T 1323/07 () of 23.9.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T132307.20100923
Datum der Entscheidung: 23 September 2010
Aktenzeichen: T 1323/07
Anmeldenummer: 99108932.7
IPC-Klasse: H02G 15/007
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kabeleinführung
Name des Anmelders: Harting Electric GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Phoenix Contact GmbH & Co. KG
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung - nein (Hilfsantrag 2)
Erfinderische Tätigkeit - ja (Hilfsantrag 2)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 0 961 378 zu widerrufen.

II. In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass das Streitpatent wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit den Erfordernissen der Artikel 56 und 100a EPÜ nicht genüge. Als Stand der Technik wurden u. a. folgende Dokumente berücksichtigt:

D1: GB-A-2 073 508

D7: WO-A-97/06 580.

III. Am 23. September 2010 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

IV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent unverändert aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf der Basis der Ansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht mit Schreiben vom 27. Juli 2010, oder auf der Basis der Ansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2010, aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"Kabeleinführung für elektrische und/oder optische Kabel mit mindestens einer elektrischen Ader, wobei die Adern des Kabels mit Kontaktelementen in Axialanschlusstechnik verbunden werden, und wobei eine Druckschraube vorgesehen ist, die mit einem Aufnahmegehäuse verschraubbar ist, und wobei ein durch die Druckschraube (1) betätigbarer Dichteinsatz (2) vorgesehen ist, der einen umlaufenden Absatz (4) aufweist, welcher an einen umlaufenden Absatz (3) in der Druckschraube (1) angepasst ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Dichteinsatz (2) auf dem äußeren Durchmesser der Kabeleinführseite eine kegelförmige Schräge (9) aufweist, welche einer kegelförmigen Schräge (7) an der Druckschraube (1) angepasst ist, wobei der Winkel der kegelförmigen Schräge (7) der Druckschraube (1) spitzer in Bezug auf die Längsachse ausgeführt ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrages durch folgende zusätzliche Merkmale:

"und daß auf den Dichteinsatz (2) ein Gleitring (11) aufgeschoben ist, wobei die dem Absatz (3) der Druckschraube (1) zugewandte Seite des Gleitringes als Absatz (4) ausgebildet ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet wie folgt:

"Kabeleinführung für elektrische und/oder optische Kabel mit mindestens einer elektrischen Ader, mit einem Spleißring (6), wobei die Adern des Kabels mit Kontaktelementen in Axialanschlußtechnik verbunden werden, und wobei eine Druckschraube (1) vorgesehen ist, die mit einem Aufnahmegehäuse (8) verschraubbar ist und einen umlaufenden Absatz (3) aufweist, und wobei ein durch die Druckschraube (1) betätigbarer Dichteinsatz (2) vorgesehen ist, auf den ein Gleitring (11) aufgeschoben ist, wobei die dem Absatz (3) der Druckschraube (1) zugewandte Seite des Gleitringes (11) als umlaufender Absatz (4) ausgebildet ist, welcher an einen umlaufenden Absatz (3) in der Druckschraube (1) angepaßt ist, wodurch während der Anschluß- und Kontaktierungsphase axiale Kräfte auf den Spleißring (6) übertragen werden können, wobei der Dichteinsatz (2) auf dem äußeren Durchmesser der Kabeleinführseite eine kegelförmige Schräge (9) aufweist, welche einer kegelförmigen Schräge (7) an der Druckschraube (1) angepaßt ist, wobei der Winkel der kegelförmigen Schräge (7) der Druckschraube (1) spitzer in Bezug auf die Längsachse ausgeführt ist."

Ansprüche 2 bis 4 sind von Anspruch 1 abhängig.

VI. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Das Merkmal b) der Merkmalsgliederung (siehe Punkt 2.1 der Entscheidungsgründe) von Anspruch 1 des Streitpatents, wobei die Adern des Kabels mit Kontaktelementen in Axialanschlusstechnik verbunden werden, sei keine bloße Zweckangabe, wie von der Beschwerdegegnerin behauptet, sondern ein strukturelles Merkmal, das den beanspruchten Gegenstand von D1 unterscheidet, weil es impliziere, dass Kontaktelemente für eine Kabelverbindung in Axialanschlusstechnik zur erfindungsgemäßen Kabeleinführung gehören.

