T 1615/07 () of 1.10.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T161507.20101001
Datum der Entscheidung: 01 October 2010
Aktenzeichen: T 1615/07
Anmeldenummer: 02015872.1
IPC-Klasse: H04N 7/15
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Endeinrichtung zur Mehrpunktkommunikation
Name des Anmelders: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 02 015 872.1.

II. Die Entscheidung stützte sich auf das Dokument

D3: EP 0 805 576 A2

und wurde mit mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973) des damals beanspruchten Verfahrens bzw. der damals beanspruchten Endeinrichtung gegenüber D3 begründet.

III. Die Anmelderin legte Beschwerde ein und reichte mit der Beschwerdebegründung neue Patentansprüche gemäß einem Haupt- und zwei Hilfsanträgen ein.

IV. In einer Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) äußerte die Kammer Zweifel an der Klarheit der unabhängigen Patentansprüche und ihrer Stützung durch die Beschreibung (Artikel 84 EPÜ 1973) und/oder ihrer Offenbarung in der ursprünglichen Anmeldung (Artikel 123(2) EPÜ).

V. Mit Schreiben vom 1. September 2010 reichte die Beschwerdeführerin neue Patentansprüche gemäß einem Haupt- und einem Hilfsantrag sowie jeweils geänderte Beschreibungsseiten 2 und 2a ein.

VI. Am 1. Oktober 2010 fand die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Die Beschwerdeführerin ersetzte die Patentansprüche aller früheren Anträge durch Patentansprüche 1 bis 5 eines einzigen Antrags. Sie beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Basis der Patentansprüche 1 bis 5 dieses "Hauptantrags" zu erteilen.

VII. Patentanspruch 1 des einzigen Antrags hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zum Verteilen von Multimediadatenströmen (V0, V1, V2) im Rahmen einer Mehrpunktverbindung zwischen einer die Multimediadatenströme ausgebenden ersten Endeinrichtung (C0) und weiteren die Multimediadatenströme ausgebenden Endeinrichtungen (C1, C2), wobei

- jede der weiteren Endeinrichtungen (C1, C2) jeweils ihren eigenen Multimediadatenstrom (V1, V2) zur ersten Endeinrichtung (C0) überträgt, und

- im Rahmen des Empfangs der Multimediadatenströme durch die erste Endeinrichtung (C0) auch der von dieser selbst stammende Multimediadatenstrom (V0) logisch von der ersten Endeinrichtung (C0) empfangen wird,

- die erste Endeinrichtung (C0) die empfangenen Multimediadatenströme (V1, V2) sowie einen von der ersten Endeinrichtung selbst stammenden Multimediadatenstrom (V0) dergestalt an die weiteren Endeinrichtungen (C1, C2) überträgt, dass jede der weiteren Endeinrichtungen (C1, C2) nur die von den jeweils anderen Endeinrichtungen stammenden Multimediadatenströme empfängt,

- die Mehrpunktverbindung von der ersten Endeinrichtung (C0) durch einen Aufbau von Zweipunktverbindungen zu den weiteren Endeinrichtungen (C1, C2) initiiert wird,

- die Multimediadatenströme (V0, V1, V2) über die aufgebauten Zweipunktverbindungen übertragen werden, und

- die von der ersten Endeinrichtung (C0) zu einer der weiteren Endeinrichtungen (C1, C2) zu übertragenden Multimediadatenströme über separate Zweipunktverbindungen übertragen werden,

- wobei die Zweipunktverbindungen als sogenannte Peer-to-Peer-Verbindungen aufgebaut werden."

VIII. Die Begründung der angefochtenen Entscheidung lässt sich wie folgt zusammenfassen, soweit sie für den geänderten Patentanspruch 1 relevant ist:

