T 1083/07 () of 20.5.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T108307.20080520
Datum der Entscheidung: 20 Mai 2008
Aktenzeichen: T 1083/07
Anmeldenummer: 99126210.6
IPC-Klasse: C08L 57/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 92 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Dispersionspulver enthaltend teilacetalisierte, wasserlösliche Polyvinylalkohole, Verfahren zu seiner Herstellung sowie Verwendung
Name des Anmelders: Elotex AG
Name des Einsprechenden: Wacker Chemie AG
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0653/93
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Erteilung des europäischen Patents Nr. 1 020 493 auf die europäische Patentanmeldung Nr. 99126210.6 der Celanese Emulsions GmbH (jetzt Elotex AG), angemeldet am 30. Dezember 1999 unter Beanspruchung der Priorität der deutschen Voranmeldungen DE 19901307 (15. Januar 1999), wurde am 18. August 2004 bekannt gemacht (Patentblatt 2004/34).

Das erteilte Patent enthielt 12 Ansprüche, wobei Anspruch 1 wie folgt lautete:

"Dispersionspulver enthaltend

a) mindestens ein Basispolymerisat aus der Gruppe der Vinylester-, Vinylester-Comonomer-, Vinylester-Ethylen-, (Meth)acrylat- und Styrol-Acrylat-Polymerisate,

b) 1 bis 25 Gew.-%, bezogen auf das Basispolymerisat, mindestens eines Schutzkolloides,

c) 1 bis 25 Gew.-%, bezogen auf das Basispolymerisat, mindestens eines teilacetalisierten, wasserlöslichen Polyvinylalkohols,

d) 0 bis 20 Gew.-%, bezogen auf das Polymergesamtgewicht, Antibackmittel, sowie

e) gegebenenfalls weitere Additive."

Die abhängigen Ansprüche 2-7 betrafen bevorzugte Ausführungsformen des Dispersionspulvers, Anspruch 8 ein Verfahren zur Herstellung eines Dispersionspulvers gemäß einem der Ansprüche 1 bis 7, und der abhängige Anspruch 9 eine bevorzugte Ausführungsform dieses Verfahrens. Die Ansprüche 10 bis 12 waren auf bestimmte Verwendungen eines Dispersionspulvers gemäß einem der Ansprüche 1 bis 7 gerichtet.

II. Gegen das Patent erhob die Wacker-Chemie GmbH (jetzt Wacker Chemie AG) (Einsprechender) am 18. Mai 2005 Einspruch und beantragte, das Patent zu widerrufen. Der Einsprechende machte geltend, dass das Patent weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 100 a) EPÜ) und stützte seinen Einspruch unter anderem auf folgende Dokumente:

D1: DE 12 02 982 B;

D2: DE 17 19 317 B; und

D6: WO 99/16794 A.

Am 20. April 2007 reichte der Patentinhaber die Hilfsanträge 1 und 2 ein.

III. Mit der am 26. April 2007 mündlich verkündeten und am 14. Mai 2007 schriftlich begründeten Entscheidung wies die Einspruchsabteilung den Einspruch zurück.

Die Einspruchsabteilung war der Meinung, dass der Gegenstand der erteilten Ansprüche gegenüber dem zitierten Stand der Technik, insbesondere D1, D2 und D6, neu sei.

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ging die Einspruchsabteilung von der in Absatz [0017] des Streitpatents ausgeführten Aufgabe aus: Bereitstellung von Dispersionspulvern, die die Haftfestigkeit von damit modifizierten, zementgebundenen Trockenmörteln verbessern, insbesondere nach Nasslagerung auf hydrophoben Untergründen, insbesondere Polystyrol. Die von der Einsprechenden zitierten Dokumente würden diese Aufgabe weder nennen noch einen Hinweis zur Lösung dieser Aufgabe liefern. Entgegen der Ansicht der Einsprechenden würden die Beispiele und Vergleichsbeispiele im Streitpatent zeigen, dass die Haftzugfestigkeit der patentgemäßen Systeme gegenüber solchen verbessert wird, die keinen teilacetalisierten Polyvinylalkohol enthalten. Bei diesen Vergleichen sei darauf zu achten, dass nur Beispiele miteinander verglichen werden, die dieselbe Dispersion verwenden. Wenn man dies berücksichtige, bestehe kein Zweifel daran, dass die zugrunde liegende Aufgabe gelöst werde.

IV. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung legte der Einsprechende (Beschwerdeführer) am 4. Juli 2007 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung wurde am 12. September 2007 eingereicht. Die Argumentation des Beschwerdeführers kann wie folgt zusammengefasst werden:

a) Die Merkmalskombination des Anspruchs 1 des Streitpatents sei bereits aus D1, D2 und D6 bekannt.

So beschreibe D1 wässrige Dispersionen von Polymerisaten oder Mischpolymerisaten von Vinylacetat (= Merkmal a) von Anspruch 1 des Streitpatents), die zu Dispersionspulvern sprühgetrocknet werden. Ferner offenbare D1, dass Dispersionen, welche mit Polyvinylalkoholderivaten als Emulgator hergestellt worden seien (= Merkmal b) von Anspruch 1 des Streitpatents), mittels nachträglichem Zusatz desselben Stoffes über besondere Froststabilität verfügen würden. Als geeignete Zusatzstoffe werden drei Alternativen beschrieben: teilacetylierter Polyvinylalkohol, teilacetalisierter Polyvinylalkohol sowie verseifte Vinylester-Mischpolymerisate mit hydrophoben, schwer verseifbaren Monomeren. Die Zugabe von teilacetalisiertem Polyvinylalkohol, der zweiten der drei Alternativen, entspreche Merkmal c) von Anspruch 1 des Streitpatents. Außerdem würde das Beispiel 7 (6 Gew.-% Schutzkolloid bei der Polymerisation, 2 Gew.-% nachträglich zugesetzter Polyvinylalkohol) zeigen, dass das Schutzkolloid und der nachträgliche Zusatzstoff in Mengen von 1 bis 25 Gew.-%, bezogen auf das Basispolymerisat, eingesetzt würden. Somit seien die Merkmale b) und c) des Anspruchs 1 des Streitpatents vollständig in D1 vorbeschrieben.