Aus dem Gesamtzusammenhang der Anspruchsmerkmale, insbesondere der Merkmale ea) und eb) der Merkmalsgliederung, gehe ferner hervor, dass über einen umlaufenden Absatz der Druckschraube und einen entsprechenden Absatz des Dichteinsatzes eine Kraft in axialer Richtung übertragen wird, um die Kabeladern mit den Kontaktelementen in Axialanschlusstechnik zu verbinden. Eine Übertragung axialer Kräfte von der Druckschraube auf den Dichtring sei in D1 nicht offenbart. Die beanspruchte Kabeleinführung unterscheide sich zusätzlich von D1 durch einen einteiligen Dichteinsatz, der sowohl zur Abdichtung als auch zur Zugentlastung dient, während D1 eine Dichtungsgarnitur a und eine von dieser getrennte Schlitzbuchse für die Zugentlastung umfasst. Schließlich sei bei der Kabeleinführung nach D1 die kegelförmige Schräge nicht der Kabeleinführseite, sondern der Kabelausführseite zugewandt. Zusammenfassend sei der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber D1, da die Kabeleinführung gemäß D1 die Merkmale b), ea), eb) und h) der Merkmalsgliederung nicht aufweise.

Das Dokument D7, das ein Kabelanschlusselement mit Schneidklemmen, Dichteinsatz, Spleißring, Isolierstück und Druckschraube offenbart, stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar, da es die meisten Berührungspunkte mit dem Gegenstand von Anspruch 1 habe. Keine der Ausführungsformen von D7 zeige eine kegelförmige Schräge gemäß Merkmal h). Eine Kombination von D7 mit D1 sei auszuschließen, weil D1 eigentlich eine Kabeldurchführung und keine Kabeleinführung betreffe. Diesem Dokument sei ferner nicht zu entnehmen, ob und ggf. wie das Kabel nach der Kabeldurchführung anzuschließen ist. In der Tat stelle sich D1 lediglich die Aufgabe, bei einer Kabeldurchführung die Kabelöffnung abzudichten und das Kabel unverschiebbar zu klemmen. Während eine axiale Verschiebung des Kabels beim Verschrauben der Druckschraube ein wesentliches Merkmal der vorliegenden Erfindung ist, sei eine solche Verschiebung in D1 gar nicht erwünscht. Ferner gehöre die Schräge d2 von D1 nicht zum Dichteinsatz, sondern zum Klemmelement.

Der Gegenstand von Anspruch 1 ergebe sich daher nicht aus der Kombination von D7 und D1.

Das dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 hinzugefügte Merkmal diene dazu, die Reibung zwischen dem Dichteinsatz und der Druckschraube zu verringern, wenn der Dichteinsatz durch Drehen der Druckschraube in axialer Richtung verschoben wird, um eine Verbindung der Kabeladern mit den Kontaktelementen zustande zu bringen. Diese Kontaktierung in axialer Anschlusstechnik benötige eine gewisse Kraft, so dass es vorteilhaft sei, die Reibung zu reduzieren. Da der Stand der Technik keine Anregung für den Einsatz eines Gleitringes bei einer Kabeleinführung biete, wäre für den Fachmann nicht naheliegend gewesen, zum Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 zu gelangen.

Die dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 hinzugefügten Merkmale seien durch die ursprüngliche Offenbarung gestützt und verdeutlichten, dass die Übertragung der axialen Kräfte von der Druckschraube auf den Spleißring über den umlaufenden Absatz der Druckschraube und den entsprechenden Absatz des Gleitringes erfolgt. Da die Kombination der nun beanspruchten Merkmale durch den vorliegenden Stand der Technik nicht nahegelegt werde, erfülle der Gegenstand von Anspruch 1 die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ.

VII. Die für die Entscheidung relevanten Argumenten der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Das Merkmal b) von Anspruch 1 des Streitpatents umfasse zwar körperliche Elemente wie Kontaktelemente. Diese seien jedoch keine Bestandteile der beanspruchten Kabeleinführung. Als bloße Zweckangabe sei das Merkmal b) bei der Beurteilung der Neuheit nicht zu berücksichtigen.

