European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2009:T100607.20090423 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 23 April 2009 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1006/07 | ||||||||
Anmeldenummer: | 00103097.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | C21D 8/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum Herstellen eines Warmbandes | ||||||||
Name des Anmelders: | ThyssenKrupp Steel AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Corus Staal BV | ||||||||
Kammer: | 3.2.08 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (nein) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Im Einspruchsverfahren war das europäische Patent Nr. EP-B-1038978 aus den Gründen der Artikel 100(a) EPÜ 1973 (Mangel an erfinderischer Tätigkeit) und 100(b) EPÜ 1973 (mangelnde Ausführbarkeit) angegriffen worden. Mit der Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 12. März 2007 hat die Einspruchsabteilung das Patent wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 widerrufen.
II. Am 21. Mai 2007 legte die Patentinhaberin gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde ein und entrichtete die vorgeschriebene Beschwerdegebühr am gleichen Tag. Die Beschwerdebegründung wurde am 20. Juli 2007 eingereicht.
III. Im Beschwerdeverfahren waren folgende Druckschriften von Bedeutung:
D1: G. Flemming; K. E. Hensger: "CSP for HSLA Hot Strip" 40th Mechanical Working and Steel Processing Conference Proceedings; Volume XXXVI, October 25-28, 1998, Pennsylvania, ISS, Seiten 775 bis 786
D2: DE-A-197 25 434
IV. Am 23. April 2009 fand vor der Kammer eine mündliche Verhandlung statt, an deren Ende die folgenden Anträge vorlagen:
- Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs.
- Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Anspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Verfahren zum Herstellen eines Warmbandes (w), das basierend auf einem unlegierten oder niedrig legierten Stahl mit Zusätzen von Mikrolegierungselementen aus Strangguß in Form von wiedererwärmten oder direkt aus der Gießhitze eingesetzten Brammen, Dünnbrammen oder gegossenem Band erzeugt wird, wobei das Warmband (w) eine aus mehreren Walzgerüsten (F1 - F7) gebildete Fertigstaffel (FS) durchläuft, umfassend die folgenden Schritte:
- Einleiten des Warmbandes (w) in das erste Walzgerüst (F1) der Fertigstaffel (FS) mit einer Temperatur (T1), welche um mindestens 30ºC über der Rekristallisationsstop-Temperatur (TREK-STOP) liegt,
- kontinuierlich erfolgendes Walzen des Warmbandes (w) in einem oder mehreren Stichen im Rekristallisations bereich des Austenits,
- Abkühlen des Warmbandes (w) zwischen zwei Walzgerüsten (F1,F2; F2,F3; F3,F4; F4,F5; F5,F6; F6,F7) mittels einer Kühleinrichtung (K2 - K7) auf eine Temperatur (T2), welche mindestens 20ºC unterhalb der Rekristallisationsstop-Temperatur (TREK-STOP) liegt, mit einer Abkühlgeschwindigkeit, welche mindestens 10ºC/s beträgt,
- Walzen des unterhalb der Rekristallisationsstop-Temperatur (TREK-STOP) abgekühlten Warmbandes (w) in mehreren Stichen bei einem Gesamtumformgrad (epsilonh) von mindestens 30% im Temperaturbereich unterhalb der Rekristallisationsstop-Temperatur (TREK-STOP)."
VI. Die Beschwerdeführerin argumentierte wie folgt:
Die Druckschriften D1 und D2 lehrten die thermo mechanische Umformung von Warmband in einer CSP (compact strip production) Anlage. Keine von beiden Druck schriften beschreibe jedoch die gezielte Abkühlung des Bandes mit >10ºC/s von T>TREK-STOP auf T<TREK-STOP, wie dies das patentgemäße Verfahren vorsehe. Diese Maßnahme erlaube die Nutzung aller Walzgerüste und erhöhe damit die Wirtschaft lichkeit des Verfahrens, worin u.a. die Aufgabe liege, welche sich das Patent gestellt habe (siehe Patent schrift Absatz [0010]).
