T 0857/07 (Finanzrechner/FAF) of 1.12.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T085707.20101201
Datum der Entscheidung: 01 Dezember 2010
Aktenzeichen: T 0857/07
Anmeldenummer: 05715506.1
IPC-Klasse: G06F 15/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Taschenrechner für finanzmathematische Rechenroutinen
Name des Anmelders: FAF Verwaltungs GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0641/00
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, zugestellt mit Schreiben vom 22. Januar 2007, die europäische Patentanmeldung 05715506.1 zurückzuweisen.

II. Die Entscheidung stützt sich unter anderem die folgenden Dokumente,

D1: Hewlett-Packard Company, "hp10BII Finanzrechner - Benutzerhandbuch", 1. Ausgabe, HP Artikel Nr. F1902-90008, daraus Kapitel 5, "Annuitätenrechnung", S. 55-80, Mai 2003

D2: US 6,557,018 B1

und beruht auf dem Ergebnis, dass der beanspruchte Gegenstand nicht die notwendige erfinderische Tätigkeit aufweise.

III. Beschwerde gegen diese Entscheidung ging am 16. Februar 2007 ein, und die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet. Eine Beschwerdebegründung ging am 12. April 2007 ein. Es wurde beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf Basis eines der zurückgewiesenen Anträge (Hauptantrag sowie 1. und 2. Hilfsantrag) oder auf der Basis eines mit der Beschwerdebegründung eingereichten 3. Hilfsantrags zu erteilen.

IV. Mit einer Ladung zur mündlichen Verhandlung teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Meinung mit, dass die Entscheidung im Ergebnis wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit zu bestätigen sei. Darüber hinaus erhob die Kammer Einwände unter Artikel 84 EPÜ 1973.

V. In Erwiderung auf die Ladung reichte die Beschwerdeführerin zwei neue Anspruchssätze ein, nämlich Ansprüche 1-6 gemäß einem Hauptantrag und Ansprüche 1-5 gemäß einem Hilfsantrag, die die zuvor anhängigen Anträge ersetzen sollten.

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Taschenrechner für finanzmathematische Rechenroutinen, mit einem mehrere Eingabetasten und Funktionstasten umfassenden Tastenfeld (11) zum Eingeben von Daten, mit einem Speicher zum Speichern permanenter Daten und flüchtiger Daten, mit einem Prozessor zur Durchführung der finanzmathematischen Rechenroutinen und mit einem Display (12) zum Anzeigen von Daten, wobei das Tastenfeld (11) mehrere Funktionstasten für eine nicht dynamisierte Tilgungsverrechnungs-Rechenroutine aufweist, nämlich zumindest eine erste Funktionstaste (P/YR) zur Eingabe und/oder Bestimmung der Perioden pro Jahr, mindestens eine zweite Funktionstaste (N; x P/YR) zur Eingabe und/oder Bestimmung der Gesamtzahl der Perioden, eine dritte Funktionstaste (PV) zur Eingabe und/oder Bestimmung des Startkapitals, eine vierte Funktionstaste (I/YR) zur Eingabe und/oder Bestimmung des Zinssatzes, eine fünfte Funktionstaste (PMT) zur Eingabe und/oder Bestimmung der Raten je Periode und eine sechste Funktionstaste (FV) zur Eingabe und/oder Bestimmung des Endkapitals, wobei nach Belegung von fünf dieser sechs Funktionstasten, welche die erste Funktionstaste umfassen, durch Eingabe entsprechender Daten das Datum einer nicht-belegten Funktionstaste, ausgenommen das Datum der ersten Funktionstaste, von der nicht dynamisierten Tilgungsverrechnungs-Rechenroutine bestimmbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass

a) das Tastenfeld (11) weitere Funktionstasten zur Eingabe und/oder Bestimmung von Daten für eine dynamisierte Tilgungsverrechnungs-Rechenroutine aufweist, nämlich eine Funktionstaste (%D) zur Eingabe und/oder Bestimmung der prozentualen Dynamisierungsrate, eine Funktionstaste (Z/D) zur Eingabe und/oder Bestimmung der dynamischen Anfangsrate und eine Funktionstaste (Z/DE) zur Eingabe und/oder Bestimmung der dynamischen Endrate, sodass zur Erweiterung der nicht dynamisierten Tilgungsverrechnungs-Rechenroutine um die Funktionalität der Dynamik nach vorheriger Belegung von fünf der sechs Funktionstasten der nicht dynamisierten Tilgungsverrechnungs-Rechenroutine, nach vorheriger Bestimmung des Datums der nicht-belegten Funktionstaste der nicht dynamisierten Tilgungsverrechnungs-Rechenroutine und nach Belegung einer der weiteren drei Funktionstasten für die dynamisierte Tilgungsverrechnungs-Rechenroutine durch Eingabe eines entsprechenden Datums die Daten der beiden verbleibenden weiteren Funktionstasten der dynamisierten Tilgungsverrechnungs-Rechenroutine, mit denen das Endkapital der nicht dynamisierten Tilgungsverrechnungs-Rechenroutine erzielbar ist, von der dynamisierten Tilgungsverrechnungs-Rechenroutine bestimmbar und im Display visualisierbar sind;

b) über das Display (12) alle Belegungen von Funktionstasten im Display (12) derart visualisierbar sind, dass einerseits das Datum der belegten Funktionstasten und andererseits die jeweilige Funktionstaste, der das Datum zugeordnet ist, im Display (12) visualisierbar ist, nämlich derart, dass im Display (12) die jeweilige Funktionstaste oberhalb des jeweiligen Datums visualisierbar ist;

c) das Tastenfeld (11) mindestens eine Historietaste (JOERS) und mindestens eine Historielöschtaste (JOERS.C) aufweist, wobei durch mehrmaliges Drücken der Historietaste (JOERS) getätigte Funktionstastenbelegungen bzw. Dateneingaben nacheinander sowie rückwärts im Display (12) visualisierbar sind, und zwar derart, dass im Display (12) die Betätigung der Historietaste (JOERS) unterhalb des jeweiligen Datums angezeigt wird, und wobei durch Betätigen der Historielöschtaste (JOERS.C) getätigte Funktionstastenbelegungen oder Dateneingaben individuell löschbar sind."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die Ergänzung folgender neuer Merkmale b) und c) hinter Merkmal a), und die entsprechende Umnummerierung der Merkmale b) und c) zu d) und e), nämlich dass:

"b) zwei der drei weiteren Funktionstasten zur Eingabe und/oder Bestimmung von Daten für die dynamisierte Tilgungsverrechnungs-Rechenroutine, nämlich die Funktionstaste (Z/D) zur Eingabe und/oder Bestimmung der dynamisierten Anfangsrate und die Funktionstaste (Z/DE) zur Eingabe und/oder Bestimmung der dynamisierten Endrate, hardwareseitig in einer Taste derart kombiniert sind, dass durch Betätigen einer separaten Doppelbelegungstaste (14) zwischen den jeweiligen Funktionstasten hin und her wechselbar ist;

c) das Tastenfeld (11) eine Funktionstaste (B/E) aufweist, durch deren Betätigung von vorschüssigen Raten der Tilgungsverrechnungs-Rechenroutine, die am Anfang einer Periode geleistet werden, auf nachschüssige Raten der Tilgungsverrechnungs-Rechenroutine, die am Ende einer Periode geleistet werden, umgestellt werden kann;"

VI. Eine mündliche Verhandlung fand am 1. Dezember 2010 statt. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung führte die Kammer als D1a eine weitere Seite aus dem Benutzerhandbuch ein, aus dem schon D1 entnommen wurde.

D1a: Hewlett-Packard Company, "hp10BII Finanzrechner - Benutzerhandbuch", 1. Ausgabe, HP Artikel Nr. F1902-90008, daraus Abbildung "Tastenfolge" S. 21, Mai 2003

VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin hinsichtlich erfinderischer Tätigkeit beider Anträge lassen sich wie folgt zusammenfassen:

i. Eine Untergliederung der Erfindung in technische bzw. nicht-technische Merkmale sei nicht angebracht, da kein Merkmal der Erfindung rein nicht-technisch sei. Alle Merkmale trügen zum technischen Charakter des Taschenrechners bei, unter anderem in dem sie die physikalische Beschaffenheit des Taschenrechners veränderten, und somit seien alle Merkmale bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen.