Das Verfahren nach Patentanspruch 1 unterscheide sich von dem Verfahren des ersten Ausführungsbeispiels in D3 (Figur 2) dadurch, dass in D3 die am Standort der ersten Endeinrichtung gelegene Funktion zur Nachbildung und Kombination der Multimediadatenströme nicht Teil der ersten Endeinrichtung selbst sei. Der Wunsch, die Zahl der Systemkomponenten zu verringern und die dazu gehörende Lösung, Funktionen verschiedener Systemkomponenten in einzelne Komponenten zu verlagern, sofern Leistungsreserven für die Übernahme solcher Funktionen zur Verfügung stünden, würden als trivial erachtet. Zudem sei die Integration der Nachbildungs- und Kombinationsfunktionen in Endeinrichtungen aus dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 3 in D3 bekannt. Wenn der Fachmann die eigenständigen Nachbildungs- bzw. Kombinationsfunktionen in eine Endeinrichtung verlagern wolle, sei es naheliegend, Merkmale der in D3 enthaltenen Ausführungsbeispiele zu kombinieren und so die Verteilung von Multimediaströmen direkt in einer Endeinrichtung durchzuführen. Aus D3 (Spalte 4, Zeilen 50 bis 58) sei auch bekannt, dass verschiedene Stufen von Zentralisierung und Dezentralisierung der Nachbildungs- und Kombinationsfunktionen möglich seien. Die patentanspruchsgemäße Übertragung des von der ersten Endeinrichtung stammenden Multimediadatenstroms an die erste Endeinrichtung gehe nicht über die Funktionalität einer herkömmlichen Endeinrichtung hinaus, Videodaten einer an die erste Endeinrichtung angeschlossenen Kamera an den Bildspeicher der ersten Endeinrichtung zu transportieren. Auch in der Anmeldung verbleibe gemäß Figur 3 der von der ersten Endeinrichtung stammende Multimediadatenstrom für die Zwecke der "Übertragung an sich selbst" lediglich in der Video-Ein/Ausgabe der ersten Endeinrichtung. Aus der Figur 3 lasse sich auch ableiten, dass alle Endeinrichtungen wie in einem Peer-to-Peer-Netz gleichberechtigt seien.

IX. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Bei der Erfindung initiiere eine erste Endeinrichtung eine Mehrpunktverbindung, indem sie Zweipunktverbindungen zu weiteren Endeinrichtungen aufbaue. Sie übernehme das Empfangen, Verteilen und Übertragen von Multimediadatenströmen zu den weiteren Endeinrichtungen und an sich selbst. Die zu übertragenden Multimediadatenströme würden nicht gemischt, sondern separat gehalten und über separate Zweipunktverbindungen übertragen. Im beispielhaften Falle einer Dreipunktverbindung würden somit von der ersten Endeinrichtung zu jeder der beiden weiteren Endeinrichtungen jeweils zwei getrennte Zweipunktverbindungen zur Übertragung der Multimediadatenströme aufgebaut. Erfindungsgemäß sei deshalb das Mischen und Trennen unterschiedlicher Multimediadatenströme nicht notwendig, so dass auf die in bestehenden Endeinrichtungen implementierte Basisfunktionalität zurückgegriffen werden könne, Zweipunktverbindungen bedienen zu können. Separate Zweipunktverbindungen seien nicht physikalisch getrennt, sondern logisch getrennt. Deshalb umfasse Patentanspruch 1 alle Ausführungsbeispiele der vorliegenden Anmeldung.

Für die Erfindung sei gezielt eine Topologie ausgewählt worden, bei der mit bestehenden Endeinrichtungen in Ressourcen schonender Weise Mehrpunktverbindungen aufgebaut werden könnten. In dieser Topologie sei die erste Endeinrichtung mit allen weiteren Endeinrichtungen verbunden und die weiteren Endeinrichtungen nur über die erste Endeinrichtung miteinander verbunden. Die Verbindungen seien Peer-to-Peer-Verbindungen, so dass eine zentrale Komponente zum Aufbau der Verbindungen überflüssig werde. Über diese Topologie würden nur die notwendigen Multimediadatenströme übertragen, nicht, wie bei einer zentralen Komponente, alle Multimediadatenströme an alle Endeinrichtungen. Bestehende Endeinrichtungen hätten auch die Funktionalität, Multimediadatenströme an sich selbst so zu übertragen, dass logisch die Übertragung an sich selbst genau gleich erfolge wie die Übertragung an eine weitere Endeinrichtung. Auch diese Funktionalität sei erfindungsgemäß gezielt genutzt worden, um Ressourcen zu schonen. Denn eine unterschiedliche Behandlung von zu übertragenden Multimediadatenströmen je nach Ziel-Endeinrichtung werde durch die Erfindung überflüssig.