In D2 werde die Abkühlung allein durch das Einhalten einer ausreichenden Zeitspanne zwischen zwei Walzgerüsten erzielt, wobei ein Walzgerüst oder sogar mehrere Gerüste ungenutzt blieben. Dies bedinge jedoch, dass das in D2 beschriebene Verfahren weniger wirtschaftlich arbeite.
Die in D1, Figur 1 gezeigt CSP Anlage weise zwar Kühlvorrichtungen zwischen den einzelnen Walzgerüsten auf, jedoch sei an keiner Stelle erwähnt, diese für eine gezielte Abkühlung von T>TREK-STOP auf T<TREK-STOP einzusetzen. Der Einsatz einer solchen Kühleinrichtung stehe auch im Widerspruch zu der Lehre von D2, welche das Einhalten einer variablen Zeitspanne durch das Offen lassen eines oder sogar mehrerer Walzgerüste zum Absenken der Walz temperatur vorsehe.
Neuheit und erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens seien damit gegeben.
VII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte wie folgt:
Die Druckschrift D1 zeige insbesondere in den Figuren 1 und 10 alle Schritte des beanspruchten Verfahrens, ohne jedoch genaue Zahlenwerte für die Abkühlgeschwindigkeit, die prozentuale Verformung unterhalb von TREK-STOP und den temperaturmäßigen Abstand von TREK-STOP zu benennen. Die im Anspruch enthalten Verfahrensparameter seien jedoch auf dem Gebiet des kontinuierlichen Walzens von Warmband übliche Kenngrößen, die zum Teil in Druckschrift D1 und auch in Druckschrift D2, welche beide das gleiche Verfahren beträfen, benannt würden. Im Übrigen würden nach einer Ausführungsform von D2 alle Walzgerüste zur Umformung genutzt und somit würde auch dieses Verfahren kostengünstig arbeiten. Nur wenn, wie in D2, Spalte 3, Zeilen 19 bis 26 ausgeführt werde, die Zeitspanne zwischen zwei Gerüsten zum Absenken der Bandtemperatur von T>TREK-STOP auf T<TREK-STOP nicht ausreichen sollte, bestehe die Möglichkeit, die in Figur 1 gezeigte Ausführungsform zu nutzen. Die Aussagen von D2 ständen somit nicht im Widerspruch zu der Lehre von D1.
Das beanspruchte Verfahren enthalte damit keine technischen Merkmale, die eine erfinderische Tätigkeit begründen könnten.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Der Gegenstand der von Anspruch 1
Das in Anspruch 1 des Patents genannte Verfahren lässt sich in die folgenden Abschnitte gliedern:
Verfahren zum Herstellen eines Warmbandes (w), das
a) basierend auf einem unlegierten oder niedrig legierten Stahl mit Zusätzen von Mikrolegierungs elementen
b) aus Strangguß in Form von wiedererwärmten oder direkt aus der Gießhitze eingesetzten Brammen, Dünnbrammen oder gegossenem Band erzeugt wird,
c) wobei das Warmband (w) eine aus mehreren Walzgerüsten (F1 - F7) gebildete Fertigstaffel (FS) durchläuft, umfassend die folgenden Schritte:
c1) Einleiten des Warmbandes (w) in das erste Walzgerüst (F1) der Fertigstaffel (FS) mit einer Temperatur (T1), welche um mindestens 30ºC über der Rekristallisationsstop-Temperatur (TREK-STOP) liegt,
c2) kontinuierlich erfolgendes Walzen des Warmbandes (w) in einem oder mehreren Stichen im Rekristallisations bereich des Austenits,
c3) Abkühlen des Warmbandes (w) zwischen zwei Walzgerüsten (F1,F2; F2,F3; F3,F4; F4,F5; F5,F6; F6,F7) mittels einer Kühleinrichtung (K2 - K7) auf eine Temperatur (T2), welche mindestens 20ºC unterhalb der Rekristallisationsstop-Temperatur (TREK-STOP) liegt,
c4) mit einer Abkühlgeschwindigkeit, welche mindestens 10ºC/s beträgt,
c5) Walzen des unterhalb der Rekristallisationsstop-Temperatur (TREK-STOP) abgekühlten Warmbandes (w) in mehreren Stichen bei einem Gesamtumformgrad (epsilonh) von mindestens 30% im Temperaturbereich unterhalb der Rekristallisationsstop-Temperatur (TREK-STOP)."
