European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T114907.20110628 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 28 Juni 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1149/07 | ||||||||
Anmeldenummer: | 02701191.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | F02M 35/12 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Schalldämpfer mit einer Mehrzahl an Resonanzkammern | ||||||||
Name des Anmelders: | Mahle Filtersysteme GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Geiger Automotive GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Übertragung der Einsprechendenstellung Erfinderische Tätigkeit (verneint) - alle Anträge |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Einspruchsabteilung hat mit der am 16. Mai 2007 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung festgestellt, dass das europäische Patent 1 352 172 in der im Einspruchsverfahren geänderten Fassung den Erfordernissen des Übereinkommens genüge.
Sie war der Auffassung, dass die in Artikel 100 a) EPÜ genannten Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und erfinderischen Tätigkeit der Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang nicht entgegenstehen und hat unter anderem folgende Entgegenhaltungen berücksichtigt:
D2: US-A-4 645 032,
D3: DE-A-19 818 873,
Diese Druckschriften würden weder sämtliche Merkmale des Anspruches 1 offenbaren noch würde der Fachmann den aus Druckschrift D2 bekannten Lochkammerresonator zur Verbesserung des aus Druckschrift D3 bekannten Schalldämpfers mit einer Vielzahl von Helmholtz-Resonatoren heranziehen.
II. Gegen diese Entscheidung hat der Vertreter im Namen der ursprünglichen Einsprechenden am 16. Juli 2007 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 19. September 2007 eingegangen.
III. Mit Schreiben vom 09. September 2009 hat der Vertreter der ursprünglichen Einsprechenden/Beschwerdeführerin dem Europäischen Patentamt mitgeteilt, dass der gesamte Geschäftsbetrieb der ursprünglichen Einsprechenden Geiger Technik GmbH auf die Firma Geiger technologies GmbH übertragen wurde, und die Übertragung der Einsprechendenstellung auf letztere beantragt wurde. Gleichzeitig wurde die Zustimmungserklärung der Patentinhaberin zu der beantragten Übertragung eingereicht.
IV. Mit Schreiben vom 12. März 2010 hat der Vertreter der ursprünglichen Einsprechenden dem Europäischen Patentamt weiterhin mitgeteilt, dass der gesamte Geschäftsbetrieb der Einsprechenden Geiger technologies GmbH auf die Firma Geiger Automotive GmbH übertragen wurde, und die Übertragung der Einsprechendenstellung auf letztere beantragt wurde. Gleichzeitig wurde die Zustimmungserklärung der Patentinhaberin zu der beantragten (zweiten) Übertragung eingereicht.
V. Mit Schreiben vom 15. Juni 2010 hat der Vertreter der ursprünglichen Einsprechenden dem Europäischen Patentamt als Nachweis der behaupteten Übertragungen eine formelle Erklärung der Insolvenzverwalterin der Fa. Geiger technologies GmbH, dass beide Geschäftsübertragungen tatsächlich stattgefunden hätten, eingereicht.
VI. In einer Mitteilung vom 21. Dezember 2010 hat die Kammer den Parteien ihre Auffassung mitgeteilt, dass die eingereichten Unterlagen, die die beantragte Parteistellungsübertragung belegen sollen, rechtlich gesehen lediglich als bloße Rechtserklärungen gewertet werden könnten, nicht aber als Nachweise der Geschäftsübertragung. Außerdem könne eine Zustimmung der Verfahrensgegnerin solche Nachweise zu der beantragten Übertragung nicht ersetzen.
VII. Mit Schreiben eingegangen am 23. Mai 2011 hat der Vertreter der ursprünglichen Einsprechenden weitere Nachweise der Geschäftsübertragungen in Form von Auszügen aus zwei Verträgen und einem Handelsregisterauszug eingereicht. Der Gegenstand des ersten Vertrages ist ein Vermögensübertragungsvertrag (Asset Contribution Agreement) zwischen Geiger Technik GmbH und Blitz 08-354 GmbH (als Rechtsvorgänger der Geiger technologies GmbH). Der Gegenstand des zweiten Vertrages ist ein Kauf- und Übertragungsvertrag zwischen der (Insolvenzverwalterin der) Fa. Geiger technologies GmbH und der Fa. Weilchensee 606 VV-GmbH (als Rechtsvorgänger der Fa. Geiger Automotive GmbH). Für weitere Details wird auf die Akte verwiesen.
