T 1611/07 () of 24.6.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T161107.20100624
Datum der Entscheidung: 24 Juni 2010
Aktenzeichen: T 1611/07
Anmeldenummer: 98123250.7
IPC-Klasse: B29C 65/34
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verwendung einer Elektro-Schweisseinrichtung
Name des Anmelders: Friatec Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: PF Schweisstechnologie GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention Art 114(2)
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung (Hauptantrag, ja)
Zulässigkeit des Hilfsantrags (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 0 924 053 in geändertem Umfang aufrechterhalten worden ist, Beschwerde eingelegt.

Im Einspruchsverfahren war das gesamte Patent unter Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit, Artikel 54 EPÜ, und mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ) und unter den Artikeln 100 b) und 100 c) EPÜ angegriffen worden.

II. Am 24. Juni 2010 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 924 053.

IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag oder des Anspruchs 1 gemäß 1. Hilfsantrag, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung, aufrechtzuerhalten.

Alle anderen Anträge wurden zurückgenommen.

V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"1. Verwendung einer Elektroschweißeinrichtung für Fittings (2) und Rohre aus Kunststoff, wobei das Fitting (2) einen mit Strom beaufschlagbaren Heizdraht (14) zur Erwärmung des Kunststoffes aufweist, enthaltend einen Datenträger (10), eine Regeleinheit (8) sowie eine Vorrichtung zur Erfassung eines Temperaturwertes entsprechend der Temperatur der Schweißzone, welcher der Regeleinheit (8) als Ist-Wert zuführbar ist, wobei zwei Temperatur-Sollwerte derart vorgegeben sind, dass über eine Stellgröße die Schweißzone auf eine vorgegebene Temperatur der optimalen Schweißung regelbar ist, wobei die Regeleinheit (8) einen derart ausgebildeten Block (26) für den Soll-Ist-Wertvergleich der Temperatur der Schweißzone enthält, dass in Abhängigkeit der Temperatur die Steuergröße korrigierbar ist, wobei vor der eigentlichen Schweißung gegebenenfalls eine Vorwärmung durchführbar ist,

gekennzeichnet durch die Verwendung derart, daß bei der eigentlichen Schweißung die konstante Steuergröße nach dem Überschreiten der Temperatur über den ersten Temperatur-Soll-Wert um einen vorgegebenen Wert bis der zweite Temperatur-Sollwert erreicht ist erhöht wird und nach dem Überschreiten des zweiten Temperatur-Sollwerts nicht mehr erhöht ist und wobei schließlich beim Erreichen eines dritten Temperatur-Sollwertes, welcher größer als der erste und zweite Temperatur-Sollwert ist, die Steuergröße reduziert wird."

Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag im kennzeichnenden Teil des Anspruchs, der wie folgt lautet:

"gekennzeichnet durch die Verwendung derart, daß bei der eigentlichen Schweißung der konstante Wert der Steuergröße nach dem Überschreiten der Temperatur über den ersten Temperatur-Soll-Wert um einen vorgegebenen Betrag bis der zweite Temperatur-Sollwert erreicht ist erhöht wird und nach dem Überschreiten des zweiten Temperatur-Sollwerts nicht mehr um den vorgegebenen Betrag und wobei schließlich nach Überschreiten eines dritten Temperatur-Sollwertes, welcher größer als der erste und zweite Temperatur-Sollwert ist, die Steuergröße um einen vorgegebenen Betrag reduziert wird."

