T 1560/07 () of 10.3.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T156007.20100310
Datum der Entscheidung: 10 März 2010
Aktenzeichen: T 1560/07
Anmeldenummer: 99124600.0
IPC-Klasse: G01L 9/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Druckmessgerät
Name des Anmelders: Endress + Hauser GmbH + Co. KG
Name des Einsprechenden: ifm electronic gmbh
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit: verneint
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin und Einsprechende hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 106 982 (Anmeldenummer 99 124 600.0) zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch war das Patent unter Hinweis auf Artikel 100 a) bis c) EPÜ 1973 angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die Erfindung nacharbeitbar ist, dass die Gegenstände der erteilten Ansprüche ursprünglich offenbart sind und dass sie sowohl neu sind als auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

II. Die Einsprechende hat den Widerruf des Patents im gesamten Umfang beantragt. Im Einspruchsschriftsatz sowie in der Beschwerdebegründung hat sie sich in Abweichung von der Aufzählung in der Entscheidung auf folgende Druckschriften bezogen:

D1: EP 0 780 674 A1

D2: US 4 864 463

D3: WO 99/34184

D4: US 5 923 824

D3 bezog sich bei der Einspruchsabteilung auf WO 99/34185 mit gleichem Zeitrang, von demselben Anmelder und ähnliche Gegenstände betreffend wie die in der Beschwerde genannte und als D3 bezeichnete Druckschrift WO 99/34184.

III. Die Einsprechende hat in ihrer Beschwerdebegründung Passagen aus der angegriffenen Entscheidung zitiert und diese im Einzelnen diskutiert, teilweise unter Hinweis auf den Einspruchsschriftsatz. Die Ausführungen der Einsprechenden, soweit sie sich nicht auf bloße Verweise auf den Einspruchsschriftsatz beziehen, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Zur mangelnden Offenbarung werde daran festgehalten, dass der kennzeichnende Teil des vorliegenden Anspruchs 1 zusammen mit der Beschreibung und der Zeichnung dem Fachmann nicht vermittele, wie die elektrische Verbindung entlang der Mantelfläche der Druckmesszelle verlaufen solle. Die Einspruchsabteilung habe ausgeführt, dass im vorliegenden Fall im Gegensatz zu einer weiten Auslegung eine "begrenzte Auslegung" sachgerecht sei. Es stelle sich die Frage, was damit gemeint sei.

Den hierzu in der angegriffenen Entscheidung im Einzelnen angegebenen Textstellen könne nichts dazu entnommen werden, was unter "entlang der Mantelfläche der Druckmesszelle" verstanden werden solle. Auch aus dem der Entscheidung vorausgehenden Bescheid der Einspruchsabteilung, auf den diese verwiesen habe, werde nicht deutlich, was das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 des Streitpatents zum Inhalt haben solle.

Was die unzulässige Erweiterung angehe, sei es schon bedenklich, für die Offenbarung des einzigen kennzeichnen Merkmals im Anspruch 1 auf die Figuren abstellen zu müssen. Den Figuren der Streitpatentschrift könne aber nicht entnommen werden, dass entlang der Mantelfläche der Druckmesszelle eine elektrische Verbindung zwischen der Beschichtung und der Elektrode verlaufe. In den ursprünglich eingereichten Unterlagen heiße es auf Seite 9, vgl. Zeilen 34 bis 37:

"Die Elektrode 9 der Druckmesszelle erstreckt sich bis an einen äußeren Rand der Druckmesszelle und steht entweder direkt oder über die Fügestelle 7 in elektrisch leitender Verbindung mit der Beschichtung 31."

Daraus könne der Fachmann - auch in Verbindung mit den Figuren der Streitpatentschrift - nicht entnehmen, dass die elektrische Verbindung zwischen der Beschichtung und der Elektrode entlang der Mantelfläche der Druckmesszelle verlaufen solle.