VIII. Mit der Ladung zu der beantragten mündlichen Verhandlung hat die Kammer den Parteien ihre Bedenken zur Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstandes mitgeteilt. Darauf hat die Beschwerdeführerin neue Anspruchssätze eingereicht. Die mündliche Verhandlung hat am 28. Juni 2011 stattgefunden.
IX. Während der mündliche Verhandlung hat der Vertreter der ursprünglichen Einsprechenden weitere Auszüge aus der obenerwähnten ersten Vertrag (vgl. Punkt VII.) zur Akte gereicht.
X. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent Nr. 1 352 172 zu widerrufen. Weiterhin beantragte sie die Parteistellung als Einsprechende auf die Geiger Automotive GmbH zu übertragen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf Grundlage des ersten oder zweiten Hilfsantrags, eingereicht mit Schreiben vom 25. Mai 2011, oder weiter hilfsweise, auf Grundlage des dritten Hilfsantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer, aufrechtzuerhalten. Dem Antrag der Beschwerdeführerin zur Übertragung der Parteistellung als Einsprechende auf die Geiger Automotive GmbH wurde nicht widersprochen, weder die Rechtslage noch die Fakten auf sich die Rechtsfolge stützte wurden bestritten.
XI. Anspruch 1 des Hauptantrages hat folgenden Wortlaut:
"Schalldämpfer an oder in einem Bauteil (7), in dem sich ein zu bedämpfender Schall ausbreitet, mit einem Hohlkörper (8), der mit dem Bauteil (7) kommuniziert oder einen Bestandteil des Bauteils (7) bildet,
- wobei zumindest in einem Axialabschnitt (9) des Hohlkörpers (8) in einer, sich in Achsrichtung und in Umfangsrichtung des Hohlkörpers (8) erstreckenden Zone (14) mehrere, parallel wirkende Helmholtzresonatoren (10) in Achsrichtung des Hohlkörpers (8) hintereinander angeordnet sind,
wobei jeder Helmholtzresonator (10) einen Hohlraum (11) aufweist, der über eine separate Verbindungsöffnung (12) mit dem Inneren (13) des Hohlkörpers (8) kommuniziert, dadurch gekennzeichnet,
- dass die Helmholtzresonatoren (10) in Umfangsrichtung des Hohlkörpers (8) nebeneinander angeordnet sind,
- dass bei jedem Helmholtzresonator (10) der Hohlraum (11) über eine einzige, separate Verbindungsöffnung (12) mit dem Inneren (13) des Hohlkörpers (8) kommuniziert."
Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 wurden im Vergleich zum Hauptantrag im Wesentlichen die folgenden Merkmale hinzugefügt:
"- wobei benachbarte Helmholtzresonatoren (10) aneinandergrenzen,
- wobei aneinandergrenzende Helmholtzresonatoren (10) gemeinsame Wände bzw. Wandabschnitte (10) besitzen."
In Anspruch 1 des Hilfsantrages 2 wurde im Vergleich zum Hauptantrag im Wesentlichen das folgende Merkmal hinzugefügt:
"- wobei ein Abstand (17) zwischen den Verbindungsöffnungen (12) benachbarter Helmholtz-Resonatoren (10) kleiner ist als eine halbe Wellenlänge einer zu bedämpfenden Frequenz oder kleiner ist als eine oder eine halbe mittlere Wellenlänge eines zu bedämpfenden Frequenzbandes".
In Anspruch 1 des Hilfsantrages 3 wurden im Vergleich zum Hauptantrag im Wesentlichen die folgenden Merkmale hinzugefügt:
"- wobei zumindest einige der Helmholtz-Resonatoren (10) dadurch am Hohlkörper (8) ausgebildet sind, dass ein die Hohlräume (11) dieser Helmholtz-Resonatoren (10) enthaltender gemeinsamer Block radial außen durch einen gemeinsamen Deckel und radial innen durch einen gemeinsamen, die Verbindungsöffnungen (12) dieser Helmholtz-Resonatoren (10) enthaltenden Wandabschnitt des Hohlkörpers (8) begrenzt ist,
- wobei der Block eine Honeycomb-Struktur besitzt,
- wobei das Bauteil eine Leitung (7) eines Frischlufttraktes (4) einer Brennkraftmaschine (2) bildet, die im Frischlufttrakt (4) stromab eines Luftfilters (5) und stromauf eines Abgasturboladers (3) der Brennkraftmaschine (2) angeordnet ist,
- wobei am Hohlkörper ein Gehäuse ausgebildet ist, in das der separat hergestellte Block eingesetzt ist und das durch den Deckel verschlossen ist."