ii. Im Taschenrechner hp B10II sei es bei wiederholter Durchführung der selben Berechnung notwendig gewesen, sämtliche Parameter jeweils neu einzugeben, selbst diejenigen, die gegenüber der vorangehenden Berechnung gleichgeblieben seien. Die Erfindung dagegen mache die Parameterbelegungen und Berechnungsergebnisse einer Berechnung für eine weitere Berechnung verfügbar, ohne dass diese neu eingegeben werden müssten.

iii. Das anspruchsgemäß dreiteilige Display, auf dem Funktionstasten oberhalb und der Historiemodus unterhalb des Datenfeldes angezeigt würden, ermögliche eine besonders einfache Bedienung. Dem gegenüber würden auf dem ebenfalls dreiteiligen Display des hp B10II weder Funktionstasten noch ein Historiemodus angezeigt, und werde der Historiemodus gemäß D2 auf dem nur zweiteiligen Display oberhalb des Datenfeldes angezeigt.

iv. Die Historie gemäß D2 enthielte keinerlei Informationen über Funktionstastenbelegungen. Darüber hinaus würde durch Löschen eines Eintrags in der Historie gemäß D2 die gesamte gespeicherte Rechnung verändert, während erfindungsgemäß nur die Belegung von Funktionstasten gelöscht würde, die durchgeführte Rechnung dagegen unverändert bleibe.

v. Obgleich eine Doppelbelegungstaste aus der D1 im Prinzip bekannt sei, sei es der Erfindung eigen und durch D1 nicht nahegelegt, dass auf derselben Taste mit Z/D und Z/DE zwei zur selben Berechnung gehörigen Funktionstasten kombiniert würden. Die Kombination der Funktionstasten PMR und P/YR im hp B10II würde dem nicht widersprechen: P/YR (Anzahl der Perioden pro Jahr) nehme unter den Funktionstasten eine Sonderstellung ein, da ihr Wert nicht berechnet werden könne.

vi. Die Beschwerdeführerin nannte als weitere Indizien für erfinderische Tätigkeit zum einen den großen kommerziellen Erfolg der Erfindung, und zum anderen die Tatsache, dass Hersteller von Taschenrechnern, denen sie die Erfindung angeboten habe, eine Produktion aus technischen Schwierigkeiten abgelehnt hätten.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig (s. o., Punkte I und III).

Artikel 84 EPÜ 1973 und Artikel 123 (2) EPÜ

2. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass der Wortlaut der Ansprüche beider Anträge klar und von der ursprünglichen Beschreibung gestützt sind.

Artikel 56 EPÜ 1973, Hauptantrag

3. Es ist unstrittig, dass Ausgangspunkt und nächstliegender Stand der Technik für die Erfindung der Finanzrechner hp 10BII ist. Auf diesen bezieht sich das Benutzerhandbuch, aus dem D1 und D1a entnommen sind. Es ist auch unbestritten, dass der hp B10II alle Merkmale aus dem Oberbegriff des Anspruchs 1 aufweist.

3.1 Gemäß D1 können mit dem hp B10II alle Belegungen von Funktionstasten mittels einer "recall" (RCL) Funktion im Display visualisiert werden (S. 56, Text unter der Tabelle), und Berechnungsergebnisse werden mit einem geeigneten Indikator angezeigt (z. B. S. 74, rechte Spalte, "PRIN", "INT", "BAL").

3.2 Aus D1a geht weiter hervor, dass der hp B10II ein dreiteiliges Display mit zwei Indikatorzeilen ober- und unterhalb des Datenfeldes aufweist (D1a, Nr. 21).

3.3 Anspruch 1 unterscheidet sich somit von hp B10II gemäß D1 und D1a dadurch, dass der beanspruchte Taschenrechner

1) die dynamisierte Tilgungsverrechnung unterstützt;

2) drei Funktionstasten für die Eingabe und/oder Bestimmung der entsprechenden Parameter aufweist;

3) nach Belegen einer dieser Funktionstasten die Bestimmung der zwei übrigen ermöglicht;

4) die dynamisierte Rechnung als "Erweiterung" der nicht-dynamisierten durchführt, in dem die Werte zuvor belegter bzw. berechneter Funktionstasten verwendet werden;

5) eine Historietaste und eine Historielöschtaste aufweist, mit deren Hilfe Funktionstastenbelegungen visualisierbar und einzeln löschbar sind; sowie

6) ein Display aufweist, das oberhalb des Tastenfelds "Indikatoren" für alle Funktionstasten und unterhalb des Tastenfelds einen Indikator für die Historiefunktion vorsieht, mit deren Hilfe die Belegungen der Funktionstaste sowie der Historiemodus darstellbar ist.

