T 0792/07 () of 8.7.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T079207.20100708
Datum der Entscheidung: 08 Juli 2010
Aktenzeichen: T 0792/07
Anmeldenummer: 98112651.9
IPC-Klasse: A61K 7/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verwendung von kationischen Polymeren als Haarkonditionierungsmittel
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: L'OREAL
Kammer: 3.3.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Zulässigkeit des Hauptantrags (bejaht)
Änderungen - Erweiterung (verneint)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Alternative (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0288/92
T 0680/93
T 0962/98
T 0714/08
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 0 893 117 (Anmeldenummer 98 112 651.9) widerrufen wurde. Das Patent umfasste 4 Ansprüche, wobei der unabhängige Anspruch 1 wie folgt lautete:

"1. Verwendung von Polymeren, die erhältlich sind durch

(i) radikalisch initiierte Copolymerisation von Monomergemischen aus

(a) 1 bis 99,99 Gew.-% eines kationischen Monomeren oder quaternisierbaren Monomeren

(b) 0 bis 98,99 Gew.-% eines wasserlöslichen Monomeren,

(c) 0 bis 50 Gew.-% eines weiteren radikalisch copolymerisierbaren Monomeren und

(d) 0,01 bis 10 Gew.-% eines bi- oder mehrfunktionellen radikalisch copolymerisierbaren Monomeren, und

(ii) anschließende Quaternisierung des Polymeren, sofern als Monomeres (a) ein nicht quaternisiertes Monomer eingesetzt wird,

als Haarkonditionierungsmittel in Zubereitungen für die Haarkosmetik."

II. Gegen die Erteilung des obigen Patentes wurde Einspruch eingelegt, mit dem Antrag, das Patent wegen fehlender Neuheit und mangelnder erfinderischen Tätigkeit (Artikel 100 (a) EPÜ) sowie unzureichender Offenbarung (Artikel 100 (b) EPÜ) in vollem Umfang zu widerrufen.

III. Der angefochtenen Entscheidung lagen das erteilte Patent als Hauptantrag und ein mit Schreiben vom 6. Dezember 2006 eingereichter Hilfsantrag zu Grunde. Die Entscheidung war unter anderem auf folgenden Stand der Technik gestützt:

D3: WO-A-94/21224

D5: US-A-4 806 345.

IV. Die Einspruchabteilung war der Auffassung, dass der Hauptantrag die Erfordernisse der Artikel 83 und 54 EPÜ erfülle, jedoch gegenüber D3 keine erfinderische Tätigkeit ausweise. Auch der Hilfsantrag sei gegenüber D3 unter Berücksichtigung von D5 nicht erfinderisch.

V. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte am 9. Mai 2007 Beschwerde ein unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr. Mit der am 11. Juli 2007 eingereichten Beschwerdebegründung reichte sie einen neuen Anspruchssatz als Hauptantrag, sowie Vergleichsversuche ein. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautete wie folgt (die gegenüber dem erteilten Anspruch 1 hinzugefügten Merkmale sind hervorgehoben):

"1. Verwendung von Polymeren, die erhältlich sind durch

(i) radikalisch initiierte Copolymerisation von Monomergemischen aus

(a) 1 bis 99,99 Gew.-% eines kationischen Monomeren oder quaternisierbaren Monomeren

wobei als Monomer (a)

N-Vinylimidazol-Derivate der allgemeinen Formel (i),

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

worin R**(1) bis R**(3) für Wasserstoff, C1-C4-Alkyl oder Phenyl steht,

oder

Diallylamine der allgemeinen Formel (II),

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

worin R**(4) für C1-C24-Alkyl steht

oder

N,N-Dialkylaminoalkylacrylamide und -methacrylamide der allgemeinen Formel (III),