In Bezug auf die Frage der unzulässigen Erweiterung sei es auch streitig, dass die Messmembran auf ihrer Außenseite keine leitfähige Beschichtung aufweise,

Es sei unstreitig, dass dieses Merkmal in den ursprünglichen Unterlagen expressis verbis nicht enthalten sei. Offenbart sei auf Seite 10, Zeilen 9 bis 16, Folgendes:

"Wird ein anderer Druckmesszellentyp verwendet, bei dem auf der Innenseite keine großflächige Elektrode vorhanden ist, so ist die Beschichtung 31 auf der Außenseite der Messmembran fortzuführen, so dass auch in diesem Fall die Druckmesszelle allseitig von einer leitfähigen Beschichtung umgeben ist. Die Beschichtung bildet dann auch hier einen geschlossenen Faraday-Käfig, in dem die Druckmesszelle eingeschlossen ist."

Es erhebe sich die Frage, ob das die Aufnahme des Merkmals, dass die Messmembran auf ihrer Außenseite keine leitfähige Beschichtung aufweise,

in den Anspruch 1 rechtfertige.

Die Argumentation der Einspruchsabteilung, mit der das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit bejaht worden sei, sei widersprüchlich und folglich nicht zutreffend.

In der angefochtenen Entscheidung heiße es in den Entscheidungsgründen unter 8.5.1 (Anm.: E ist die Abkürzung für Einsprechende):

"Es ist unbestritten geblieben, und die Einspruchsabteilung stimmt darin mit E überein, dass es zu den allgemeinen Fachkenntnissen eines auf die Entwicklung von Druckmessgeräten spezialisierten Ingenieurs gehört, Abschirmungen mittels leitfähiger Beschichtungen auszuführen, insbesondere auch Druckmesszellen zu Zwecken der Abschirmung zu beschichten wie dies z.B. auch bereits in D2 und D3 beschrieben worden ist."

Die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung unter 8.5.2 bis 8.5.5 ließen jedoch unberücksichtigt, was zuvor in 8.5.1 ausgeführt sei. Sei es, wovon auch die Einspruchsabteilung ausgegangen sei, naheliegend gewesen, die Druckmesszelle zu Abschirmungszwecken mit einer leitfähigen Beschichtung zu versehen, sei es für den Fachmann das Nächstliegende, die am unteren Ende der Druckmesszelle vorgesehene Elektrode mit der leitfähigen Beschichtung zu verbinden.

IV. Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Ihre Argumentation lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Den Ausführungen der Einsprechenden zum Einspruchsgrund "mangelnde Offenbarung" sei die Einspruchsabteilung mit einer sachgerechten Auslegung des Anspruchs unter Punkt 7 der Entscheidung entgegengetreten, also mit einer Auslegung, die insoweit "begrenzt" sei, als sie von dem ausgehe, was ein Fachmann unter dem Sachverhalt verstehe.

Weiterhin behaupte die Einsprechende, es sei den unter Abschnitt 7.1. der Entscheidung genannten Stellen in der Streitpatentschrift nicht zu entnehmen, was unter

"entlang der Mantelfläche" verstanden werden solle.

Für den Fachmann sei jedoch hinreichend klar und deutlich offenbart, wie er die entlang der Mantelfläche verlaufende elektrische Verbindung ausführen könne, wie dann in Abschnitt 7.2. der Entscheidung dargelegt sei. Hierzu gäben die Fundstellen eine hinreichend detaillierte technische Lehre, nämlich erstens, wie die Beschichtungen zu erstellen seien, und zweitens, wie die Kontaktierung erfolgen könne, was zwingend zu einer Kontaktierung entlang der Mantelfläche führe.

Was den Einwand der unzulässigen Erweiterung angehe, sei die Kontaktierung entlang der Mantelfläche für den Fachmann eine technisch notwendige Implikation der ursprünglichen Offenbarung. Dabei spiele keine Rolle, dass das in Rede stehende Merkmal das einzige Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs sei. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen den Anforderungen an die Offenbarung und der Anzahl der Merkmale im kennzeichnenden Teil.

Bezüglich des Einwandes mangelnder erfinderischer Tätigkeit werde in der Beschwerdebegründung lediglich vorgetragen, dass die Entscheidung nicht schlüssig sei. Ein neues Argument sei nicht zu erkennen.