Übereinstimmend mit der Prüfungsabteilung werde D3 als nächstliegender Stand der Technik angesehen. Die Erfindung löse gegenüber D3 die objektive Aufgabe, beim Senden und Empfangen von Multimediadatenströmen den Hardware- und Datenverarbeitungsaufwand im Gesamtsystem zu verringern. D3 lege nicht nahe, dass eine zentrale Konferenzeinrichtung überflüssig werde, denn D3 stelle Topologien mit einer zentralen Komponente (Figur 2) vor oder alternativ eine Vollvermaschung (Figur 3), bei der jede Endeinrichtung mit jeder verbunden sei. In D3 finde sich kein Hinweis, dass die erste Endeinrichtung Multimediadatenströme von einer weiteren Endeinrichtung an eine andere weitere Endeinrichtung weiterleiten könne. Die Lehre von D3 beziehe sich auf Signalisierungsdaten und Videodaten, nicht auf Multimediadatenströme. Gemäß D3 würde zwischen der ersten Endeinrichtung und einer weiteren Endeinrichtung eine einzelne Zweipunktverbindung betrieben, über die gemischte Multimediadatenströme übertragen würden.

D3 offenbare eine Vielzahl von möglichen Topologien mit einer Vielzahl von Funktionalitäten; die Erfindung offenbare hingegen, wie mit bestehenden Endeinrichtungen in Ressourcen schonender Weise eine Mehrpunktverbindung aufgebaut und betrieben werden könne. Aus dieser Vielzahl sei in der angefochtenen Entscheidung in Kenntnis der Erfindung eine als nächstliegender Stand der Technik identifiziert worden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 84 EPÜ 1973 und 123(2) EPÜ

Die Kammer sieht keinen Anlass, die Einwände nach Artikel 84 EPÜ 1973 aus dem Ladungsbescheid auch gegen den geänderten geltenden Patentanspruch 1 zu erheben. Bezüglich der ursprünglichen Offenbarung (Artikel 123(2) EPÜ) des nicht explizit offenbarten Merkmals "nur" in Zeile 17 des Patentanspruchs 1 legt die Kammer für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit diesem Merkmal die Bedeutung zu Grunde, dass durch eine Verteilung die von den jeweils anderen Endeinrichtungen stammenden Ströme zugeordnet werden, so dass eine Endeinrichtung "nur" eine Auswahl an Multimediadatenströmen empfängt, wie es auf den ursprünglichen Seiten 8 und 10, jeweils Zeilen 15 bis 22, und in Figur 3 offenbart ist. Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung ihre Bereitschaft erklärt, gegebenenfalls den Ausdruck "nur" durch die Offenbarung in der Beschreibung und in den Figuren zu ersetzen. Die Kammer legt also diesem Merkmal im genannten Zusammenhang eine Bedeutung zu Grunde, die sowohl von der Beschwerdeführerin beabsichtigt als auch in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart ist. Im Hinblick auf die getroffene Entscheidung bedarf es daher keiner weiteren Feststellung zu Artikel 123(2) EPÜ.

3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)

3.1 Der nächstliegende Stand der Technik

Es ist unbestritten, dass D3 den nächstliegenden Stand der Technik offenbart. D3 offenbart eine Vielzahl von Topologien für Mehrpunktverbindungen (bspw. Konferenzschaltungen) zwischen Teilnehmern bzw. Endeinrichtungen ("users"/"parties") an verschiedenen Orten über ein Kommunikationsnetzwerk. Die Teilnehmer konferieren mittels Endgeräten ("terminal equipment") zur Übermittlung von Multimediadatenströmen, bspw. Audio, Video und/oder Daten (siehe Spalte 1, Zeilen 3 bis 7 in Verbindung mit Zeilen 31 bis 43). Die erste Instanz hat das Ausführungsbeispiel nach Figur 2 als nächstliegenden Stand der Technik angesehen. Die Beschwerdeführerin hat das nicht bestritten. Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an.