Bezüglich der Auslegung des Merkmals h) sei zu beachten, dass der Dichteinsatz gemäß der vorliegenden Erfindung sowohl zum Klemmen als auch zum Abdichten dient. Diese Funktionen würden in D1 durch zwei getrennte Teile a) und d) ausgeübt. Da Anspruch 1 keine Einschränkung auf einen einteiligen Dichteinsatz enthalte, der für das Abdichten und Klemmen zuständig ist, entspreche die Kombination der Teile a) und d) von D1 dem Anspruchsmerkmal h), zumal sich die Schräge d2 des Teils d) auf der Kabeleinführseite befinde. Das Teil d vom Dichteinsatz der bekannten Kabeleinführung sei ferner von der Druckschraube B betätigbar (Merkmal ea)) und weise einen umlaufenden Absatz gemäß den Merkmalen eb) und f) auf. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei somit nicht neu gegenüber D1.

Sollte das Merkmal b) zur Neuheit von Anspruch 1 beitragen, dann würde der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, da der Fachmann ausgehend von D1 unter Berücksichtigung der Offenbarung von D7 in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents gelangen würde. In der Tat offenbare D7 eine Kabeleinführung für ein elektrisches Kabel mit mehreren Adern, wobei die Adern des Kabels von als Schneidklemmen ausgebildeten, in einem Aufnahmegehäuse angeordneten Kontaktelementen in Axialanschlusstechnik kontaktiert werden. Damit werde durch D7 insbesondere das Merkmal b) offenbart. Vor die Aufgabe gestellt, die aus D1 bekannte Kabeleinführung zum Anschluss eines elektrischen Kabels zu verwenden, würde der Fachmann in naheliegender Weise die Kabeleinführung aus D1 mit der aus D7 bekannten axialen Anschlussvorrichtung versehen und somit zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen. Daher beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheide sich vom Hauptantrag im Wesentlichen dadurch, dass auf den Dichteinsatz ein Gleitring aufgeschoben ist, um die Reibung zu reduzieren. Reibung zu verhindern bzw. zu vermindern sei aber eine für den Fachmann naheliegende Aufgabe und die Verwendung eines Gleitringes eine naheliegende Lösung. Da dieses Merkmal keine besondere Zusammenwirkung mit den anderen Anspruchsmerkmalen aufweise, beruhe die beanspruchte Merkmalskombination nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheide sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 im Wesentlichen dadurch, dass die Kabeleinführung einen Spleißring aufweist und dass während der Anschluss- und Kontaktierungsphase axiale Kräfte auf den Spleißring übertragen werden. Das Merkmal, wonach die Kabeleinführung einen Spleißring aufweist, sei in keinem der Unteransprüche, sondern lediglich in der Beschreibung des Streitpatents offenbart. Darüber hinaus sei in der Beschreibung ausgeführt, dass der Dichteinsatz und der Spleißring miteinander verrastet sind. Gegenüber dieser wesentlich konkreteren Anordnung und Ausgestaltung des Spleißringes stelle das o. g. Merkmal eine unzulässige Erweiterung dar (Artikel 123 (2) EPÜ).

Darüber hinaus beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil auch bei dem aus D7 bekannten Kabelanschlusselement ein Spleißteil (Isolierstück 3) bereits vorgesehen sei, auf das während der Anschluss- und Kontaktierungsphase axiale Kräfte übertragen werden. Sollte der Fachmann die aus D1 bekannte Kabeleinführung bei einem Aufnahmegehäuse verwenden, welches als Schneidklemmen ausgebildete Kontaktelemente zum Anschluss der Kabeladern in Axialanschlusstechnik aufweist, dann würde er auch das aus der D7 bekannte Isolierstück einsetzen, damit die einzelnen Adern des Kabels korrespondierend zu den Schneidklemmen im Aufnahmegehäuse ausgelenkt werden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Neuheit