V. In einer Anlage zur Ladung zu der von beiden Parteien hilfsweise beantragten mündlichen Verhandlung hat die Kammer eine Stellungnahme abgegeben, die lediglich als vorläufig und die Kammer als nicht bindend angesehen werden sollte. Die Kammer hat Ausführungen zur Ausführbarkeit, zur ursprünglichen Offenbarung und zur erfinderischen Tätigkeit gemacht.

VI. Mit einer Erwiderung auf den Ladungsbescheid hat die Patentinhaberin geänderte Ansprüche gemäß einem Hauptantrag und zwei Hilfsanträgen eingereicht. Die unabhängigen Ansprüche, die auch dieser Entscheidung zu Grunde liegen, lauten wie folgt:

Hauptantrag

1. Druckmessgerät welches umfasst:

- ein Gehäuse (21, 53),

- eine Druckmesszelle,

-- die mindestens eine druckempfindliche Messmembran(3, 35, 37) aufweist, auf deren Außenseite im Betrieb ein Druck (P, P1, P2) einwirkt,

-- die einen Wandler zur Umwandlung einer druckabhängigen Auslenkung der Messmembran (3, 35, 37) in eine elektrische Messgröße aufweist und

-- die freie äußere Mantelflächen aufweist, die mit einer elektrisch leitfähigen Beschichtung (31, 61) versehen sind, und

- eine elektronische Schaltung (13, 49) zur Umwandlung der elektrischen Messgröße in ein Messsignal, wobei

- die Druckmesszelle eine kapazitive Druckmesszelle mit einer auf der Innenseite der Messmembran (3) angeordneten Elektrode (9) ist,

- die Außenseite der Messmembran keine leitfähige Beschichtung aufweist, und

- die Beschichtung (31) zusammen mit der Elektrode (9) einen geschlossenen Faraday-Käfig bildet, gekennzeichnet durch

- eine entlang der Mantelflache der Messzelle verlaufende elektrische Verbindung zwischen der Beschichtung und der Elektrode, wobei

- die elektrisch leitfähige Beschichtung (31, 61) eine aufgesputterte metallische Beschichtung oder ein metallischer Lack, insb. ein Carbonleitlack oder ein Silberleitlack ist.

3. Druckmessgerät welches umfasst:

- ein Gehäuse (21, 53),

- eine Druckmesszelle,

-- die mindestens eine druckempfindliche Messmembran (3, 35, 37) aufweist,

-- auf deren Außenseite im Betrieb ein Druck (P, P1, P2) einwirkt,

-- die einen Wandler zur Umwandlung einer druckabhängigen Auslenkung der Zellmembran (3, 35, 37) in eine elektrische Messgröße aufweist und

-- die freie äußere Mantelflächen aufweist, die mit einer elektrisch leitfähigen Beschichtung (61) versehen sind, und

- eine elektronische Schaltung (13, 49) zur Umwandlung der elektrischen Messgröße in ein Messsignal, wobei

- die Druckmesszelle eine kapazitive Differenzdruckmesszelle ist,

-- die zwei Messmembranen (35, 37) mit auf deren Innenseiten angeordneten Elektroden (41, 43) aufweist,

- die Außenseite der Messmembranen keine leitfähige Beschichtung aufweist, und

- die Beschichtung (61) zusammen mit den Elektroden (41, 43) einen geschlossenen Faraday-Käfig bildet, gekennzeichnet durch

- jeweils eine entlang der Mantelfläche der Messzelle verlaufende elektrische Verbindungen zwischen der Beschichtung und den Elektroden,

- wobei die elektrisch leitfähige Beschichtung (61) eine aufgesputterte metallische Beschichtung oder ein metallischer Lack, insb. ein Carbonleitlack oder ein Silberleitlack ist.