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

wobei R**(5), R**(6) unabhängig für ein Wasserstoffatom oder einen Methylrest, R**(7) für ein Alkylenrest mit 1 bis 24 C-Atomen, optional substituiert durch Alkylreste und R8, R9 (sic) für C1-C24 Alkylreste und Z für ein Stickstoffatom zusammen mit x = 1 stehen,

und wobei die Verbindungen der allgemeinen Formeln (i) bis (III) quaternisiert vorliegen können,

verwendet werden,

(b) 0 bis 98,99 Gew.-% eines wasserlöslichen Monomeren,

(c) 0 bis 50 Gew.-% eines weiteren radikalisch copolymerisierbaren Monomeren und

(d) 0,01 bis 10 Gew.-% eines bi- oder mehrfunktionellen radikalisch copolymerisierbaren Monomeren, und

(ii) anschließende Quaternisierung des Polymeren, sofern als Monomeres (a) ein nicht quaternisiertes Monomer eingesetzt wird,

als Haarkonditionierungsmittel in Zubereitungen für die Haarkosmetik."

VI. Mit ihrem Antwortschreiben vom 27. Mai 2008 reichte die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) das Dokument D8 (WO-A-97/35544) ein und beanstandete den Hauptantrag unter der Regel 80 und den Artikeln 84, 54 und 56 EPÜ. Insbesondere sah die Beschwerdegegnerin Dokument D8 (Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ) als neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag.

VII. Mit Schreiben vom 4. Juni 2010 reichte die Beschwerdeführerin acht weitere Anspruchssätze als Hauptantrag und Hilfsanträge 1. bis 7., sowie weitere Vergleichsversuche ein.

VIII. Während der mündlichen Verhandlung, die am 8. Juli 2010 stattfand, zog die Patentinhaberin alle vorherigen Anträge zurück und reichte einen neuen Anspruchssatz als Hauptantrag ein. Anspruch 1 gemäß diesem Hauptantrag lautete wie folgt (die gegenüber dem erteilten Anspruch 1 gestrichenen Merkmale sind durchgestrichen, die hinzugefügten Merkmale hervorgehoben):

"1. Verwendung von Polymeren, die erhältlich sind durch

(i) radikalisch initiierte Copolymerisation von Monomergemischen aus

(a) [deleted: 1 bis 99,99 ]2 bis 70 Gew.-% eines kationischen Monomeren oder quaternisierbaren Monomeren

wobei als Monomer (a)

N-Vinylimidazol-Derivate der allgemeinen Formel (i),

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

worin R**(1) bis R**(3) für Wasserstoff, C1-C4-Alkyl oder Phenyl steht,

oder

Diallylamine der allgemeinen Formel (II),

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

worin R**(4) für C1-C24-Alkyl steht

oder

3-Methyl-1-vinylimidazoliumchlorid, -methosulfat, Dimethyldiallylammoniumchlorid

verwendet werden,

(b) [deleted: 0 bis 98,99 ]22-97,98 Gew.-% [deleted: eines wasserlöslichen Monomeren ]N-Vinylpyrrolidon,

(c) 0 bis [deleted: 50 ]40 Gew.-% eines weiteren radikalisch copolymerisierbaren Monomeren und

(d) [deleted: 0,01 bis 10 ]0,02 bis 8 Gew.-% eines bi- oder mehrfunktionellen radikalisch copolymerisierbaren Monomeren, und

(ii) anschließende Quaternisierung des Polymeren, sofern als Monomeres (a) ein nicht quaternisiertes Monomer eingesetzt wird,

als Haarkonditionierungsmittel in Zubereitungen für die Haarkosmetik."

IX. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Zulässigkeit

Der Hauptantrag entspreche dem mit Schreiben vom 4. Juni 2010 eingereichten 2. Hilfsantrag, der innerhalb der von der Beschwerdekammer gesetzten Frist eingereicht wurde, wobei eine weitere minimale Änderung während der mündlichen Verhandlung hinzugefügt wurde als Reaktion auf einen Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ. Der Hauptantrag enthalte keine Änderung, mit der die Beschwerdegegnerin nicht hätte rechnen können. Er sei auf den Kern der Erfindung gerichtet und deshalb eine logische und vorhersehbare Beschränkung im Lichte des zitierten Standes der Technik. Daher sei der Hauptantrag zuzulassen.

