European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2010:T152807.20100219 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 19 Februar 2010 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1528/07 | ||||||||
Anmeldenummer: | 02020728.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | F24H 9/20 G06F 17/60 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Fehler- oder Störungsbeseitigung vorzugsweise bei Heizgeräten | ||||||||
Name des Anmelders: | Vaillant GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (nein) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, zur Post gegeben am 2. Juli 2007, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 02020728.8 zurückgewiesen wurde.
II. Im Wesentlichen hat die Prüfungsabteilung ausgeführt, dass sich die Erfindung gemäss aller Anträge auf eine geschäftliche Tätigkeit beziehe (Artikel 52 2)(c) EPÜ) (siehe Punkt 2.3 der Entscheidung). Die Anmeldung ist jedoch nicht wegen Verletzung des Artikels 52 2) c) EPÜ zurückgewiesen worden (siehe Punkt 8.4 der Entscheidung).
Gemäss der Entscheidung wird als einziges technisches Merkmal des beanspruchten Verfahrens lediglich die Verwendung eines Computers, die notorisch bekannt sei, angesehen. Die Prüfungsabteilung ist daher zur Schlussfolgerung gekommen, dass der Gegenstand aller Anträge nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
III. Hiergegen hat die Patentanmelderin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) am 30. August 2007 mit Schreiben vom 28. August 2007 Beschwerde zusammen mit deren Begründung eingelegt und am gleichen Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Gleichzeitig reicht sie Ansprüche 1 bis 8 gemäss Hauptantrag bzw. erstem Hilfsantrag ein.
IV. Mit der Ladung vom 26. November 2009 zur mündlichen Verhandlung versandte die Kammer eine Mitteilung gemäss Artikel 15(1) VOBK, in welcher unter anderem darauf hingewiesen wurde, dass Anspruch 1 gemäss Hauptantrag vom 28. August 2007 weiterhin unklar ist.
V. Mit Schreiben vom 17. Februar 2010 reichte die Beschwerdeführerin einen zweiten Hilfsantrag ein.
VI. Die mündliche Verhandlung fand am 19. Februar statt. Nach einer einleitenden Diskussion der Klarheit reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag ein und erklärte, dass dieser sowohl den bisherigen Hauptantrag als auch den zweiten Hilfsantrag ersetzen solle.
VII. Somit beantragte die Beschwerdeführerin,
die Zurückweisung aufzuheben und ein Patent auf der Basis des Anspruchsatzes gemäss dem während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrag oder, hilfsweise, gemäss dem mit Schriftsatz vom 28. August 2007 eingereichten 1. Hilfsantrag zu erteilen.
VIII. Anspruch 1 gemäss Hauptantrag vom 19. Februar 2010 lautet:
"Verfahren zur Fehler- oder Störungsbeseitigung vorzugsweise bei Heizgeräten (1), bei dem bei einem bekannten Fehler oder Störung Massnahmen zur Fehler- oder Störungsbeseitigung aufgelistet werden,
dadurch gekennzeichnet,
dass
eine Analyseeinrichtung eine Reihenfolge der anzuwendenden Massnahmen zur Fehler- oder Störungsbeseitigung bildet,
wobei die Analyseeinrichtung (9) mit Hilfe einer Reparaturdatenbank (5), in der Reparaturmassnahmen i mit deren Materialkosten und Arbeitkosten sowie der Anteil der erfolgreichen Reparaturen mit der jeweiligen Reparaturmassnahme i zu den Fehlern oder Störungen hinterlegt sind, woraus Materialaufwandsfaktoren Mi, Zeitaufwandsfaktoren Zi und Wahrscheinlichkeiten Wi für die Reparaturmassnahmen ermittelt werden, zu jeder Reparaturmassnahme i einen Faktor Fi aus dem Materialaufwandfaktor Mi, dem Zeitaufwandfaktor Zi und der Wahrscheinlichkeit Wi berechnet und in der Analyseeinrichtung (9) aus den Faktoren Fi der Reparaturmassnahmen i eine Rangliste zur Fehler- oder Störungsbeseitigung erstellt wird, wobei nach einer oder mehreren erfolgreichen Fehler- oder Störungsbeseitigungen die erfolgreichen Reparaturmassnahmen bei weiteren Fehlern oder Störungen in der Reparaturendatenbank (5) beim Anteil der erfolgreichen Reparaturen mit der jeweiligen Lösungsmassnahme berücksichtigt werden."
