T 1298/07 (Polyesterharze/CYTEC) of 15.11.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T129807.20101115
Datum der Entscheidung: 15 November 2010
Aktenzeichen: T 1298/07
Anmeldenummer: 04005202.9
IPC-Klasse: C09D 167/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Wasserverdünnbare Polyesterharze
Name des Anmelders: Cytec Surface Specialties Austria GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja) - durch Vergleichsversuche gezeigter positiver Effekt wurde durch den Stand der Technik nicht nahegelegt
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentanmelderin reichte Beschwerde ein gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Europäische Patentanmeldung Nr. 04 005 202.9, veröffentlicht als EP-A-1 457 539, zurückzuweisen.

II. Die vorliegende Anmeldung betrifft wasserverdünnbare Polyesterharze ABCD, herstellbar durch Polykondensation der in den Ansprüchen definierten Verbindungen A, B, C und D, sowie die durch Reaktion der Polyester ABCD mit olefinischen Monomeren E erhältlichen Polyesterharze ABCDE.

III. Im Prüfungsverfahren wurden unter anderem die folgenden Dokumente zitiert:

(1) WO-A-95 05 413

(2) WO-A-99 07 759.

IV. Die Prüfungsabteilung sah Dokument (1) als den nächstliegenden Stand der Technik an. Der Gegenstand der Ansprüche löse die Aufgabe, wasserverdünnbare Polyester und deren vinylmodifizierte Produkte bereitzustellen, um Lacke mit hohem Feststoffanteil herzustellen. Diese Aufgabe sei bereits im Dokument (1) gelöst. Es sei naheliegend im Hinblick auf Dokument (2), die Feuchtigkeitsempfindlichkeit des Harzes durch Verringerung des Sulfonsäureanteils herabzusetzen.

V. Im Beschwerdeverfahren wurde zusätzlich eingereicht:

(7) Beschreibung eines Vergleichsversuches (eine handgeschriebene Seite) sowie je eine Glasplatte beschichtet mit der erfindungsgemäßen bzw. mit der Vergleichsbeschichtung, eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 15. November 2010.

VI. Die für die Entscheidung erhebliche Argumentation der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Das Dokument (1) sei als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. Demgegenüber werde die Aufgabe gelöst, zu niedrigeren Härtungstemperaturen zu gelangen, die auch die Lackierung von temperaturempfindlichen Substraten erlauben, sowie störungsfreie dickere Klarlackschichten zu ermöglichen. Die Auswahl des Gehalts an Sulfonsäuregruppen sei erfinderisch, da dieser Gehalt im beanspruchten Bereich dem System eine verbesserte Härtung und die Möglichkeit zur Applikation in dickeren Schichten ohne Oberflächenstörungen ermögliche.

VII. In den Bescheiden vom 20. Juli und vom 29. Oktober 2010 begründete die Kammer u. a. ihre vorläufige und unverbindliche Meinung, die damals vorliegenden Ansprüche genügten nicht den Erfordernissen der Artikel 84 und 123(2) EPÜ.

VIII. Daraufhin reichte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung am 15. November 2010 als Grundlage des Haupt- und einzigen Antrags geänderte Ansprüche 1-5 ein und zog alle auf frühere Anspruchsfassungen basierende Anträge zurück.

Die neu eingereichten Ansprüche lauten wie folgt:

"1. Wasserverdünnbare Polyesterharze ABCD mit einem einem Massenanteil von 1 % bis 10 % an Einheiten, die sich von ungesättigten einkondensierten Bausteinen ableiten, einem Gehalt an olefinischen Doppelbindungen von 10 mmol/kg bis 2000 mmol/kg und einem Gehalt an Sulfonsäuregruppen von 20 mmol/kg bis 200 mmol/kg, herstellbar durch Polykondensation von hydroxy-funktionellen Verbindungen A mit im Mittel mindestens 2 Hydroxylgruppen pro Molekül und 2 bis 20 Kohlenstoffatomen, ausgewählt aus Äthylenglykol, 1,2- und 1,3-Propylenglykol, 1,4-Butandiol, Neopentylglykol, 1,6-Hexandiol, 1,2- und 1,4-Dihydroxycyclohexan, 3,4-Diäthyl-3,4-hexandiol und 1,4-Bis(hydroxymethyl)-cyclohexan, die jeweils einzeln oder im Gemisch eingesetzt werden, von Carbonsäuren B mit im Mittel mindestens zwei Säuregruppen pro Molekül und 2 bis 40 Kohlenstoffatomen, von olefinisch ungesättigten Verbindungen C mit mindestens einer unter Kondensationsbedingungen mit hydroxyfunktionellen Verbindungen reaktiven Gruppe ausgewählt aus Carbonsäuregruppen, und mindestens einer polymerisierbaren olefinischen Doppelbindung, und von einer Verbindung D, ausgewählt aus Sulfoisophthalsäure, Sulfonylbernsteinsäure, 4-Amino-3-hydroxynaphthalinsulfonsäure, N,N-Bis(hydroxyäthyl)-2-aminoäthansulfonsäure, Naphthol-3,6-disulfonsäure, 4-Amino-5-hydroxynaphthalinsulfonsäure und 6,7-Dihydroxy-naphthalin-2-sulfonsäure."