3.4 Unterschied 1) Wie die Beschwerdeführerin bestätigt, sind die für die dynamisierte Tilgungsverrechnung notwendigen Formeln aus der Finanzmathematik bekannt. Darüber hinaus ergibt sich der Bedarf, gerade diese Berechnung zu unterstützen, aus einem rein finanzmathematischen - und damit nicht-technischen - Kontext und ist somit im Licht der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA (insbes. T 641/00, Amtsblatt 2003, 352; Leitsatz II) ein legitimer Bestandteil der Aufgabe gemäß dem Problem-Lösungs-Ansatz sei. Eine erfinderische Tätigkeit kann also bestenfalls damit begründet werden, wie der Finanzrechner um die neue Berechnung ergänzt werden, nicht aber allein mit der Tatsache, dass dies geschieht.

3.5 In Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin (vgl. Beschwerdebegründung, Punkt 5, 1. Absatz) sieht die Kammer somit das objektiv von den Merkmalen 1-6 gelöste Problem darin, einen Taschenrechner mit einer dynamischen Tilgungsverrechnungs-Routine bereitzustellen, die sicher und zuverlässig bedienbar, kontrollierbar sowie korrigierbar ist.

4. Unterschied 2) Nach Ansicht der Kammer würde sich der Fachmann bemühen, dass der Benutzer, der mit dem hp B10II vertraut ist, die neue Funktion ohne großen Lernaufwand nutzen kann. Insbesondere würde er, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden, für die Eingabe bzw. Bestimmung der neuen Parameter ebensolche Funktionstasten vorsehen, wie sie für die Parameter der nicht-dynamischen Tilgungsverrechnung schon vorgesehen sind.

5. Unterschied 3) Wie viele der neuen Parameter bekannt sein müssen und welche, bevor die übrigen berechnet werden können, folgt mit mathematischer Notwendigkeit aus den verwendeten Formeln und kann daher eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

6. Unterschied 4) Die Kammer hat keine Möglichkeit zu überprüfen, ob oder unter welchen Umständen beim hp B10II gemäß D1/D1a die Neueingabe eines unveränderten Parameterwertes nötig ist, aber auch keinen Anlass an den entsprechenden Erläuterungen der Beschwerdeführerin zu zweifeln. Allerdings ist die Kammer der Ansicht, dass die Notwendigkeit einer solchen redundanten Neueingabe für den Benutzer einen offensichtlichen Mangel darstellen würde, den er würde beseitigen wollen. Wenn bspw. die Anfangs- und Endrate eines dynamischen Tilgungsplans bei gegebener Dynamisierungsrate zu bestimmen ist und zu dieser Berechnung weitere Parameterwerte benötigt werden, die schon durch vorangehende Belegung oder Berechnung bekannt sind, so ist es offensichtlich störend, eine erneute Eingabe dieser Werte zu verlangen. Es wäre demnach für den Fachmann naheliegend, die Benutzerfreundlichkeit des Taschenrechners dadurch zu erhöhen, dass schon vorliegende Parameterwerte soweit als möglich weiter verwendet werden. Auch kann die Kammer weder technische Schwierigkeiten erkennen, die einer Wiederverwendung schon vorliegender Werte entgegen stehen könnten, noch sind der Beschreibung oder dem Vortrag der Beschwerdeführerin solche Schwierigkeiten zu entnehmen.

7. Unterschied 5) Aus Dokument D2 ist ein Taschenrechner mit einer Historiefunktion bekannt, die dazu dient eine eingegebene Berechnung zu überprüfen und ggfs. zu korrigieren (Spalte 1, Zeilen 48-60). Insbesondere sieht D2 eine Historietaste vor, mit der nacheinander sowie rückwärts die getätigten Eingaben visualisierbar sind ("The Back Key", Spalte 9, Zeilen 25-64), und eine Historielöschtaste, mit der Dateneingaben individuell löschbar sind ("The Delete Key", Spalte 11, Zeile 47 - Spalte 12, Zeile 19).