IX. Anspruch 1 gemäss Hilfsantrag vom 28 August 2007 lautet:
"Analyseeinrichtung zur Fehler- oder Störungsbeseitigung vorzugsweise bei Heizgeräten (1), welche bei einem bekannten Fehler oder Störung Massnahmen zur Fehler- oder Störungsbeseitigung auflistet,
dadurch gekennzeichnet,
dass
die Analyseeinrichtung (9) eine Reihenfolge der anzuwendenden Massnahmen zur Fehler- oder Störungsbeseitigung bildet,
wobei mit Hilfe einer Reparaturdatenbank (5), in der Reparaturmassnahmen i mit deren Materialkosten und Arbeitkosten sowie der Anteil der erfolgreichen Reparaturen mit der jeweiligen Reparaturmassnahme i zu den Fehlern oder Störungen hinterlegt sind,
daraus Materialaufwandsfaktoren Mi, Zeitaufwandsfaktoren Zi und Wahrscheinlichkeiten Wi für die Reparaturmassnahmen ermittelt werden, zu jeder Reparaturmassnahme i ein Faktor Fi aus dem Materialaufwandfaktor Mi, dem Zeitaufwandfaktor Zi und der Wahrscheinlichkeit Wi berechnet wird und
aus den Faktoren Fi der Reparaturmassnahmen i eine Rangliste zur Fehler- oder Störungsbeseitigung erstellt wird,
wobei nach einer oder mehreren erfolgreichen Fehler- oder Störungsbeseitigungen die erfolgreichen Reparaturmassnahmen bei weiteren Fehlern oder Störungen beim Anteil der erfolgreichen Reparaturen mit der jeweiligen Lösungsmassnahme berücksichtigt werden."
X. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Die Berechnung und Ermittlung von Faktoren und die Erstellung einer Rangliste stellten technische Merkmale dar.
Ziel der Erfindung sei es, ein Verfahren zur Fehler- oder Störungsbeseitigung zu schaffen, das Erfahrungswerte berücksichtigt und eine Empfehlung zur wirtschaftlichen Fehler- oder Störungsbeseitigung gibt.
Es sei Ziel eines Verfahrens zur Fehler- oder Störungsbeseitigung, diese mit minimalem Arbeits- und Materialaufwand durchzuführen, bei einer Mehrzahl potentieller Lösungsmöglichkeiten sei dies nicht trivial, weil es keinen stetigen Zusammenhang zwischen Arbeitsaufwand, Zeitaufwand, und Lösungsmöglichkeiten gebe.
Die Erfindung gemäss Anspruch 1 beziehe sich daher auf ein technisches Gebiet, besitze technische Merkmale, durch deren Angabe der Gegenstand des Schutzbegehrens in den Ansprüchen definiert werden könne, und es liege ihr eine technische Aufgabe zu Grunde. Daher habe das beanspruchte Verfahren einen technischen Charakter.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäss Hauptantrag und Hilfsantrag sei auch erfinderisch. Aus dem Stand der Technik seien Reparaturlisten bekannt, welche zu bestimmten Phänomenen mögliche Fehlerursachen und Lösungsmassnahmen enthielten. Diese Listen seien starr und unveränderbar, weil sie meistens in gedruckter Form als Serviceheft erschienten. Es sei möglich, dass bei der Erstellung der Listen die mutmasslich bzw. subjektiv beste Lösung an die Spitze und die unwahrscheinlichste an das Ende gesetzt werde. Es sei jedoch nicht bekannt, berechenbare Faktoren bei der Erstellung der Listen zu verwenden und diese damit objektiver zu machen. Weiterhin sei es nicht bekannt und auch nicht nahe gelegt, die Listen zu aktualisieren, indem erfolgreiche Fehler- oder Störungsbeseitigungen nach der erstmaligen Erstellung der Listen bei der Überarbeitung der Listen berücksichtigt werden.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin und der Prüfungsabteilung überein, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 als Ganzes technische Überlegungen und Gegenstände beinhaltet und daher nicht als Nichterfindung nach Artikel 52(2) EPÜ angesehen werden kann.