Erster Hilfsantrag

1. Druckmessgerät, welches umfasst:

ein Gehäuse (21, 53), und

eine Druckmesszelle,

wobei die Druckmesszelle einen Grundkörper 1 und eine druckempfindliche Messmembran 3 aufweist, wobei die Messmembran 3 und der Grundkörper 1 an deren Rand unter Bildung einer Messkammer 5 mittels einer Fugestelle 7 druckdicht und gasdicht miteinander verbunden sind,

wobei auf die Außenseite der Messmembran im Betrieb ein Druck (P, P1, P2) einwirkt,

wobei die Druckmesszelle einen Wandler zur Umwandlung einer druckabhängigen Auslenkung der Messmembran (3, 35, 37) in eine elektrische Messgröße aufweist,

wobei die Druckmesszelle freie äußere Mantelflächen aufweist, die mit einer elektrisch leitfähigen Beschichtung (31, 61) versehen sind,

wobei das Druckmessgerät, weiterhin eine elektronische Schaltung (13, 49) umfasst zur Umwandlung der elektrischen Messgröße in ein Messsignal,

wobei die Druckmesszelle eine kapazitive Druckmesszelle mit einer auf der Innenseite der Messmembran (3) angeordneten Elektrode (9) ist,

wobei die Außenseite der Messmembran keine leitfähige Beschichtung aufweist, und

wobei die Beschichtung (31) zusammen mit der Elektrode (9) einen geschlossenen Faraday-Käfig bildet, gekennzeichnet durch

eine entlang der Mantelfläche der Messzelle verlaufende elektrische Verbindung zwischen der Beschichtung und der Elektrode, wobei sich die Elektrode bis an einen äußeren Rand der Druckmesszelle erstreckt und entweder direkt oder über die Fügestelle (7) in elektrisch leitender Verbindung zu der Beschichtung (31) steht, und

wobei die elektrisch leitfähige Beschichtung (31, 61) eine aufgesputterte metallische Beschichtung oder ein metallischer Lack, insb. ein Carbonleitlack oder ein Silberleitlack ist.

Zweiter Hilfsantrag

1. Druckmessgerät welches umfasst:

ein Gehäuse (21), und

eine kreisscheibenförmige Druckmesszelle,

wobei die Druckmesszelle einen Grundkörper (1) und eine druckempfindliche Messmembran (3) aufweist, wobei die Messmembran (3) und der Grundkörper (1) an deren Rand unter Bildung einer Messkammer (5) mittels einer Fügestelle (7) druckdicht und gasdicht miteinander verbunden sind,

wobei auf die Außenseite der Messmembran im Betrieb ein Druck (p) einwirkt,

wobei die Druckmesszelle einen Wandler zur Umwandlung einer druckabhängigen Auslenkung der Messmembran (3) in eine elektrische Messgröße aufweist,

wobei die Druckmesszelle freie äußere Mantelflächen aufweist, die mit einer elektrisch leitfähigen Beschichtung (31) versehen sind,

wobei die Beschichtung (31) auf einer zylindrischen äußeren Mantelfläche der kreisscheibenförmigen Druckmesszelle und auf einer messmembran-abgewandten kreisscheibenförmigen äußeren Mantelfläche des Grundkörpers (1) der Druckmesszelle angeordnet ist,

wobei das Druckmessgerät weiterhin eine elektronische Schaltung (13) zur Umwandlung der elektrischen Messgröße in ein Messsignal, umfasst

wobei die Druckmesszelle eine kapazitive Druckmesszelle mit einer auf der Innenseite der Messmembran (3) angeordneten Elektrode (9) ist,

wobei die Außenseite der Messmembran keine leitfähige Beschichtung aufweist,

wobei auf einer der messmembran-zugewandten Außenseite des Grundkörpers mindestens eine Gegenelektrode (11) angeordnet ist,

wobei die Gegenelektrode (11) durch den Grundkörper (1) hindurch zu der der messmembran-abgewandten kreisscheibenförmigen äußeren Mantelfläche des Grundkörpers elektrisch kontaktiert ist,

wobei die Beschichtung auf der messmembran-abgewandten kreisscheibenförmigen äußeren Mantelfläche des Grundkörpers eine Ausnehmung für eine isolierte elektrische Durchkontaktierung der Gegenelektrode (11) zu der elektronischen Schaltung (13), welche auf dem Grundkörper angeordnet ist, und gegebenenfalls für ein Referenzluftrohr aufweist,

wobei die Beschichtung (31) zusammen mit der Elektrode (9) einen geschlossenen Faraday-Käfig bildet, gekennzeichnet durch

eine entlang der zylindrischen äußeren Mantelfläche der Messzelle verlaufende elektrische Verbindung zwischen der Beschichtung und der Elektrode, wobei sich die Elektrode bis an einen äußeren Rand der Druckmesszelle erstreckt und entweder direkt oder über die Fügestelle (7) in elektrisch leitender Verbindung zu der Beschichtung (31) steht,

wobei die elektrisch leitfähige Beschichtung (31) eine aufgesputterte metallische Beschichtung oder ein metallischer Lack, insb. ein Carbonleitlack oder ein Silberleitlack ist.