3.1.1 Dieses Ausführungsbeispiel offenbart ein Verfahren zum Verteilen von Multimediadatenströmen ("Figure 2 shows an illustration of a medium for a multimedia conference having three participants", siehe Spalte 2, Zeilen 46 bis 48) im Rahmen einer Mehrpunktverbindung zwischen einer Multimediadatenströme ausgebenden ersten Endeinrichtung ("Party A") und weiteren Multimediadatenströme ausgebenden Endeinrichtungen ("Party B", "Party C"), wobei jede der weiteren Endeinrichtungen jeweils ihren eigenen Multimediadatenstrom zur ersten Endeinrichtung überträgt (Figur 2). Im Rahmen des Empfangs der Multimediadatenströme durch die erste Endeinrichtung ("Party A") wird auch der von dieser selbst stammende Multimediadatenstrom logisch von der ersten Endeinrichtung empfangen. Das ergibt sich implizit aus der Offenbarung der D3, dass Party A ebenfalls an der Videokonferenz teilnehmen kann und somit über eine Ein/Ausgabe Multimediadatenströme empfangen können muss (vgl. Seite 8, Zeilen 4 bis 8, der vorliegenden Anmeldung). In der Topologie gemäß Figur 2 überträgt die erste Endeinrichtung die empfangenen Multimediadatenströme sowie einen von der ersten Endeinrichtung selbst stammenden Multimediadatenstrom dergestalt an die weiteren Endeinrichtungen, dass jede der weiteren Endeinrichtungen die von den jeweils anderen Endeinrichtungen stammenden Multimediadatenströme empfängt (siehe die Erläuterungen zur Bedeutung der "Replication functions" und "Combining functions" in Spalte 4, Zeilen 36 bis 52).

3.1.2 In dem Ausführungsbeispiel nach Figur 2 von D3 ist nicht offenbart, dass

- jede der weiteren Endeinrichtungen nur die von den jeweils anderen Endeinrichtungen stammenden Multimediadatenströme empfängt,

- die Mehrpunktverbindung von der ersten Endeinrichtung ("Party A") durch einen Aufbau von Zweipunktverbindungen zu den weiteren Endeinrichtungen ("Party B", "Party C") initiiert wird,

- die Multimediadatenströme über die aufgebauten Zweipunktverbindungen übertragen werden,

- die von der ersten Endeinrichtung zu einer der weiteren Endeinrichtungen zu übertragenden Multimediadatenströme über separate Zweipunktverbindungen übertragen werden,

- die Zweipunktverbindungen als Peer-to-Peer-Verbindungen aufgebaut werden.

3.2 Die objektive Aufgabe

Diejenigen Merkmale, die das Verfahren nach Patentanspruch 1 von dem gemäß Figur 2 von D3 unterscheiden (siehe Punkt 3.1.2 oben) tragen insgesamt zumindest potentiell zu einer Verringerung des Hardware- und Datenverarbeitungsaufwands beim Senden und Empfangen von Multimediadatenströmen bei. Auch in der Anmeldung (Seiten 2 und 3, jeweils Absatz 2) wird als ein wesentlicher Vorteil der Erfindung aufgeführt, dass zum Herstellen einer Mehrpunktverbindung keine zusätzliche zentrale Steuereinheit, wie z.B. ein Konferenzserver, erforderlich sei, und dass keine Zusatzverbindung zu einem solchen zentralen Konferenzserver erforderlich sei. Unter diesen Umständen stimmt die Kammer der Beschwerdeführerin zu, dass die objektive Aufgabe der Erfindung darin gesehen werden kann, beim Senden und Empfangen von Multimediadatenströmen den Hardware- und Datenverarbeitungsaufwand im Gesamtsystem zu verringern.

3.3 Ansätze zur Lösung der objektiven Aufgabe in D3

3.3.1 Grundsätzlich gehen sowohl die Anmeldung als auch D3 davon aus, dass sowohl zentralisierte Systeme als auch dezentralisierte Systeme für Mehrpunktverbindungen bekannt sind. Die Anmeldung geht in der ursprünglichen Fassung von einem Stand der Technik aus, bei dem ein zentraler Konferenzserver zur Vermeidung des Koordinationsaufwandes bei dezentralisierten System vorhanden ist (siehe Seite 1, Zeile 15 bis Seite 2, Zeile 19). D3 offenbart sowohl zentralisierte Systeme (wie in Figur 2) als auch dezentralisierte Systeme (wie in Figur 3) zur Mehrpunktkommunikation, wobei zwischen diesen beiden Extremen Zwischenformen möglich sind. Welche Topologie im Einzelnen für eine bestimmte Mehrpunktverbindung ausgewählt wird, hängt vom Einzelfall und insbesondere von der Realisierbarkeit mit möglichst geringem Bandbreitenbedarf ab (siehe D3, Spalte 4, Zeile 53 bis Spalte 5, Zeile 12).