XII. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
a) Haupt- und Hilfsantrag 1
i) Der Gegenstand des Anspruches 1 sei im Hinblick auf Druckschrift D3 nicht neu, weil er sich für einen Fachmann implizit aus der in Figur 4 dargestellten Ausführungsform und der Anweisung in der Beschreibung Spalte 4, Zeile 23ff. ergebe. Zwar sei in Druckschrift D3 nicht explizit beschrieben, dass die Kammern 25a neben der in Figur 4 dargestellten Hintereinanderanordnung in Achsrichtung auch in Umfangsrichtung nebeneinander angeordnet sein könnten, doch ergebe sich dies zwangsläufig durch den Hinweis in der Beschreibung, dass für jede Kammer 25a nur ein einziges Loch 26 vorgesehen sein soll.
Eine Ausführungsform ohne eine solche Unterteilung in Umfangsrichtung wäre nicht funktionsfähig, weil das Volumen jeder Ringkammer 25a zu groß sei.
ii) Selbst wenn das Merkmal, dass die Helmholtz-Resonatoren in Umfangsrichtung des Hohlkörpers nebeneinander angeordnet sind, nicht aus Druckschrift D3 bekannt sein sollte, würde der Gegenstand des Anspruches 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, weil Druckschrift D2 dieses Merkmal nahelege.
Helmholtzresonatoren und Lochkammerresonatoren beruhen auf dem gleichen Dämpfungsprinzip. Da die in den Druckschriften D2 und D3 offenbarten Schalldämpfer somit auf dem gleichen Dämpfungsprinzip beruhen, würde der Fachmann Druckschrift D2 zur Verbesserung des aus Druckschrift D3 bekannten Schalldämpfers auch heranziehen und so zum beanspruchten Gegenstand gelangen.
b) Hilfsanträge 2 und 3
Auch die zusätzlichen Merkmale in Anspruch 1 dieser Anträge können keine erfinderische Tätigkeit begründen.
So sollen gemäß der Patentschrift Frequenzen ab 900 Hz bedämpft werden. Dies entspreche Wellenlängen von >30 cm. Der in Druckschrift D3 offenbarte Lochabstand von 9 mm, erfülle somit das zusätzliche Merkmal in Anspruch 1 des Hilfsantrages 2 für die zu bedämpfenden Frequenzen.
Gemäß Druckschrift D3 seien die Ringkammern in einem Gehäuse vorgesehen, das durch das Lochblech 23 und die Seitenflansche gebildet und von dem einen Deckel bildenden Außenrohr 24 verschlossen werden. In Druckschrift D2 sei offenbart, dass die Resonatoren in einem separat hergestellten "Honeycomb-Block" vorgesehen sind.
XIII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:
a) Haupt- und Hilfsantrag 1
iii) Der Gegenstand des Anspruches 1 sei neu, weil aus keiner der entgegengehaltenen Druckschriften seine sämtlichen Merkmale bekannt wären. Druckschrift D3 offenbare lediglich die Möglichkeit die Lochanzahl pro Kammer 25a zu variieren, nämlich die kleineren Kammern 25a mit einem oder mehreren Löchern 26 zu versehen. Nicht offenbart sei jedoch eine Variation der Größe der Kammern 25a durch die diese in Umfangsrichtung unterteilt würden.
iv) Der Gegenstand des Anspruches 1 beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Zum Einen würde der Fachmann die Druckschriften D2 und D3 nicht miteinander kombinieren, weil die dort beschriebenen Resonatoren (D3: Helmholtz; D2: Lochkammer) auf unterschiedlichen Dämpfungsprinzipien beruhen würden.
