European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2012:T102707.20120509 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 09 Mai 2012 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1027/07 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99929315.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08G 18/79 C08G 18/42 C08G 18/62 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Hochviskose Polyisocyanate enthaltende Zusammensetzungen | ||||||||
Name des Anmelders: | BASF SE | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Bayer MaterialScience AG Perstorp France |
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Kammer: | 3.3.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Klarheit: nein | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden der Pateninhaberin und der Einsprechenden 02 richten sich gegen die am 26. April 2007 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent EP 1 091 991 (Anmeldenummer 99 929 315.2) in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde.
II. Das erteilte Patent enthielt den folgenden Anspruch 1:
"1. Zusammensetzung, enthaltend Komponenten A und B, wobei
a) mindestens ein Polyisocyanatoisocyanurat, in dem der Anteil an Allophanatgruppen zu Isocyanatgruppen weniger als 10 % beträgt, mit einer mittleren NCO-Funktionalität von mehr als 3,5 und einer Viskosität von 4.000 mPas bis zu 50.000 mPas bei 20ºC bis 50ºC, gemessen mit einem Rotationsviskosimeter nach DIN 53019 als Komponente A, und
b) mindestens eine Verbindung mit durchschnittlich mehr als 5 gegenüber Isocyanaten unter Harnstoff-, Urethan-, Thiourethan- oder Amidbildung reaktionsfähigen funktionellen Gruppen als Komponente B,
enthalten ist."
III. Gegen das Patent wurde am 5. August 2004 (Einsprechende 01) und am 17. August 2004 (Einsprechende 02) Einspruch erhoben. Die Einsprechenden stützten sich auf die Einwände mangelnder Offenbarung gemäß Art. 100 (b) EPÜ (Einsprechende 02), unzulässiger Änderungen gemäß Art. 100 (c) EPÜ (Einsprechende 02), fehlender Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit gemäß Art. 100 (a) EPÜ (Einsprechenden 01 und 02).
In der am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung verkündeten Entscheidung wurde das strittige Patent in geändertem Umfang (gemäß dem Hilfsantrag 4) aufrechterhalten.
In seiner Entscheidung befand die Einspruchsabteilung unter anderem, dass die Erfordernisse der Art. 54, 56, 83, 123(2), 123(3) und insbesondere 84 EPÜ erfüllt seien.
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IV. Gegen diese Entscheidung legten die Patentinhaberin am 3. Juli 2007 und die Einsprechende 02 am 25. Juni 2007 Beschwerde ein. Beide Parteien entrichteten gleichzeitig die vorgeschriebene Gebühr. Die Einsprechende 01 hat keine Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt.
V. In ihrer am 6. September 2007 eingegangenen Beschwerdebegründung sowie in ihren Schreiben vom 31. Januar 2008 und 26. März 2012 bestritt die Patentinhaberin die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.
Mit Brief vom 26. März 2012 wurden ein neuer Hauptantrag sowie die Hilfsanträge 1, 2, 2a und 4 eingereicht. Der Hilfsantrag 3 entsprach der von der Einspruchsabteilung genehmigten Fassung.
Anspruch 1 aller dieser Anträge betraf eine Zusammensetzung enthaltend als Komponente A "mindestens ein Polyisocyanatoisocyanurat", welches unter anderem dadurch charakterisiert war, dass es "erhältlich durch Cyclotrimerisierung von Hexamethylendiisocyanat" sein sollte und dass es eine mittlere NCO-Funktionalität von 4,0 bis 7,0 und eine Viskosität von 8.000 mPas bis zu 30.000 mPas bei 20-50ºC aufweisen sollte.
Mit Schreiben vom 31. Januar 2008 nahm die Patentinhaberin Bezug auf folgendes Dokument:
E23: Fast drying polyisocyanate for two component polyurethane coatings, Wustmann et al., European Coatings 14/2005, Seiten 15-19.