b) Änderungen

Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sei durch den allgemeinen Teil der ursprünglichen Beschreibung und durch die Beispiele gestutzt. N-Vynilpyrrolidon sei als bevorzugtes Monomer (b) offenbart, die engeren Mengenbereiche seien als bevorzugt erwähnt. Die beanspruchten Monomere (a) seien die einzigen Monomere (a), die in den Beispielen zum Einsatz kämen, und zwar in Kombination mit N-Vynilpyrrolidon, den bevorzugten Mengen und verschiedenen Vernetzern. Die beanspruchte Kombination enthalte die bevorzugten Monomere (a) und (b) in den bevorzugten Mengen und sei deshalb keine nicht-offenbarte Zwischenverallgemeinerung.

c) Neuheit und erfinderische Tätigkeit

Kein Dokument könne die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 in Frage stellen.

Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von der Offenbarung im nächstliegenden Stand der Technik D3 im Monomer (a), Monomer (b) und in der Menge an Vernetzer.

Die eingereichten Beispiele und Vergleichbeispiele bewiesen, dass mehrere Eigenschaften durch die beanspruchte Verwendung der Polymere verbessert wurden. Die Stabilität der die Polymere enthaltenden Zusammensetzung sei mit den im Patent explizit genannten Wirkungen eng verbunden, sodass sie erheblich für die erfinderische Tätigkeit sei. Darüber hinaus sei die Auswaschbarkeit der Zusammensetzung gut, sodass kein Build-up stattfinde. Auch eine geringe Verbesserung der Kämmbarkeit sei relevant. Es sei unerheblich, ob die Quaternisierung vor oder nach der Polymerisation stattfinde, sodass die Beispiele auch für die Ausführungsformen, die nicht quaternisierte Monomere als Ausgangspunkt haben, von Bedeutung seien. Was die Auslegung des Anspruchs 1 betreffe, sei aus dem Wortlaut zweifellos zu verstehen, dass die Verwendung der Polymere zur Haarkonditionierung gemeint sei. Da die Verwendung der Polymere als Haarkonditionierungsmittel beansprucht werde, sei jede andere Interpretation unsinnig. Die Aufgabe gegenüber D3 bestehe dann darin, Polymere bereitzustellen, die als Haarkonditionierungsmittel geeignet seien und deren Verwendung zu haarkosmetischen Produkten führe, die dem damit behandelten Haar ein gutes Aussehen und einen guten Griff verleihen und die eine verbesserte Auswaschbarkeit zeigen.

Es sei im zitierten Stand der Technik kein Hinweis zu finden, dass die Polymere, wie in Anspruch 1 definiert, die gestellte Aufgabe lösen könnten. D5 offenbare zwar äquivalente Polymere, wobei einige auch Monomere der Formel (II) enthielten, aber diese Polymere seien als Verdicker benutzt worden; N-Vinylpyrrolidon werde nicht erwähnt und auf die gestellte Aufgabe werde nicht hingewiesen. Die in den Absätzen [0009] und [0010] des angefochtenen Patents zitierten Dokumente offenbarten Polymere, die für völlig andere Zwecke benutzt wurden (z.B. als Adsorbentien) und die als Haarkonditioniermittel nicht geeignet seien. Aus diesen Gründen sei eine erfinderische Tätigkeit anzuerkennen.

X. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

a) Zulässigkeit

Zwei Jahre nach der Erwiderung der Beschwerdegegnerin und erst einen Monat vor der mündlichen Verhandlung wurden neuen Anträge eingereicht, einschließlich Hilfsantrag 2., der während der mündlichen Verhandlung weiter geändert und als Hauptantrag eingereicht wurde. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag entspreche keinem früher eingereichten abhängigen Anspruch, sondern enthalte Änderungen, die der Beschreibung entnommen wurden. Der geänderte Hauptantrag könne weder als Reaktion auf die Einwände der Beschwerdegegnerin, die zwei Jahre früher eingereicht wurden, noch als Reaktion auf den Bescheid der Beschwerdekammer gesehen werden, da dort keine neuen Einwände erhoben wurden. Da der Hauptantrag neue Probleme und eine neue Diskussion verursache, sei er gemäß der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern nicht zuzulassen.