D2 offenbare Dispersionspulver, die mindestens ein Basispolymerisat a) aus der Gruppe der Vinylester-Polymerisate enthielten. Die Beispiele 1-3 zeigen, dass der Schutzkolloidanteil der Dispersionspulver gemäß D2 generell im Bereich von 1 bis 25 Gew.-%, bezogen auf das Basispolymerisat, liege. Bei der Herstellung der Dispersion werden nach einem Umsatz von 80-90% 0,5 bis 4 Gew.-Teile Polyvinylalkohol zugegeben oder stattdessen gut wasserlösliche, teilacetalisierte Polyvinylalkohole (= Merkmal c) von Anspruch 1 des Streitpatents). In den Beispielen betragen die Zugabemengen des Polyvinylalkohls zwischen 0,5 und 4 Gew.-%, bezogen auf das Basispolymerisat, wodurch auch die Zugabemengen für die nachträglich zugefügte Komponente bekannt seien.

D6 offenbare Dispersionspulver, basierend auf einem oder mehreren Monomeren aus der Gruppe umfassend Vinylaromaten, Diene, (Meth)acrylsäureester, was dem Merkmal a) des Anspruchs 1 des Streitpatents entspreche. Zur Stabilisierung werde eine Schutzkolloid-Kombination bestehend aus einem herkömmlichen Schutzkolloid (= Merkmal b) des Anspruchs 1 des Streitpatents) und einem hydrophob modifizierten, teilverseiften Polyvinylester, welcher als 2%-ige wässrige Lösung eine Oberflächenspannung von <= 40 mN/m erzeuge, eingesetzt. Als eine von drei Alternativen für hydrophob modifizierte, teilverseifte Polyvinylester nenne Anspruch 2 von D2 Polyvinylacetale (= Merkmal c) des Anspruchs 1 des Streitpatents). Ferner würde sich aus Beispiel 1 von D6 ergeben, dass die Einsatzmengen für die beiden Schutzkolloide mitten in dem für die Komponenten b) und c) des Anspruchs 1 des Streitpatents beanspruchten Bereich liegen.

b) Die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe, von der auch die Einspruchsabteilung ausgegangen sein, könne nicht zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden, da diese Aufgabe durch die Maßnahmen des Anspruchs 1 des Streitpatents, d. h. Zugabe von teilacetalisiertem Polyvinylalkohol neben herkömmlichem Schutzkolloid, nicht gelöst werde. Die Messergebnisse aus der Tabelle 2 des Streitpatents könnten eine signifikante Verbesserung der Haftzugfestigkeit aufgrund des Gehalts an teilacetalisiertem Polyvinylalkohol im Pulver nicht belegen. So zeige ein Vergleich der Werte der Pulver DP9 und DP8 (trotz doppelter Menge an teilacetalisiertem Polyvinylalkohol habe D9 eine um ca. 30% schlechtere Nasshaftung) und DP1 und DP4 (trotz vierfacher Menge an teilacetalisiertem Polyvinylalkohol in DP4 nahezu unveränderte Nasshaftzugfestigkeit in Rezeptur 2) welcher Schwankungsbreite die Messergebnisse unterliegen. Offenbar spiele auch der Calcilit-Gehalt, welcher die Rezeptur 1 von der Rezeptur 2 unterscheide, eine größere Rolle als die Tatsache, ob nun teilacetalisierter Polyvinlyalkohol oder herkömmlicher Polyvinlyalkohol eingesetzt werde. Abhängig davon, ob ein Reinacrylat-Basispolymer (DP13) oder ein Vinlyester-Basispolymer (DP2) vorliege, unterscheide sich die Nasshaftzugfestigkeit in der Rezeptur 2 um 60%, während auf der anderen Seite eine marginale Steigerung bei dem anspruchsgemäßen Pulver DP9 gegenüber dem Vergleichspulver VDP4 eine erfinderische Tätigkeit begründen soll.

Die objektive Aufgabe sei daher lediglich in der Bereitstellung von Dispersionspulvern auf Basis von mit Schutzkolloid stabilisierten Polymerisaten zu sehen. Aus D2 sei die Verwendung von zusätzlichem Schutzkolloid bekannt gewesen, wobei teilacetalisierter Polyvinylalkohol eine von drei aufgeführten Alternativen sei. In Kenntnis von D2 habe der Fachmann folglich nur zu dieser Alternative greifen müssen, um zum Gegenstand des Anspruch 1 des Streitpatents zu gelangen. Dazu habe es keiner erfinderischen Tätigkeit bedurft.