2.1 Gemäß der von den Parteien verwendeten Merkmalsgliederung umfasst Anspruch 1 des angefochtenen Patents folgende Merkmale:

a) es handelt sich um eine Kabeleinführung für elektrische und/oder optische Kabel mit mindestens einer elektrischen Ader;

b) die Adern des Kabels werden mit Kontaktelementen in Axialanschlusstechnik verbunden;

c) die Kabeleinführung weist auf:

ca) eine Druckschraube und

cb) einen Dichteinsatz;

d) die Druckschraube

da) ist mit einem Aufnahmegehäuse verschraubbar und

db) weist einen umlaufenden Absatz auf;

e) der Dichteinsatz

ea) ist durch die Druckschraube betätigbar und

eb) weist einen umlaufenden Absatz auf;

f) der umlaufende Absatz des Dichteinsatzes ist an den umlaufenden Absatz der Druckschraube angepasst;

g) die Druckschraube weist eine kegelförmige Schräge auf;

h) der Dichteinsatz weist auf dem äußeren Durchmesser der Kabeleinführseite eine kegelförmige Schräge auf;

i) die kegelförmige Schräge des Dichteinsatzes ist der kegelförmigen Schräge der Druckschraube angepasst;

j) der Winkel der kegelförmigen Schräge der Druckschraube ist spitzer in Bezug auf die Längsachse ausgeführt als der Winkel der kegelförmigen Schräge des Dichteinsatzes.

2.2 Das Dokument D1 betrifft eine Kabeleinführung für elektrische Kabel (Merkmal a)) und umfasst eine Druckschraube B (Merkmal ca)), die mit einem Aufnahmegehäuse A verschraubbar ist und einen umlaufenden Absatz c (Merkmal db)) aufweist. Zu der aus D1 bekannten Kabeleinführung gehört ferner eine Dichtungseinrichtung a und eine Schlitzbuchse d, welche durch die Druckschraube B betätigbar sind (Merkmal e)), wobei die Schlitzbuchse d einen an den umlaufenden Absatz c der Druckschraube angepassten umlaufenden Absatz aufweist (Merkmale eb) und f)). Die Druckschraube B und die Schlitzbuchse d weisen jeweils eine kegelförmige Schräge b1 und d2 auf, wobei die Schräge d2 der Schlitzbuchse der Schräge b1 der Druckschraube angepasst ist und der Winkel der Schräge b1 spitzer in Bezug auf die Längsachse als der Winkel der Schräge d2 ausgeführt ist. D1 zeigt jedoch keine Verbindung der Kabeladern mit Kontaktelementen.

2.2.1 Es ist zwischen den Parteien u. a. streitig, ob und ggf. inwieweit das Dokument D1 den Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents und insbesondere die Merkmale b), cb) und h) vorwegnimmt.

2.2.2 Gemäß den Ausführungen der Beschwerdegegnerin gehören lediglich eine "Druckschraube" und ein "Dichteinsatz" als "körperliche Merkmale" zur Kabeleinführung gemäß Anspruch 1, wobei das Merkmal cb) nicht auf einen einteiligen Dichteinsatz beschränkt ist. Die beanspruchte Kabeleinführung umfasse jedoch weder ein Kabel noch ein "Aufnahmegehäuse", mit dem die "Druckschraube" verschraubbar ist (Merkmal da)), oder Kontaktelemente für die Adern des Kabels.

Ferner impliziere das Merkmal h) nicht, dass die Schräge des Dichteinsatzes an dessen Stirnseite angeordnet sein muss. Aus der Patentschrift gehe lediglich hervor, dass die Schräge zur Kabeleinführseite zu weisen habe, damit sie mit der Druckschraube zusammenwirken kann.

Da das Merkmal b) bei der Beurteilung der Neuheit nicht zu berücksichtigen und das Merkmal h) durch D1 verwirklicht sei, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 durch D1 neuheitsschädlich vorweggenommen.

2.2.3 Laut Beschwerdeführerin sagt das Merkmal b) eindeutig aus, dass die Adern des Kabels mit Kontaktelementen in Axialanschlusstechnik verbunden werden. Dieses Merkmal sei somit nicht als Zweckangabe auszulegen.

