T 1096/07 (Natriumpercarbonat/EVONIK DEGUSSA GMBH) of 13.7.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T109607.20110713
Datum der Entscheidung: 13 Juli 2011
Aktenzeichen: T 1096/07
Anmeldenummer: 98106360.5
IPC-Klasse: C01B 15/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Umhüllte Natriumpercarbonatpartikel, Verfahren zu ihrer Herstellung und deren Verwendung
Name des Anmelders: Evonik Degussa GmbH
Name des Einsprechenden: The Procter & Gamble Company
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja) - Verbesserung nachgewiesen - technische Lösung nicht nahegelegt
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0959/02
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das Europäische Patent EP-B-0 873 971, das Gegenstand der vorliegenden Beschwerde ist, wurde mit drei Patentansprüchen erteilt und der Hinweis auf die Erteilung am 7. August 2002 im Patentblatt 2002/32 bekannt gemacht.

II. Die Patentansprüche haben folgenden Wortlaut:

"1. Umhüllte Natriumpercarbonatpartikel aus einem Kern aus in wäßriger Phase durch Kristallisation hergestelltem Natriumpercarbonat und einer diesen Kern umgebenden festhaftenden, durch ein Wirbelschichtsprühverfahren aufgebrachten zweischichtigen Umhüllung, wobei die innere Schicht im wesentlichen aus Natriumpercarbonat in einer Menge von 5 bis 50 Gew.-% und die äußere Schicht aus im wesentlichen Natriumsulfat, das teilweise hydratisiert sein kann, in einer Menge von 0,5 bis 25 Gew.-%, berechnet wasserfrei, jeweils bezogen auf die zweischichtig umhüllten Partikel,

besteht."

"2. Umhüllte Natriumpercarbonatpartikel nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die innere Schicht 10 bis 30 Gew.-% und die äußere Schicht 2 bis 10 Gew.-%, jeweils bezogen auf die zweischichtig umhüllten Partikel, ausmacht."

"3. Verfahren zur Herstellung zweischichtig umhüllter Natriumpercarbonatpartikel gemäß Anspruch 1 oder 2,

dadurch gekennzeichnet, daß man (i) auf in einer Wirbelschicht befindliche nicht-umhüllte Partikel aus in wäßriger Phase durch Kristallisation gewonnenem Natriumpercarbonat unter Aufrechterhaltung einer Wirbelschichttemperatur von 35 bis 100ºC und gleichzeitigem Verdampfen von Wasser eine wäßrige Lösung aus im wesentlichen Natriumpercarbonat oder gleichzeitig eine wässrige Lösung aus im wesentlichen Soda und eine wässrige Lösung aus im wesentlichen Wasserstoffperoxid im Molverhältnis von im wesentlichen 2 zu 3 aufsprüht und (ii) auf die erhaltenen einschichtig umhüllten Partikel unter Aufrechterhaltung einer Wirbelschichttemperatur von 35 bis 100ºC und gleichzeitigem Verdampfen von Wasser eine wäßrige Lösung von im wesentlichen Natriumsulfat aufsprüht."

III. Das europäische Patent wurde im Einspruchsverfahren mit der am 21. Mai 2007 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit widerrufen.