V. In seiner Erwiderung vom 19. Dezember 2007 widersprach der Patentinhaber (Beschwerdegegner) den Ausführungen des Beschwerdeführers. Der Vortrag kann wie folgt zusammengefasst werden:

a) In D1 würden Dispersionspulver gemäß Anspruch 1 des Streitpatents nicht beschrieben. So sei von Dispersionspulvern nur sehr allgemein die Rede. Dass sie die spezifische Merkmalskombination b) und c) besitzen können oder sogar müssen, werde mit keinem Wort erwähnt. Teilacetalisierte Polyvinylalkohole seien nur eine von drei Alternativen. Weder gebe es Beispiele, die teilacetalisierten Polyvinylalkohol verwenden würden, noch einen Hinweis, wie hoch der Gehalt an teilacetalisiertem Polyvinylalkohol sein könnte. Die vom Beschwerdeführer durchgeführten Berechnungen bezögen sich nur auf Beispiele, die teilacetylierten (d. h. keinen teilacetalisierten) Polyvinylalkohol verwenden. Außerdem erfolge in D1 die Zugabe von teilacetyliertem Polyvinylalkohole auch in sehr geringen Mengen (Beispiel 3: 0,5%). Zudem gehe aus der D1 an mehreren Stellen hervor, dass nur Polymere der gleichen Kategorie verwendet werden dürfen ("derselbe Stoff").

b) Gleiches gelte auch für das Dokument D2, das die spezifische Merkmalskombination b) und c) von Anspruch 1 des Streitpatents nicht beschreibe.

c) Der bereits im Einspruchsverfahren eingereichte Versuchsbericht zeige, dass typische, erfindungsgemäß einsetzbare, teilacetalisierte Polyvinylalkohole eine Oberflächenspannung von > 40 mN/m aufweisen und nicht die in D6 postulierte Oberflächenspannung von <= 40 mN/m. Somit falle die Merkmalskombination b) und c) des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht unter die in D6 beanspruchte Schutzkolloid-Kombination. Es schien vielmehr, dass der Fachmann erfinderisch tätig werden müsse, um teilacetalisierte Polyvinylalkohole mit einer Oberflächenspannung von <= 40 mN/m herzustellen, zumal solche Verbindungen in D6 auch nicht offenbart seien.

d) Die Versuche des Beschwerdeführers, die erfinderische Tätigkeit anhand von Vergleichen von Beispielen aus dem Streitpatent anzuzweifeln, entbehre jeglicher Grundlage, da hier "Äpfel mit Birnen" verglichen würden. Um die Wirkungsweise der erfindungsgemäßen Dispersionspulver zu beurteilen, sei es von größter Bedeutung, dass die Beispiele mit den korrekten Vergleichsbeispielen verglichen werden. Berücksichtige man dies, so zeigten die Messwerte der Tabelle 2 im Streitpatent, dass mit ganz verschiedenen Dispersionen eine Verbesserung der Nasshaftzugfestigkeit durch die erfindungsgemäße Kombination der Merkmale b) und c) erreicht werde. Die objektive technische Aufgabe entspreche somit der in Absatz [0017] des Streitpatents aufgeführten Aufgabe. Weder D2 noch D1 liefern einen Anhaltspunkt für die Lösung dieser Aufgabe.

VI. Mit Schreiben vom 21. April 2008 reichte der Beschwerdeführer das Protokoll eines Versuchsansatzes ein, das zeigen sollte, dass es entgegen der Behauptung des Beschwerdegegners ohne weiteres möglich sei, teilacetalisierte Polyvinylalkohole mit einer Oberflächenspannung <= 40 mN/m herzustellen bzw. dass ein typischer teilacetalisierte Polyvinylalkohole eine Oberflächenspannung von <= 40 mN/m aufweise.

VII. In dem Schreiben vom 5. Mai 2008 bezweifelte der Beschwerdegegner, dass der Beschwerdeführer in seinem Versuchsansatz einen "typischen" teilacetalisierten Polyvinylalkohol hergestellt habe. Bereits die verwendete Ausgangsverbindung (Polyvinylalkohol V02/20) sei äußerst atypisch, da sie für den Fachmann nicht ohne weiteres kommerziell erhältlich sei. Selbst wenn der Fachmann einen solchen Polyvinylalkohol zur Verfügung gehabt hätte, sei fraglich, ob in der Tat ein teilacetalisierter Polyvinylalkohol mit einer Oberflächenspannung von <= 40 mN/m erhalten worden sei (z. B. Messgenauigkeit, Verunreinigungen).

VIII. Mit Schreiben vom 13. Mai 2008 widersprach der Beschwerdeführer der Behauptung des Beschwerdegegners, dass es sich bei dem Polyvinylalkohol V02/20 um einen äußerst atypischen Polyvinylalkohol handle. In diesem Zusammenhang reichte er eine Tabelle ein, die Angaben zu den Molekulargewichten einiger Polyvinylalkohole (sowohl von Wacker als auch von Wettbewerbern) enthielt.

IX. Am 20. Mai 2008 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

a) Bezüglich der Neuheit gegenüber den Dokumenten D1, D2 und D6 vertraten beide Parteien ihre bereits schriftlich vorgetragenen Standpunkte. Die Diskussion konzentrierte sich dann auf die Tatsache, dass aus dem jeweiligen Dokument eine mehrfache Auswahl getroffen werden muss, um zu einem Gegenstand zu gelangen, der unter die Definition des Anspruchs 1 des Streitpatents fällt.

b) Der Beschwerdeführer vertrat seine bereits schriftlich vorgetragene Auffassung, dass die in Absatz [0017] des Streitpatents aufgeführte Aufgabe nicht gelöst werde. In diesem Zusammenhang verwies er zusätzlich auf einen Vergleich von VDP4 mit DP1 bzw. DP13, bei dem in beiden Fällen das Vergleichsbeispiel VDP4 besser abschneide als die erfindungsgemäßen Beispiele.