"2. Wasserverdünnbare modifizierte Polyesterharze ABCDE, erhältlich durch Polymerisation von olefinisch ungesättigten Monomeren E in Gegenwart eines Polyesters ABCD von Anspruch 1 mit einem Massenanteil von erzeugten Vinylpolymer von 20 % bis 80 % in dem modifizierten Polyester, und einem Gehalt an Sulfonsäuregruppen von 4 mmol/kg bis 240 mmol/kg."

"3. Verfahren zur Herstellung von wasserverdünnbaren modifizierten Polyesterharzen ABCDE nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß olefinisch ungesättigte Monomere E in Gegenwart von Polyesterharzen ABCD nach Anspruch 1 polymerisiert werden."

"4. Beschichtungsmittel enthaltend ein Polyesterharz nach Anspruch 1 oder 2."

"5. Ein-Komponenten-Beschichtungsmittel enthaltend ein Polyesterharz nach Anspruch 1 oder 2 und ein Aminoplastharz."

IX. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

- Ansprüche: Nr. 1 bis 5 eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 15. November 2010;

- Beschreibung: Seiten 2, 2a, 3-7 eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 15. November 2010.

X. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 123(2) EPÜ

Anspruch 1 basiert auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 3, 4 und 6 und folgenden Teilen der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung: Seite 2, Zeilen 25-30; Seite 3, Zeilen 8-25 und 31; und Seite 4, Zeilen 6-10.

Die Ansprüche 2 bis 5 entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 2 und 8 bis 10.

Daher erfüllen die geänderten Ansprüche die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ.

3. Neuheit

Der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Offenbarung der Dokumente (1) und (2) dadurch, dass er erfordert, dass das Polyester ABCD einen Gehalt an Sulfonsäuregruppen von 20 mmol/kg bis 200 mmol/kg aufweist. Die Dokumente (1) und (2) offenbaren keine allgemeinen Bereiche für den Gehalt an Sulfonsäuregruppen. Das Herstellungsbeispiel eines Polyesters ABCD mit dem niedrigsten Gehalt an Sulfonsäuregruppen ist das Beispiel 5 des Dokuments (1), für das sich ein entsprechender Gehalt von 224 mmol/kg berechnen lässt.

Gemäß den Dokumenten (1) und (2) wird das Polyester ABCDE aus dem Polyester ABCD durch Polymerisation mit einem olefinisch ungesättigten Monomer E unter Beibehaltung der Sulfonsäuregruppen hergestellt (siehe die Ansprüche 1 der Dokumente (1) und (2)). Daher unterscheidet sich der im vorliegenden Anspruch 2 definierte Polyester ABCDE von den in den Dokumenten (1) und (2) offenbarten ebenfalls dadurch, dass der Gesamtgehalt an Sulfonsäuregruppen in den den Monomeren A, B, C und D entsprechenden Einheiten niedriger ist.

Kein anderes im Prüfungs- oder Beschwerdeverfahren zitiertes Dokument offenbart ein Polymer der Formel ABCD, das alle Merkmale des Anspruchs 1 aufweist, oder ein Polymer der Formel ABCDE, das die im Anspruch 2 angegebenen Bedingungen erfüllt.

Folglich ist der Gegenstand der vorliegenden Ansprüche 1 und 2 neu. Gleiches gilt für den Gegenstand

- des Anspruchs 3, der ein Verfahren zur Herstellung des Polyesters ABCDE aus dem Polyester ABCD betrifft; sowie für den Gegenstand

- der Ansprüche 4 und 5, die Beschichtungsmittel enthaltend Polyester nach Anspruch 1 oder 2 betreffen.

Daher ist der Gegenstand der vorliegenden Ansprüche neu.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 Nächstliegender Stand der Technik

4.1.1 Die wasserverdünnbaren Polyester gemäß der vorliegenden Anmeldung sollen in Beschichtungsmitteln eingesetzt werden (siehe die vorliegenden Ansprüche 4 und 5).

4.1.2 Die Beschwerdeführerin hielt das Dokument (1) für den nächstliegenden Stand der Technik.

4.1.3 Dieses Dokument offenbart in Wasser dispergierbare acrylmodifizierte Polyester und deren Verwendung in Beschichtungen (siehe Seite 1, Zeilen 5-8 und die ersten vier Zeilen des Anspruchs 1). Bei deren Herstellung wird ein Sulfonatgruppen aufweisendes Monomer eingesetzt, vorzugsweise das Natriumsalz der 5-Sulfoisophthalsäure (5-SSIPA) (siehe Seite 16, Zeile 19).

Im Beispiel 5 wurden

(i) 240 g (2,31 Mol) Neopentylglykol,

(II) 318,98 g (1,85 Mol) Cyclohexan-1,4-dicarbonsäure ,

(III) 5,9 g (0,06 Mol) Maleinsäureanhydrid und

(IV) 31,2 g (0,12 Mol) 5-SSIPA

polykondensiert. Diese Monomeren (i) bis (IV) entsprechen den Verbindungen A bis D gemäß dem vorliegenden Anspruch 1.

