T 1407/07 (Herstellung von Propylenoxid/EVONIK) of 27.9.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T140707.20100927
Datum der Entscheidung: 27 September 2010
Aktenzeichen: T 1407/07
Anmeldenummer: 00118709.5
IPC-Klasse: C07D 301/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von Epoxiden aus Olefinen
Name des Anmelders: Evonik Degussa GmbH, et al
Name des Einsprechenden: BASF SE
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 100(b)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung (ja) - fehlende Beschreibung im Patent kann durch das allgemeine Fachwissen ergänzt werden
Erfinderische Tätigkeit (ja) - nicht naheliegende Alternative
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0212/88
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende legte Beschwerde ein gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das Europäische Patent Nr. 1 085 017 zurückzuweisen.

II. Der Einspruch richtete sich gegen das Patent im vollen Umfang. Er basierte auf Einspruchsgründen gemäß Artikel 100(a) (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) und Artikel 100(b) EPÜ.

III. Im Einspruchsverfahren wurden u. a. die folgenden Dokumente zitiert:

(E1) WO-A-01/10 855

(E2) EP-A-0 230 949

(E3) EP-A-0 712 852.

IV. Der angefochtenen Entscheidung lagen die Ansprüche in der erteilten Fassung zu Grunde.

Deren einziger unabhängiger Anspruch lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung von Propylenoxid umfassend Epoxidierung von Propen mit Wasserstoffperoxid in Gegenwart eines Titansilikalitkatalysators,

wobei eine Wasserstoffperoxid enthaltende Lösung und Propen als Einsatzstoffe periodisch oder kontinuierlich in einen Epoxidierungsreaktor eingetragen werden und im Verfahren zusätzlich eine Base eingesetzt wird,

dadurch gekennzeichnet,

dass man die Base unter pH-Kontrolle im Gemisch mit einem oder mehreren der Einsatzstoffe in den Epoxidierungsreaktor einträgt, die pH-Kontrolle in dem/den die Base enthaltenden Gemisch/en mit einem Einsatzstoff durchführt und einen pH-Wert im Bereich von 4 bis 9,5 einstellt und konstant hält."

V. Die Einspruchsabteilung entschied,

- die Erfindung sei ausreichend offenbart; der pH-Wert könne mit einer Glaselektrode ermittelt werden. Außerdem war es der Einsprechenden möglich, Vergleichsversuche vorzulegen;

- der Gegenstand der Ansprüche unterscheide sich von der Offenbarung der Dokumente (E1) und (E2) dadurch, dass einerseits die Merkmale aus verschiedenen Listen kombiniert wurden, und andererseits dadurch, dass im Streitpatent im Strom, der Base und einen Einsatzstoff enthält, der pH im Bereich von 4 bis 9,5 konstant gehalten wird. Er sei also neu; und

- Dokument (E2) lege die Einstellung eines konstanten pH-Werts durch Zugabe von Base nicht nahe; Dokument (E3) gäbe keinen Hinweis darauf, dass der pH-Wert des Zufuhrstroms wichtig sei. Daher führe auch die Kombination der Offenbarungen der Dokumente (E2) und (E3) nicht zum Gegenstand der Ansprüche.

VI. Auch der vorliegenden Entscheidung liegen die sieben Ansprüche der erteilten Fassung zu Grunde (siehe oben unter Punkt IV).

VII. Die Beschwerdeführerin war der Meinung, das angegriffene Patent enthalte keine nacharbeitbare Lehre, wie in einem kontinuierlichen Verfahren bei schwankender Qualität der Einsatzstoffe ein konstanter pH-Wert im Zustrom eingestellt werden könne. In den Beispielen 16 bis 19 des Patents werde der pH-Wert nur durch Zugabe einer konstanten Menge einer Base eingestellt.