Selbst wenn der Fachmann aber den Schalldämpfer nach Druckschrift D3 mit der Lehre der Druckschrift D2 kombinieren würde, so würde ihn dies nicht zum Gegenstand des Anspruches 1 führen. Denn nach Druckschrift D2 sei die Zuordnung der Löcher der Lochplatte zu den Waben der Bienenwaben- oder "Honeycomb-Struktur" rein zufällig und die Struktur sei eben und nicht in Umfangsrichtung angeordnet. Dies würde auch nicht dazu führen, dass aneinandergrenzende Helmholtzresonatoren gemeinsame Wände beziehungsweise Wandabschnitte aufwiesen.
b) Hilfsanträge 2 und 3
Auch die zusätzlichen Merkmale in Anspruch 1 dieser Anträge seien nicht aus dem entgegengehaltenen Stand der Technik bekannt.
Mit den zusätzlichen Merkmalen in Anspruch 1 des Hilfsantrages 2 würde eine besonders einfache Berechenbarkeit der Resonatoren erreicht. In der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer wurde anerkannt, dass zwischen der Frequenz f und ihrer Wellenlänge lambda der Zusammenhang lambda= c/f besteht, wobei es in der Kfz Technik üblich sei, für die Konstante c einen Wert von 340 m/s anzusetzen, und dass die zu bedämpfenden Frequenzen ab 900 Hz somit eine Wellenlänge von > 30 cm hätten.
Der aus Druckschrift D2 bekannte "Honeycomb-Block" sei nicht in ein Gehäuse eingesetzt, das durch einen Deckel im Sinne des Anspruches 1 verschlossen würde. Der dort offenbarte Schalldämpfer sei außerdem im Abgasstrang angeordnet und derjenige gemäß Druckschrift D3 auslassseitig des Turboladers, also nicht wie von Anspruch 1 gefordert, im Frischlufttrakt stromauf eines Abgasturboladers. Aus keiner dieser Druckschriften sei ein im Frischlufttrakt angeordneter Luftfilter bekannt.
Zum Auffinden des beanspruchten Gegenstandes seien somit erfinderische Überlegungen erforderlich gewesen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Übertragung der Einsprechendenstellung
2.1 Aufgrund der Gesamtheit der zu der Übertragung der Einsprechendenstellung eingereichten Unterlagen und den dazu in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erklärungen, ist die Kammer davon überzeugt, dass die Geschäftsübertragung zwischen der anfänglich genannten Einsprechenden Geiger Technik GmbH und der zuletzt als Einsprechende auftretenden Geiger Automotive GmbH im Wesentlichen auch den kompletten produktiven Geschäftsbereich (Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Fahrzeugteilen) umfasste.
Damit ist nachgewiesen worden, dass die Übertragung auch jene Geschäftsbereiche betraf, in deren Interesse der Einspruch ursprünglich eingereicht worden ist, so dass die in der Entscheidung G 4/88 (ABl. EPA 1989, 480) der Grossen Beschwerdekammer festgelegten Bedingungen für eine Übertragung der Einsprechendenstellung erfüllt sind.
2.2 Daher entscheidet die Kammer, dass die Geiger Automotive GmbH als Einsprechende im vorliegenden Einspruchsverfahren eingetragen werden kann. Die Eintragung ist ab dem Tag der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer wirksam.
3. Neuheit - Hauptantrag
3.1 Im Beschwerdeverfahren war streitig, ob Druckschrift D3 die kennzeichnenden Merkmale, insbesondere das erste kennzeichnende Merkmal des Anspruches 1 offenbare, wonach die Helmholtzresonatoren in Umfangsrichtung des Hohlkörpers nebeneinander angeordnet sind.
Zu der in Figur 4 dargestellten Ausführungsform eines Schalldämpfers nach dem Helmholtzprinzip (siehe Spalte 3, Zeilen 24, 25) wird in Spalte 4, Zeilen 23 - 29 ausgeführt, dass den mehreren kleineren Kammern 25a jeweils nur ein Loch 26 oder wenige Löcher zugeordnet sind. Somit ist daraus bekannt, dass bei jedem Helmholtzresonator der Hohlraum 25a über eine einzige, separate Verbindungsöffnung 26 mit dem Inneren des Hohlkörpers 14,23 kommuniziert (Merkmal f). In Figur 4 ist nur die Ausführungsform mit wenigen Löchern 26 dargestellt. Die Ausführungsform mit nur einem Loch 26 pro Kammer 25a ist nicht dargestellt.
