T 1392/07 () of 30.9.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T139207.20090930
Datum der Entscheidung: 30 September 2009
Aktenzeichen: T 1392/07
Anmeldenummer: 00952909.0
IPC-Klasse: B60S 1/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Sensor zum optischen Erfassen von Fremdkörpern, insbesondere Regentropfen, auf einer Scheibe
Name des Anmelders: Robert Bosch GmbH
Name des Einsprechenden: Leopold Kostal GmbH & Co. KG
TRW Automotive Electronics & Components GmbH & Co.
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent EP 1 202 885 wurde von der Einspruchsabteilung mit der am 15. Juni 2007 zur Post gegebenen Entscheidung im geänderten Umfang aufrechterhalten. Gegen diese Entscheidung haben die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin II) und die Einsprechende 02 (Beschwerdeführerin I) Beschwerde eingereicht und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründungen sind fristgerecht eingegangen.

II. Am 30. September 2009 wurde mündlich verhandelt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin II einen einzigen neuen Antrag mit geänderten Unterlagen (Ansprüche 1 bis 9 und Beschreibungsspalten 1 bis 4) ein und nahm alle vorherigen Anträge, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 25. Oktober 2007 und dem Schreiben vom 4. September 2009, zurück. Sie beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage dieser Unterlagen.

Die Beschwerdeführerin I und die weitere Verfahrensbeteiligte (Einsprechende 01) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

III. Insbesondere ist der folgende Stand der Technik für die Entscheidung relevant:

(D1) DE 44 10 217 A1,

(D3) DE 198 04 165 A1.

Die Beschwerdeführerin I gab in der mündlichen Verhandlung an, dass die mit ihrer Beschwerdebegründung (vgl. dort Seite 7) neu eingeführte offenkundige Vorbenutzung (D7) für den vorliegenden Antrag keine Bedeutung habe.

IV. Anspruch 1 hat den folgenden Wortlaut:

"Sensor (10), zum optischen Erfassen von Fremdkörpern, insbesondere Regentropfen, auf einer Scheibe, insbesondere auf der Windschutzscheibe eines Kraftfahrzeugs, mit einem Sensorelement (21), das an die Innenseite der Scheibe ankoppelbar ist, mit mindestens einer einstückigen Befestigungsvorrichtung (16), die auf der Scheibe zu befestigen, vorzugsweise aufzukleben ist und mit einem Gehäuseteil (12), das zumindest das Sensorelement (21) aufnimmt, wobei das Sensorelement (21) an der Scheibe (18) mittels Federkraft ankoppelbar ist, wobei das Gehäuseteil (12) eine Kommunikationsschnittstelle des Sensorelements (21) mit einer Auswerteelektronik (40) aufweist und am Gehäuseteil (12) mindestens ein Befestigungsteil (14) angebracht ist, das mit der Befestigungsvorrichtung (16) unter Klemmspannung in Eingriff bringbar ist, so dass das Gehäuseteil (12) samt Sensorelement (21) in Richtung der Befestigungsvorrichtung (16) und damit in Richtung der Scheibe (18) gedrückt wird, dadurch gekennzeichnet, dass das mindestens eine Befestigungsteil (14) ein Biege-Stanzteil ist und die mindestens eine Befestigungsvorrichtung (16) zum Eingriff des mindestens einen Befestigungsteils (14) Zapfen (20) aufweist."

V. Die Argumentation der Beschwerdeführerin I lautet im wesentlichen:

Der Fachmann erkenne bei der Vorrichtung gemäß D3 sofort, dass die Dimensionierung der Rasten hinsichtlich einzuhaltener Toleranzen kritisch seien; mit diesem Problem konfrontiert würde der Fachmann das Dokument D1 in Betracht ziehen, in dem die Art der Montage mittels Zapfen insbesondere dem Toleranzausgleich diene (Spalte 5, Zeilen 30 bis 46). Auch dort greife ein Befestigungsteil, nämlich die Schlitze (61) des Schiebers (6) in Zapfen (42) ein, die an einer Befestigungsvorrichtung (41) angebracht seien. Ebenfalls sei die Ausführung des Befestigungsteils als Biege-Stanzteil eine fachübliche Maßnahme.

VI. Die weitere Verfahrensbeteiligte führt aus, dass für den Fachmann Biege-Stanzteile eine bekannte Alternative zu Kunststoffspritzteilen seien: Es hänge von den jeweiligen Umständen ab, die der Fachmann zu bewerten habe, um dann ohne erfinderisches Zutun eine Auswahl aus beiden Möglichkeiten zu treffen. Ebenfalls seien Zapfen zu der z.B. in Fig. 9 der D3 gezeigten Verrastung eine offensichtliche Alternative, insbesondere dann, wenn der Deckel als Biege-Stanzteil ausgeführt werde. Dann nämlich könne ein Befestigungsteil so ausgeformt werden, dass dieses den Zapfen der Befestigungsvorrichtung entsprechend umgreift.

VII. Die Beschwerdeführerin II erwidert die Argumente wie folgt:

Zweifellos könne der Fachmann die geschilderten Veränderungen an der Vorrichtung, wie sie D3 zeigt, vornehmen und zum Gegenstand des angegriffenen Patents kommen; allerdings blieben die Einsprechenden eine Erklärung schuldig, warum der Fachmann diese Veränderungen vornehmen sollte. Es fehle ihm die Veranlassung dazu, die Vorrichtung nach D3 überhaupt zu modifizieren. Ein Deckel, wie in D3 gezeigt, ließe sich als Biege-Stanzteil keinesfalls kostengünstiger herstellen, als als Kunststoffspritzteil. Außerdem lege ein Biege-Stanzteil nicht zwangsläufig auch die Verwendung einer Verriegelung mit Zapfen nahe.