VI. In der am 6. September 2007 eingegangenen Beschwerdebegründung der Einsprechenden 02 sowie in ihrem Schreiben vom 3. Mai 2012 wurde die Richtigkeit der Entscheidung der Einspruchsabteilung bestritten und den von der Patentinhaberin vorgetragenen Argumenten widersprochen. Auch wurden zwei Dokumente eingereicht, davon unter anderem
E24: Szycher's Handbook of Polyurethanes, M. Szycher, 1999, Seiten 4.10-4.11.
VII. Mit Schreiben vom 21. Januar 2008 und 16. April 2012 beantragte die Einsprechende 01 die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin und widersprach den von der Patentinhaberin vorgetragenen Argumenten.
VIII. In einem Bescheid, der der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, hat die Beschwerdekammer in Bezug auf Art. 84 EPÜ unter Hinweis auf die dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Erstinstanz beigefügten Anlagen A, B und C, unter anderem die Frage aufgeworfen, welche Reaktion(en) unter dem Begriff "Cyclotrimerisierung" fielen.
IX. Am 9. Mai 2012 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer in Anwesenheit aller Parteien statt. Nach einer ausführlichen Diskussion bzgl. der Klarheit des Merkmals "erhältlich durch Cyclotrimerisierung von Hexamethylendiisocyanat" reichte die Patentinhaberin einen neuen Hauptantrag (Ansprüche 1-6) ein und nahm alle vorherigen Anträge zurück. Anspruch 1 dieses einzigen Antrags lautete wie folgt:
"1. Zusammensetzung, enthaltend Komponenten A und B, wobei
a) mindestens ein von Allophanatgruppen freies Polyisocyanatoisocyanurat, erhältlich durch Trimerisierung von Hexamethylendiisocyanat, mit einer mittleren NCO-Funktionalität von 4,0 bis 7,0 und einer Viskosität von 8.000 mPas bis zu 30.000 mPas bei 20ºC bis 50ºC, gemessen mit einem Rotationsviskosimeter nach DIN 53019 als Komponente A, und
b) mindestens eine Verbindung mit durchschnittlich mehr als 5 gegenüber Isocyanaten unter Harnstoff-, Urethan-, Thiourethan- oder Amidbildung reaktionsfähigen funktionellen Gruppen als Komponente B,
enthalten ist."
X. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Patentinhaberin können wie folgt zusammengefasst werden:
- Für den Fachmann bestehe die "Trimerisierung von Hexamethylendiisocyanat" in der Reaktion von drei Molekülen Isocyanat unter Bildung eines Isocyanuratrings wie auf Seiten 3 und 4 der Anlage A und in E23 dargestellt. Die Bildung von Allophanaten sowie die in der Beschreibung des Streitpatents erwähnten Reaktionsstufen (z.B. Restmonomer- und Lösungsmittelentfernung) fielen nicht unter diesen Begriff. Diese Definition schließe die Bildung von Strukturen gemäß der Anlage C aus.
- Die im Anspruch 1 angegebenen Werte der NCO-Funktionalität und Viskosität könnten nicht erreicht werden, wenn zu viele Restmonomere vorhanden sind. Somit sei es klar, dass die Viskositätsangabe im Anspruch 1 ein im Wesentlichen restmonomerfreies Gemisch betrifft.
XI. Die für diese Entscheidung relevante Argumentation der Einsprechenden 01 und 02 kann wie folgt zusammengefasst werden:
- Obwohl der Begriff "Trimerisierung von Hexamethylendiisocyanat" im strittigen Patent bzw. in der ursprünglichen Offenbarung nicht definiert sei, wurde der von der Patentinhaberin angegebenen Bedeutung des Begriffs, wie in der Anlage A sowie in E23 dargestellt, zugestimmt. Diese Definition schließe jedoch die Bildung von Strukturen gemäß der Anlage C nicht aus.