Der Gegenstand der Ansprüche sei nicht neu. Es werde auch ein Verfahren beansprucht, bei dem einmalig der pH-Wert eingestellt wird, welcher konstant bleibt, da sich die Zusammensetzung nicht ändert. Ein solches Verfahren sei aus den Dokumenten (E1) und (E2) bekannt. Die mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Versuche belegten, dass mit den im Dokument (E2) genannten Basen und Konzentrationsbereichen pH-Werte von 4 bis 9,5 eingestellt würden.

Dokument (E2) sei als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. Es offenbare nicht das Konstanthalten des pH-Werts. Aufgabe war es, ein alternatives Verfahren bereitzustellen, das zu guten Umsätzen bei guter Selektivität führe. Das Konstanthalten des pH-Werts sei jedoch naheliegend. Einerseits werde gemäß Dokument (E2) nach der Einstellung einer bestimmten Basenkonzentration keine Änderung des Eduktgemisches vorgenommen. Andererseits lehre das Dokument (E3), eine konstante Salzkonzentration einzusetzen. Daher war es naheliegend, eine konstante Basenkonzentration einzustellen.

VIII. Die Beschwerdegegnerinnen verwiesen auf die angefochtene

Entscheidung, in der die Ausführbarkeit überzeugend dargelegt sei. Die Beschwerdeführerin habe nicht nachgewiesen, dass der Fachmann nicht in der Lage gewesen sei, einen Regelkreis zur Zudosierung der Base in Abhängigkeit des gemessenen pH-Werts zu realisieren, wie er auch im Dokument (E1) beschrieben sei.

Der Gegenstand der Ansprüche unterscheide sich

- von der Offenbarung des Dokuments (E1), die die Merkmale des vorliegenden Anspruchs nicht in Kombination enthalte, und gemäß der der pH-Wert verändert werde, und

- von der Offenbarung des Dokuments (E2), die keine Messung des pH-Werts und somit keine pH-Kontrolle vorsehe.

Keines der vorveröffentlichten Dokumente offenbare die Kontrolle des pH-Werts in einem Einsatzstrom. Diese führe jedoch, wie die Beispiele des Streitpatents belegten, zu verbesserter Selektivität bei nur geringem Verlust an katalytischer Aktivität. Gemäß der angefochtenen Entscheidung führe auch die Kombination der Dokumente (E2) und (E3) nicht zum beanspruchten Gegenstand sondern von ihm weg, da (E3) empfiehlt, keine Base sondern ein nichtbasisches Salz zuzugeben.

IX. Der Ladung zur mündlichen Verhandlung lag ein Bescheid der Kammer bei. In diesem fasste sie die zu erörternden Punkte zusammen und begründete ihre vorläufige Meinung, dass keine Gründe gemäß Artikel 100(b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstünden.

X. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerinnen beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen.

XI. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 100(b) EPÜ

Das Streitpatent offenbart im Absatz [0015] die Messung des pH-Wertes mittels Glaselektrode. Im Beispiel 1 wird eine Einstabmesskette aus Glaselektrode und integrierter Ag/AgCl-Vergleichselektrode verwendet (siehe Absatz [0027]).

Der Einwand der Beschwerdeführerin beruht auf der Tatsache, dass das Streitpatent nicht explizit offenbart, wie in einem kontinuierlichen Verfahren bei schwankender Qualität der Einsatzstoffe ein konstanter pH-Wert im Zustrom eingestellt werden kann.

Dies ist jedoch kein hinreichender Grund dafür, dass der Fachmann den Gegenstand der Ansprüche nicht ausführen kann. Ihm stehen nämlich neben dem Wortlaut des Patents auch sein allgemeines Fachwissen zur Verfügung (siehe T 0212/88, Abl. EPA 1992, 28, Punkt 3.1 der Entscheidungsgründe).

Die Kammer hatte in ihrem Bescheid angemerkt, den Ausführungen der Beschwerdeführerin sei nicht zu entnehmen, dass eine kontinuierliche Regelung der Basenzuführung über das Potenzial der Glaselektrode über das allgemeine Fachwissen hinausginge (siehe Punkt 6 des Bescheids vom 8. Juli 2010). Die Beschwerdeführerin hat weder im weiteren schriftlichen Verfahren noch während der mündlichen Verhandlung hierzu Stellung genommen.