X. Der Beschwerdeführer beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Der Beschwerdegegner beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag) oder die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage eines der am 20. April 2007 eingereichten Hilfsanträge 1 oder 2 aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit (Hauptantrag)

2.1 D1 betrifft froststabile Dispersionen aus Polymerisaten oder Mischpolymerisaten des Vinylacetats, die 0,1 bis 3 Gew.-%, bezogen auf das Gewicht der Dispersion, eines Zusatzstoffes enthalten, der nach der Polymerisation oder nach mindestens 50%-igem Umsatz des Monomeren zugesetzt wird und der

- ein teilacetylierter Polyvinylalkohol ist, oder

- ein teilacetalisierter Polyvinylalkohol oder

- ein Verseifungsprodukt von Mischpolymerisaten eines Vinlyesters mit hydrophoben Monomeren.

Obwohl in Spalte 3, Zeilen 25-33 der D1 ausgeführt wird, dass aus den erfindungsgemäßen Dispersionen z. B. durch Zerstäubungstrocknung Trockenpulver hergestellt werden können, heißt es in dem unmittelbar folgenden Satz: "Die redispergierbaren Pulver und deren Herstellung gehören nicht zum Gegenstand dieser Erfindung" (Hervorhebung durch die Kammer). Auch die Beispiele der D1 beschreiben Dispersionen und keine Dispersionspulver. Da D1 nicht auf Dispersionspulver gerichtet ist und auch keine offenbart, ist äußerst fraglich, ob D1 überhaupt als neuheitsschädliches Dokument für die Dispersionspulver gemäß Anspruch 1 des Streitpatent herangezogen werden kann.

Wenn man aber zugunsten des Beschwerdeführers annimmt, dass D1 zumindest implizit die den Dispersionen der D1 entsprechenden Trockenpulver offenbart, bleibt die Frage zu klären, ob auch die Merkmalskombination a) bis c) des Anspruchs 1 des Streitpatents durch D1 offenbart wird.

2.1.1 Die Dispersionen der D1 basieren auf Polymerisaten oder Mischpolymerisaten des Vinylacetats. Dies sind Vinylesterpolymerisate, die als mögliche Basispolymere in Merkmal a) des erteilten Anspruchs 1 aufgeführt sind. Somit offenbart D1 das Merkmal a) des erteilten Anspruchs 1.

2.1.2 Bezüglich des Merkmals b) des erteilten Anspruchs 1 ist zu bedenken, dass das Schutzkolloid von der Polymerisation des Basispolymerisats herrührt. In Anwesenheit des Schutzkolloids werden zunächst die entsprechenden Monomeren polymerisiert und man erhält eine Dispersion des Basispolymerisats, aus der man anschließend durch Trocknung (z. B. Sprühtrocknung) das Dispersionspulver herstellt. Bei der Trocknung der Dispersion verbleibt das von der Polymerisation herrührende Schutzkolloid im Dispersionspulver.

Es ist unstrittig, dass Dispersionen bereits bei ihrer Herstellung stabilisiert werden müssen. D1 enthält aber keine allgemeinen Angaben darüber, wie die Dispersionen zu stabilisieren sind (z. B. Art des Schutzkolloids, Menge). In Spalte 2, Zeile 46 bis Spalte 3, Zeile 12 heißt es lediglich: "Besonders froststabil sind Dispersionen, die mit Polyvinylalkoholderivaten als Emulgator hergestellt worden sind. Es war daher überraschend, daß ein nachträglicher geringer Zusatz desselben Stoffes einen derartigen Effekt hervorruft. Setzt man z. B. einer bestimmten Polyvinylacetat-dispersion, die 5 Gewichtsprozent von der Polymerisation herrührenden teilacetylierten Polyvinylalkohol als Emulgator enthält, 10 Gewichtsprozent Dibutylphthalat als Weichmacher zu, so ist die Dispersion frostinstabil; enthält aber eine gleich hergestellte Dispersion, die nur 3 Gewichtsprozent von der Polymerisation herrührenden teilacetylierten Polyvinylalkohol als Emulgator enthält, 10 Gewichtsprozent Weichmacher [und] zusätzlich z. B. 0,5 Gewichtsprozent nach der Polymerisation zugesetzten, gleichen teilacetylierten Polyvinylalkohol, so ist die Dispersion völlig froststabil, obwohl insgesamt nur 3,5 Gewichtsprozent teilacetylierter Polyvinylalkohol vorhanden sind." In diesem Zusammenhang ist "Emulgator" als Schutzkolloid zu verstehen, da früher (Anmeldedatum von D1 ist 1957!) die Zusätze, die ein Zusammenklumpen der Primärpartikel bei einer Fällungspolymerisationen (aus einer homogenen flüssigen Phase wird eine feste Phase ausgeschieden) verhindern sollen, als Emulgatoren bezeichnet wurden. Weiterhin werden im Beispiel 7 von D1 bei der Polymerisation von Vinylacetat 6 Gewichtsteile eines teilacetylierten Polyvinylalkohols, bezogen auf Polyvinylacetat, als Emulgator (bzw. Schutzkolloid) verwendet.

Man könnte nun wie der Beschwerdeführer argumentieren, das der Fachmann der D1 entnehmen könnte, dass die Mengen an Schutzkolloid, die in D1 bei der Polymerisation eingesetzt werden, auf jeden Fall im Bereich von 1 bis 25 Gew.-%, bezogen auf das Basispolymerisat, liegen. Damit würde D1 auch das Merkmal b) des Anspruchs 1 des Streitpatents offenbaren.

