T 0877/07 () of 21.10.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T087707.20111021
Datum der Entscheidung: 21 October 2011
Aktenzeichen: T 0877/07
Anmeldenummer: 00119152.7
IPC-Klasse: B60J 7/20
B62D 25/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Cabriolet-Fahrzeug
Name des Anmelders: Wilhelm Karmann GmbH
Name des Einsprechenden: Dr.Ing. h.c. F. Porsche AG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(c)
Schlagwörter: Änderungen - Zulässigkeit - bejaht
Zurückverweisung an die erste Instanz
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1067/97
T 0025/03
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die am 27. März 2007 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1 084 885 widerrufen wurde.

II. Die Einspruchsabteilung befand, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (Artikel 100 c) EPÜ 1973).

III. Am 21. Oktober 2011 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 9 eingereicht während der mündlichen Verhandlung.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Zurückverweisung an die erste Instanz.

IV. Der Anspruch 1 gemäß dem Antrag der Beschwerdeführerin hat den folgenden Wortlaut:

"Cabriolet-Fahrzeug (1) mit einem im rückwärtigen Fahrzeugbereich (2) unterhalb eines Deckelteils (3) ablegbaren Dach, wobei das Deckelteil (3) einerseits zur Freigabe einer seinem vorderen Endbereich (6) benachbarten Durchtrittsöffnung (7) für das Dach und andererseits zur Freigabe einer seinem hinteren Endbereich (9) benachbarten Aufnahmeöffnung (8) für Gepäck auf- und zubeweglich ist, wobei zumindest ein Schloss (12; 13) zur Sicherung des Deckelteils (3) gegen Freigabe der Durchtrittsöffnung (7) für das Dach vorgesehen ist und über zumindest ein die Auf- und Zubewegung des Deckelteils (3) für die Dachaufnahme bewirkendes Antriebsorgan (10) ein Schloss (12; 13) ver- oder entriegelbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Antriebsorgan, welches die Auf- und Zubewegung des Deckelteils (3) für die Dachaufnahme bewirkt, als Hydraulikzylinder mit einer Kolbenstange (19) ausgebildet ist, deren vorderer Endbereich einen parallelwandigen Riegel (19) aufweist, welcher in der geschlossenen Stellung, in der geöffneten Stellung und während der Aufschwenk- und der Zuschwenkbewegung des Deckelteils (3) in eine schlüssellochförmige Kulisse (14) des Schlosses darin geführt eingreift und das Schloss über eine Ausschub- oder eine Einzugbewegung des Antriebsorgans (10) entriegelbar oder verriegelbar ist, indem der mit der Kolbenstange (19) verdrehfeste Riegel (17) in geschlossener Stellung des Deckelteils (3) formschlüssig und verdrehgesichert in einem parallelwandigen Halsbereich (15) der Schlüssellochkulisse (14) gehalten ist und zur Entriegelung durch eine Ausfahrbewegung des Hydraulikzylinders in den Kopfbereich (16) der Schlüssellochkulisse (14) verfahrbar und in diesem frei drehbar ist."

V. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin entspreche der Anspruch 1 den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ. Die in den Ansprüchen durchgeführten Änderungen überwänden die Einwände der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin in Hinblick auf eine Zwischenverallgemeinerung durch Weglassen von wesentlichen Merkmalen.

VI. Im Hinblick auf das im Laufe der mündlichen Verhandlung mehrmals geänderte Patentbegehren rügte die Beschwerdegegnerin die späte Einreichung des geltenden Antrags der Beschwerdeführerin. Nach diesen mehrmaligen Änderungen der Fassung der Ansprüche sei fraglich, ob der jetzige Antrag noch in das Verfahren zugelassen werden sollte. Schließlich sei es Aufgabe der Beschwerdeführerin, zu wissen, was sie offenbart habe.

Darüber hinaus war die Beschwerdegegnerin der Auffassung, dass der Anspruch 1 in der Weise geändert worden sei, dass sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglichen Fassung hinausgehe (Artikel 123 (2) EPÜ). Der geänderte Anspruch 1 beziehe sich auf das Ausführungsbeispiel der Erfindung nach den Absätzen [0012] bis [0014] der ursprünglichen Anmeldung EP-A-1 084 885 (D0), wobei als Antriebsorgan ein Hydraulikzylinder mit Kolbenstange verwendet werde. Insbesondere aus der Spalte 4, Zeilen 18-21 von D0 ginge eindeutig hervor, dass die Ausschub- oder Einzugbewegung des Hydraulikzylinders 10 nur in Verbindung mit zwei Schlössern 12 und 13 offenbart worden sei. Der Schutzbereich des vorliegenden Anspruchs 1 erstrecke sich jedoch auch auf Ausführungen, die nur ein Schloss aufwiesen. Solche Ausführungen seien in D0 nicht offenbart worden, so dass der Gegenstand des Anspruchs unzulässig erweitert worden sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulassung der Änderungen in das Verfahren

Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Antrag wurde während der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdeführerin eingereicht, nachdem die Kammer Bedenken in Hinblick auf Artikel 123(2) und 84 EPÜ bezüglich des mit Schreiben vom 21. September 2011 eingereichten Hilfsantrags geäußert hatte. Auch wenn der jetzige Antrag erst nach mehrmaligen Änderungsversuchen zur Behebung von formalen Mängeln vorgelegt wurde, bleibt festzustellen, dass die von der Beschwerdeführerin durchgeführten Änderungen, die sich durch die Aufnahme von Merkmalen aus den abhängigen Ansprüchen und der Beschreibung in den erteilten Anspruch 1 auszeichnen, den im Verlauf der mündlichen Verhandlung geäußerten Bedenken der Kammer begegnen. Die Kammer hat daher diese Änderungen als sach- und verfahrensgerecht angesehen und somit unter den vorliegenden Umständen dieses Falls keine Veranlassung gesehen, in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (1) und 13 (3) VOBK diese Änderungen nicht in das Verfahren zuzulassen.

3. Zulässigkeit der geänderten Ansprüche

3.1 Die durchgeführten Änderungen

Der geänderte Anspruch 1 besteht sinngemäß aus der Kombination sämtlicher Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 mit den Merkmalen der erteilten abhängigen Ansprüchen 2 und 3 (ursprüngliche Ansprüche 6 und 7). Um Einwände der Beschwerdegegnerin zu überwinden, wurde präzisiert, dass sowohl der Halsbereich der Schlüssellochkulisse (D0: Spalte 3, Zeilen 40-41) als auch der Riegel (D0: Spalte 3, Zeile 43) parallelwandig ausgebildet sind. Zusätzlich wurde ergänzt, dass der am vorderen Endbereich der Kolbenstange angeordnete Riegel (Absatz [0005] von D0) verdrehfest mit der Kolbenstange verbunden ist (D0: Spalte 3, Zeilen 50-51).

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 9 entsprechen jeweils den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 8, 9, 3 bis 5 und 10 bis 12.

3.2 Bei der Übernahme von Merkmalen aus der ursprünglichen Anmeldung D0 in den geänderten Anspruch 1 sah die Beschwerdegegnerin in dem Weglassen des Merkmals bezüglich des zweiten Schlosses 13 eine Zwischenverallgemeinerung, die gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoße.

Zwar ist es in der Regel bei der Beschränkung eines Anspruchs auf eine bevorzugte Ausführungsform des erfindungsgemäßen Gegenstands gemäß Artikel 123 (2) EPÜ nicht zulässig, aus mehreren ursprünglich für diese Ausführungsform in Kombination miteinander offenbarten Merkmalen einzelne herauszugreifen (vgl. z.B. T 25/03). Ein spezifisches Merkmal, braucht jedoch nicht in den neuen Anspruch aufgenommen werden, wenn der Fachmann aus der ursprünglichen Offenbarung erkennen kann, dass das besagte Merkmal keinen engen funktionellen oder strukturellen Zusammenhang mit den weiteren Merkmalen hat (vgl. z.B. T 1067/97). Im vorliegenden Fall ist aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen für den Fachmann offensichtlich, dass das zweite Schloss in Hinblick auf die zu lösende Aufgabe, eine Vereinfachung des Steuerungsaufwandes für die Bewegung des Deckelteils vorzusehen (vgl. Absatz [0003] von D0), keine Rolle spielt und nur ein optionales Merkmal der Erfindung darstellt. Es ist nämlich für den Fachmann klar, dass ohne das zweite Schloss 13 die Bewegung des Deckelteils sowie dessen Steuerung unverändert bleiben. Darüber hinaus entnimmt der Fachmann der ursprünglich eingereichten Anmeldung D0, dass das in der Nähe einer Kante des Deckelteils angeordnete zweite Schloss 13 (vgl. Fig. 1-3) lediglich dazu dient, das Deckelteil in geschlossener Stellung besser zu halten als nur mit einem einzigen Schloss 12. Zahlreichen Textstellen von D0 bestätigen den optionalen Charakter des zweiten Schlosses 13 (vgl. ursprünglicher Anspruch 1: "zumindest ein Schloss"; ursprünglicher Anspruch 2: "bei Vorhanden mehrerer Schlösser"; ursprünglicher Anspruch 8; Spalte 1, Zeilen 44-45).

Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin sieht daher die Kammer in dem Weglassen dieses Teilmerkmals keinen Verstoß gegen die Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ.

3.3 Die Patentansprüche wurden somit nicht in der Weise geändert, dass ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (Artikel 123 (2) EPÜ). Der Schutzbereich der Patentansprüche wurde durch die Änderungen lediglich weiter eingeschränkt, so dass sie die Anforderungen des Artikel 123 (3) EPÜ ebenfalls erfüllen.

4. Die Prüfung des Einspruchs wurde von der Einspruchsabteilung nicht abgeschlossen, da sie in ihrer Entscheidung die weiteren von der Einsprechenden geltend gemachten Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und erfinderischen Tätigkeit nicht geprüft hat. Eine Abhandlung der weiteren strittigen Fragen durch die Kammer hätte daher zwangsläufig einen Instanzverlust zu Folge. Im Einklang mit dem Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin hält die Kammer es daher für angebracht, die Angelegenheit gemäß Artikel 111 (1) EPÜ 1973 an die erste Instanz zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens zurückzuverweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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