3.2 Gemäß der gefestigten Rechtsprechung der Beschwerdekammern entnimmt ein Fachmann einer Druckschrift die dort unmittelbar und eindeutig offenbarten Sachverhalte. Dies schließt die dort ausdrücklich genannten Merkmale ein, aber auch die für ihn vom Inhalt miterfassten, also impliziten Merkmale. Solche müssen sich klar und eindeutig aus dem ergeben, was in der Druckschrift ausdrücklich angegeben ist (siehe T 452/05 v. 30.6.2008, Gründe 2.2; nicht im ABl. EPA veröffentlicht).
3.2.1 In der Beschreibung findet sich kein einziger ausdrücklicher Hinweis darauf, dass die Kammern 25a in Umfangsrichtung in kleinere Kammern unterteilt oder zu unterteilen wären. Deshalb ist zu untersuchen, ob dies für den Fachmann vom Inhalt der Druckschrift D3 mit umfasst ist.
a) Zu Figur 2 der Druckschrift D3 wird in Spalte 3, Zeilen 21 39 beschrieben, dass die Schwingungen der Schallwelle 19 im Bereich der Bohrung 17 durch Reibung gedämpft werden. Zur Größe des als Feder wirkenden Kammervolumens 16 und ob dieses einen Einfluss auf die Dämpfung der Schallwellen hat, enthält diese Druckschrift keine Informationen.
b) Deshalb ergibt sich aus dem ausdrücklich Offenbarten für einen Fachmann nicht, jedem Loch 26 nur ein relativ kleines Kammervolumen zuzuordnen und insbesondere nicht eindeutig, die Ringkammern 25a in Umfangsrichtung des Hohlkörpers nebeneinander anzuordnen.
3.2.2 Somit offenbart Druckschrift D3 nicht das erste kennzeichnende Merkmal des Anspruches 1.
3.3 Da der entgegengehaltene Stand der Technik also keinen Schalldämpfer mit sämtlichen Merkmalen des Anspruches 1 offenbart, ist dessen Gegenstand neu und erfüllt die Erfordernisse der Artikel 52 (1) und 54 (1), (2) EPÜ 1973.
4. Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag
4.1 Der nächstliegende Stand der Technik ist aus Druckschrift D3 bekannt.
4.2 Technische Aufgabe
4.2.1 Grundsätzlich ist nach der gefestigten Rechtsprechung der Beschwerdekammern bei der objektiven Ermittlung der erfindungsgemäß gelösten Aufgabe zunächst von der im Streitpatent formulierten Aufgabe auszugehen.
4.2.2 Im vorliegenden Fall ist die Aufgabe in Absatz 5 der Patentschrift beschrieben. Danach soll ein Schalldämpfer angegeben werden, der relativ einfach montierbar und/oder integrierbar ist und dabei eine hohe Dämpfungswirkung gewährleistet.
Vorteilhaft an der in Anspruch 1 beschriebenen Lösung ist, dass durch die Anordnung der Helmholtz-Resonatoren in Schallausbreitungsrichtung hintereinander es nicht mehr auf die genaue Positionierung des Schalldämpfers an oder in der Leitung ankommt (siehe Spalte 2, Zeilen 27 - 38). Damit wird auch eine relativ breitbandige Dämpfungswirkung bewirkt (siehe Spalte 2, Zeilen 39 - 47).
Diese Wirkungen werden allerdings auch mit einem Schalldämpfer nach Druckschrift D3 erzielt. Auch dort sind die Helmholtzresonatoren 25a in Schallausbreitungsrichtung hintereinander angeordnet. Somit kommt es hier ebenso wenig auf die genaue (axiale) Positionierung des Schalldämpfers an oder in der Leitung an. Darüber hinaus muss dieser Schalldämpfer ebenfalls eine relativ breitbandige Dämpfungswirkung entfalten, weil dessen einzelne Helmholtzresonatoren 25a ebenfalls parallel wirken.
Deshalb ist festzustellen, dass die in der Patentschrift angegebene Aufgabe bereits durch den nächstliegenden Stand der Technik im Wesentlichen gelöst worden ist. Somit muss untersucht werden, welche andere Aufgabe objektiv bestand.