IV. Im Einspruchsverfahren wurden u.a. die folgenden Dokumente zitiert:

D1: US-A-5 560 896

D2: GB-A-1 466 799

D3: EP-A-0 654 440

V. Die Einspruchsabteilung ging als nächstem Stand der Technik von dem Dokument D3 aus, wo bereits ein Verfahren zur Herstellung von Partikeln von Natriumpercarbonat offenbart sei, deren Kern durch Kristallisation aus wässriger Phase gewonnen worden sei. Auf diese Partikel werde zur Verbesserung der Abriebfestigkeit eine erste Umhüllung aus Natriumpercarbonat im Wirbelschichtsprühverfahren aufgebracht. Zusätzlich könne eine zweite Hüllschicht aus Stabilisatoren wie Natriumcarbonat, Magnesiumsalze, Alkalisilikate, Borate und Perborate in der Wirbelschicht unter Verwendung von einer oder mehreren wässrigen Lösungen aufgebracht werden. Als Aufgabe wurde die Verbesserung der Aktivsauerstoffstabilität (Oa-Stabilität) angesehen. Zu diesem Zweck hätten dem Fachmann aber auch andere Hüllschichten, darunter auch die aus D1 bekannte Hüllschicht aus Natriumsulfat, zur Verfügung gestanden. Der beanspruchte Gegenstand sei daher im Hinblick auf die Kombination von D3 und D1 naheliegend. Die Einspruchsabteilung konnte eine Verbesserung der Silierfähigkeit der Natriumpercarbonatpartikel nicht als Teil der technischen Aufgabe ansehen, da bezüglich ihrer Lagerstabilität im Silo keine Vergleichsdaten zur Verfügung stünden.

VI. Gegen diese Entscheidung wurde mit Schreiben vom 3. Juli 2007 von der Patentinhaberin (im Folgenden als Beschwerdeführerin bezeichnet) Beschwerde eingelegt. Mit der Beschwerdebegründung legte sie außerdem neue Versuchsdaten zur Verbesserung der Silierbarkeit und der Aktivsauerstoffstabilität vor.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) nahm mit Schreiben vom 6. Februar 2008 dazu Stellung.

Weitere Argumente der Beschwerdeführerin gingen mit Schreiben vom 25. Februar 2008 ein.

VII. Die Beschwerdeführerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

Ausgehend von D3 als nächstem Stand der Technik habe die Aufgabe des Streitpatents darin bestanden, Natriumpercarbonatpartikel mit hoher Aktivsauerstoffstabilität in Waschmitteln, hoher Abriebbeständigkeit und guten Siliereigenschaften bereitzustellen.

Diese Aufgabe sei erfolgreich gelöst, wie die Beispiel des Patents und die nachträglich eingereichten Vergleichsversuche zeigten. Insbesondere werde durch das Unterschiedsmerkmal gegenüber D3, nämlich die äußere Hüllschicht aus Natriumsulfat, ursächlich die Silierbarkeit der umhüllten Natriumpercarbonatpartikel verbessert.

Da weder D3 noch D1 eine Lehre zur Beeinflussung der Silierfähigkeit durch die Wahl der Hüllstoffe in der äußeren Hüllschicht enthielten, könnten sie dem Fachmann die beanspruchte Lösung nicht nahelegen.

D1 sei nicht als nächstliegender Stand der Technik heranzuziehen, da es sich nicht mit denselben Aufgaben wie das Streitpatent beschäftige, sondern mit der speziellen Gestaltung von Sprühdüsen bei der Wirbelschichtgranulation von Natriumpercarbonat. D1 offenbare weder ein durch Kristallisation hergestelltes Natriumpercarbonat als Keimmaterial noch die Menge der in der Nachbehandlung aufgebrachten Hüllstoffe.

VIII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

Der Gegenstand des Streitpatent sei durch D3 in Verbindung mit D1 nahegelegt. Der Fachmann würde aus Dokument D1 (insbesondere Spalte 7, Zeilen 3 bis 12) den Hinweis erhalten, dass zur Verbesserung der Lagerstabilität von Teilchen aus Natriumpercarbonat eine äußere Umhüllung aus Natriumsulfat im Wirbelschichtsprühverfahren aufgebracht werden könne. Er würde daher routinemäßig nicht nur die in D3 erwähnten Umhüllungen aus Natriumcarbonat, Magnesiumsalzen, Alkalisilikaten, Boraten und Perboraten, sondern auch solche aus in D1 für denselben Zweck vorgeschlagenem Natriumsulfat untersuchen. Zwar habe die Beschwerdeführerin eine Verbesserung des Fließverhaltens im Zusammenhang mit Umhüllungen aus Natriumsulfat gegenüber solchen aus Natriumcarbonat gezeigt, sie habe jedoch keinen Vorteil gegenüber den anderen in D3 erwähnten Stabilisatoren bewiesen. Das aus D1 bekannte Natriumsulfat stelle daher nur eine Alternative zu den anderen, in D3 erwähnten Stabilisatoren dar, zu der der Fachmann ohne erfinderisches Zutun greifen würde.