Unter Annahme der vollständigen Polykondensation lässt sich der Gehalt des im Beispiel 5 des Dokuments (1) hergestellten Polymers ABCD

- an Sulfonsäuregruppen zu 224 mmol/kg, und

- an olefinischen Doppelbindungen zu 116 mmol/kg berechnen.

Der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 unterscheidet sich lediglich durch einen niedrigeren Gehalt an Sulfonsäuregruppen (20 mmol/kg bis 200 mmol/kg) vom Polyester gemäß Beispiel 5 des Dokuments (1).

Dokument (2) offenbart ähnliche Sulfonatgruppen aufweisende Polyester und deren Verwendung in Beschichtungsmitteln (siehe Anspruch 1, Seite 1, Zeilen 5-8 und die Beispiele 1 und 12), jedoch liegen deren aus den Beispielen errechenbaren Gehalte an Sulfonsäuregruppen wesentlich höher als in den Beispielen des Dokuments (1).

Daher betrachtet auch die Kammer das Dokument (1) als den nächstliegenden Stand der Technik.

4.2 Aufgabe

4.2.1 Die Beschwerdeführerin sah es u.a. als Aufgabe der Erfindung an, Polyesterharze bereitzustellen, die in Beschichtungsmitteln störungsfreie dickere Klarlackschichten ermöglichen (siehe oben unter Punkt VI). Diese Aufgabe wird in der ursprünglichen Anmeldung angesprochen (siehe Seite 5, Zeilen 21-28, wo es heißt: "... , der Freiheit von Kochern in dickeren Schichten (Klarlacken) bis ca. 100 mym, der Freiheit von Runzeln im getrockneten Lackfilm ...").

4.2.2 Der Vergleichsversuch (7) zeigt, dass ein erfindungsgemäßer Polyester aus Neopentylglykol, Sulfoisophthalsäure, 1,4-Cyclohexandicarbonsäure und Maleinsäureanhdrid, der einen Gehalt an Sulfonsäuregruppen von 173,4 mmol/kg aufweist, nach Umsetzung mit olefinisch ungesättigten Verbindungen und Vernetzung mit dem Melaminharz Cymel 303 bei einer Nassfilmdicke von 300 mym einen klaren Film ergibt. Ersetzt man jedoch einen Teil der 1,4-Cyclohexandicarbonsäure durch einen äquivalenten Teil weiterer Sulfoisophthalsäure, so dass sich ein Gehalt an Sulfonsäuregruppen von 229,5 mmol/kg ergibt, ist der entsprechend erhaltene Film trüb durch eingeschlossene Blasen.

4.2.3 Aufgrund dieser Versuchsergebnisse ist die Kammer davon überzeugt, dass die oben unter Punkt 4.2.1 geschilderte Aufgabe im vollen Umfang der Ansprüche gelöst wird.

4.3 Dokument (1) erwähnt nicht, warum der Anteil an Monomer mit Sulfonatgruppen in gewissen Grenzen liegen soll. Dokument (2) beschreibt, ein Mindestmaß an Sulfonatgruppen sei nötig, um den Polyester wasserdispergierbar zu machen, ein Übermaß sei jedoch schädlich, weil dadurch die Wasserfestigkeit der Lacke verloren gehe (siehe Seite 9, Zeilen 7-13). Keines der im Prüfungs- und Beschwerdeverfahren zitierten Dokumente offenbart, dass durch Einstellen eines bestimmten Gehalts an Sulfonsäuregruppen ein Polyester erhalten werden kann, der in Beschichtungsmassen nach Aufbringen mit großer Schichtdicke auf ein Substrat und nach Vernetzung einen blasenfreien Film ergibt.

4.4 Daher beruht der Gegenstand der Ansprüche 2 und 3, der den Polyester ABCDE und dessen Herstellung betrifft, auf erfinderischer Tätigkeit. Gleiches gilt für den Anspruch 1 auf den Polyester ABCD, der durch den von der Verbindung D herrührenden Gehalt an Sulfonsäuregruppen zum oben unter Punkt 4.2.2 genannten Effekt wesentlich beiträgt. Ebenso sind die in den Ansprüchen 4 und 5 definierten, die Polyester gemäß Anspruch 1 oder 2 enthaltenden Beschichtungsmittel als erfinderisch anzusehen.

5. Anpassung der Beschreibung

Die Beschwerdeführerin hat während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eine geänderte Beschreibung eingereicht. Nach deren Überprüfung ist die Kammer zu dem Schluss gekommen, dass die Änderungen sich darauf beschränken, die Beschreibung an die geänderten Ansprüche anzupassen und das Dokument (1) gemäß Regel 42(1)b) EPÜ als Stand der Technik anzugeben sowie dessen Offenbarung ohne Wertung zusammenzufassen.

6. Die Kammer hat sich vergewissert, dass die vorliegende Patentanmeldung auch die übrigen Anforderungen des EPÜ erfüllt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

Beschreibung:

Seiten 2, 2a, 3-7 eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2010.

Ansprüche:

Nr. 1 bis 5 eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2010.

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