4.2.3 Der Gegenstand des Anspruches 1 unterscheidet sich von dem aus Druckschrift D3 bekannten Schalldämpfer dadurch, dass die Helmholtz-Resonatoren in Umfangsrichtung des Hohlkörpers nebeneinander angeordnet sind.
Im Hinblick auf die in Spalte 3, Zeile 55 bis Spalte 4, Zeile 1 zu dem Unterscheidungsmerkmal beschriebenen technischen Wirkungen, lag dem Gegenstand des Anspruches 1 die technische Aufgabe zu Grunde, den aus Druckschrift D3 bekannten Schalldämpfer dahingehend zu verbessern, dass er bei kompaktem Aufbau auch hohe oder höhere Frequenzen, beispielsweise ab 900 Hz, dämpft.
4.3 Naheliegen
4.3.1 Druckschrift D2 betrifft einen Schalldämpfer zur Dämpfung von Turbinengeräuschen.
Dazu weist er "Honeycomb-Strukturen" 52,58 auf (siehe Spalte 4, Zeilen 7 bis 11), in deren Kammern 54, 60 Schallwellen über Lochbleche 44, 46 eintreten (siehe Spalte 3, Zeile 51 bis Spalte 4, Zeile 6). Die Zuordnung der einzelnen Löcher der Lochbleche 44,46 zu den Kammern 54,60 ist zufällig, das heißt, nicht alle Kammern sind lediglich einem einzigen Loch zugeordnet.
Der Schalldämpfer kann, wie in den Figuren dargestellt, rechteckig sein oder auch zylindrisch, so dass die Kammern 54,60 gekrümmt um ein Innenrohr 12 verlaufen (siehe Spalte 5, Zeile 28 - 36).
Die Kammern 54,60 dienen der Dämpfung hoher bzw. höherer Frequenzen und der Verkürzung der Baulänge des Schalldämpfers (siehe Spalte 1, Zeilen 45-49; Spalte 4, Zeilen 40 - 46 und Spalte 2, Zeile 1).
4.3.2 Da Druckschrift D2 somit die gleiche Problematik wie das Streitpatent betrifft, hat die Beschwerdekammer keine Zweifel, dass der Fachmann sie bei der Suche nach Lösungsmöglichkeiten für die oben genannte technische Aufgabe berücksichtigen würde.
4.3.3 Aufgrund der Lehre der Druckschrift D2 ist es für den Fachmann naheliegend, bei der Ausführungsform des aus Druckschrift D3 bekannten Schalldämpfers in der jede der Kammern 25a nur über eine einzige separate Verbindungsöffnung mit dem Inneren des Hohlkörpers 14 in Verbindung steht, statt der einzelnen Trennwände die aus Druckschrift D2 bekannte Gitterstruktur 52,58 zu verwenden. Dadurch werden die einzelnen Kammern 25a in Umfangsrichtung in eine Vielzahl von Kammern 54,60 unterteilt.
Dieser modifizierte Schalldämpfer weist sämtliche Merkmale des Anspruches 1 auf.
4.4 Der Gegenstand des Anspruches 1 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ 1973.
5. Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge
5.1 Hilfsanträge 1 und 2
5.1.1 Die zusätzlichen Merkmale des Anspruches 1 dieser Anträge sind ebenfalls aus dem nächstliegenden Stand der Technik nach D3 bekannt.
a) So ist in Figur 4 erkennbar, dass die einzelnen Kammern 25a jeweils durch eine Zwischenwand 27 voneinander getrennt sind, also aneinandergrenzen und gemeinsame Wände bzw. Wandabschnitte aufweisen.
b) In Spalte 4, Zeile 1 der Patentschrift wird beschrieben, dass insbesondere Frequenzen ab 900 Hz gedämpft werden sollen. Solche Frequenzen entsprechen einer Wellenlänge von circa 37,7 cm, wenn als Konstante c ein Wert von 340 m/sec angesetzt wird.
Der in Druckschrift D3 offenbarte Lochabstand von 9 mm (siehe Spalte 4, Zeile 15) ist somit deutlich kleiner als eine oder eine halbe Wellenlänge des zu bedämpfenden Frequenzbandes.