VII. Eine mündliche Verhandlung hat am 10.03.2010 stattgefunden. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Ursprüngliche Offenbarung und Ausführbarkeit

Die Kammer hat zwar keine Zweifel mehr, dass die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche sowohl ursprünglich offenbart sind als auch vom Fachmann realisiert werden können. Dies ist aber angesichts der fehlenden erfinderischen Tätigkeit für die vorliegende Entscheidung von untergeordneter Bedeutung.

2. Im Verfahren befindliche Dokumente

Die Kammer hatte es in ihrem o. g. Ladungsbescheid noch für sachdienlich gehalten, die in der Beschreibung des vorliegenden Patents genannte Druckschrift D5 in das Verfahren einzuführen und eine einheitliche Nummerierung für die im Verfahren genannten Druckschriften zu verwenden. Zusätzlich hat die Patentinhaberin noch in dem als Erwiderung zu dem o. g. Ladungsbescheid eingereichten Schriftsatz die Druckschrift D6 genannt (Nummerierung durch die Kammer. Übrigens handelt es sich offensichtlich um EP 0 594 808 und nicht um EP 0 595 608, wie von der Patentinhaberin irrtümlich angegeben). Es ist demnach von folgender einheitlicher Nummerierung auszugehen:

D1: EP 0 780 674 A1

D2: US 4 864 463

D3: WO 99/34184

D3*: WO 99/34185

D4: US 5 923 824

D5: H. Waldschmidt: "Der Einfluss von Gleichtaktstörungen auf industriell eingesetzte Sensoren und Messsysteme", VDI Berichte 1255, Tagung Bad Nauheim 11. bis 13. März 1996 "Sensoren und Messsysteme, VDI-Verlag, Düsseldorf, 1996

D6: EP 0 594 808 B1

3. Erfinderische Tätigkeit

Hauptantrag

3.1 Die in der Beschreibung des vorliegenden Patents gewürdigte Druckschrift D5, siehe Bilder 3 und 4 mit zugehörigem Text auf Seite 523, "Beispiel 2", beschreibt ein Druckmessgerät mit allen im Oberbegriff des Anspruchs 1 angegebenen Merkmalen einschließlich einer elektrisch leitfähigen Beschichtung in Form einer beidseitig elektrisch isolierten Kupferfolie, die in dem abgewinkelten Bereich an der ebenfalls kapazitiven Druckzelle anliegt (Im Streitpatent, siehe Absatz 35 in Spalte 6, wird eine leitfähige Schicht in Form einer Laminatfolie ebenfalls als Beschichtung angesehen). Vervollständigt wird diese innere Abschirmung wie im Streitpatent im Sinne eines Faraday-Käfigs durch eine kapazitive Messelektrode auf der Membraninnenseite, die in D5 als Rückseite der Membran bezeichnet wird. Da in D5 somit offensichtlich ebenfalls ein abschirmender Faraday-Käfig angestrebt wird, ist es für den Fachmann ersichtlich, dass die genannte Messelektrode mit der abschirmenden Beschichtung elektrisch verbunden werden muss, zweckmäßigerweise möglichst über den gesamten Umfang, also wie im Streitpatent entlang der Mantelfläche der Messzelle. Mit diesen Maßnahmen wird in D5 die Gleichtaktunterdrückung erhöht, siehe die Überschrift des Beispiels 2.