- Der im Anspruch 1 verwendete Begriff "erhältlich" ermögliche, dass das Polyisocyanatoisocyanurat durch jede Reaktion - ohne Einschränkung - hergestellt wird. Somit lasse es offen, wie das Produkt genau hergestellt wird, insbesondere ob Aufbereitungsstufen des Produktsgemisches wie Restmonomerentfernung enthalten sind. Die Anwesenheit solcher Nebenprodukte habe jedoch einen erheblichen Einfluss auf das Resultat der Viskositätsmessungen.
- Da nicht klar definiert sei, von welchem Produkt die Viskosität gemessen werden soll (d.h. Polyisocyanatoisocyanurat allein oder in Anwesenheit von Restmonomeren bzw. Lösungsmittel), sei der Gegenstand von Anspruch 1 nicht klar definiert.
XII. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin 01) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2012 eingereichten Hauptantrags.
Die Einsprechende 01 beantragte die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.
Die Einsprechende 02 (Beschwerdeführerin 02) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Klarheit
2.1 Anspruch 1 enthält gegenüber Anspruch 1 des erteilten Patentes folgende Änderungen:
a) Einsetzen von "erhältlich durch Trimerisierung von Hexamethylendiisocyanat";
b) Streichung von "in dem der Anteil an Allophanatgruppen zu Isocyanatgruppen weniger als 10 % beträgt" und Einsetzen von "von Allophanatgruppen freies Polyisocyanatoisocyanurat";
c) Änderung des mittleren NCO-Functionalitätsbereichs von "mehr als 3,5" auf "4,0 bis 7,0";
d) Änderung des Viskositätsbereichs von "4.000 mPas bis zu 50.000 mPas" auf "8.000 mPas bis zu 30.000 mPas".
2.1.1 Mit Änderung a) wird das Polyisocyanatoisocyanurat durch eine "product-by-process" Formulierung gekennzeichnet. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist dennoch das Produkt per se, also das Polyisocyanatoisocyanurat, mit der Bedingung, dass es durch Trimerisierung von Hexamethylendiisocyanat (HDI) herstellbar sein soll. Wie im Absatz [0016] des strittigen Patents erklärt, führt in der Regel die Trimerisierung von HDI nicht nur zu dem "idealen Trimer" Isocyanurat (aus drei HDI Monomeren gebildet), sondern zwangsläufig auch zu deren höheren Homologen d.h. Oligomere, hergestellt durch Reaktion des Isocyanurats mit weiteren HDI Monomeren. Diese Trimerisierungsreaktion wird z.B. auf Seiten 3 und 4 der Anlage A zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung dargestellt (siehe Seite 8 dieser Entscheidung) und wird ebenfalls in E23 (Abbildung 1 und Absatz "Isocyanate Prepolymers) und E24 (letzter Absatz der Sektion 4.3.10) beschrieben. Somit ist das Produkt der Trimerisierungsreaktion ein Gemisch enthaltend Isocyanurat (das "ideale" Trimer) sowie Oligomere davon.
2.1.2 Durch die Formulierung, dass das Polyisocyanatoisocyanurat durch Trimerisierung von Hexamethylendiisocyanat erhältlich sein soll, werden weitere, Nebenreaktionen nicht ausgeschlossen. Eine an sich übliche und bekannte dieser Nebenreaktionen betrifft die Bildung von Allophanaten aufgrund von Verunreinigungen oder Hydroxylgruppenhaltige Katalysatoren oder Lösemittel (siehe unten: Anlage A, Seite 3). Da Anspruch 1 verlangt, dass das Polyisocyanatoisocyanurat allophanatgruppenfrei ist, wird jedoch diese spezifische Nebenreaktion ausgeschlossen.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Anlage A, Seite 3:
Anlage A, Seite 4:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
2.1.3 Da Anspruch 1 keine Einschränkung enthält bezüglich der Art und Weise, wie die Trimerisierung stattfindet, können die im Anspruch 1 definierten Polyisocyanatoisocyanurate nach jedem möglichen Trimerisierungsverfahren, das zu Polyisocyanatoisocyanuraten mit den im Anspruch 1 angegebenen NCO-Funktionalität und Viskosität führt, hergestellt werden. Gemäß Absatz [0026] des Patents (Seite 4, Zeilen 25-28) kann beispielsweise die Trimerisierung in Gegenwart organischer Lösungsmittel durchgeführt werden. Im Absatz [0029] des Patents wird ferner erwähnt, dass nach Abbruch der Trimerisierung "üblicherweise" die nicht umgesetzten Monomeren HDI und gegebenenfalls die Lösungsmittel unter schonenden Bedingungen entfernt werden.