Es gebe ferner in der Patentschrift keine Grundlage für den Versuch der Beschwerdegegnerin, das Merkmal h) dahingehend umzudeuten, dass die kegelförmige Schräge lediglich zur Kabeleinführseite hin weisen muss, um mit der Druckschraube zusammenzuwirken. Gemäß dem Wortlaut von Anspruch 1 müsse der Dichteinsatz der erfindungsgemäßen Kabeleinführung eine kegelförmige Schräge auf dem äußeren Durchmesser der Kabeleinführseite aufweisen. D1 offenbare jedoch nicht einen einteiligen Dichteinsatz, der sowohl zur Abdichtung als auch zur Zugentlastung dient, sondern eine Schlitzbuchse d, die durch die Druckschraube gegen die Dichtungsgarnitur a gepresst wird.

2.3 Figuren 1 und 3 der Patentschrift betreffen eine Kabeleinführung mit einem einteiligen Dichteinsatz 2, der durch die Druckschraube zusammengedrückt wird und somit zur Abdichtung des Kabels und zur Zugentlastung dient. Die Ausführungen der Figuren 2, 4 und 5 zeigen jedoch einen auf den Dichteinsatz 2 aufgesetzten Gleitring 11, welcher derart angeordnet ist, dass dessen Oberseite den Absatz 4 des Dichteinsatzes bildet ("d. h. die dem Absatz 3 der Druckschraube 1 zugewandte Seite des Gleitringes ist als Absatz 4 ausgebildet" - Absatz [0019] der Patentschrift, Spalte 3, Zeilen 30 bis 32). Bei den Ausführungen gemäß Figuren 2, 4, und 5 ist daher davon auszugehen, dass die Funktionen des in Anspruch 1 aufgeführten "Dichteinsatzes" von zwei Bestandteilen der Kabeleinführung d. h. vom Dichteinsatz 2 und vom Gleitring 11 ausgeübt werden. Der "Dichteinsatz" der erfindungsgemäßen Kabeleinführung kann daher auch zweiteilig sein.

2.3.1 Das Merkmal cb) ist somit nicht nur als einteiliges Element zu verstehen, sondern kann auch mehrteilige Vorrichtungen umfassen, die zur Abdichtung und Zugentlastung dienen.

2.3.2 Das Merkmal b) ist nach Auffassung der Kammer keine bloße Zweckangabe, sondern impliziert das Vorhandensein von Kontaktelementen, die zur Verbindung der Kabeladern in Axialanschlusstechnik dienen. Dies setzt jedoch nicht voraus, dass andere Anspruchsmerkmale am Zustandekommen einer solchen Verbindung beteiligt sein müssen oder Eigenschaften haben, die eine Verbindung in Axialanschlusstechnik begünstigen würden.

2.3.3 Was das Merkmal h) anbelangt, weist D1 einen aus der Dichtungsgarnitur a und der Schlitzbuchse d bestehenden Dichteinsatz auf. Durch die aus D1 bekannte Anordnung werden gleichzeitig die Dichtheit durch die Dichtungsgarnitur a sowie die Verankerung durch die Schlitzbuchse d sichergestellt. D1 (Seite 2, Zeilen 71 bis 80) gibt an, dass die Elemente a und d der bekannten Kabeleinführung eine starke Wechselwirkung haben und dass die Verformung des einen zur Verformung des anderen beiträgt, um eine besonders wirksame Verankerung und Abdichtung herbeizuführen. Dem Dokument D1 ist ferner zu entnehmen, dass sich die kegelförmige Schräge d2 der Schlitzbuchse d auf dem äußeren Durchmesser der zur Kabeleinführung weisenden Seite des zweiteiligen Dichteinsatzes befindet. Es liegt in der Tat auf der Hand, dass die rechte Seite der Kabeleinführung die Kabeleinführseite ist, weil das linke Teil A ein Gewinde aufweist, um dieses Teil mit einem Apparateschrank zu verschrauben (vgl. D1, Seite 1, Zeilen 112 bis 120).