3.3.2 Der Hardware- und Datenverarbeitungsaufwand bei Verwendung des Ausführungsbeispiels nach Figur 2 ist insofern geringer als derjenige des Ausführungsbeispiels nach Figur 3, als nur eine Endeinrichtung ("Party A" in Figur 2) die "Replication/Combining Functions" benötigt. Zudem können, wie bei einem zentralisierten System üblich, die Verbindungen der weiteren Endeinrichtungen untereinander entfallen. Ein Fachmann hätte daher die Topologie des Ausführungsbeispiels nach Figur 2 von D3 ohne Kenntnis der vorliegenden Erfindung allein in Abwägung der bekannten und in D3 offenbarten Vor- und Nachteile für eine gegebene Anwendung gewählt. Das Ausführungsbeispiel der Figur 2 von D3 ist daher ein geeigneter Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.

3.4 Realisierung eines zentralisierten Systems nach Figur 2 von D3

3.4.1 D3 offenbart zwar verschiedene Topologien, lässt aber die jeweilige konkrete Realisierung offen. Der Fachmann hätte also auf der Basis seines allgemeinen Fachwissens das Ausführungsbeispiel nach Figur 2 von D3 für eine gegebene Anwendung realisieren müssen. Dabei hätte er zusätzlich diejenigen Informationen aus D3 benutzt, die nicht selektiv im Zusammenhang mit Figur 2 stehen, sondern allgemeiner Natur sind.

3.4.2 Insbesondere hätte der Fachmann wegen der Wünschbarkeit möglichst geringen Bandbreitenbedarfs (siehe D3, Spalte 5, Zeilen 5 bis 12) die Anzahl der zu übertragenden Multimediadatenströme minimiert. Da jede Endeinrichtung bereits über den von ihr selbst stammenden Multimediadatenstrom verfügt, wäre eine Rückübertragung dieses Multimediadatenstromes zurück an diese Endeinrichtung eine unnötige Nutzung von Bandbreite. Er hätte deshalb die Realisierung so ausgeführt, dass jede der weiteren Endeinrichtungen nur die jeweils benötigten, nämlich von den jeweils anderen Endeinrichtungen stammenden Multimediadatenströme empfängt (siehe hierzu auch D3, Spalte 4, Zeilen 39 bis 42).

3.4.3 Eine Mehrpunktverbindung, wie beispielsweise das Ausführungsbeispiel nach Figur 2 von D3, lässt sich nur realisieren, wenn sie initiiert wird (siehe D3, Spalte 6, Zeilen 23 bis 47). Im Kontext des Ausführungsbeispiels nach Figur 2 hätte der Fachmann bspw. die "Party A" die Mehrpunktverbindung initialisieren lassen, zumindest in der in D3 beschriebenen Konstellation, dass alle "Parties" gleichberechtigt sind (siehe Spalte 2, Zeilen 27 bis 33 und Spalte 7, Zeilen 17 bis 22). Wie sich der Figur 2 entnehmen lässt, ist dann die Mehrpunktverbindung durch Zweipunktverbindungen zu den weiteren Endeinrichtung ("Party A" zu "Party B" und "Party A" zu "Party C") aufgebaut und die Multimediadatenströme können über die aufgebauten Verbindungen übertragen werden.

3.4.4 Bei der Realisierung des Ausführungsbeispiels nach Figur 2 hätte der Fachmann die verschiedenen Multimediadatenströme zu den weiteren Endeinrichtungen (von "Party A" zu "Party B" bzw. "Party C") über separate Zweipunktverbindungen übertragen, wenn es für die gegebene Anwendung zweckmäßig ist, die verschiedenen Multimediadatenströme getrennt zu halten.

3.4.5 In der in D3 beschriebenen Konstellation hätte sich dem Fachmann die Ausgestaltung der Zweipunktverbindungen als Peer-to-Peer-Verbindungen wegen der Gleichberechtigung der "Parties" zumindest aufgedrängt.

3.5 Insgesamt hätte der Fachmann bei der Realisierung des Ausführungsbeispiels nach Figur 2 von D3 in naheliegender Weise ein System realisiert, das im Verwendungsfall das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 durchführt.

4. Die Argumente der Beschwerdeführerin haben die Kammer aus den folgenden Gründen nicht vom Gegenteil überzeugt.

4.1.1 Nach Auffassung der Kammer offenbart D3, dass die zu übertragenden Multimediadatenströme nicht gemischt zu werden brauchen, sondern separat gehalten werden können. Denn D3 offenbart zum einen, dass die Medien für Audio und Media separat sein können (siehe Spalte 3, Zeilen 41 bis 44). Sie offenbart aber auch, dass die Videoströme entweder in einer gewissen Weise kombiniert und als Einheit dargestellt werden können oder separat gehalten werden können (Spalte 3, Zeilen 44 bis 47). Das gilt auch für das Ausführungsbeispiel nach Figur 2.

4.1.2 Das Argument, in D3 würden die Endeinrichtungen den von ihnen selbst stammenden Multimediadatenstrom nicht logisch in der Weise empfangen, wie es Patentanspruch 1 festlege, hat keine Grundlage in der Anmeldung. Die Anmeldung offenbart nicht, wie sich dieser "Selbstempfang" vom Empfang des von "Party A" selbst stammenden Datenstroms innerhalb von "Party A" (siehe D3, Figur 2) unterscheidet. Figur 3 und die zugehörige Beschreibung der vorliegenden Anmeldung offenbaren nur allgemein, dass in einer Datenempfangseinrichtung (r) der Videodatenstrom (V0) von der eigenen Video-Ein/Ausgabe I/O des Clients (C0) empfangen wird (siehe Seite 8, Zeilen 4 und 5 sowie Seite 10, Zeilen 8 bis 13). Eine Übertragung der Multimediadatenströme von "Party A" zu den weiteren Endeinrichtungen erfolgt notwendigerweise über die Stelle, die auch die Multimediadatenströme der anderen Endeinrichtungen empfängt, nämlich via "Node" über die "Replication and Combining Functions" in Figur 2 von D3. Diese können auch in einem Endgerät angeordnet sein (siehe z. B. D3, Spalte 8, Zeilen 39 bis 42).

4.1.3 Das Argument einer gezielten Auswahl einer Topologie ist ebenfalls nicht überzeugend. Die Kammer hat bereits unter Punkt 3.3.2 oben dargelegt, dass das Ausführungsbeispiel der Figur 2 von D3 ohne Kenntnis der vorliegenden Erfindung als geeigneter Ausgangspunkt angesehen werden kann. Die gegenüber diesem Stand der Technik abgeleiteten Unterscheidungsmerkmale beziehen sich auf naheliegende Ausgestaltungen dieser Topologie im Rahmen des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1, stellen aber keine gezielte Auswahl einer neuen Topologie im Rahmen der sich aus der Figur 2 von D3 ergebenden Möglichkeiten dar.

4.1.4 Das Argument, dass eine zentrale Komponente zum Aufbau der Verbindungen überflüssig werde, beruht auf einem Vergleich des beanspruchten Verfahrens mit Verfahren, die beispielsweise einen Konferenzserver benötigen. Im Falle der Topologie nach Figur 2 von D3 ist aber ein getrennter Konferenzserver nicht notwendig. Gemäß D3 ist zwar eine "conference call control entity" notwendig (siehe Spalte 6, Zeilen 49 bis 51). Diese kann aber in einer der Endeinrichtungen angeordnet sein (siehe Spalte 6, letzte Zeile, bis Spalte 7, Zeile 8). Und auch die vorliegende Anmeldung offenbart nicht, dass bei der Initiierung der Mehrpunktverbindung bzw. beim Aufbau der Zweipunktverbindungen Ressourcen gespart werden. Vielmehr wird gemäß der Anmeldung die weitere Verwaltung der Mehrpunktverbindung dadurch vereinfacht, dass der Teilnehmer an der ersten Endeinrichtung die zentrale Initiierung der Mehrpunktverbindung übernimmt (siehe Seite 4, Zeilen 12 bis 15).

4.1.5 Das Argument, die Lehre von D3 beziehe sich auf Signalisierungsdaten, nicht auf die Multimediadatenströme, trifft nicht auf das Ausführungsbeispiel nach Figur 2 von D3 zu. D3 offenbart die Übertragung von Signalisierungsdaten und von Audio- bzw. Videoströmen. Im Ausführungsbeispiel nach Figur 2 wird die Übertragung von Medien offenbart (Spalte 5, Zeilen 5 bis 12), wobei Audio- und Video Beispiele von Medien sind (Spalte 1, Zeilen 37 und 38). Figur 10 stellt anschaulich dar, über welche Verbindungen Multimediadatenströme ("bearer and bearer control signalling", siehe Figur 10, "along the paths of the bearers", siehe Spalte 7, Zeilen 9 bis 16) einerseits und Signalisierungsdaten ("call control signalling") anderseits in einem im Übrigen der Figur 2 gleichenden Topologie von Endeinrichtungen ausgeführt sein können.

5. Somit beruht das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973). Daher kann die angefochtene Entscheidung nicht aufgehoben werden, und die Beschwerde ist zurückzuweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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