T 1759/07 () of 27.4.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T175907.20100427
Datum der Entscheidung: 27 April 2010
Aktenzeichen: T 1759/07
Anmeldenummer: 02026595.5
IPC-Klasse: F24C 15/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Einhänge- oder Hordengestell für Vorrichtungen zur Wärmebehandlung von Substanzen, insbesondere Nahrungsmittel
Name des Anmelders: Convotherm Elektrogeräte GmbH, et al
Name des Einsprechenden: Rational Aktiengesellschaft
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13
Schlagwörter: Anträge während der mündlichen Verhandlung eingereicht: nicht zugelassen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende hat am 10. Oktober 2007 gegen die Entscheidung vom 17. August 2007, mit der die Einspruchsabteilung den Einspruch gegen das Europäische Patent Nr. 1 321 719 (auf der Basis der Patentanmeldung EP 02026595.5) zurückgewiesen hat, Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet.

Die Beschwerdebegründung hat die Einsprechende (im Folgenden: die Beschwerdeführerin) am 14. Dezember 2007 nachgereicht.

II. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 27. April 2010 statt.

Zur Vorbereitung dieser Verhandlung erließ die Kammer am 26. November 2009 einen Ladungsbescheid, in dem unter anderem auf eine mögliche Verletzung des Artikels 123(2) EPÜ hingewiesen wurde.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Basis des während der mündlichen Verhandlung als Hauptantrag eingereichten Hauptanspruchs oder, hilfsweise, auf der Basis eines der während der mündlichen Verhandlung als Hilfsanträge 1 und 2 eingereichten Hauptansprüche.

Am Schluss der Verhandlung hat die Kammer ihre Entscheidung verkündet.

III. Der jeweilige Anspruch 1 lautet wie folgt (die Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 sind unterstrichen dargestellt):

Hauptantrag:

"Einhänge- oder Hordengestell (1) für Vorrichtungen zur Wärmebehandlung von Nahrungsmitteln, mit [deleted: aus Profilschienen bestehenden ]Auflageschienen mit übereinanderliegenden Schenkeln (3,4) für Randbereiche von Behältern, dadurch gekennzeichnet, dass die Auflageschienen durch Ausnehmungen (7, 8), Löcher (9) oder Durchbrechungen gitterartig, netzartig oder skelettartig und somit allseitig benetzbar gestaltet sind und dass die Ausnehmungen (7, 8), Löcher (9) oder Durchbrechungen

- sowohl in den Schenkeln (3, 4)

- als auch in den zwischen den Schenkeln befindlichen vertikalen Abschnitten

vorgesehen sind."

Hilfsantrag 1:

"Einhänge- oder Hordengestell (1) für Vorrichtungen zur Wärmebehandlung von Nahrungsmitteln, mit jeweils aus einer Profilschienen bestehenden Auflageschienen mit übereinanderliegenden Schenkeln für die Randbereiche von Behältern, dadurch gekennzeichnet, dass die Auflageschienen durch Ausnehmungen (7, 8), Löcher (9) oder Durchbrechungen gitterartig, netzartig oder skelettartig und somit allseitig benetzbar gestaltet sind und dass die Ausnehmungen (7, 8), Löcher (9) oder Durchbrechungen

- sowohl in den Schenkeln (3, 4)

- als auch in den zwischen den Schenkeln befindlichen vertikalen Abschnitten

vorgesehen sind."

Hilfsantrag 2:

"Einhänge- oder Hordengestell (1) für Vorrichtungen zur Wärmebehandlung von Nahrungsmitteln, mit aus Profilschienen bestehenden Auflageschienen mit übereinanderliegenden Schenkeln (3,4) für Randbereiche von Behältern, dadurch gekennzeichnet, dass die Auflageschienen durch Ausnehmungen (7, 8), Löcher (9) oder Durchbrechungen gitterartig, netzartig oder skelettartig und somit allseitig benetzbar gestaltet sind und dass die Ausnehmungen (7, 8), Löcher (9) oder Durchbrechungen

- sowohl in den Schenkeln (3, 4)

- als auch in den zwischen den Schenkeln befindlichen vertikalen Abschnitten

vorgesehen sind, wobei mindestens einer der beiden Schenkel (3,4) einer Auflageschiene einen von 90º abweichenden Winkel (alpha,beta) gegenüber der Vertikalen aufweist und zumindest die geneigten Schenkel (3,4) einer Auflageschiene eine profilierte Oberfläche (10) aufweisen."