3.2 Von dem aus D5 bekannten Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents dadurch, dass die elektrisch leitfähige Beschichtung (61) "eine aufgesputterte metallische Beschichtung oder ein metallischer Lack, insbesondere ein Carbonleitlack oder ein Silberleitlack ist" (Merkmal i). Gemäß einem weiteren Unterschied weist die Außenseite der Messmembran keine leitfähige Beschichtung auf (Merkmal ii).

3.3 Die gegenüber D5 gelöste Aufgabe betrifft daher eine alternative Konstruktion für die innere Abschirmung, die mechanisch unempfindlicher als eine (frei im Raum befindliche) Folie ist, vgl. Streitpatent, Absatz 10.

3.4 Solche abschirmenden Beschichtungen sind aber auf dem technischen Gebiet der kapazitiven Druckmessgeräte bekannt. D2, siehe das Abstract und Figuren 1 und 2 mit zugehörigem Text, Spalte 2, Zeile 64 bis Spalte 3, Zeile 14, beschreibt eine Abschirmung in Form von Metallisierungen 26 und 48, mit der die Mantelfläche bzw. die Stirnseiten 14 und 16 des Gehäuses 12 des Sensors 10 versehen sind.

3.5 Auch in D3, siehe Seite 10, Zeilen 21-28, und D3*, siehe Seite 9, Zeile 31 bis Seite 11, Zeile 6, sind Abschirmungen in Form von elektrisch leitenden Beschichtungen bei kapazitiven Drucksensoren beschrieben, die mit Vakuumaufdampfen, insbesondere Sputtern, oder mechanisch, z. B. durch Aufpinseln von goldhaltiger Farbe, hergestellt werden.

3.6 Es war daher für den Fachmann naheliegend, solche leitfähigen Beschichtungen zur Lösung der genannten Aufgabe zu verwenden und dafür gemäß Merkmal i geeignete Materialien auszuwählen. Carbon- und Silberleitlack sind ihm wohlbekannte Alternativen zu den in D3 und D3* genannten Beispielen.

3.7 Was das Merkmal ii anbelangt, so zeigen die Figuren in dem vorliegenden Patent, dass die äußere Seite der Membran unbeschichtet ist. Eine Erläuterung, welcher Effekt damit erreicht wird, findet sich jedoch nicht in dem vorliegenden Patent. Allerdings kann angenommen werden, dass es unter dem Gesichtspunkt der Abschirmung mit Hilfe eines Faraday-Käfigs für einen Fachmann ersichtlich war, dass es ausreichte, die innere Seite der Messmembran zu beschichten und diese als Elektrode dienende Beschichtung mit den übrigen abschirmenden Schichten zu verbinden. Auch wenn die in D5 in dem Bild 4 dargestellte Anordnung der drei Elektroden nicht ganz klar ist - in Bild 4 weist eine Linie von "Kapazitive Messelektrode auf Membraninnenseite" zu der schwarz gezeichneten "Messmembran". "Membraninnenseite" deutet auf eine Lage oberhalb der Membran hin. In der Beschreibung der Bilder 3 und 4 auf Seite 523 ist zwar angegeben: "... wirkt im unteren Teil diejenige Messelektrode, die isoliert auf der Rückseite der Membran aufgebracht ist, als Abschirmung", dies steht aber nicht im Widerspruch zu der ersten Angabe, da sich "Rückseite der Membran" offensichtlich auf die Blickrichtung von dem unteren rohrförmigen Anschluss her bezieht und daher ebenfalls die "Membraninnenseite" bezeichnet.

3.8 Jedenfalls ist es D5, siehe Bilder 1 und 3, zu entnehmen, dass es zur Gleichtaktunterdrückung vorteilhaft ist, eine zusätzliche innere und von dem äußeren Gerätegehäuse isolierte Abschirmung zu verwenden, was den Fachmann veranlassen musste, die in D5 beschriebene "Gehäuse im Gehäuse"-Struktur im Prinzip beizubehalten, allerdings die nachteilige Folienstruktur durch leitende Sputter- oder Lackschichten zu ersetzen.