VI. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Hauptantrag

Die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung sei auf eine Schweißvorrichtung gerichtet gewesen, das Streitpatent richte sich hingegen auf eine Verwendung dieser Schweißvorrichtung. Für die Öffentlichkeit sei aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht entnehmbar gewesen, dass es zu einer solchen Veränderung des beanspruchten Gegenstands kommen könne. Dieser Kategoriewechsel gehe somit über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Auch der Begriff "eigentliche Schweißung" gehe in der Bedeutung, die er im Anspruch 1 habe, nicht aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hervor. Die im Anspruch 1 gegenüber den ursprünglichen Ansprüchen vorgenommenen Änderungen seien offenbar im Hinblick auf das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 3 und Absatz [0025] des Streitpatents vorgenommen worden, da in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nur in Verbindung damit von drei Temperatursollwerten die Rede sei. Der Anspruch lasse aber mehrere Interpretationen zu, die nicht in Einklang damit seien. Zudem stellten die Merkmale des Anspruchs 1 nur einen Extrakt dieses Ausführungsbeispiels dar. So finde sich das in Spalte 8, Zeilen 12 bis 17 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung beschriebene Merkmal, dass bei Überschreiten des zweiten Temperatursollwerts die Spannungsversorgung nicht mehr über einen erhöhten Wert erfolge, im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht, ebenso wenig das in Figur 3 dargestellte Messen des Widerstands des Heizdrahts. Der Bezug "in der erläuterten Weise" in Absatz [0023] der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung mache klar, dass alle der in Zusammenhang mit Figur 3 beschriebenen Merkmale erfindungswesentlich seien und nicht nur einige davon. Weiterhin gebe es einen Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ dadurch, dass im Anspruch definiert werde, dass bei Erreichen des dritten Temperatursollwerts die Steuergröße reduziert werde, in Figur 3 und der zugehörigen Beschreibung in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung dies jedoch erst beim Überschreiten des dritten Temperatursollwerts erfolge. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gehe somit über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und entspreche deshalb nicht den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ.

1. Hilfsantrag

Die unzulässigen Erweiterungen im Hinblick auf den Kategoriewechsel und den Ausdruck "eigentliche Schweißung" fänden sich auch in Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag. Zusätzlich verstoße der Gegenstand dieses Anspruchs auch gegen Artikel 123(3) EPÜ. Im erteilten Anspruch 1 sei angegeben gewesen, dass beim Erreichen des dritten Temperatursollwerts die Steuergröße reduziert werde, jetzt sei angegeben, dass diese Reduzierung nach Überschreiten des dritten Temperatursollwerts erfolge. Dies stelle einen Unterschied dar, der den Schutzbereich des Anspruchs gegenüber der erteilten Fassung erweitere.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Hauptantrag

Die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung habe bereits überwiegend die Beschreibung von Verfahrensschritten enthalten. Ein Kategoriewechsel stelle im Prinzip keinen Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ dar. Durch den ermittelten Stand der Technik habe sich im Verlauf des Prüfungsverfahrens die Notwendigkeit ergeben, von einer Vorrichtung auf eine bestimmte Verwendung dieser Vorrichtung, also auf ein Verfahren, überzugehen. Das beanspruchte Verfahren sei jedoch in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart. Es ergebe sich aus dieser Anmeldung auch, was unter der Vorwärmung und der eigentlichen Schweißung zu verstehen sei. Zwischen diesen beiden Begriffen sei deutlich unterschieden. So sei in Absatz [0017] der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung klar beschrieben, dass die Vorwärmung dem Überbrücken des Luftspalts bei der Verbindung von Rohr und Fitting diene und dass die eigentliche Schweißung bei einer deutlich höheren Temperatur beginne. Es sei nicht notwendig, im Anspruch diskrete Werte für Temperatur und Spannung anzugeben. Ein Fachmann wisse, wie er die Steuergröße zu wählen habe. Es käme nur darauf an, sich der gewünschten Temperatur asymptotisch anzunähern und darauf zu achten, dass dieser Vorgang nicht zu lange dauere, aber auch nicht zu schnell erfolge. Im Normalbetrieb handele es sich um eine Zweipunktregelung. Der Betrag, um den die Steuergröße reduziert werde, sei materialabhängig und könne deshalb nicht konkret angegeben werden. Der Ausdruck "in der erläuterten Weise" in Absatz [0023] der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung könne nicht so interpretiert werden, dass jede Einzelheit des in Figur 3 gezeigten Verfahrensablaufs im Anspruch enthalten sein müsse. Insbesondere das Messen des Heizdrahtwiderstands oder konkrete Angaben zum Erhöhen bzw. Reduzieren der Steuergröße als zwingende Bestandteile des beanspruchten Verfahrens könnten sich daraus nicht ergeben. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gehe somit nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