b) Änderungen

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag unterscheide sich vom ursprünglich eingereichten Anspruch 1 durch die Auswahl spezifischer Monomere (a), die durch die Formel (i) und (II) und eine weitere Auflistung definiert werden, durch die Auswahl eines spezifischen Monomers (b) und durch die Spezifizierung engerer Mengenbereiche für die Monomere (a)-(d). Die daraus resultierende Kombination sei nicht ursprünglich offenbart und führe zu einer neuen Ausführungsform, die keine unmittelbare und eindeutige Basis in der ursprünglichen Anmeldung habe. Insbesondere offenbarten die Bespiele nur noch spezifischere Ausführungsformen, die jedoch keine Basis für die jetzt beanspruchte Kombination lieferten, die somit eine Zwischenverallgemeinerung der Beispiele darstelle. Durch den geänderten Anspruch 1 habe die Patentinhaberin versucht, eine Abgrenzung der Erfindung gegenüber dem zitierten Stand der Technik zu finden, die eine formelle Basis für die einzelnen geänderten Merkmale habe. Eine solche Basis sei aber gemäß der Rechtsprechung nicht ausreichend. Es wurde auf die Entscheidungen T 288/92 vom 18. November 1993, T 680/93 vom 29. November 1994, T 962/98 vom 15. Januar 2004 und T 714/08 vom 4. März 2010 hingewiesen.

c) Neuheit und erfinderische Tätigkeit

Kein Dokument offenbare in Kombination alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag.

Der nächstliegende Stand der Technik D3 offenbare die Verwendung wässriger Dispersionen, die Silikonen und vernetze Copolymere enthalten, für die Haarbehandlung, um die Kämmbarkeit, Weichheit und Festigungseigenschaften des Haares zu verbessern, also für die Haarkonditionierung. Die Copolymere von D3 enthalten Trimethylamin-ethylmethacrylatchlorid, das unter den Monomeren der Formel (III) gemäß dem angefochtenen Patent falle, und Acrylamid als wasserlösliches Monomer. Die beanspruchte Verwendung unterscheide sich von D3 nur dadurch, dass das Monomer (a) ein quaternisiertes Monomer der Formel (i) oder (II) sei und dass als wasserlösliches Monomer N-Vinylpyrrolidon anstatt Acrylamid verwendet werde.

Es werde durch die eingereichten Vergleichbeispiele kein Effekt nachgewiesen, der aus diesen Unterschieden erfolge. Erstens gebe es zahlreiche Unterschiede zwischen den Beispielen und den Vergleichbeispielen, sodass sie keine Wirkung eines bestimmten Unterschieds beweisen könnten. Was die Ergebnisse der gemessenen Werte betreffe, sei die Stabilität der Zusammensetzung nicht relevant, weil sie in keinem Zusammenhang mit der ursprünglich gestellten Aufgabe stehe und weil die Verwendung der Polymere und nicht die Zusammensetzung an sich beansprucht werde; die Auswaschbarkeit stehe auch in keiner Verbindung mit dem "Build-up" Effekt. Die Kämmeigenschaften seien nicht aussagekräftig, weil kein bedeutender Unterschied zwischen den Beispielen und den Vergleichbeispielen gemessen sei. Außerdem beträfen alle Beispiele nur die quaternisierten Monomere, sodass eine Verbesserung in der ganzen Breite des Anspruchs nicht bewiesen sei. Darüber hinaus werde nicht die Verwendung der Polymere zur Konditionierung des Haares beansprucht, sondern nur deren Verwendung als Haarkonditionierungsmittel in Zubereitungen für die Haarkosmetik. Da eine Konditionierung nur auf dem Haar und nicht in der Zubereitung stattfinden könne, sei Anspruch 1 einfach als die Verwendung der Polymere zur Zubereitung kosmetischer Zusammensetzungen mit konditionierenden Eigenschaften zu interpretieren, wobei damit ein konditionierender Effekt der Polymere nicht impliziert sei. Eine angebliche Verbesserung der Konditionierungseigenschaften sei auch aus diesen Gründen nicht erheblich. Daher könne die zu lösende Aufgabe gegenüber D3 nur in der Bereitstellung alternativer Polymere für kosmetische Haarzusammensetzungen gesehen werden, die äquivalent zu den Polymeren von D3 seien.