2.3.4 Zusammenfassend ist die Kammer der Auffassung, dass der Gegenstand des Ausspruchs 1 sich von der aus D1 bekannten Kabeleinführung durch das Merkmal b) unterscheidet. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu gegenüber D1.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Von D1 ausgehend kann die Aufgabe des angefochtenen Patents darin gesehen werden, eine Kabeleinführung zu schaffen, die geeignet ist, eine Verbindung der Kabeladern mit Kontaktelementen herzustellen.

3.1.1 Dokument D7 zeigt ein Kabelanschlusselement, das ein Gehäuseteil 2, ein Isolierstück 3 und eine Überwurfmutter 5 umfasst. In das Isolierstück 3 sind Einzeladern 7 eines Leiterkabels 6 eingesteckt, die sich je in einer mit den Schneidklemmen 4 kontaktierenden Stellung befinden.

3.2 Die Beschwerdeführerin hat jedoch geltend gemacht, dass D1 nicht geeignet sei, als Ausgangspunkt der Erfindung angesehen zu werden. D1 betreffe eigentlich eine Kabeldurchführung zur Abdichtung und Zugentlastung eines in einen Apparateschrank eingeführten Kabels und der Fachmann hätte keinen Grund gehabt, eine solche Kabeldurchführung in eine Kabeleinführung mit Kontaktelementen umzuwandeln.

3.3 In der Tat betrifft D1 eine Vorrichtung zur Herbeiführung der gleichzeitigen Abdichtung sowie Verankerung eines elektrischen Kabels, beispielweise an einem Apparateschrank, einem Schaltschrank oder dergleichen, in welchen es eintritt (siehe D1, Seite 1, Zeilen 6 bis 11). Die primäre Aufgabe einer Kabeleinführung, d. h. die Entlastung des eingeführten Kabels und die Abdichtung der Einführung, wird in D1 und im Streitpatent auf ähnliche Weise gelöst. D1 lässt jedoch offen, wie das eingeführte Kabel mit Kontaktelementen zu verbinden ist.

3.4 Obwohl das Merkmal b) von Anspruch 1 dahingehend interpretiert wird, dass die erfindungsgemäße Kabeleinführung dafür geeignet ist, über die Funktionen der Abdichtung und der Zugentlastung hinaus eine Verbindung der Kabeladern mit Kontaktelementen in Axialanschlusstechnik herzustellen, enthalten weder Anspruch 1 noch die Beschreibung des Streitpatents weitere bauliche Merkmale, die sich speziell auf die Verbindung der Kabeladern mit Kontaktelementen beziehen. Das angefochtene Patent befasst sich daher mit Kabeleinführungen, die sowohl die aufgeführte Merkmalskombination zur Abdichtung und Zugentlastung als auch unspezifische Kontaktelemente für eine Kabelverbindung in Axialanschlusstechnik aufweisen.

Es liegt auf der Hand, dass ein Kabel nach seiner Einführung z. B. in einen Schaltschrank mit Kontaktelementen verbunden werden muss und dass Kontaktelemente auch in unmittelbarer Nähe der Kabeleinführung angeordnet werden können. Nach Auffassung der Kammer wäre für den Fachmann naheliegend je nach Bedarf eine bekannte Vorrichtung zur Kabeleinführung mit Kontaktelementen zu versehen.

3.5 Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Schluss, dass es für den Fachmann, der sich vor die Aufgabe gestellt sah, die aus D1 bekannte Kabeleinführung für die Verbindung von Kabeladern auszurüsten, naheliegend war, D7 in Betracht zu ziehen und das Aufnahmegehäuse A der Kabeleinführung gemäß D1 mit einem mit Schneidklemmen ausgestatteten Isolierstück gemäß der Lehre von D7 zu versehen und somit zur beanspruchten Kabeleinführung zu gelangen. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents weist somit nicht eine erfinderische Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ auf.

Hilfsantrag 1

4. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags lediglich durch folgendes zusätzliches Merkmal:

- auf den Dichteinsatz 2 ist ein Gleitring 11 aufgeschoben, wobei die dem Absatz 3 der Druckschraube zugewandte Seite des Gleitringes als Absatz ausgebildet ist.