7.1 Ausgehend vom hp B10II und auf der Suche nach Lösungen für das oben genannte objektive technische Problem - insbesondere das Teilproblem, Berechnungen überprüfbar und ggfs. korrigierbar zu machen - würde der Fachmann nach Auffassung der Kammer die Historiefunktion aus D2 ohne erfinderische Tätigkeit in Betracht ziehen und geeignet anzupassen versuchen.

7.2 D2 beschreibt die Historiefunktion insbesondere für arithmetische Berechnungen unter Verwendung der binären Operatoren +, - , * und %. Die Rechnung wird als Folge sogenannter "calculation items" gespeichert, die jeweils einen Operator und einen Zahlwert enthalten (Spalte 7, Z. 12-14) und die nur gemeinsam gelöscht werden können (Sp. 11, Z. 59), damit sichergestellt bleibt, dass Operatoren und Zahlwerte abwechselnd auftreten (Spalte 8, Zn. 48-50).

Nach Einschätzung der Kammer ist es für den Fachmann evident, dass sich der spezifische Aufbau der "calculating items" daraus ergibt, dass die betrachteten Operatoren alle binär sind. Würde die Historiefunktion beispielsweise auf den einstelligen Wurzeloperator erweitert (vgl. D2, Abb. 1), müsste offensichtlich zugelassen werden, dass ein "calculating item" aus einem Operator ohne assoziierten Zahlwert besteht. Der Fachmann würde somit erkennen, dass die Historiefunktion immer dann, wenn andere Operationen der Prüfung und Korrektur zugänglich gemacht werden sollen, an die Eigenarten dieser Operationen angepasst werden muss.

7.3 Aus offensichtlichen Gründen nimmt die Historiefunktion aus D2 keinen Bezug auf Funktionstasten. Da mit diesen Funktionstasten gemäß D1 jedoch entscheidende Operationen verbunden sind, die ebenfalls einer Überprüfung und Korrektur bedürfen, würde der Fachmann nach Ansicht der Kammer die Historiefunktion aus D2 auch auf Funktionstasten erweitern, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.

7.4 Die Kammer räumt ein, dass sich durch Löschen eines "calculating items" das Ergebnis einer gesamten Berechnung ändert, während das durch Löschen einer Funktionstastenbelegung nicht der Fall sein muss. Nach Ansicht der Kammer folgt dieses unterschiedliche Verhalten aber schon aus der unterschiedlichen Natur einer Rechenoperation und einer Funktionstaste, und tritt somit unmittelbar ein, wenn die Historiefunktion auf Funktionstasten erweitert wird.

8. Unterschied 6) Ausgehend von der Recall-Funktion des hp B10II ist es nach Einschätzung der Kammer naheliegend, die Verständlichkeit des angezeigten Werts und damit die Benutzerfreundlichkeit des Taschenrechners dadurch zu erhöhen, dass neben dem angezeigten Wert auch die zugehörige Funktionstaste visualisiert wird. Im Zusammenhang mit der Historiefunktion ist nach Ansicht der Kammer eine solche Visualisierung der Funktionstaste zur Erläuterung des entsprechenden Werts für das Verständnis sogar zwingend.

Obgleich aus D1 nur die Anzeige von Indikatoren bekannt ist, die Berechnungsergebnissen aber nicht Funktionstasten entsprechen, so ist doch das Display des hp B10II schon grundsätzlich so ausgestaltet, dass vergleichbare Textinformationen dargestellt werden können. Ob in einem gegebenen Taschenrechner tatsächlich weitere solche Indikatoren vorgesehen werden, hängt unter anderem davon ab, ob der verfügbare Displaybereich dazu ausreicht. Die Kammer ist jedoch der Überzeugung, dass es technisch unproblematisch wäre, den Taschenrechner mit einem entsprechend größeren Display auszustatten, um dort weitere Indikatoren darzustellen.