2.1.3 Hinsichtlich des Merkmals c) des Anspruchs 1 des Streitpatents ist zu bemerken, dass teilacetalisierte Polyvinylalkohole in D1 nur eine von drei möglichen Zusatzstoffen sind, und die Menge an nachträglich zugeführtem Zusatzstoff 0,1 bis 3 Gew.-%, bezogen auf das Gewicht der Dispersion, beträgt. Damit überlappt das Merkmal c) des Anspruchs 1 des Streitpatents mit der Offenbarung der D1. Um zu einem Dispersionspulver zu kommen, das unter den Anspruch 1 des Streitpatents fällt, bedarf es einer zweifachen Auswahl aus der Offenbarung der D1: erstens müssen aus der Gruppe der möglichen Zusätze teilacetalisierte Polyvinylalkohole ausgewählt werden und zweitens muss eine solche Menge davon ausgewählt werden, dass sie in den Bereich von 1 bis 25 Gew.-%, bezogen auf das Basispolymerisat, fällt. Weder der Beschreibung noch den Beispielen der D1 ist eine derartige Kombination unmittelbar und eindeutig zu entnehmen. So zeigen alle Beispiele der D1, inklusive der in den Spalten 2 und 3 erwähnten Beispiele, nur den nachträglichen Zusatz von teilacetyliertem Polyvinylalkohol. Die separate Betrachtung der einzelnen Parameter (hier Art des Zusatzstoffes und Menge des Zusatzstoffes) rechtfertigt im Fall einer solchen "Mehrfachauswahl" noch keinen Neuheitseinwand. Vielmehr ist zu zeigen, dass die Kombination als solche umittelbar und eindeutig aus der Entgegenhaltung hervorgeht (siehe z. B. T 653/93 vom 21. Oktober 1996, Punkt 3.2 der Entscheidungsgründe; nicht im ABl. EPA veröffentlicht). Dies ist aber bei D1 nicht der Fall. Ganz im Gegenteil, da alle Beispiele der D1 teilacetylisierten Polyvinylalkohol als nachträglichen Zusatzstoff verwenden, würde der Fachmann daraus schließen, dass die Verwendung von teilacetylisiertem Polyvinylalkohol die bevorzugte Ausführungsform der D1 darstellt. Zudem mag das Beispiel 7 ja zeigen, dass die bevorzugte Menge an teilacetyliertem Polyvinylalkohol in der Tat in den Bereich von 1 bis 25 Gew.-%, bezogen auf das Basispolymerisat, fällt. Rückschlüsse auf die bevorzugte Menge an teilacetalisiertem Polyvinylalkohol können daraus aber nicht gezogen werden.

Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents, und folglich auch der Gegenstand der Ansprüche 2 bis 12, gegenüber der D1 neu.

2.2 D2 beschreibt ein Verfahren zur Herstellung blockfester, redispergierbarer Pulver aus Polymerisaten und Mischpolymerisaten von Vinylacetat durch Verdüsen der entsprechenden Dispersionen unter Zusatz erhöhter Mengen von Schutzkolloiden. Dabei wird der Dispersion, wenn ein Umsatz der Monomeren von mindestens 80-90% erreicht ist, gegenbenenfalls gleichzeitig oder nach beendeter Polymerisation, ein Polyvinylalkohol mit einer bestimmten Viskosität und einem Hydrolysegrad von 75-95% zugesetzt (Anspruch). Bevorzugte Polyvinylalkohole werden in einer Menge zugesetzt, so dass das Endprodukt noch etwa 0,5 bis 4% enthält (Spalte 2, Zeilen 13-15).

Aus D2 (Spalte 2, Zeilen 1-7) geht weiter hervor, dass anstelle der Polyvinylalkohole mit einem Hydrolysegrad von 80-95% auch gut wasserlösliche, teilacetalisierte Polyvinylalkohole oder gut wasserlösliche Verseifungsprodukte von Mischpolymerisaten eines Vinylesters mit hydrophoben, schwer verseifbaren Monomeren, wie z. B. Vinylchlorid, verwendet werden können.

2.2.1 Das Basispolymer der Dispersionspulver der D2 ist ein Vinylesterpolymerisat und fällt somit unter die in Merkmal a) des Anspruchs 1 des Streitpatents aufgelisteten Basispolymere.

2.2.2 Wie D1 enthält auch D2 keine allgemeinen Angaben darüber, welches Schutzkolloid und welche Mengen davon zur Stabilisierung der Dispersion vor der nachträglichen Zugabe des speziellen Polyvinylalkohls eingesetzt werden. In den Beispielen 1-3 werden 4,7 Gew.-%, 11,1 Gew.-% und 10,0 Gew.-% an Polyvinylalkohol als Schutzkolloid eingesetzt. Selbst wenn man der Argumentation des Beschwerdeführers folgt, dass die Beispiele der D2 zeigen, dass der Schutzkolloidanteil der Dispersionspulver gemäß D2 generell im Bereich von 1 bis 25 Gew.-%, bezogen auf das Basispolymerisat, liegt, bleibt noch zu klären, ob D2 auch das Merkmal c) des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents offenbart.