Alternativ ging die Beschwerdegegnerin von D1 als nächstliegendem Stand der Technik aus und vertrat insoweit die Auffassung, die Erfindung biete keinen technischen Effekt oder Vorteil gegenüber D1. Deren Produkte wiesen ebenfalls hohe Lagerstabilität und sogar eine bessere Aktivsauerstoffstabilität auf, wie der Vergleich des Aktivsauerstoffgehalts in den Versuchen VB2 und VB6 (WS-Granulat gemäß D1, mit Natriumsulfat umhüllt) mit B1 und B2 (erfindungsgemäße Produkte) zeige. Die Vergleichsversuche aus dem Beschwerdeverfahren seien nicht relevant in Bezug auf D1.

Der einzige Unterschied zwischen D1 und dem Gegenstand des Streitpatents bestehe darin, dass nicht klar sei, ob die Kerne der Percarbonatpartikel in D1 durch Kristallisation aus wässriger Phase erhalten seien. Es sei jedoch aus den zitierten Dokumenten, insbesondere aus D1 selbst, klar, dass es zum Prioritätstag zwei Verfahren zur Herstellung solcher Partikel gegeben habe, nämlich das Kristallisationsverfahren und das Wirbelschichtsprühtrocknen. Diese Verfahren seien Alternativen, unter denen der Fachmann, ohne erfinderisch tätig zu sein, wählen würde. Die beanspruchte Erfindung sei daher eine bloße naheliegende Alternative zu D1.

IX. Anträge:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des europäischen Patents im erteilten Umfang.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Neuheit

1.1 Die Ausführungen der Einspruchsabteilung zur Neuheit standen im Beschwerdeverfahren zwischen den Parteien nicht zur Diskussion. Dennoch hat die Kammer die Prüfung von Amts wegen vorzunehmen.

1.2 Dokument D1 offenbart ein Verfahren zur Herstellung von Partikeln aus Natriumpercarbonat, wobei ein Kern aus Natriumpercarbonat oder sein Hydrat oder anderen Materialien wie Natriumcarbonat oder sein Hydrat in einem Wirbelschichtsprühverfahren mit einer ersten Umhüllung von Natriumpercarbonat umgeben wird (Spalte 2, Zeilen 38 bis 50; Spalte 5, Zeile 66 bis Spalte 6, Zeile 22; Beispiel 1). Als Nachbehandlung kann eine weitere Umhüllung aus Borverbindungen, Natriumcarbonat, Natriumsulfat, Magnesiumsulfat oder Wasserglas in einem Fliessbettverfahren aufgebracht werden (Spalte 7, Zeilen 3 bis 11). Aus D1 ist aber nicht bekannt, dass als Partikelkern ein durch Kristallisation gewonnenes Natriumpercarbonat Verwendung findet. Dies ist von Relevanz, weil es laut D1 selbst (Spalte 1, Zeilen 15 bis 25) mindestens drei verschiedene Herstellverfahren für Partikel von Natriumpercarbonat der Formel Na2CO3.3H2O2 gibt, deren Produkte sich auch in ihrer physikalischen Struktur unterscheiden, vgl. dazu auch die Entscheidung T 959/02 (vom 11. Oktober 2006; Seite 23, dritter Absatz) dieser Kammer in anderer Besetzung. Zwar lagen der zitierten Entscheidung keine Partikel aus Natriumpercarbonat mit einer ersten Hüllschicht aus Natriumpercarbonat zugrunde. Die getroffene Aussage, welche die Unterscheidbarkeit der auf verschiedenem Wege hergestellten Partikelkerne bejaht, bleibt aber davon unberührt, da das Aufbringen einer Hüllschicht die Struktur des Partikelkerns nicht beeinflussen kann.

Als weiteres Unterschiedsmerkmal ist festzuhalten, dass in D1 für die optionale äußere Hüllschicht außer Natriumsulfat noch eine Reihe anderer Verbindungen als gleichwertig genannt werden.