IV. Die Beschwerdeführerin stützt sich im wesentlichen auf folgende Gründe und Argumente:

Ganz offensichtlich seien die im Anspruch 1 der während der mündlichen Verhandlung eingereichten Haupt- und Hilfsanträge vorgenommenen Änderungen nicht in der Lage, sämtliche bereits gegen frühere und von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung zurückgenommene Versionen des Anspruchs 1 erhobenen formellen Mängel (Artikel 100c), 123(2) und 84 EPÜ) aufzuheben und würden zum Teil gegen die Vorschriften des Artikels 123(3) EPÜ verstoßen. Zudem seien die im Hilfsantrag 2 hinzugefügten Merkmale nicht Gegenstand der bisherigen Erörterung im Beschwerdeverfahren gewesen und führten zu einer grundlegenden Änderung des Sachverhalts. Die spät eingereichten Anträge seien damit nicht zuzulassen.

V. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden.

Das Streichen gemäß dem Hauptantrag des im Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 vorhandenen Begriffs "aus Profilschienen bestehenden" stelle keine Erweiterung des Schutzumfangs im Sinne von Artikel 123(3) EPÜ. Das im Kennzeichen des Anspruchs 1 definierte Merkmal, nämlich dass eine Auflageschiene Schenkeln und einen dazwischen befindlichen vertikalen Abschnitt aufweise, betreffe nicht nur das gleiche Konzept, sondern schränke das von der Bedeutung her allgemeinere bzw. übergeordnete Merkmal einer Profilschiene sogar noch weiter ein.

Das Ersetzen im Hilfsantrag 1 des erteilten Merkmals "aus Profilschienen bestehenden" durch "jeweils aus einer Profilschiene bestehenden" solle klarstellen, dass jede Auflageschiene durch eine Profilschiene gebildet sei. Damit würden die Schenkel und der vertikale Abschnitt gleichermaßen die Profilschiene definieren.

Die Aufnahme der Merkmale des erteilten abhängigen Anspruchs 5 gemäß Hilfsantrag 2 würde die Art der Profilierung der als solche nicht explizit offenbarten Profilschiene anhand der ursprünglichen Unterlagen definieren, nämlich dass eine Profilschiene eine Schiene mit einer profilierten Oberfläche sei.

In beiden Fällen würden die Änderungen den Erfordernissen der Artikel 100c bzw. 123(2) und 123(3) sowie des Artikels 84 genügen.

Die Anträge seien daher zuzulassen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Unzulässigkeit der Anträge

2.1 Sachlage vor dem Einreichen der geänderten Ansprüche gemäß Hauptantrag und Hilfsanträge 1 und 2

Während der mündlichen Verhandlung kam die Kammer zum Ergebnis, dass das in einem von der Beschwerdeführerin zeitgleich mit dem Einreichen der vorliegenden Anträge wieder zurückgenommenen Antrag enthaltene Merkmal, dass die Auflageschienen aus Profilschienen bestehen sollen, in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen weder explizit offenbart noch in dieser allgemeinen Form implizit entnehmbar war und daher der Einwand, der so auch bereits im Ladungsbescheid vom 26. November 2009 erhoben worden war, nach Artikel 100c) EPÜ begründet war. Die diesbezügliche Betrachtung stützt sich auf den folgenden Sachverhalt.

Die einzige Stütze, die in der Anmeldung hinsichtlich des hinzugefügten Begriffs "Profilschiene" zu finden ist, betrifft die bevorzugte konkrete Ausführungsform des Gestells, wie in den Figuren 3 und 3a des Patents dargestellt und in Spalte 4, Absatz [0015] der EP-A-13231719 beschrieben. Der Fachmann konnte daraus aber lediglich ableiten, dass die Auflageschienen, wenn sie aus einem einzigen Blechteil durch Ausstanzen und Abkanten hergestellt werden, als eine Art Profilschiene gestaltet sind, durch welche der Randbereich von einem Behälter für Nahrungsmittel getragen werden kann.