Im Einspruchsbeschwerdeverfahren trägt jede Partei die Beweislast für Behauptungen auf die sie sich stützt. Somit oblag es der Beschwerdeführerin, ihre Behauptung zu belegen, das Streitpatent offenbare den Gegenstand der Ansprüche nicht so deutlich und vollständig, dass der Fachmann ihn ausführen könne. Solche Belege hat sie nicht vorgelegt.

Folglich stehen keine Gründe gemäß Artikel 100(b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegen.

3. Neuheit

Die Beschwerdeführerin hielt den Gegenstand der Ansprüche für nicht neu im Hinblick auf Dokument (E1) oder (E2).

3.1 Dokument (E1)

Dokument (E1) offenbart ganz allgemein die Umsetzung einer organischen Verbindung mit einem Hydroperoxid, vorzugsweise Wasserstoffperoxid, in Gegenwart eines heterogenen Katalysators unter Veränderung des pH-Wertes im Reaktionsgemisch (siehe Anspruch 1 und Seite 9, Zeilen 10-11). Die Umsetzung von Propen mit Wasserstoffperoxid in Gegenwart von Titansilikalit ist explizit nur im zum Vergleich angeführten Beispiel 1 und im Beispiel 2 offenbart. Diese Beispiele unterscheiden sich vom Gegenstand der Ansprüche des Streitpatents, indem entweder kein pH-Wert im Bereich von 4 bis 9,5 im Zustroms eines Einsatzstoffes eingestellt wird (Beispiel 1) oder kein konstanter, sondern ein variabler pH-Wert im Bereich von 2 bis 6 (Beispiel 2). Diese Beispiele offenbaren daher nicht alle Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents. Die Offenbarung eines Patentdokuments ist jedoch nicht auf dessen Beispiele beschränkt. Sie umfasst auch die Kombination eines konkreten erfindungsgemäßen Beispiels mit der allgemeinen Lehre des Dokuments. Die allgemeine Lehre des Dokuments (E1) erfordert, dass während der Umsetzung der pH-Wert im Reaktionsmedium geändert wird (siehe Anspruch 1). Diese Lehre steht im Widerspruch zu der im Anspruch 1 des Streitpatents geforderten Konstanz des pH-Werts im Zustrom eines Einsatzstoffes.

Daher offenbart das Dokument (E1) nicht alle Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents.

3.2 Dokument (E2)

Dieses Dokument offenbart ein Verfahren zur Epoxidierung von Olefinen mit Wasserstoffperoxid in Gegenwart eines Titansilikalits (siehe Seite 3, Zeilen 10-26), wobei der saure Katalysator vor und/oder während der Reaktion mit Neutralisierungsmitteln behandelt wird, insbesondere mit Basen (siehe die Ansprüche 1 bis 3). Bei kontinuierlicher Fahrweise genügt es, dem Wasserstoffperoxid-Zustrom von ca. 0,0001 bis ca. 0,1 Gew.-% einer schwachen Base zuzugeben, um den Abbau der katalytischen Aktivität mit der Zeit und die Solvolyse des Produkts zu verhindern (siehe Seite 4, Zeilen 10-20).

Die Einstellung eines bestimmten pH-Werts ist im Dokument nicht ausdrücklich offenbart.

Die von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung vorgelegten Versuchen zeigen, dass je nach Qualität der eingesetzten Wasserstoffperoxid-Lösung und der Base innerhalb der im Dokument (E2) angegebenen Basenkonzentrationen nicht notwendigerweise ein pH-Wert im Bereich von 4 bis 9,5 eingestellt wird (siehe die Tabellen auf den Seiten 8 und 9 des Schreibens vom 15. Oktober 2007). Daher offenbart das Dokument (E2) auch nicht inhärent dieses Merkmal des Anspruchs 1 des Streitpatents.