3. Obwohl kein vollständiger Recherchebericht vorliegt, sind die Kammer und Beschwerdeführerin einig, dass ein Verfahren zur Fehler- oder Störungsbeseitigung, bei dem bei einem bekannten Fehler oder Störung Massnahmen zur Fehler- oder Störungsbeseitigung aufgelistet werden gemäss dem Oberbegriff des Anspruchs 1 allgemein bekannt ist.
4. Wie von der Beschwerdeführerin eingeräumt, sind bei der Erstellung dieser Listen normaleweise die mutmasslich bzw. subjektiv beste Lösung an die Spitze und die unwahrscheinlichste an das Ende gesetzt. Diese Festlegung sowie die Reihenfolge der Beseitigungsmassnahmen zwischen diesen beiden Extremen liegt im wesentlich am Erfahrungsschatz des Handwerkers (siehe die Patentanmeldung, veröffentliche Fassung, Abschnitt [0003]). Es kommt daher zunächst darauf an, wie derartige Listen praktisch erstellt werden.
5. In der Praxis ist für die Erstellung der Reparaturlisten ein Serviceingenieur zuständig, der die für jeden Fehler bzw. jede Störung möglichen Reparaturmassnahmen mit dem entsprechenden Aufwand an Material und Zeit festlegt. Um nun eine sinnvolle Reihenfolge in der Liste dieser Reparaturmassnahmen zu erstellen, orientiert er sich aber nicht nur an diesem Aufwand, sondern wendet sich an den erfahrenen Fachhandwerker bzw. Servicetechniker, um aufgrund von deren Erfahrungsschatz festzulegen, welche der möglichen Massnahmen bisher erfolgreich oder weniger erfolgreich waren. Die Berücksichtigung dieser Erfolgswahrscheinlichkeit zusammen mit dem jeweiligen Aufwand bei einer Massnahme muss nämlich in die Reparaturlisten einfliessen. Es hat ja keinen Sinn, eine einfache und billige Massnahme vorzunehmen, wenn von vornherein klar ist, dass damit die Reparatur nicht gelingen kann. Andererseits empfiehlt es sich, zunächst eine solche einfach durchzuführende und billige Massnahme vorzunehmen, wenn erfahrungsgemäss eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass damit die Reparatur erfolgreich ist. Das im Absatz [0002] der Anmeldung angeführte Beispiel mit dem Gashahn ist hierfür typisch: so wird der Fachmann bei Ausfall des Brenners oder fehlender Zündung zunächst prüfen, ob der Gashahn geöffnet ist oder ausreichend Gasdruck vorhanden ist, bevor er aufwendigere Reparaturmassnahmen in Betracht zieht. Ist nämlich der Gashahn geschlossen oder der Gasdruck zu gering, besteht eine nahezu hundertprozentige Wahrscheinlichkeit, dass sich der Fehler durch Öffnen des Gashahns bzw. Einstellung des Gasdrucks beheben lässt. Es ist also davon auszugehen, dass auch bei der bekannten Erstellung der Reparaturlisten bereits der Aufwand an Zeit und Material sowie die den gesammelten Erfahrungsschatz des Fachhandwerkers oder Servicetechnikers widerspiegelnde Erfolgswahrscheinlichkeit berücksichtigt werden.