2.2.3 Wie in der D1 ist die Verwendung von teilacetalisiertem Polyvinylalkohol auch in der D2 nur eine von drei Möglichkeiten, wobei in allen Beispielen der D2 nur Polyvinylalkohol als nachträglicher Zusatzstoff verwendet wird. Um zu einem Dispersionspulver gemäß Anspruch 1 des Streitpatents zu gelangen, bedarf es wieder einer zweifachen Auswahl aus der allgemeinen Lehre der D2: erstens muss aus der Gruppe der nachträglich zugeführten Schutzkolloide teilacetalisierter Polyvinylalkohol ausgewählt werden und zweitens muss aus der in D2 angegebenen Menge von 0,5 bis 4% ein Wert von mindestens 1% ausgewählt werden.

Auch ist ein Hinweis auf eine derartige Kombination nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen. Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1, und folglich auch der Gegenstand der Ansprüche 2 bis 12, gegenüber D2 neu.

2.3 Dokument D6, das unter Artikel 54(3) EPÜ zu berücksichtigen ist, offenbart ein Verfahren zur Herstellung von Schutzkolloid-stabilisierten wässrigen Polymerdispersionen und den entsprechenden in Wasser redispergierbaren Pulvern, bei dem ein oder mehrere Monomere aus der Gruppe der Vinylaromaten, 1,3-Diene, Acrylsäureester und Methacrylsäureester von Alkoholen mit 1 bis 15 C-Atomen in Gegenwart einer Schutzkolloid-Kombination emulsionspolymerisiert werden. Die Schutzkolloid-Kombination besteht aus einem oder mehreren Schutzkolloiden aus der Gruppe der hydrophob modifizierten, teilverseiften Polyvinylester, welche als 2%-ige wässrige Lösung eine Oberflächenspannung von <= 40 mN/m erzeugen, und aus einem oder mehreren Schutzkolloiden, welche als 2%-ige wässrige Lösung eine Oberflächenspannung von > 40 mN/m erzeugen (Anspruch 1). Bei den hydrophob modifizierten, teilverseiften Polyvinylestern kann es sich unter anderem um teilverseifte, acetalisierte Polyvinylalkohole handeln (Anspruch 2).

Gemäß Seite 10, Zeilen 5-9 werden die Schutzkolloide im allgemeinen in einer Menge von insgesamt 1 bis 15 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht der Monomeren, bei der Polymerisation zugesetzt. Das Gewichtsverhältnis von hydrophobiertem, teilverseiftem Polyvinylester zu den Schutzkolloiden mit einer Oberflächenspannung > 40 mN/m beträgt von 10/1 bis 1/10.

2.3.1 Die Analyse der D6 zeigt, dass sich auch die Lehre der D6 mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents überschneidet. Selbst wenn man zugunsten des Beschwerdeführers annimmt, dass das Schutzkolloid, das eine Oberflächenspannung von > 40 mN/m aufweist, in einer Menge im Bereich von 1 bis 25 Gew.-%, bezogen auf das Polymerisat, eingesetzt wird (und somit dem Merkmal b) des erteilten Anspruchs 1 entspricht), bedarf es immer noch einer dreifachen Auswahl aus der Lehre der D6, um zu einem Dispersionspulver gemäß Anspruch 1 des Streitpatents zu gelangen.

Zunächst sind aus der D6 geeignete Monomere auszuwählen, damit das Merkmal a) des Anspruchs 1 des Streitpatents erfüllt ist. D6 umfasst nämlich auch Polymere, die kein Basispolymer gemäß Anspruch 1 des Streitpatents sind, wie zum Beispiel ein Copolymer aus Styrol und 1,3-Butadien, das in allen Beispielen der D6 verwendet wird. Zweitens muss als zweites Schutzkolloid, welches eine Oberflächenspannung von <= 40 mN/m aufweist, ein teilacetalisierter Polyvinylalkohol ausgewählt werden. Und drittens ist eine solche Menge an teilacetalisiertem Polyvinylalkohol auszuwählen, dass sie im Bereich von 1 bis 25 Gew.-%, bezogen auf das Basispolymerisat, fällt. D6 beschreibt mit 1-15 Gew.-% ja nur den Gesamtgehalt an Schutzkolloiden, wobei die Mengenverhältnisse zwischen den beiden Schutzkolloiden auch noch in einem weiten Bereich variieren können, nämlich von 1/10 bis 10/1. Da die Kombination all dieser Merkmale der D6 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents, und folglich auch der Gegenstand der Ansprüche 2 bis 12, gegenüber D6 neu.

2.3.2 Aufgrund dieser Schlussfolgerung braucht nicht näher auf das strittige Argument des Beschwerdegegners eingegangen zu werden, dass D6 schon deshalb nicht neuheitsschädlich sein könne, da typische, erfindungsgemäß einsetzbare, teilacetalisierte Polyvinylalkohole eine Oberflächenspannung von > 40 mN/m aufweisen und nicht die in D6 postulierte Oberflächenspannung von <= 40 mN/m, und daher die Merkmalskombination b) und c) des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht unter die in D6 beanspruchte Schutzkolloid-Kombination falle, oder dass der Fachmann zumindest erfinderisch hätte tätig werden müssen, um solche teilacetalisierte Polyvinylalkohole mit einer Oberflächenspannung von <= 40 mN/m herzustellen.

2.4 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Gegenstand der Ansprüche des Streitpatents gegenüber den vom Beschwerdeführer angezogenen Dokumenten D1, D2 und D6 neu ist.