Ferner sei die Zapfenkonstruktion, wie in Dokument D1 offenbart, nicht vergleichbar mit der beanspruchten. In D1 werde lediglich das Gehäuse mit den Zapfen gehalten, während der Sensor mit einer zusätzlichen Feder gegen die Scheibe gedrückt werde. Im strittigen Anspruch werde indes definiert, dass der Eingriff des Befestigungsteils in den Zapfen der Befestigungsvorrichtung derart geschieht, dass das Sensorelement in Richtung Scheibe gedrückt werde. Die Argumentationen beider Einsprechenden bemühten daher eine rückschauende Betrachtungsweise.

Entscheidungsgründe

1. Beide Beschwerden sind zulässig.

2. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 wird nicht in naheliegender Weise vom im Verfahren befindlichen Stand der Technik vorweggenommen (Art. 56 EPÜ 1973).

2.1 Die Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 sind unstrittig aus dem Dokument D3 bekannt.

Der Sensor gemäß dem Anspruch unterscheidet sich von der in Dokument D3 offenbarten Vorrichtung darin, dass

a) das mindestens eine Befestigungsteil (14) ein Biege-Stanzteil ist, und

b) die mindestens eine Befestigungsvorrichtung (16) zum Eingriff des mindestens einen Befestigungsteils (14) Zapfen aufweist.

2.2 Mit diesem Merkmalen wird eine Alternative zum nächsten Stand der Technik definiert, die jederzeit eine einfache Demontage des Sensors gewährleistet. Weiterhin kann dadurch, dass der Zapfen auf der Befestigungsvorrichtung abgleitet, ein höherer Anpressdruck erzielt werden, ohne dass die Montage erschwert wird (vgl. Seite 2, Zeilen 15 bis 26 der Veröffentlichungsschrift). Die Ausführung des Befestigungsteils als Biege-Stanzteil ermöglicht darüber hinaus eine einfache und kostensparende Herstellung (dito, Seite 3, Zeilen 1 bis 3).

2.3 Die Beschwerdeführerin I behauptet, die Dimensionierung der Rasten sei bei der Vorrichtung nach D3 ein Problem. Die Lösung für dieses Problem biete D1; so zeige Dokument D1 bereits Zapfen (42), die einen Schieber (6) in einem Gehäuse (2) führten.

Die Kammer kann in der Dimensionierung der Rasten, wie in D3 gezeigt, keine nachteilige Gestaltung erkennen. Auch deutet der im Verfahren befindliche Stand der Technik nicht darauf hin, dass derartige Verrastungen als kritisch angesehen werden.

Dokument D1 erwähnt an keiner Stelle, dass ein hoher Anpressdruck des Sensors an die Scheibe vorhanden sein muss, oder dass mittels der Zapfen ein hoher Anpressdruck erzeugt werden kann. Vielmehr verwendet die Konstruktion von D1 eine Feder zwischen einem inneren und äußeren Gehäuse um einen toleranzunabhängigen Anpressdruck des Sensors an die Windschutzscheibe zu gewährleisten (Spalte 5, Zeilen 36 ff.). Mit der Vorrichtung von D1 wird somit eine andere Aufgabe gelöst (Toleranzausgleich), als mit der strittigen Erfindung (Anpressdruck). Daher sind auch die Konstruktionen von D3 und D1 derart unterschiedlich, dass der Fachmann - ausgehend von Dokument D3 - keine Veranlassung hätte, die Zapfen des Dokuments D1 zu berücksichtigen.

Die Kammer ist davon überzeugt, dass die von der Beschwerdeführerin I genannte Aufgabe und deren Lösung mit der Kombination der Dokumente D3 und D1 nur mit dem Wissen der Erfindung formuliert werden konnte. Vor allem das von ihr genannte Problem, nämlich, dass die Dimensionierung der Rasten in D3 kritisch sei, ist nicht belegt worden und scheint gewählt worden zu sein, um für den Fachmann eine Verbindung der Dokumente D3 und D1 herzustellen.

Weder kann die Kammer für diese Behauptung eine Stütze im Stand der Technik ausmachen, noch beruht sie auf allgemeinem Fachwissen.

2.4 Die weitere Verfahrensbeteiligte argumentiert, dass der Fachmann bei der Betrachtung von D3 sich alternative Gestaltungsmöglichkeiten überlegen würde, wenn er die Vorrichtung günstiger herstellen wolle. So sei dann ein Deckel als Biege-Stanzteil naheliegend und die Befestigung des Deckels - wie in Fig. 9 der D3 gezeigt -würde dann naheliegend mit Zapfen ausgestalten werden können, die von einer Befestigungsvorrichtung am Deckel umgriffen würden.

Auch hier sieht die Kammer keinen Grund, warum der Fachmann diese Maßnahmen ergreifen sollte. Wie von der Beschwerdeführerin II ausgeführt, ist es nicht ersichtlich, dass der entsprechende Deckel sich kostengünstiger als Biege-Stanzteil statt als Spritzgussteil herstellen ließe. Aber selbst wenn das der Fall wäre, und der Fachmann den Deckel aus Kostengründen als Biege-Stanzteil ausführen wollte, bestünde für ihn kein Anlass, die Art der Verrastung zwischen Deckel und Haltering umzugestalten und zu diesem Zweck den Haltering mit Zapfen zu versehen. Nach Ansicht der Kammer bemüht auch diese Argumentation eine rückschauende Betrachtungsweise.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 bis 9 und Beschreibungsspalten 1 bis 4, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung,

- Zeichnungen Figuren 1 bis 7 wie erteilt.

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