3. Stand der Technik
Wie das angefochtene Patent betreffen die Druck schriften D1 und D2 ein Verfahren zur Herstellung von Warmband entweder aus unlegiertem oder mit Nb und/oder V mikrolegiertem Stahl durch thermomechanisches Walzen. Entsprechend Figur 10 von D1 erfolgt eine kontrollierte Gefügeentwicklung beim Durchlauf einer Dünnbramme durch eine CSP-Anlage (compact strip production)
(a) durch die Umformung phiR zuerst bei einer Temperatur T oberhalb von (TREK-STOP), gefolgt von
(b) einem zügigen Absenken der Temperatur auf T unterhalb TREK-STOP und
(c) anschließender Umformung phiS in den letzten beiden Walzgerüsten unterhalb von TREK-STOP, wobei phiR + phiS -> phiSigma ergibt (siehe z.B. D1, Figur 2: CSP hot mill; Figur 10; Seite 778, Abschnitt 2.2., Absätze 1 bis 5).
Aus der schematischen Darstellung in Figur 1 der in D1 verwendeten CSP Anlage ist ersichtlich, dass strang gegossenes Vormaterial in einem Ausgleichsofen auf ca. 1100 bis 1150ºC aufgeheizt, bei einer Anfangstemperatur zwischen 1050 und 1100ºC von 50 mm Dicke kontinuierlich in einer aus insgesamt 6 Gerüsten bestehenden Walzstraße zu Warm(breit)band auf eine Enddicke von 1 bis 12 mm bei einer Endwalztemperatur zwischen 920 und 750ºC fertig gewalzt und anschließend zu Bunden gehaspelt wird. Die zwischen den einzelnen Walzgerüsten angeordneten Kühleinrichtungen (interstand cooling systems) ermöglichen es, die gewünschte Bandtemperatur während des Walzens einzustellen. Weiterhin lehrt D1, dass Mikrolegierungs elemente wie Nb und V im Stahl die kritische Temperatur TREK-STOP, unterhalb welcher der Rekristallisationsvorgang gestoppt wird, gegenüber unlegiertem Stahl deutlich erhöhen. Dies bedeutet für die üblichen in Druckschrift D1 untersuchten und auch im beanspruchen Verfahren benutzen mikrolegierten Stähle, dass bei ungefähr 1000ºC und darunter keine Rekristallisation mehr stattfindet, wodurch ein gezieltes Walzen im Temperaturbereich oberhalb und unterhalb der Rekristallisationstemperatur möglich ist (siehe D1, Seite 776, Spalte 2, letzter Absatz bis Seite 777, 1. Absatz; Seite 777, Spalte 1, vorletzter Absatz, Spalte 2, 2. Absatz). Das aus D1 bekannte Verfahren zeigt damit die Merkmale a) bis c), c1) und c2) des beanspruchten Verfahrens.
Druckschrift D1 benennt außerdem auch die Merkmale c3) bis c5) in Anspruch 1 des angefochtenen Patents, allerdings ohne zahlenmäßige Angaben für
- den einzuhaltenden Temperaturabstand von der Temperatur TREK-STOP,
- die Umformrate beim Walzen unterhalb von TREK-STOP und
- die Abkühlgeschwindigkeit von T>TREK-STOP auf T<TREK-STOP
zu machen.