3.3 Die Kammer hat sich vergewissert, dass auch kein anderes der zitierten Dokumente alle Merkmale des vorliegenden Anspruchs 1 in Kombination offenbart. Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu. Gleiches gilt für den Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2 bis 7.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 Nächstliegender Stand der Technik

Dokument (E1) wurde erst nach dem Anmeldetag des Streitpatents veröffentlicht. Es ist daher bei der Ermittlung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen (Artikel 56 EPÜ).

Von den übrigen zitierten Dokumenten offenbart nur das Dokument (E2) die Epoxidierung von Propen in Gegenwart eines Titansilikalit-Katalysators, wobei die Zugabe einer Base zur Neutralisation des sauren Katalysators bevorzugt wird.

Wie beide Parteien betrachtet daher auch die Kammer das Dokument (E2) als nächstliegenden Stand der Technik.

4.2 Aufgabe

Laut Beschwerdeführerin bestand die Aufgabe darin, ein alternatives Verfahren bereitzustellen, das zu guten Umsätzen bei guter Selektivität führe. Wie die Beispiele des Streitpatents zeigen, wird diese Aufgabe gelöst. Im Hinblick auf den Ausgang dieser Entscheidung ist es unbedeutend, ob der Gegenstand der Ansprüche auch eine ehrgeizigere Aufgabe löst.

4.3 Lösung

4.3.1 Gemäß Anspruch 1 des Streitpatents wird die oben genannte Aufgabe dadurch gelöst, dass man "... die pH-Kontrolle in dem/den die Base enthaltenden Gemisch/en mit einem Einsatzstoff durchführt und einen pH-Wert im Bereich von 4 bis 9,5 einstellt und konstant hält."

4.3.2 Die Beschwerdeführerin war der Ansicht, schon die konstante Zugabe von Base führe zu einer pH-Kontrolle. Sie vernachlässigt dabei, dass nicht allein die Basenkonzentration den pH-Wert beeinflusst, sondern auch die Qualität des Einsatzstoffes, dem die Base zugegeben wird. So zeigen ihre Versuche, dass die Qualität der Wasserstoffperoxid-Lösung auf Grund ihrer sauren Eigenschaften einen wesentlichen Einfluss auf den pH-Wert hat (siehe die Seiten 7-9 der Beschwerdebegründung vom 15. Oktober 2007). Das Dokument (E2) weist jedoch nicht auf die sauren Eigenschaften der Wasserstoffperoxid-Lösung hin. Somit ist es unmöglich, allein auf Grund der im Dokument (E2) angegebenen Basenkonzentrationen pH-Werte des mit Base versetzten Wasserstoffperoxid-Zustroms zu bestimmen. Folglich enthält das Dokument (E2) keinen Hinweis auf eine pH-Kontrolle im Wasserstoffperoxid-Zustrom. Dieses Dokument allein kann daher den Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 nicht nahelegen.

4.3.3 Das Dokument (E3) empfiehlt, die im Dokument (E2) verwendete Base durch ein nichtbasisches Salz zu ersetzen (siehe (E3), Seite 2, Zeilen 10-37). Ein nichtbasisches Salz kann die saure Wasserstoffperoxid-Lösung nicht neutralisieren und somit den pH-Wert weder einstellen noch kontrollieren. Auch dem Dokument (E3) ist daher kein Hinweis zur pH-Kontrolle zu entnehmen, geschweige denn die Einstellung eines konstanten pH-Werts im Bereich von 4 bis 9,5, wie im vorliegenden Anspruch 1 gefordert.

4.3.4 Die Kammer hat sich auch vergewissert, dass keine anderen zitierten Dokumente in Verbindung mit Dokument (E2) den Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 nahelegen.

4.3.5 Daher beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf erfinderischer Tätigkeit. Gleiches gilt für den Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2 bis 7.

5. Folglich stehen keine Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung entgegen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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