3. Aufgabe/Lösung (Hauptantrag)

3.1 Das Streitpatent betrifft Dispersionspulver, die zu einer besseren Haftung von entsprechend modifizierten zementären Massen auf hydrophoben Substraten führen (Absatz [0001] des Streitpatents). In Übereinstimmung mit den Parteien sieht die Kammer in D2 den nächstliegenden Stand der Technik, da sich dieses Dokument ebenfalls mit Dispersionspulvern befasst (D1 betrifft nur Dispersionen und D6 kommt als Dokument nach Artikel 54(3) EPÜ für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht).

3.2 Die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe ist es, Dispersionspulver bereitzustellen, die die Haftzugfestigkeiten von damit modifizierten, zementgebundenen Trockenmörteln, insbesondere nach Nasslagerung, auf hydrophoben Untergründen, wie z. B. Polystyrol, verbessern (Absatz [0017] des Streitpatents).

3.3 Nach Ansicht des Beschwerdeführers kann diese Aufgabe nicht zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden, da sie durch die beanspruchten Dispersionspulver nicht gelöst werde. So zeige das Pulver VDP4 des Vergleichsbeispiels 4 eine bessere Haftung als die erfindungsgemäßen Pulver DP1 und DP13. Außerdem würden die Messergebnisse einer großen Schwankungsbreite unterliegen. So zeigen die Pulver DP8 und DP9, dass die doppelte Menge an teilacetalisiertem Polyvinylalkohol zu keiner besseren Haftung führt. Im Gegenteil, eine Verdoppellung des wirksamen Bestandteils in DP9 bewirke eine Verschlechterung der Nasshaftzugfestigkeit in Rezeptur 2 um ca. 30%. Das Gleiche gelte für DP1 und DP4: vierfache Menge an teilacetalisiertem Polyvinylalkohol, aber unveränderte Nasshaftzugfestigkeit in Rezeptur 2. Ferner spiele offenbar auch der Calcilit-Gehalt, welcher die Rezeptur 1 von der Rezeptur 2 unterscheide, eine größere Rolle als die Tatsache, ob nun teilacetalisierter Polyvinlyalkohol oder herkömmlicher Polyvinlyalkohol eingesetzt werde. Abhängig davon, ob ein Reinacrylat-Basispolymer (DP13: 0,06 N/mm**(2)) oder ein Vinlyester-Basispolymer (DP2: 0,097 N/mm**(2)) vorliege, unterscheide sich die Nasshaftzugfestigkeit in der Rezeptur 2 um 60%, während auf der anderen Seite eine marginale Steigerung bei dem anspruchsgemäßen Pulver DP9 gegenüber dem Vergleichspulver VDP4 eine erfinderische Tätigkeit begründen soll.

3.4 Dieser Argumentation kann sich die Kammer aus folgenden Gründen nicht anschließen:

3.4.1 Für einen aussagekräftigen Vergleich, der die Wirkungsweise des erfindungswesentlichen Merkmals, d.h. die Verwendung von teilacetalisiertem Polyvinylalkohol, zeigen soll, ist es unerlässlich, dass nur Beispiele miteinander verglichen werden, die sich nur in dem erfinderischen Merkmal unterscheiden. So können in der Tabelle 2 des Streitpatents die erfindungsgemäßen Pulver DP1-DP6 nur mit den Vergleichsbeispielen VDP1-VDP3 verglichen werden, da nur diese Beispiele das gleiche Basispolymer, ein Vinylacetat-Ethylen-Copolymer, verwenden. Die Vergleichsbeispiele VDP1-VDP3 unterscheiden sich somit von den erfindungsgemäßen Beispielen DP1-DP6 nur dadurch, dass anstelle des teilacetalisierten Polyvinylalkohols üblicher Polyvinylalkohol verwendet wurde. Nur in diesem Fall kann der auftretende technische Effekt auch der Verwendung des teilacetalisierten Polyvinylalkohols zugeschrieben werden. In der Tat zeigen die Werte für DP1-DP6 in der Tabelle 2 des Streitpatents, dass sich durch den Einsatz von teilacetalisiertem Polyvinylalkohol die Haftzugfestigkeiten nach Nasslagerung wie auch der Anteil anhaftendes EPS (expandiertes Polystyrol) im Vergleich zu den Vergleichspulvern VDP1-VDP3 deutlich verbessert.

Einen anderen Anspruch hat das Streitpatent auch nie erhoben. So heißt es in Absatz [0057] des Streitpatents: "Die Ergebnisse sind zusammenfassend in Tabelle 2 wiedergegeben. Es wird deutlich, daß in allen Fällen die erfindungsgemäßen Dispersionspulver besser in der Haftung nach Naßlagerung sind als die entsprechenden Vergleichsbeispiele" (Hervorhebung durch die Kammer). Dies macht deutlich, dass auch im Streitpatent immer die Verbesserung gegenüber dem entsprechenden Vergleichsbeispiel angestrebt worden ist.

3.4.2 Bei dem vom Beschwerdeführer vorgenommenen Vergleich von DP1 bzw. DP13 mit dem Vergleichsbeispiel VDP4 werden aber Dispersionspulver mit ganz unterschiedlichen Basispolymeren verglichen. So basiert DP1, wie schon erwähnt, auf einem Vinylacetat-Ethylen-Copolymer, DP13 auf einem Methylmethacrylat-Butylacrylat-Copolymer und VDP4 auf einem Vinylacetat-Versaticsäurevinylester-Copolymer. Ein Vergleich zwischen diesen Beispielen mit grundverschiedenen Basispolymeren lässt keine Rückschlüsse auf die Auswirkungen von teilacetalisiertem Polyvinylalkohol gegenüber üblichem Polyvinylalkohol zu, da hier "Äpfel mit Birnen" verglichen werden. Dieser Vergleich kann daher keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe gelöst wird.