9. Die Kammer kann nicht nachvollziehen, welche technischen Schwierigkeiten einen Hersteller von Taschenrechnern davon abgehalten haben könnten, nach einschlägigen Verhandlungen mit der Beschwerdeführerin die Produktion der Erfindung zu unternehmen: Zum einen dürften für den Hersteller solche Schwierigkeiten nicht mehr bestanden haben, da doch die Beschwerdeführerin diese mit der Erfindung schon gelöst hatte. Zum anderen gehen weder aus der Anmeldung noch aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin solche Schwierigkeiten hervor.

10. Die Kammer zweifelt nicht am behaupteten kommerziellen Erfolg der Erfindung, kann aber über den Grund dieses Erfolgs nur spekulieren. Es ist denkbar, dass die Erfindung sich vor allem deshalb gut verkauft, weil die dynamisierte Tilgungsberechnung unmittelbar unterstützt wird (Unterschied 1) aber unabhängig davon, wie das im Einzelnen geschieht (Unterschiede 2-6). Selbst die (unbewiesene) Annahme, dass alle genannten Unterschiede für den kommerziellen Erfolg kausal wären, ist nach Meinung der Kammer unzureichend, einen erfinderischen Schritt zu begründen: Ob ein bestimmtes Produkt tatsächlich hergestellt wird, hängt auch von rein kommerziellen Überlegungen ab, etwa davon ob der erzielbaren Gewinn als hoch genug eingeschätzt wird. Solche Überlegungen aber haben keinen Einfluss darauf, ob das fragliche Produkt unter technischen Gesichtspunkten naheliegend erscheint und muss daher bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit im Sinne des EPÜ außer Acht bleiben.

11. Insgesamt kommt die Kammer daher zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags im Lichte des Dokuments D1 in Kombination mit D2 und allgemeinem Fachwissen keine erfinderische Tätigkeit aufweist.

Artikel 56 EPÜ, Hilfsantrag

12. Die Beschwerdeführerin hat eingeräumt, dass schon der hp B10II eine Funktionstaste für die Umschaltung zwischen vorschüssiger und nachschüssiger Zahlung aufweist (vgl. D1, S. 57, "Beginn- und Ende-Modus"; und D1a, Zweitbelegung der Taste MAR, Nr. 18).

Somit unterschiedet sich Anspruch 1 des Hilfsantrags vom hp B10II zusätzlich dadurch, dass der beanspruchte Taschenrechner

7) eine zusätzliche Taste mit der Doppelbelegung Z/D und Z/DE aufweist.

13. Es ist vom hp B10II grundsätzlich bekannt, Tasten doppelt zu belegen, und auch die Belegung einer Taste mit zwei Funktionstasten derselben Berechnung ist vom hp B10II grundsätzlich bekannt, der PMT und P/YR auf einer Taste kombiniert (vgl. D1a und D1, S. 60). Zwar erkennt die Kammer die behauptete Besonderheit der Funktionstaste P/YR an¸ diese weist aber nach Einschätzung der Kammer vor allem darauf hin, dass der Fachmann schon bei der Doppelbelegung der Tasten des hp B10II berücksichtigt hat, ob eine solche Belegung praktikabel und bequem ist.

Im vorliegenden Fall liegt nach Meinung der Kammer die Doppelbelegung einer Taste durch zwei der neuen Funktionstasten aus verschiedenen Gründen nahe. Zum einen erleichtert es den Umstieg auf den neuen Taschenrechner, wenn die bekannte Tastenbelegung weitestgehend unverändert bleibt (vgl. Unterschied 2, Punkt 4). Zum anderen ist es eine mathematische Tatsache, dass von den drei neuen Parametern in jedem Einzelfall nur einer belegt werden muss (vgl. Unterschied 3, Punkt 5), so dass der Fachmann diese Doppelbelegung als praktikabel erkennen würde. Die Doppelbelegung schließlich einer Taste mit den spezifischen Funktionen Z/D und Z/DE ist nach Ansicht der Kammer schon aus Symmetrieüberlegungen naheliegend.

14. Die Kammer kommt somit zu dem Ergebnis, dass auch der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags keine erfinderische Tätigkeit gegenüber D1, D2 und allgemeinem Fachwissen aufweist.

15. Da somit kein gewährbarer Antrag vorliegt, muss die Beschwerde zurückgewiesen werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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