3.9 Die Patentinhaberin hat darauf hingewiesen, dass für den Sensor von D5 eine beidseitig isolierte Folie verwendet werde, die an dem Gehäuse und nicht an der Druckmesszelle anliege, was zu mechanischen Problemen durch die verleibenden Lufträume führe. Dem Rechnung tragend, werde ein sog. Winkelring verwendet, der die Anordnung lediglich in mechanischer Hinsicht stabilisiere, was auch durch D6 bestätigt werde. Für die Lösung der Aufgabe, eine verbesserte Schirmung im Sinne eines vollständigen Faraday-Käfigs bereitzustellen, sei den hierzu genannten Druckschriften nichts Entscheidendes zu entnehmen. So sei auch die in D2 oder D3 beschriebene Metallisierung nicht vollständig. Der entscheidende Unterschied liege in der Kontaktierung der Elektroden, die in dem vorliegenden Patent auf besonders einfache und effiziente Weise mittels der leitfähigen Beschichtung realisiert werde.

3.10 Diese Argumentation kann die Kammer jedoch nicht überzeugen. Zunächst ist festzustellen, dass es gewisse Unterschiede zwischen den in D5 und D6 gezeigten Anordnungen gibt. D6 zeigt zwar einen Stützring 90 (Figuren 1 bis 3), aber keine Schirmfolie wie in D5 (Bild 4). Der Stützring in D6 ist gewinkelt, was in D5 nicht der Fall ist. Die Lehre von D6 wäre daher, den Stützring als Winkelring auszuführen und die Abschirmung wegzulassen. Dies wäre allerdings nicht die patentgemäße Lehre. Im Übrigen ist diese Sicht der Dinge untauglich in dem vorliegenden Zusammenhang, in dem es gerade um eine zusätzliche innere Abschirmung geht, die gemäß D5 als unbedingt notwendig angesehen wurde, siehe Bild 3. Für die Kontaktierung einer solchen inneren Abschirmung an die auf der Innenseite angeordnete Elektrode ist jedoch die Druckschrift D1 relevant, bei der eine solche Elektrode über das aus Hartlot gebildete Formteil 122 (siehe die Figur) elektrisch mit der Schirmelektrode 20 verbunden ist. Mit der in D3 oder D3* gegebenen Lehre, das obere Gehäuse 1 (Figur 2) mit einer abschirmenden Metallisierung zu versehen, drängte es sich dem Fachmann geradezu auf, eine solche Metallisierung auch in D1 anzuwenden und nicht nur auf die Mantelfläche des Gehäuses 1 zu beschränken, sondern auf die äußere Berandung des Formteils 122 auszudehnen, das der Elektrode als zugehörig betrachtet werden kann. Damit ergibt sich in naheliegender Weise eine entlang der Mantelfläche der Messzelle verlaufende elektrische Verbindung zwischen der Beschichtung (Metallisierung) und der Elektrode.

3.11 Ähnliche Überlegungen gelten für den nebengeordneten Anspruch 3, der sich speziell auf ein Druckmessgerät mit einer Differenzdruck-Messzelle bezieht - eine entsprechende Ausführungsform mit zwei Membranen ist in Figur 2 des Streitpatents gezeigt -, die bezüglich der Ausgestaltung und Anordnung der Elektroden zum Anspruch 1 analoge Merkmale aufweist. Die Tatsache, dass nach dem Wortlaut des Anspruchs "mindestens eine Messmembran" vorhanden ist, hat zur Folge, dass auch Differenzdruckmesser mit einer Messmembran und einer Messzelle auf der einen Seite der Membran und einer Referenzzelle auf der anderen Seite, siehe jeweils die Figuren 2 und 3 in D3 und D3*, unter den Wortlaut des Anspruchs fallen, so dass hier die negative Beurteilung bezüglich der erfinderischen Tätigkeit voll zutrifft. Die Patentinhaberin hat im Übrigen auch nicht geltend gemacht, dass sie für den Gegenstand des Anspruchs 3 unabhängigen Schutz begehrt.