4.1 Wie der Beschreibung (Absatz [0019]) des angefochtenen Patents zu entnehmen ist, dient der Gleitring zur Reduzierung der Reibkräfte zwischen dem Dichteinsatz und der Druckschraube.

4.1.1 Der Einsatz von Zwischenelementen, welche die Funktion haben, die Reibung zwischen Kontaktflächen zu reduzieren, ist eine dem Fachmann bekannte Maßnahme. Die Schlitzbuchse d der aus D1 bekannten Kabeleinführung weist einen ringförmigen Teil auf, der gemäß Figuren 1 und 2 in Kontakt mit der Innenfläche der Druckschraube B steht. Sollte die Reibung zwischen der Druckschraube und der Schlitzbuchse d ein Verspannen der Druckschraube erschweren, wäre es für die Fachmann naheliegend, Maßnahmen zu ergreifen, die zur Reduzierung der Reibung dienen. Eine solche Maßnahme würde darin bestehen, ein reibungsarmes Element zwischen diesen Kontaktflächen anzuordnen, wobei eine einfache Ausgestaltung dieses Elements die Form eines auf die Schlitzbuchse aufgesetzten Gleitringes annehmen würde.

4.2 Mit dem Einsatz von an sich selbstverständlichen Maßnahmen würde daher der Fachmann zum Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 gelangen.

Hilfsantrag 2

5. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags im Wesentlichen durch folgende Merkmale:

k1) die Kabeleinführung umfasst einen Spleißring,

k2) auf den Dichteinsatz ist ein Gleitring aufgeschoben, wobei die dem Absatz 3 der Druckschraube zugewandte Seite des Gleitringes als umlaufender Absatz 4 ausgebildet ist,

k3) dadurch, dass der Gleitring einen an den umlaufenden Absatz in der Druckschraube angepassten Absatz aufweist, können während der Anschluss- und Kontaktierungsphase axiale Kräfte auf den Spleißring übertragen werden.

5.1 Die Beschwerdegegnerin hat keinen Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ gegen die Merkmale k2) und k3) erhoben. In Tat entspricht das Merkmal k2) dem Anspruch 2 der ursprünglich eingereichten Anmeldung und der Patentschrift, während Merkmal k3) die Funktion des erfindungsgemäßen Dichteinsatzes und insbesondere der Absätze 3 und 4 klarstellt (siehe Absätze [0010] und [0016] der Patentschrift und Figur 2).

5.1.1 Die Beschwerdegegnerin hat jedoch geltend gemacht, dass die Aufnahme des Merkmals k1) einen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ darstelle, weil dieses Merkmal die in der Patentschrift offenbarte konkrete Anordnung und Ausgestaltung des Spleißrings, wonach der Dichteinsatz und der Spleißring miteinander verrastet sind, nicht entspreche.

5.2 Es ist zwar in der Beschreibung der Patentschrift (Spalte 2, Zeilen 53 und 54) ausgeführt, dass der Dichteinsatz und der Spleißring miteinander verrastet sind. Der Fachmann erkennt jedoch, dass dies kein wesentliches Merkmal der Erfindung ist und dass es auch andere drehfeste Anordnungen des Spleißringes gibt, die dessen Funktion beim Verbinden der Kabeladern Rechnung tragen.

5.2.1 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass Anspruch 1 nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstößt. Da durch die Aufnahme der Merkmale k1), k2) und k3) der Schutzbereich von Anspruch 1 eingeschränkt worden ist, ist Anspruch 1 auch unter Artikel 123 (3) EPÜ zulässig.

5.2.2 Die an der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung vorgenommenen Änderungen dienen lediglich der Anpassung der Patentschrift an den Anspruch 1 und sind somit zulässig.

5.3 Gemäß den o. g. Merkmalen dient der Dichteinsatz samt Gleitring nicht nur zur Abdichtung und Zugentlastung nach fertiggestellter Kabeleinführung, sondern er überträgt auch axiale Kräfte während der Anschluss- und Kontaktierungsphase, um eine Verbindung in Axialanschlusstechnik zwischen den Kabeladern und dem Spleißring herzustellen.