Drittens offenbart D1 nicht das Anspruchsmerkmal, wonach die innere Schicht aus im wesentlichen Natriumpercarbonat eine Menge von 5 bis 50 Gew.-% und die äußere Hüllschicht eine Menge von 0,5 bis 25 Gew.-% aufweisen solle, jeweils bezogen auf die zweischichtig umhüllten Partikel.

1.3 Dokument D3 offenbart ein Verfahren zur Herstellung von Partikeln von Natriumpercarbonat mit einem Kern, der durch Kristallisation aus wässriger Phase gewonnen wird und auf den im Wirbelschichtverfahren eine erste Umhüllung aus Natriumpercarbonat aufgebracht wird (Seite 2, Zeilen 41 bis 52; Anspruch 1). Zusätzlich kann noch eine zweite Hüllschicht aus Stabilisatoren wie Natriumcarbonat, Magnesiumsalze, Alkalisilikate, Borate und Perborate in der Wirbelschicht unter Verwendung von einer oder mehreren wässrigen Lösungen aufgebracht werden (Seite 3, Zeilen 10 bis 16; Anspruch 4). Das Herstellverfahren der D3 und das so hergestellte Produkt unterscheiden sich also vom Gegenstand der Ansprüche 3 bzw. 1 gemäß Streitpatent dadurch, dass die äußere Hüllschicht nicht im Wesentlichen aus Natriumsulfat besteht.

1.4 Dokument D2 betrifft Partikel aus einer Peroxyverbindung, insbesondere aus Natriumperborat, die durch eine einzige Umhüllung aus Natriumcarbonat oder einem Gemisch aus Natriumcarbonat und einem kompatiblen Natriumsalz, wie Natriumsulfat, stabilisiert sind. Sämtliche Ausführungsbeispiele der D2 betreffen Partikel aus Natriumperborat, siehe Seite 1, Zeilen 9 bis 12, 50 bis 57, 69 bis 73; Tabellen 1, 3 und 4; Ansprüche 1 und 5). Eine erste Umhüllung aus Natriumpercarbonat ist nicht offenbart. Dieses Dokument ist daher für die Neuheit nicht relevant.

1.5 Die Kammer kommt daher ebenfalls zum Ergebnis, dass die Bedingungen des Artikels 54 EPÜ erfüllt sind.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1 Die Erfindung betrifft zweischichtig umhüllte Natriumpercarbonatpartikel sowie deren Herstellung in einem Wirbelschichtsprühverfahren.

2.2 Als nächster Stand der Technik wird D3 angesehen. D3 offenbart, wie schon erwähnt, ein Verfahren zur Herstellung von Partikeln aus Natriumpercarbonat mit einem Kern, der durch Kristallisation aus wässriger Phase gewonnen wird, und einer im Wirbelschichtverfahren aufgebrachten ersten Hüllschicht aus Natriumpercarbonat (Seite 2, Zeilen 41 bis 52; Anspruch 1). Eine optionale zweite Hüllschicht aus Stabilisatoren wie Natriumcarbonat, Magnesiumsalze, Alkalisilikate, Borate und Perborate kann in der Wirbelschicht unter Verwendung von einer oder mehreren wässrigen Lösungen aufgebracht werden (Seite 3, Zeilen 10 bis 16; Anspruch 4). Diese Produkte weisen einen hohen Aktivsauerstoffgehalt, eine hohe Lösegeschwindigkeit und eine hohe Abriebfestigkeit auf (siehe Seite 4, Tabelle).

2.3 Ausgehend von diesem Stand der Technik besteht die Aufgabe des Streitpatents darin, Natriumpercarbonatpartikel mit verbesserter Aktivsauerstoffstabilität in Waschmitteln, hoher Abriebbeständigkeit und guten Siliereigenschaften bereitzustellen. Diese Aufgabe wurde auch als solche im Streitpatent angegeben (Abschnitt [0001]). Die oben erwähnten Teilaufgaben sind auch der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung zweifelsfrei zu entnehmen (siehe Beschreibung, Seite 2, Zeilen 54 bis 57; Seite 4, Zeilen 8 bis 24; Seite 5, Zeilen 54 und 55).