Ein breiteres Konzept einer aus Profilschienen bestehenden Auflageschiene, welche nicht durch Ausstanzen und Abkanten aus einer Blechplatte gefertigt sind, ist in der Anmeldung nicht offenbart. Den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen ist keine alternative, von der im einzigen Ausführungsbeispiel des Erfindungsgegenstands herleitbaren Bedeutung einer "Profilschiene" abweichende bzw. breitere Angabe zu entnehmen.

Die beanspruchten konstruktiven Merkmale der Schenkel und der vertikalen Abschnitte betreffen zweifellos die Auflageschienen und können deshalb keineswegs als einschränkende Merkmale für die "Profilschiene" dienen.

2.2 Die im jeweiligen Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 und 2 vorgenommenen Änderungen sind prima facie nicht ausreichend, um in eindeutiger Weise sämtliche formalen Mängel aufheben zu können, welche die Beschwerdegegnerin dazu veranlaßt hatten, wegen den genannten Einwände geänderte Anträge während der mündlichen Verhandlung einzureichen.

Ganz offensichtlich erweitert das Streichen gemäß Hauptantrag des im erteilten Anspruch 1 vorhandenen Merkmals "aus Profilschienen bestehenden" den Schutzumfang im Sinne von Artikel 123(3) EPÜ.

Der Begriff Profilschienen hat eine technische, wenn auch nicht ganz klare und abgegrenzte Bedeutung, indem die die Auflageschienen bildenden Schienen in irgendeiner Weise profiliert sein müssen. Daher kann der Beschwerdeführerin nicht zugestimmt werden, dass der Begriff "Profilschiene" keine technische Bedeutung habe.

Auch das Argument der Beschwerdeführerin, dass die Gestalt als Profilschiene bereits durch die Merkmale des Kennzeichens sogar in eingeschränkter Fassung implizit weitergeführt werde, kann nicht überzeugen.

Die Angabe im Kennzeichen des Anspruchs 1 von Schenkeln und einem dazwischen liegenden vertikalen Abschnitt definiert nämlich nicht die Profil-, sondern die Auflageschienen. Dadurch würden jetzt Konstruktionen von Auflageschienen geschützt, die bisher außerhalb der Definition lagen, wie z.B. aus zusammengebauten flachen Profilen geformte Auflageschienen.

Im Anspruch 1 beider Hilfsanträge bleibt das Merkmal Profilschiene bestehen, entweder unverändert im Plural im Anspruch 1 mit der Ergänzung unter anderem der Merkmale des erteilten Anspruchs 5 gemäß dem Hilfsantrag 2 oder in den Singular abgeändert "jeweils aus einer Profilschiene" gemäß dem Hilfsantrag 1.

Weder der Wechsel vom Plural in Singular (Hilfsantrag 1) noch die Aufnahme in den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 beschränken die Auflageschienen auf die allein ursprünglich offenbarte spezielle Art einer durch Ausstanzen und Abkanten aus einem Blechteil gebildeten Profilschiene, sondern lassen auch andere Ausführungsformen zu, die nicht durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt sind.

In den beim Hilfsantrag 2 hinzugefügten Merkmalen wird nunmehr eine besondere Form der Auflageschienen und von deren Oberfläche definiert. Diese Merkmale sind zwar aus den erteilten Ansprüchen 4 und 5 entnommen, stehen aber in keinem direkten Zusammenhang mit den anderen Merkmalen des Kennzeichens und haben im bisherigen Verfahren keine Rolle gespielt. Durch Aufnahme dieser Merkmale verschiebt sich daher der Gegenstand des Anspruchs 1 in eine neue Richtung, was einer von der Beschwerdeführerin beanstandeten Änderung des Sachverhalts entspricht.

Die Kammer kam somit zum Ergebnis, dass die in den während der mündlichen Verhandlung eingereichen Haupt- und Hilfsanträge vorgenommenen Änderungen eindeutiger Weise die bereits mitgeteilten formalen Mängel nicht beheben können.

Aus diesen Gründen konnten die erst in der mündlichen Verhandlung und damit zu einem sehr späten Zeitpunkt eingereichten Anträge nicht zugelassen werden (Artikel 13 VOBK).

3. Bei Fehlen eines zulässigen Antrags auf Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang, ist das Patent zu widerrufen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent Nr. 1 321 719 wird widerrufen.

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