Erster Hilfsantrag

3.12 Der Anspruch 1 dieses Antrags unterscheidet sich von dem des Hauptantrags durch das Hinzufügen von sich auf den Grundkörper und eine Fügestelle beziehenden Merkmalen, die eine Messkammer bilden, wobei die elektrische Verbindung zwischen der Messelektrode und der Beschichtung entweder direkt oder über die Fügestelle erfolgt. Eine Fügestelle, die eine Messmembran 13 und einen Grundkörper 12 druckdicht und gasdicht miteinander verbindet und die eine auf der Messmembran angeordnete Elektrode am Rand kontaktiert, ist bei dem in D1 beschriebenen Druckmessgerät durch das Formteil 122 (Hartlot) realisiert. Nach den obigen Ausführungen im Zusammenhang mit dem Hauptantrag war es für den Fachmann naheliegend, mit der in D3 oder D3* verwendeten Beschichtungstechnik die Elektrode über die Fügestelle (Formteil 122) leitend mit der Beschichtung des Grundkörpers zu verbinden.

3.13 Die Patentinhaberin hat zur Offenbarung und Wirkung des hinzugefügten Merkmals auf die Absätze 22 und 37 des Patents hingewiesen. Die Beschichtung habe hier den Vorteil, gleichzeitig die Kontaktierung der Elektrode und den Schutz vor Störströmen zu bieten. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass es für den Fachmann naheliegend war, in einer Druckmessanordnung mit einer inneren Abschirmung, wie sie aus D1 oder D5 hervorgeht, diese als leitende Sputter- oder Metall-Lack- Beschichtung auszuführen, wie es ebenfalls bei einem kapazitiven Druckmessgerät in D3 oder D3* beschrieben ist.

Zweiter Hilfsantrag

3.14 Der Anspruch 1 gemäß dem zweiten Hilfsantrag enthält zusätzlich zu dem des ersten Hilfsantrags noch folgende Merkmale in abgekürzter sowie klargestellter Formulierung (Der Begriff "Mantelfläche" bezieht sich im üblichen Sinne nicht auf die Endflächen eines Zylinders):

(i) kreisscheibenförmige Druckmesszelle mit Beschichtung auf Messmembran-abgewandter Fläche des Grundkörpers;

(ii) Gegenelektrode auf Messmembran-zugewandter Fläche des Grundkörpers mit Kontaktierung durch den Grundkörper hindurch;

(iii) Ausnehmung in der Beschichtung auf der Messmembran-abgewandten Fläche für Durchkontaktierung der Gegenelektrode zur Schaltung und ggf. für ein Referenzluftrohr.

Die Merkmale i und ii sind in D3 verwirklicht, siehe Figur 3 und Seite 10, Zeilen 21 bis 28, und daher für den Fachmann ebenso naheliegend wie die oben diskutierte Metallisierung.

In D1, siehe die Figur, ist eine Wandlerschaltung auf der Messmembran-abgewandten Fläche angeordnet. Dies bedingt offensichtlich eine entsprechende Ausnehmung in der gemäß D3 abgelagerten Metallisierung. Das Referenzluftrohr ist nur fakultativ und daher unbeachtlich.

3.15 Die Patentinhaberin hat in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Absätze 24 und 36 des Streitpatents hingewiesen, die zur Klarstellung der von der Einsprechenden als unklar bezeichneten Mantelfläche bzw. Mantelflächen dienen könnten. Die Kammer sah sich jedoch in der Lage, die Lehre des Patents hinsichtlich der Ausbildung eines geschlossenen Faraday-Käfigs unter Einbeziehung der Membranelektrode, der beschichteten Mantelfläche und oberen Endfläche des Grundkörpers sowie ggf. der Fügestelle zu erfassen, und kommt so zu dem Schluss, dass die Merkmale i bis iii nicht wesentlich über das hinausgehen, was gemäß dem Haupt- und ersten Hilfsantrag beansprucht wurde, aufgrund dessen sich somit das Vorhandensein einer erfinderischen Tätigkeit rechtfertigen ließe. Die Patentinhaberin hat selbst auch keinen weiteren Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit geltend gemacht, der sich aus den zusätzlich aufgeführten Merkmalen ergeben würde.

4. Auch unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin angebotenen Argumentation ergibt sich daher, dass die Gegenstände des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 100 a) und 56 EPÜ 1973 beruhen mit der in Artikel 101 (3)b) EPÜ dafür vorgesehenen Rechtsfolge.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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