2.4 Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent ein Produkt gemäß Anspruch 1 vor, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass die äußere Hüllschicht aus im Wesentlichen Natriumsulfat, das teilweise hydratisiert sein kann, besteht.

Das Streitpatent schlägt weiter zur Lösung dieser Aufgabe ein Verfahren zur Herstellung solcher Partikel gemäß Anspruch 3 vor, das dadurch gekennzeichnet ist, dass man auf die einschichtig umhüllten Partikel eine wässrige Lösung von im Wesentlichen Natriumsulfat aufsprüht.

2.5 Es ist glaubhaft, dass die gestellte Aufgabe mit dem beanspruchten Produkt und Verfahren erfolgreich gelöst wurde, und zwar aus folgenden Gründen.

Aus der Tabelle 1 des Streitpatents (Abschnitt [0035]) geht hervor, dass die erfindungsgemäßen Proben B1 und B2 einen signifikant besseren Oa-Erhalt im Waschmittel nach 4 Wochen aufwiesen als die Vergleichsproben VB3 und VB4, die gemäß D3 hergestellt sind. Die erfindungsgemäßen, mit Natriumsulfat umhüllten Produkte verklumpten nicht und zeigten einen hohen Abriebwiderstand.

Die zusätzlichen, von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung (Seite 3) eingereichten Vergleichsdaten belegen, dass ein erfindungsgemäß mit 5% Natriumsulfat in der äußeren Hülle umhülltes Natriumpercarbonat einen verbesserten Fließindex FFC nach Jenike (Silo-Handbuch, Peter Martens (Ed.), Verlag Ernst & Sohn, Berlin, 1988, Seiten 41 bis 56) aufwies als ein Vergleichsprodukt gemäß D3. Der FFC-Wert betrug nach 1 Tag 13 (Vergleichsbeispiel gemäß D3 mit Natriumcarbonat als äußerer Umhüllung: 5,2) und nach 7 Tagen 11 (Vergleichsbeispiel: 0,7), wobei Werte von "> 10: frei fließend", von "4 bis 10: leicht fließend", und von "< 1: verhärtet" bedeuten. Damit ist die Teilaufgabe der Verbesserung der Silierbarkeit ebenfalls als gelöst anzusehen.

2.6 Es bleibt nun zu untersuchen, ob das beanspruchte Produkt bzw. Verfahren im Hinblick auf den Stand der Technik nahegelegen hat.

2.6.1 Nach einer ersten Argumentationslinie der Beschwerdegegnerin würde der Fachmann, der mit der unter Punkt 2.3 definierten Aufgabe konfrontiert ist, aus Dokument D1 (insbesondere Spalte 7, Zeilen 3 bis 12) den Hinweis erhalten, dass zur Verbesserung der Lagerstabilität von Teilchen aus Natriumpercarbonat eine äußere Umhüllung aus Natriumsulfat im Wirbelschichtsprühverfahren aufgebracht werden kann. Der Fachmann würde daher im Rahmen seiner Routineuntersuchungen nicht nur die in D3 erwähnten Umhüllungen aus Natriumcarbonat, Magnesiumsalzen, Alkalisilikaten, Boraten und Perboraten, sondern auch solche aus dem in D1 für den selben Zweck vorgeschlagenen Natriumsulfat untersuchen und somit zum Gegenstand des Streitpatents gelangen. Zwar habe die Beschwerdeführerin in ihren Vergleichsversuchen eine Verbesserung des Fließverhaltens im Zusammenhang mit Umhüllungen aus Natriumsulfat gegenüber solchen aus Natriumcarbonat gezeigt, sie habe jedoch keinen Vorteil gegenüber den anderen in D3 erwähnten Stabilisatoren bewiesen. Das aus D1 bekannte Natriumsulfat stelle daher nur eine Alternative zu den anderen in D3 erwähnten Stabilisatoren dar, zu der der Fachmann ohne erfinderisches Zutun greifen würde.