5.4 Bei der aus D1 bekannten Kabeleinführung sind die Dichtung a und die Schlitzbuchse d für Abdichtung und Zugentlastung nach fertiggestellter Kabeleinführung zuständig. Es kann zwar angenommen werden, dass beim Verschrauben der Teile A und B eine axiale Kraft auf das Kabel ausgeübt wird, z. B. wenn nach erfolgter Festklammerung des Kabels das Teil B weiter eingeschraubt wird. Die Bestandteile der bekannten Kabeleinführung sind aber nicht darauf ausgelegt, eine axiale Kraft von der Druckschraube über den Dichteinsatz auf einen Spleißring zu übertragen, um damit die Kabeladern mit den Schneidklemmen des Spleißrings zu verbinden.

5.5 Das in Figuren 1 und 2 von D7 dargestellte Kabelanschlusselement für elektrische Kabel umfasst folgende Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2:

- einen Spleißring 3, wobei die Adern des Kabels mit Kontaktelementen in Axialanschlusstechnik verbunden werden,

- eine Druckschraube 5, die mit einem Aufnahmegehäuse 2 verschraubbar ist und einen umlaufenden Absatz aufweist,

- einen durch die Druckschraube betätigbaren Dichteinsatz 9.

Wie den Figuren 1 und 2 zu entnehmen ist, wird beim Verschrauben des bekannten Kabelanschlusselements eine axiale Kraft über den Absatz 21 der Druckschraube auf das Isolierstück 3 ausgeübt, um die Adern des Kabels in die Schneidklemmen einzuführen.

5.6 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich vom bekannten Kabelanschlusselement im Wesentlichen durch folgende Merkmale:

- auf den Dichteinsatz ist ein Gleitring aufgeschoben, wobei die dem Absatz der Druckschraube zugewandte Seite des Gleitringes als umlaufender Absatz ausgebildet ist, welcher an einen umlaufenden Absatz in der Druckschraube angepasst ist.

- der Dichteinsatz weist auf dem äußeren Durchmesser der Kabeleinführseite eine kegelförmige Schräge auf , welche einer kegelförmigen Schräge an der Druckschraube angepasst ist, wobei der Winkel der kegelförmigen Schräge der Druckschraube spitzer in Bezug auf die Längsachse ausgeführt ist.

5.6.1 Die Ausführungsform nach Figur 4 von D7 weist ein Dichtelement 9 und eine Spreizbuchse auf, die die Funktion eines Dichteinsatzes im Sinne des Streitpatents haben. Die Spreizbuchse weist auf dem äußeren Durchmesser der Kabeleinführseite eine kegelförmige Schräge auf, welche einer kegelförmigen Schräge an der Druckschraube angepasst ist, wobei der Winkel der kegelförmigen Schräge der Druckschraube spitzer in Bezug auf die Längsachse ausgeführt ist. Die Druckschraube weist aber keinen umlaufenden Absatz und keinen Gleitring mit einem dem Absatz der Druckschraube angepassten Absatz auf, wodurch während der Anschluss- und Kontaktierungsphase axiale Kräfte auf die Spleißklemmen übertragen werden können.

5.6.2 Da das Kabelanschlusselement gemäß D7 schon über bauliche Merkmale verfügt, die für Abdichtung und Zugentlastung zuständig sind, hätte der Fachmann keinen Anlass gehabt, Merkmale mit der gleichen Funktion aus dem Dokument D1 zu übernehmen, um sie in das aus D7 bekannte Kabelanschlusselement einzusetzen.

5.7 Aus den vorstehenden Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass es für den Fachmann nicht naheliegend war, ausgehend von D7 an die Kabeleinführung gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 zu gelangen. Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

5.7.1 Ansprüche 2 bis 4 sind von Anspruch 1 abhängig und betreffen weitere Ausführungsformen der erfindungsgemäßen Kabeleinführung.

6. Dem Antrag der Beschwerdeführerin, das Patent auf der Basis von Hilfsantrag 2 aufrechtzuerhalten, war somit stattzugeben.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderter Form mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Beschreibung: Seiten 2 und 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2010,

- Ansprüche 1 bis 4, gemäß Hilfsantrag 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2010,

- Zeichnungen Fig. 1 bis 5 der Patentschrift.

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