3.4.3 Tabelle 2 zeigt weiterhin, dass der Effekt bezüglich der Haftzugfestigkeit nach Nasslagerung und/oder des Anteils an anhaftendem EPS auch bei der Verwendung von anderen Basispolymeren erzielt wird. So weisen die Pulver DP8 und DP9, die als Basispolymer ein Vinylacetat-Versaticsäurevinylester-Copolymer verwenden, DP10-DP12, die auf einem Vinylacetat-Versaticsäurevinylester-Butylacrylat-Terpolymer basiert, und das Pulver DP13, das auf einem Methylmethacrylat-Butylacrylat-Copolymer basiert, gegenüber dem jeweils entsprechenden Vergleichsbeispiel immer verbesserte Haftzugfestigkeit nach Nasslagerung und/oder einen höheren Anteil an anhaftendem EPS auf.

3.4.4 Auch die Tatsache, dass die Werte von DP9 (mit 5 Gew.-Teilen teilacetalisiertem Polyvinylalkohol) im Vergleich zu DP8 (mit 2,5 Gew.-Teilen teilacetalisiertem Polyvinylalkohol) etwas schlechter sind, kann keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe auch tatsächlich gelöst wird. DP9 weist gegenüber dem entsprechenden Vergleichsbeispiel VDP4 immer noch deutlich verbesserte Haftzugfestigkeiten nach Nasslagerung und einen höheren Anteil an anhaftendem EPS auf. Der Vergleich von DP8 mit DP9 lässt daher lediglich den Schluss zu, dass für die spezielle Zusammensetzung, die in den Beispiele DP8 und DP9 und verwendet wurde, die Einsatzmenge von 2,5 Gew.-Teilen teilacetalisiertem Polyvinylalkohol ein Optimum darstellt. Das Gleiche gilt auch für den vom Beschwerdeführer angezogenen Vergleich von DP1 mit DP4.

3.4.5 Der Beschwerdeführer machte außerdem geltend, dass der unterschiedliche Calcilit-Gehalt in den Rezepturen 1 und 2 den wesentlichen Unterschied bewirke. Abgesehen davon, dass sich die Rezepturen 1 und 2 nicht nur im Calcilit-Gehalt unterscheiden, ist es für den Fachmann eine Selbstverständlichkeit, dass unterschiedliche Rezepturen auch unterschiedliche anwendungstechnische Merkmale aufweisen. Aber auch die erfindungsgemäßen Beispiele mit der Rezeptur 2 (Tabelle 2) zeigen immer bessere Haftzugfestigkeiten nach Nasslagerung und einen höheren Anteil an anhaftendem EPS als die entsprechenden Vergleichsversuche. Bei dem vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang angezogenen Vergleich zwischen DP13 und DP2 werden wieder Dispersionspulver miteinander verglichen, die ganz unterschiedlichen Basispolymerisate enthalten. Somit entbehrt auch dieser Einwand des Beschwerdeführers jeglicher Grundlage.

3.5 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Beispiele im Streitpatent eindeutig beweisen, dass die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe auch gelöst wird, d. h. die Verwendung von teilacetalisiertem Polyvinylalkohol führt zu besseren Resultaten bezüglich der Haftzugfestigkeit nach Nasslagerung und/oder des Anteils an anhaftendem EPS.

Die Vergleichsbeispiele im Streitpatent repräsentieren zudem den nächstliegenden Stand der Technik, so dass die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe auch als die objektive technische Aufgabe anzusehen ist.

4. Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag)

4.1 Es bleibt zu untersuchen, ob die in Anspruch 1 des Streitpatents vorgeschlagene Lösung durch den Stand der Technik nahe gelegt wird.

4.2 Der Beschwerdeführer hat seinen Einwand wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausschließlich auf D2 gestützt. D2 befasst sich zwar wie das Streitpatent mit Dispersionspulvern auf der Basis von Polymerisaten und Mischpolymerisaten des Vinylacetats, hat sich aber zum Ziel gesetzt, die Blockbildung dieser Dispersionspulvern zu vermindern (Spalte 1, Zeilen 28-46). Ein Hinweis darauf, dass die Verwendung von bestimmten Mengen an teilacetalisiertem Polyvinylalkohol in diesen Dispersionspulvern die Haftzugfestigkeit nach Nasslagerung von damit modifizierten, zementgebundenen Trockenmörteln verbessert, findet sich in D2 nicht. Folglich enthält D2 auch keine Anregung für den Fachmann, Dispersionspulver gemäß Anspruch 1 des Streitpatents herzustellen.

4.3 D1 betrifft froststabile Dispersionen und beschäftigt sich nicht mit Dispersionspulvern (Punkt 2.1, oben). D1 enthält demzufolge auch keinen Hinweis darauf, dass die Verwendung von bestimmten Mengen an teilacetalisiertem Polyvinylalkohol in Dispersionspulvern die Haftzugfestigkeit nach Nasslagerung von damit modifizierten, zementgebundenen Trockenmörteln verbessert.

4.4 Da D6 außerdem nur unter Artikel 54(3) EPÜ zu berücksichtigen ist und nicht zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden kann, wird der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents, und folglich auch der Gegenstand der Ansprüche 2 bis 12, nicht durch den vom Beschwerdeführer zitierten Stand der Technik nahe gelegt.

5. Unter diesen Umständen erübrigt sich eine Diskussion der Hilfsanträge des Beschwerdegegners.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation