T 0020/08 () of 18.11.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T002008.20091118
Datum der Entscheidung: 18 November 2009
Aktenzeichen: T 0020/08
Anmeldenummer: 02006058.8
IPC-Klasse: F01N 3/023
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zur Abgasbehandlung einer Brennkraftmaschine
Name des Anmelders: ROBERT BOSCH GMBH
Name des Einsprechenden: DEUTZ Aktiengesellschaft
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Neuheit - ja
Zulassung neuen Standes der Technik - ja
Zurückverweisung - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 16. März 20021 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 10. Mai 2001 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 02006058 wurde das europäische Patent Nr. 1 256 699 mit 10 Ansprüchen erteilt.

II. Gegen das erteilte Patent wurde, gestützt auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) EPÜ, Einspruch eingelegt und der Widerruf des Patents beantragt.

III. Der Einspruch wurde von der Einspruchsabteilung mit ihrer am 6. November 2007 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.

Die Einspruchsabteilung kam zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu sei und auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 10 lauten:

"1. Vorrichtung zur Abgasbehandlung einer Verbrennungseinrichtung (2), insbesondere einer Dieselbrennkraftmaschine (2), mit wenigstens einer Heizvorrichtung (5) zur Erwärmung eines Partikelfilters (1), wobei eine chemische Regeneration des Partikelfilters (1) vorgesehen ist und wobei eine Regeleinheit (6) zur Regelung einer Ist-Temperatur des Partikelfilters (1) wenigstens während der Regeneration vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Ist-Temperatur kleiner als eine Zündtemperatur der Vorrichtung ist.

10. Verfahren zur Abgasbehandlung einer Brennkraftmaschine (2), insbesondere einer Dieselbrennkraftmaschine (2), mit wenigstens einer Heizvorrichtung (5) zur Erwärmung eines Partikelfilters (1), wobei eine chemische Regeneration des Partikelfilters (1) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass eine Vorrichtung nach einem der vorgenannten Ansprüche zur Regelung einer Ist-Temperatur des Partikelfilters (1) wenigstens während der Regeneration verwendet wird."

IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 4. Januar 2008 Beschwerde ein und bezahlte am gleichen Tag die Beschwerdegebühr.

Mit ihrer am 6. März 2008 beim Europäischen Patentamt eingegangenen Beschwerdebegründung verfolgte sie ihren Antrag auf Widerruf des Patents weiter.

V. Die Beschwerdekammer teilte in ihrem Bescheid als Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage mit, wonach die Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit durch die Einspruchsabteilung nicht zu beanstanden sei.

VI. Am 18. November 2009 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der die Entgegenhaltung:

D1: DE-A-44 31 565

diskutiert wurde. Während der Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin noch eine neue Druckschrift ein:

D4: DE-C-196 07 341

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 256 699.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

VII. Die Beschwerdeführerin argumentierte zunächst, die Vorrichtung nach Anspruch 1 sei zumindest nicht erfinderisch gegenüber dem Stand der Technik nach D1, weil dort eine Regeneration im superadiabatischen Bereich stattfinde. Hieraus entnehme der Fachmann eindeutig, dass dies unterhalb der Zündtemperatur geschehe, was sie anhand zweier Skizzen verdeutlichte.

Das erst am Tag vor der mündlichen Verhandlung von ihr aufgefundene Dokument D4 offenbare sämtliche Merkmale des Anspruchs 1, wobei sie insbesondere auf Anspruch 8 und Spalte 10, Zeile 36 dieser Druckschrift hinwies.

VIII. Die Beschwerdegegnerin brachte vor, die Vorrichtung nach Anspruch 1 sei jedenfalls neu im Hinblick auf D1, weil dort gerade nicht offenbart sei, dass das Regenerationsverfahren unterhalb der Zündtemperatur ablaufe.

Die neue Entgegenhaltung D4 enthalte keinen Hinweis, dass das Erreichen einer bestimmten Temperatur während der Regeneration mit einer Zündtemperatur der Vorrichtung verglichen werde. Es werde lediglich offenbart, dass unkontrollierter Rußabbrand vermieden werde, ohne dass eine Temperaturregelung stattfinde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit

Die Neuheit der Vorrichtung nach Anspruch 1 gegenüber den bereits im Verfahren genannten Dokumenten wurde von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr angegriffen. Die Kammer schließt sich den zutreffenden Ausführungen der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung zu diesem Punkt vollinhaltlich an. D1 offenbart weder explizit noch implizit das Merkmal einer Temperaturregelung in der Weise, dass die Ist-Temperatur des Partikelfilters kleiner als eine Zündtemperatur der Vorrichtung ist.

3. Neuer Stand der Technik

3.1 Gemäß Artikel 12 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) liegen dem Beschwerdeverfahren - soweit es hier darauf ankommt - die Beschwerde und die Beschwerdebegründung zugrunde. Nach Artikel 13 (1) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung zuzulassen, wobei ua die Komplexität des Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie zu berücksichtigen sind.

3.2 Die Einführung neuen Standes der Technik im Lauf der mündlichen Verhandlung, also zum spätest möglichen Zeitpunkt, kann nach Auffassung der Kammer nur dann erfolgen, wenn das Dokument die Grundlagen der Entscheidung der Einspruchsabteilung unmittelbar in Frage stellt.

3.3 Dies ist hier der Fall.

In ihrer Entscheidung hat sich die Einspruchsabteilung zunächst mit dem Begriff "Zündtemperatur" auseinandergesetzt, der im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 enthalten ist in der Formulierung, dass "... die Ist-Temperatur kleiner als eine Zündtemperatur der Vorrichtung ist". Dabei ist sie offensichtlich davon ausgegangen, dass "eine Zündtemperatur" als die Zündtemperatur für die ganze Vorrichtung gelten soll, was allerdings wegen der Verwendung des unbestimmten Artikels "eine" fraglich ist. Hinzu kommt, dass per Definition in den Absätzen [0018] und [0019] des Patents die Zündtemperatur nicht als eine Temperatur definiert ist, bei der tatsächlich eine Zündung stattfindet, sondern etwa als ein Temperaturgleichgewicht, wobei die durch die Regeneration freigesetzte Energie gleich einer Menge an durch Konvektion, Strahlung und Wärmeleitung abgegebener Energie zumindest in einem aktiven Bereich der Vorrichtung ist.

3.4 Das Dokument D4 offenbart eine Vorrichtung, die die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 aufweist (Spalte 12, Anspruch 8). Wie sich aus der Beschreibung weiter ergibt, wird der Partikelfilter insgesamt erhitzt, um die Regeneration in Gang zu bringen. Sodann kann durch Abschalten der Heizung (Figur 3, Schritt S10) die infolge der Verbrennungsreaktion pro Zeiteinheit erzeugte Wärmemenge verringert werden und geringer gemacht werden als die Strahlungswärme pro Zeiteinheit (Spalte 10, Zeilen 25 bis 36). Dieser Vorgang scheint der von der Einspruchsabteilung vorgenommenen Definition der Zündtemperatur zu entsprechen, wobei aber fraglich ist, ob diese Zündtemperatur dasselbe bedeutet wie die im Anspruch verwendete Formulierung "eine Zündtemperatur der Vorrichtung", dh ob das Temperaturgleichgewicht für den Partikelfilter insgesamt in der Summe gelten soll oder ob es an einer oder an jeder Stelle innerhalb des Partikelfilters gelten soll.

4. Nach Artikel 111 (1) EPÜ 1973 entscheidet nach der Prüfung, ob die Beschwerde begründet ist, die Beschwerdekammer über die Beschwerde. Die Beschwerdekammer wird entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück. Das durch diese Vorschrift eröffnete Ermessen übt die Kammer dahingehend aus, dass sie die Sache an die Einspruchsabteilung zurückverweist. Maßgebend hierfür ist, dass die Entscheidung nicht ohne weitere Feststellungen getroffen werden kann, wobei auch der tatsächliche Offenbarungsgehalt von D4 zu berücksichtigen ist. Auch muss der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) ermöglicht werden, sich mit dem Dokument D4 und der neuen Fragestellung auseinanderzusetzen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens zurückverwiesen.

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