicht korrekt sei. Die Beschwerdeführerin trug hierzu vor, dass bei einem mittels zweier Zylinder gesteuerten Rollenträger, wie er in D1 gezeigt ist, der Drehpunkt am Einlaufzylinder statt an der ersten Rolle liege (siehe auch die mit der Beschwerdebegründung eingereichte Skizze). Hierzu ist festzustellen, dass auch dann, wenn ein Segment nach D1 zwei Stellzylinder aufweist, der Drehpunkt nicht notwendigerweise der Stelle des ersten Zylinders entsprechen muss, weil sich beide Zylinder bewegen können.
Wenn der Drehpunkt am ersten Stellzylinder hinter der ersten Rolle liegt, würde bei einer Schwenkung des Rollenträgers mittels des zweiten Zylinders die erste einlaufseitige Rolle vom Strang abgehoben. Die Kammer schließt sich der Auffassung der Beschwerdegegnerin an, dass dies zu einem Ausbauchen des Stranges führen und daher vom Fachmann nicht in Betracht gezogen würde. Deshalb ist D1 so zu verstehen, dass der erste Stellzylinder nicht als Drehpunkt fungieren wird, wie die Beschwerdeführerin angedeutet hat.
2.4 Zusammenfassend definiert Anspruch 3 nicht, dass der Drehpunkt an der ersten Rolle liegt, und D1 offenbart nicht, dass der Drehpunkt am einlaufseitigen Stellzylinder liegt. Das in Anspruch 3 definierte Merkmal, dass ein Segment zur Dickenänderung einen keilförmig anstellbaren Rollenabschnitt aufweist, der einlaufseitig einen Drehpunkt und auslaufseitig ein Stellmittel besitzt, ist daher der D1 zu entnehmen.
Die D1 offenbart alle der in Anspruch 3 definierten Merkmale. Daher ist die Vorrichtung nach Anspruch 3 nicht neu.
3. Anspruch 1 - Das Verfahren
3.1 Nach Anspruch 1 wird die Strangdicke durch Keilanstellung der Strangführungsrollen mit weichem Übergang und Mini-Reduktion verringert. Die Beschwerdeführerin trug vor, dass hinsichtlich D1 dieses Merkmals neu sei.
3.2 Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die Begriffe "weicher Übergang" und "Mini-Reduktion" vage seien, und deshalb das im Anspruch 1 gekennzeichnete Merkmal auch im Verfahren nach D1 vorhanden sein müsse. Die Kammer ist ebenfalls der Auffassung, dass diese in Anspruch 1 angegebenen Begriffe keine klare Bedeutung besitzen und deshalb nicht als Unterschiedsmerkmale angesehen werden können.
3.3 Obwohl eine Definition eines "weichen Übergangs" im Streitpatent nicht gegeben ist, ist er offensichtlich in Zusammenhang mit dem Begriff "Mini-Reduktion" zu sehen, für den der abhängige Anspruch 2 einen Bereich von 1 bis 25 mm angibt. Ungeachtet der Klarheit dieser Definitionen in Anspruch 1 offenbart D1 drei Rollensegmente (1 bis 3), die zum Reduzieren verwendet werden. In Tabelle 1 sind Reduktionssequenzen (mm) 30-0-0, 0-30-0 und 25-0-0 (hinsichtlich der Segmente) gegeben. Eine Reduktion von 25 mm (letztes Beispiel in Tabelle 1) fällt in den im abhängigen Anspruch 2 definierten Bereich für Mini-Reduktion. Die D1 offenbart deshalb ein Reduktion, die die im Streitpatent gegebene Definition erfüllt. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass bei einer Zweizylindereinrichtung ein "weicher Übergang" nicht möglich sei, ist daher nicht glaubwürdig.
3.4 D1 offenbart alle Merkmale des Verfahrens nach Anspruch 1, das somit nicht neu ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.