4. Erfinderische Tätigkeit
Die Kammer ist der Ansicht, dass die aufgezeigten Unterschiede eine erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens gegenüber der Lehre von D1 nicht begründen können. Bei einer fachmännischen Ausführung des in D1 beschriebenen Verfahrens wird dies in einer Weise geschehen, dass die in Anspruch 1 des beanspruchten Verfahrens genannten Vorgaben erfüllt werden. So wird der auf dem Gebiet der Metallurgie bewanderte Fachmann das Walzen unterhalb von TREK-STOP stets in einem Temperaturbereich vornehmen, der einen gewissen Sicherheitsabstand von TREK-STOP aufweist. Der Grund dafür ist, dass es zum einen gilt, ein inhomogenes Mischgefüge mit rekristallisierten und nicht rekristallisierten Anteilen zu vermeiden und zum anderen zu bedenken ist, dass die Temperatur TREK-STOP selbst kein absolut genauer und damit singulärer Wert ist, sondern lediglich einen errechneten Anhaltspunkt bildet, der mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist und deshalb schwanken kann.
Auch kann davon ausgegangen werden, dass bei der Verformung unterhalb von TREK-STOP ein Mindest ver formungs grad von 30% (bei einer Dickenabnahme der Bramme von 50 mm am Anfang auf 1 bis 12 mm in den hinteren Walzgerüsten) in der Regel überschritten wird. Diese Annahme bestätigt das in Druckschrift D2, Spalte 4, Zeilen 4 bis 35 genannte Ausführungs beispiel, welches - wie D1 - das gleiche Walzen von Warmband in eine CSP Anlage betrifft und im Einzelnen die folgenden Temperaturwerte und Umformraten benennt:
Aufheizen der abgelängten Dünnbrammen auf 1130ºC,
-> 1. Walzgerüst: 50% Stichabnahme/1080ºC, T>TREK-STOP,
-> 2. Walzgerüst: als Treiber (offen);
-> 3. Walzgerüst: 40% Umformung/1030ºC
-> 4. Walzgerüst: als Treiber (offen)
-> 5. Walzgerüst: 30% Umformung/900ºC, T<TREK-STOP,
-> 6. Walzgerüst: 25% Umformung/840ºC,
-> 7. Walzgerüst: 15% Umformung/800ºC,
-> Abkühlung auf Haspeltemperatur.
Weiterhin zeigt Figur 10 in Druckschrift D1 ein rasches Absenken der Temperatur bei dem 3. Walzgerüst von T > TREK-STOP auf T < TREK-STOP. Eine solche Temperatur erniedrigung wird der Fachmann ohne erfinderische Überlegungen entweder
(i) durch gezieltes Einsetzen der ohnehin vorhandenen Kühleinrichtungen zwischen den Walzgerüsten (interstand cooling systems) herbeiführen, oder
(ii) über eine variable Zeitspanne zwischen zwei Walzgerüsten erreichen, wie dies eine Ausführungsform von Druckschrift D2 vorschlägt (siehe D2, Figur 1, Spalte 3, Zeilen 17 bis 26; Spalte 4, Zeilen 36 bis 59). Die Abkühlrate von 10ºC/s selbst stellt dabei einen üblichen Wert dar, welcher durch beide Maßnahmen erreicht bzw. über schritten wird. Dieser Bewertung der Abkühlrate von >10ºC/s wurde von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen.
Es ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, dass - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - das aus D2 bekannte Verfahren auch die wirtschaftliche Nutzung aller Walzgerüste für die Verformung vorsieht und damit kostengünstig arbeitet. Die Druckschrift D2 beschränkt sich nicht ausschließlich auf die in Figur 1 gezeigte Ausführungsform, bei der z.B. die Walzgerüste 2 und 4 ohne Funktion (offen) bleiben. Vielmehr wird diese Ausführungsform nur dann in Anspruch genommen, wenn der Abstand zwischen den Walzgerüsten für die benötigte Zeitspanne zur Abkühlung nicht ausreichen sollte (siehe D2, Spalte 3, Zeilen 19 bis 26). Der von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Widerspruch zwischen der Lehre von D1 und D2 besteht somit nach Ansicht der Kammer nicht.
5. Daraus folgt, das die in Anspruch 1 enthaltenen zahlenmäßigen Verfahrensparameter nichts anderes als übliche Maßnahmen darstellen, welche in dem in D1 und auch in D2 beschriebenen Verfahren bei fachmännischer Ausführung eingehalten werden. Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.