5.1.2 Da der Gegenstand des Anspruches 1 dieser Anträge im Vergleich zu demjenigen des Hauptantrages also keine weiteren Unterscheidungsmerkmale zu dem aus Druckschrift D3 bekannten Schalldämpfer enthält, beruht er aus den gleichen Gründen wie der Gegenstand des Anspruches 1 des Hauptantrages nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5.2 Hilfsantrag 3
5.2.1 Druckschrift D3 offenbart auch, dass am Hohlkörper 14 ein Gehäuse ausgebildet ist. Dieses wird radial innen durch das Lochblech 23 und seitlich durch Verbindungsflansche, von denen in Figur 4 der linke dargestellt ist, gebildet. In diesem Gehäuse sind die einzelnen Zwischenwände 27 vorgesehen. Ein als Außenrohr 24 ausgebildeter Deckel verschließt dieses Gehäuse.
5.2.2 Der Schalldämpfer nach Druckschrift D3 ist stromab des Abgasturboladers angeordnet. Somit ist der Schalldämpfer nicht, wie im vorletzten Merkmal des Anspruches 1 beansprucht, im Frischlufttrakt stromab eines Luftfilters und stromauf eines Abgasturboladers der Brennkraftmaschine angeordnet.
Da dieses Merkmal jedoch keine Weiterbildung beziehungsweise Beschränkung des in Anspruch 1 beanspruchten Schalldämpfers sondern dessen Anordnung an einer (nicht beanspruchten) Brennkraftmaschine betrifft, kann es für die nachfolgenden Überlegungen nur insofern berücksichtigt werden, als es die Eignung des Schalldämpfers für eine solche Anordnung betrifft, was jedoch bei dem aus Druckschrift D3 bekannten Schalldämpfer zweifellos der Fall ist.
5.2.3 Der Gegenstand des Anspruches 1 dieses Antrages unterscheidet sich deshalb von dem aus Druckschrift D3 bekannten Schalldämpfer durch die folgenden Merkmale:
- die Helmholtz-Resonatoren sind in Umfangsrichtung des Hohlkörpers nebeneinander angeordnet,
- zumindest einige der Helmholtz-Resonatoren sind in einem gemeinsamen Block enthalten und
- der Block weist eine Bienenwaben- oder "Honeycomb-Struktur" auf, die separat hergestellt und in das Gehäuse eingesetzt ist.
5.2.4 Zu den zusätzlichen Merkmalen des Anspruches 1 dieses Antrages sind in der Patentschrift keine weiteren Vorteile oder Wirkungen angegeben. Deshalb lag diesem Gegenstand die gleiche Aufgabe zu Grunde wie dem Gegenstand des Anspruches 1 des Hauptantrages, also den aus Druckschrift D3 bekannten Schalldämpfer dahingehend zu verbessern, dass er bei kompaktem Aufbau auch hohe oder höhere Frequenzen dämpft.
5.2.5 Die Resonatorkammern 54, 60 nach Druckschrift D2 sind in den den beanspruchten Blöcken entsprechenden Honeycomb-Strukturen 52, 58 vorgesehen. Bereits aus der Darstellung der Blöcke in den Zeichnungen ergibt sich für einen Fachmann, dass jeder Block 52,58 separat (vom restlichen Schalldämpfer) hergestellt ist und erst im eingebauten Zustand jeweils zwischen den Lochblechen 44,46 und den Deckplatten 50,56 als separates Teil sitzt.
5.2.6 Die oben zum Hauptantrag näher ausgeführte naheliegende Modifikation des aus Druckschrift D3 bekannten Schalldämpfers mit der Lehre der Druckschrift D2, führt deshalb ebenfalls zu dem beanspruchten Gegenstand, so dass auch der Gegenstand des Anspruches 1 des Hilfsantrages 3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
5.2.7 Darüber hinaus weist die Kammer darauf hin, dass auch die in Anspruch 1 beanspruchte Anordnung des Schalldämpfers keine erfinderische Tätigkeit begründen könnte, weil es für den Fachmann auf der Hand liegt, den Schalldämpfer dort vorzusehen, wo Schallemissionen als besonders störend empfunden werden, also auch im Frischlufttrakt einer Brennkraftmaschine (Patentschrift, Spalte 1, Zeilen 12 - 14), und am Einlass des Frischlufttraktes einen Luftfilter vorzusehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Dem Antrag, die Parteistellung als Einsprechender auf Geiger Automotive GmbH zu übertragen, wird stattgegeben.
2. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
3. Das Patent wird widerrufen.