2.6.2 Die Kammer hält dieses Vorbringen aus den folgenden Gründen nicht für stichhaltig. Die technische Aufgabe der Verbesserung der Silierfähigkeit wird nachweislich durch die Auswahl von Natriumsulfat als Hüllstoff für die äußere Hülle gelöst, nicht aber von allen anderen in D1 offenbarten Stabilisatoren. Die mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Vergleichsdaten belegen nämlich, dass Produkte mit einer äußeren Umhüllung aus Natriumcarbonat ("soda"; in D1, Spalte 7, Zeile 8 erwähnt) einen deutlichen schlechteren Fliessindex FFC nach Jenike nach 1 Tag und nach 7 Tagen aufweisen als das erfindungsgemäße Produkt.

Die in D1 erwähnten optionalen Stabilisatoren der Hüllschicht dienen der Verbesserung der Lagerstabilität ("storage stability"), was jedoch nicht mit einer Verbesserung der Silierbarkeit gleichzusetzen ist (siehe Punkt 2.6.4). Aber selbst wenn der Fachmann sich bei der Lösung seiner Aufgabe durch D1 hätte anleiten lassen, so hätte es einer gezielten Auswahl unter den in D1 angegebenen Hüllstoffen bedurft, um die gestellte Aufgabe erfolgreich zu lösen. Die getroffene Auswahl ist weder durch D1 selbst noch durch einen anderen Stand der Technik nahegelegt.

Was den Verfahrensanspruch anlangt, so wird ein Aufsprühen einer wässrigen Lösung bestehend im Wesentlichen aus Natriumsulfat in einer Menge von 0,5 bis 25 Gew.-% auf die einschichtig umhüllten Partikel aus Natriumpercarbonat im Stand der Technik nicht nahegelegt.

2.6.3 Die Beschwerdegegnerin ging alternativ auch von D1 als nächstliegendem Stand der Technik aus (siehe Beschwerdeerwiderung vom 6. Februar 2008, Seite 1, dritter Absatz, sowie Schriftsatz vom 5. März 2007 aus dem Einspruchsverfahren).

2.6.4 Die Kammer kann sich dieser Wahl nicht anschließen. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes ist der zur Bewertung der erfinderischen Tätigkeit heranzuziehende nächstliegende Stand der Technik in der Regel ein Dokument, das einen Gegenstand offenbart, der dem gleichen Zweck dient wie die beanspruchte Erfindung und mit ihr die wichtigsten technischen Merkmale gemeinsam hat. D1 befasst sich nicht mit der Silierbarkeit von Natriumpercarbonat und mit der Aktivsauerstoffstabilität in Waschmitteln. D1 (Spalte 1, Zeilen 32 bis 38) erwähnt kurz das Problem der schlechten Lagerstabilität eines bestimmten Natriumpercarbonats, dass durch Reaktion von festem Natriumcarbonat mit H2O2 erhalten wird. In Spalte 7, Zeilen 3 bis 12, wird festgestellt, dass die Lagerstabilität von Natriumpercarbonat durch optionale Hüllschichten verbessert werden kann; hierbei geht es aber um den Oa-Erhalt, nicht um die Silierbarkeit. Diese Kammer hat in anderer Besetzung bereits in T 959/02 (Brückenabsatz auf Seiten 31 und 32) mit Bezug auf umhüllte Partikel aus Natriumpercarbonat festgestellt, dass die Silierbarkeit (also die Eigenschaft, unter den Lagerbedingungen in einem Silo freifließend zu bleiben) erst durch geeignete Tests, wie z.B. nach Jenike, über einen Zeitraum von mehreren Tagen und Wochen unter Druckbedingungen wie im Silo ermittelt werden kann. D1 gibt dazu keine Lehre. D1 enthält auch keine Lehre bezüglich der Aktivsauerstoffstabilität in Gegenwart von üblichen Bestandteilen, wie sie in Wasch-, Reinigungs,- Bleich- und Desinfektionszusammensetzungen vorkommen.