6. Ausgehend von diesem Stand der Technik stellt sich dem Serviceingenieur die Aufgabe, die Behebung von Störungen und Fehlern wirtschaftlich, also mit minimalem Arbeits- und Materialaufwand, und objektiv zu gestalten. Zur Lösung dieser Aufgabe muss er nichts anderes tun als oben beschriebene bekannte Vorgehen zu systematisieren und zu automatisieren. Die für eine derartige Systematisierung bzw. Automatisierung erforderlichen weiteren Schritte gehören zum Handwerkszeug des Fachmanns. So muss das bekannte Verfahren in einer für die automatisierte Bearbeitung geeigneten Weise umgesetzt werden, in dem in jedem Fall unabhängig davon, wie einfach oder komplex diese Umsetzung gewählt wird, den einzelnen bekannten Einflussgrössen Materialaufwand, Zeitaufwand und Erfolgswahrscheinlichkeit jeder Massnahme jeweils ein Wert zugeordnet wird, sodass entsprechend dieser Einzelwerte ein Gesamtwert gebildet werden kann, der die Position dieser Massnahme in der Rangliste bestimmt. Nichts anderes als diese allgemeine Beschreibung einer Umsetzung der fachmännischen Überlegungen ist im Anspruch 1 ausgedrückt, wobei die genannten Werte als "Faktoren" bezeichnet werden. Die Hinterlegung dieser Faktoren in einer Datenbank und die Erstellung der Rangliste von einer Analyseeinrichtung entspricht der üblichen Implementierung des beschriebenen Verfahrens mittels eines zum Prioritätszeitpunkt bereits üblichen Computers, dessen Rechner die Analyseeinrichtung und dessen Speicher die Datenbank bildet."
7. Das Merkmal, wobei nach einer oder mehreren erfolgreichen Fehler- oder Störungsbeseitigungen die erfolgreichen Reparaturmassnahmen bei weiteren Fehlern oder Störungen beim Anteil der erfolgreichen Reparaturen mit der jeweiligen Lösungsmassnahme berücksichtigt werden, ist ebenfalls bekannt.
8. In der Praxis wird der fachmännische Leiter einer Werkstätte oder eines Reparaturdiensts, der auf die Höhe der Zeit bleiben will, die Reparaturlisten bzw. Massnahmen im Licht der täglichen Erfahrungen regelmässig überarbeiten und aktualisieren. In der Tat ist es allgemein bekannt, dass auch Geräteservicehefte mit Reparaturlisten in gedrucktem Papierformat Änderungen unterzogen werden und in revidierter Ausgabe wieder erscheinen. Der Zeitabstand zwischen derartigen Revisionen ist von wirtschaftliche Überlegungen bestimmt, weil das gedruckte Papierformat relativ teuer und beschwerlich zu ändern ist, so dass vielleicht eine neue Ausgabe nur einmal pro Jahr erscheint. Somit könnte der Eindruck bestehen, dass die Listen starr und unveränderlich sind. Dieses ist jedoch nicht der Fall, weil die Vorbereitungsarbeit auf jede Revision ständig läuft und sich nur die Ausgabe verzögert.
9. Durch das Aufkommen neuer Technologie vor dem Zeitpunkt der Priorität der Anmeldung, insbesondere der elektronischen Datenverarbeitung einschliesslich des Internets, ist die Überarbeitung erheblich erleichtert worden, weil z.B. elektronische Datenbanken fernlesbar und in Echtzeit aktualisierbar sind. Die Eingliederung solcher Möglichkeiten in das beanspruchte Verfahren entspricht daher der technischen Entwicklung.
10. Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäss Hauptantrag als die Automatisierung eines normalen Vorgehens zu betrachten, die nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
11. Anspruch 1 gemäss Hilfsantrag betrifft eine Umformulierung des Anspruchs 1 gemäss Hauptantrag in einem Vorrichtungsanspruch. Die Verwendung eines Computers als Analyseeinrichtung ist notorisch bekannt, ansonsten gelten die gleichen Argumente wie für den Hauptantrag.
12. Somit beruht Anspruch 1 gemäss Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
13. Angesichts der Tatsache, dass der Gegenstand beider Anträge in seiner Ganzheit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist es nicht notwendig, zwischen technischen und nicht technischen Merkmalen zu unterscheiden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.