2.1.4 Zusammengefasst besteht ein Polyisocyanatoisocyanurat gemäß Anspruch 1 also nicht zwangsläufig ausschließlich aus Isocyanurat und deren höheren Homologen, sondern kann auch zusätzliche Komponenten wie Restmonomere und Lösungsmittel enthalten. Ob diese Komponenten vorhanden sind, und in welcher Menge, hängt davon ab, wie die Trimerisierungsreaktion genau durchgeführt wird, wozu in Anspruch 1 keine Angabe gemacht wird.
2.2 Das durch Trimerisierung herstellbare Polyisocyanatoisocyanurat gemäß Anspruch 1 wird zusätzlich unter anderem durch eine Viskositätsangabe gekennzeichnet. Wie unter Punkt 2.1 oben erläutert, ist es aber aus den im Patent angegebenen Informationen unklar, an welchem Produkt die Viskosität gemessen werden soll: ist es z.B. das reine Polyisocyanatoisocyanurat oder eine Mischung mit höheren Homologen, Restmonomeren und/oder Lösungsmittel? Die Einsprechenden 01 und 02 haben während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer erklärt, dass z.B. die Anwesenheit von Restmonomeren die Viskositätsmessung stark beeinflusst und dass es ebenfalls bekannt sei, dass Viskositätsmessungen von der Anwesenheit und der Natur eines Lösungsmittels stark abhängig sind. Diese Einwände wurden von der Patentinhaberin nicht bestritten. Da es nicht klar ist, an welchem Produkt genau die Viskositätsmessung stattfinden soll, ist der im Anspruch 1 angegebene Viskositätsbereich nicht eindeutig definiert. Der Fachmann ist insbesondere nicht in der Lage zu beurteilen, wann er innerhalb oder außerhalb des Anspruchsgegenstands arbeitet.
2.3 Dass das Polyisocyanatoisocyanurat gemäß Anspruch 1 nicht nur durch seine Viskosität, sondern auch durch seine mittlere NCO-Funktionalität gekennzeichnet ist, ändert nichts an der Schlussfolgerung unter Punkt 2.2.
2.4 Im Anspruch 1 des erteilten Patents war das Polyisocyanatoisocyanurat ohne "product-by-process" Formulierung gekennzeichnet. Somit betraf die dort angegebene Viskositätsangabe das Polyisocyanatoisocyanurat (Isocyanurat und Oligomere) ggf. enthaltend Allophanaten. Diese Interpretation des erteilten Anspruchs 1 entspricht der Lehre des erteilten Patents und seiner Beispiele und wurde von der Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer bestätigt. Somit wird die im Absatz 2.2 festgestellte mangelnde Klarheit durch die von der Patentinhaberin vorgenommene Änderung a) hervorgerufen, so dass der beanspruchte Gegenstand auch unter Artikel 84 EPÜ zu prüfen ist (G 9/91, Amtsblatt EPA 1993, 408).
2.5 Da der Haupt- und einzige Antrag der Patentinhaberin die Erfordernisse des Art. 84 EPÜ nicht erfüllt, muss das Patent widerrufen werden.
3. Somit ist es nicht notwendig, dass die vorliegende Entscheidung auf die anderen von den Einsprechenden vorgebrachten Einwände bzgl. Art. 83 EPÜ, Art. 123(2) EPÜ, Art. 123(3) EPÜ, Art. 54 EPÜ und Art. 56 EPÜ eingeht.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.
3. Das Patent wird widerrufen.