2.6.5 Selbst wenn man aber von D1 als nächstliegendem Stand der Technik ausginge, so liegt der Gegenstand des Streitpatents nicht nahe. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im Wesentlichen, dass die Erfindung keinen technischen Effekt oder Vorteil gegenüber D1 böte, insbesondere, dass die Produkte der D1 ebenfalls hohe Lagerstabilität und eine sogar bessere Aktivsauerstoff stabilität aufwiesen. Die Beschwerde gegnerin vergleicht hier die Angaben des Streitpatents zum Oa-Gehalt (%) in den nicht erfindungs gemäßen Versuchen VB2 (Wirbelschicht -Granulat, nicht mit Natriumsulfat umhüllt, hergestellt gemäß D1a; siehe Streitpatent, Seite 5, Zeile 31) und VB6 (WS-Granulat, mit Natriumsulfat umhüllt) mit denen der erfindungsgemäßen Produkte B1 und B2 (Kristallisations granulat, mit Natriumsulfat umhüllt). Dieser Vergleich ist aber nach Ansicht der Kammer nicht zulässig, da er von Produkten wie VB6 ausgeht, die so nicht in D1 offenbart sind. Die hohe Aktivsauerstoff stabilität der Probe VB6 von 95% nach 4 Wochen wird erst durch die erfindungsgemäße äußere Umhüllung mit Natriumsulfat erreicht; ein solches Produkt ist in D1 jedoch nicht offenbart. Außerdem sind die Proben VB2 und VB6 mit B1 und B2 nicht direkt vergleichbar, was den Aktivsauerstoffgehalt und die Aktivsauerstoffstabilität betrifft, da es sich im einen Fall um Wirbelschicht-Granulat, im anderen um Kristallisationsgranulat handelt.

2.6.6 Nach Auffassung der Kammer wird durch die Erfindung die Teilaufgabe der Verbesserung der Silierbarkeit auch gegenüber D1 gelöst. Wie die vorliegenden Vergleichsdaten zeigen, weist ein erfindungsgemäß mit 5% Natriumsulfat in der äußeren Hülle umhülltes Natriumpercarbonat einen verbesserten Fließindex FFC nach Jenike auf (siehe Punkt 2.6), im Vergleich mit einem Produkt mit einer äußeren Umhüllung aus 5% Natriumcarbonat. Natriumsulfat wird in D1 als Stabilisator aber gleichwertig mit Natriumcarbonat, Magnesiumsalzen, Alkalisilikaten, Boraten und Perboraten genannt. Die Erfindung zeigt, dass überraschenderweise die Silierbarkeit des Produkts mit einer äußeren Hüllschicht aus Natriumsulfat aber signifikant besser ist als diejenige eines Produktes mit Natriumcarbonat als Hüllschicht. Zusätzlich zu den anderen Unterscheidungsmerkmalen gegenüber D1 (siehe Punkt 1.1) liegt daher jedenfalls eine erfinderische Auswahl hinsichtlich der äußeren Hüllstoffe vor.

2.6.7 Wie schon erwähnt, betrifft Dokument D2 Partikel aus einer Peroxyverbindung, insbesondere aus Natriumperborat, die durch eine einzige Umhüllung aus Natriumcarbonat oder einem Gemisch aus Natriumcarbonat und einem kompatiblen Natriumsalz, wie Natriumsulfat, stabilisiert sind. Die Ausführungsbeispiele der D2 betreffen sämtlich Natriumperboratteilchen. Eine erste Umhüllung aus Natriumpercarbonat ist nicht offenbart. Das Dokument kann daher den Gegenstand des Streitpatents, auch in Kombination mit D1 oder D3, nicht nahelegen.

2.7 Zusammenfassend geht also der Gegenstand des Produktanspruchs 1 und des Verfahrensanspruchs 3 in der erteilten Fassung nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik hervor.

Anspruch 2 definiert eine bevorzugte Ausführungsform des Produkts nach Anspruch 1 und ist mit Anspruch 1, von dem er abhängt, patentfähig.

2.8 Die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ sind also erfüllt. Das Streitpatent kann somit in der erteilten Fassung Bestand haben.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das europäische Patent wird in der erteilten Fassung aufrechterhalten.

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