1. Hilfsantrag

In Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag sei nunmehr angegeben, dass der konstante Wert der Steuergröße nach dem Überschreiten des ersten Temperatursollwerts um einen vorgegebenen Betrag erhöht, nach dem Überschreiten des zweiten Temperatursollwerts nicht mehr um den vorgegebenen Betrag erhöht und nach dem Überschreiten des dritten Temperatursollwerts um einen vorgegebenen Betrag reduziert werde. Damit sei Übereinstimmung mit dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 3 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung bzw. des Streitpatents geschaffen.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag definiert, dass beim Erreichen eines dritten Temperatur-Sollwerts, die Steuergröße reduziert wird. Die Beschreibung eines Regelvorgangs mit drei Temperatursollwerten findet sich in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nur in Absatz [0022] in Verbindung mit Figur 3. Dort wird allerdings ausgesagt, dass beim Überschreiten des dritten Temperatursollwerts (251ºC) die Schweißspannung reduziert wird (vgl. Spalte 8, Zeilen 17 bis 20). Dies ist in Einklang mit Figur 3, wo für den Fall, dass die Temperatur größer als 251ºC ist, die Temperatur von 251ºC also überschritten ist, der Regelvorgang auf dem mit "J" bezeichneten Weg fortgeführt wird, der zur Aktion Spannungsreduzierung führt. Ein Verfahrensschritt, der zur Spannungsreduzierung schon bei Erreichen des dritten Temperatursollwerts führt, ist in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht gezeigt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag geht somit über den Inhalt dieser Anmeldung hinaus und erfüllt deshalb nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.

Es kann damit dahingestellt bleiben, ob der Wechsel der Anspruchskategorie, der Ausdruck "eigentliche Schweißung" oder weitere Anspruchsmerkmale eine Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus bewirken.

2. 1. Hilfsantrag

2.1 In Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag ist angegeben, dass die Steuergröße nach Überschreiten des dritten Temperatursollwerts reduziert wird. Dies ist zwar in Einklang mit Absatz [0022] und Figur 3 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, verändert aber den Schutzbereich des Anspruchs gegenüber dem Schutzbereich des erteilten Anspruchs 1, in dem angegeben ist, dass beim Erreichen des dritten Temperatursollwerts die Steuergröße reduziert wird. Diese Veränderung des Schutzbereichs ist als Erweiterung im Sinne des Artikels 123(3) EPÜ zu werten. Anspruch 1 enthält zudem eine Unklarheit in der Textstelle "… und nach dem Überschreiten des zweiten Temperatur-Sollwerts nicht mehr um den vorgegebenen Betrag und wobei schließlich nach Überschreiten eines dritten Temperatur-Sollwertes …", wo offenbar notwendiger Text fehlt. Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag ist somit aus zwei Gründen schon prima facie nicht gewährbar, wobei die Formulierung des Sachverhalts bezüglich des dritten Temperatursollwerts in Richtung eines ausweglosen Konflikts zwischen Artikel 123(2) und 123(3) EPÜ geht.

2.2 Nach der Diskussion im Hinblick auf die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ bei Anspruch 1 gemäß dem früheren Hauptantrag der Beschwerdegegnerin, der der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung entsprach, hat die Beschwerdegegnerin nach der von ihr gewünschten Verhandlungspause den geltenden Hauptantrag vorgelegt. Nachdem nach der Diskussion des Anspruchs 1 dieses Antrags die Kammer verkündet hatte, dass der Gegenstand dieses Anspruchs die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht erfülle, hat die Beschwerdegegnerin nach einer weiteren Verhandlungspause den geltenden 1. Hilfsantrag vorgelegt und frühere Hilfsanträge zurückgezogen.

Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag wurde also in der mündlichen Verhandlung als zweiter Versuch der Beschwerdegegnerin, erhobenen Einwänden zu begegnen, eingereicht. Bei der Beurteilung der Frage, ob zu einem so späten Verfahrenszeitpunkt vorgelegte Anträge zugelassen oder als verspätet eingereicht abgelehnt werden, spielt es unter anderem eine Rolle, ob der Antrag prima facie gewährbar erscheint. Da dies beim 1. Hilfsantrag nicht der Fall ist, übt die Kammer das ihr durch Artikel 114(2) EPÜ eingeräumte Ermessen dahingehend aus, den 1. Hilfsantrag als verspätet eingereicht nicht zuzulassen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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