Dokument D5 offenbare vernetze Copolymere für die Haarkosmetik, die als Monomere das quaternisierte Ammoniumsalz von Dimethylamin-ethylmethacrylat oder Diallyldimethylammoniumchlorid in Kombination mit Acrylamid enthalten können. Da N-Vinylpyrrolidon eine bekannte Alternative zu Acrylamid sei, beruhe das Ersetzen der Monomere (a) und (b) von D5 mit denen gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Es sei auch im angefochtenen Patent anerkannt, dass die verwendeten Polymere schon bekannt seien. Es wurde auf Absatz [0009] der Patentschrift verwiesen.

XI. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis der Ansprüche 1 und 2 des in der mündlichen Verhandlung am 8. Juli 2010 eingereichten Hauptantrags und einer daran angepassten Beschreibung.

XII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulässigkeit des Hauptantrags

2.1 Mit der Beschwerdebegründung wurde von der Patentinhaberin ein Hauptantrag eingereicht, dessen Anspruch 1 dem erteilten Anspruch 1 entsprach mit der Spezifizierung, dass als Monomer (a) Verbindungen der Formeln (i), (II) oder (III) (siehe Punkt V., supra) verwendet werden, wobei die Verbindungen der allgemeinen Formeln (i) bis (III) quaternisiert vorliegen können.

2.2 Während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer am 8. Juli 2010 reichte die Beschwerdeführerin einen weiteren Hauptantrag ein, wobei im Vergleich zu dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrag die Verbindungen der Formel (III) gestrichen wurden und die quaternisierten Verbindungen der Formeln (i) und (II) explizit aufgelistet wurden, als Monomer (b) N-Vynilpyrrolidon ausgewählt wurde und die Mengen der Monomere (a) bis (d) eingeschränkt wurden.

2.3 Alle Änderungen kamen als Reaktion auf Einwände der Beschwerdegegnerin bzw. der Beschwerdekammer.

2.3.1 Die Spezifizierung von N-Vynilpyrrolidon als Monomer (b) und die Änderung der Mengenbereiche wurden von der Beschwerdeführerin hinzugefügt, um den beanspruchten Gegenstand von Dokument D8 - Stand der Technik unter Artikel 54(3) EPÜ, das erst mit der Erwiderung der Beschwerdegegnerin eingereicht wurde - abzugrenzen.

2.3.2 Die Verbindungen der Formel (III) wurden aufgrund eines während der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwands nach Artikel 123 (2) EPÜ gestrichen.

2.3.3 Da gegen die Präzisierung, dass "die Verbindungen der allgemeinen Formeln (i) bis (III) quaternisiert vorliegen können", Einwände unter Regel 80 und Artikel 84 EPÜ erhoben wurden, wurden die quaternisierten Verbindungen der Formel (i) und (II) explizit aufgelistet.

2.4 Auch wenn einige Einwände schon mit der Erwiderung der Beschwerdegegnerin erhoben wurden, sodass die Beschwerdeführerin die entsprechenden Änderungen früher hätte einreichen können, schränken die vorgeschlagenen Änderungen den Gegenstand des Anspruchs 1 zum Kern der Erfindung ein (siehe Punkte 3.5 und 3.6, infra), sie ändern den Zweck der Erfindung nicht und sie werfen keine Fragen auf, deren Behandlung der Kammer oder der Beschwerdegegnerin nicht ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung zuzumuten wäre.

2.5 Daher wird der während der mündlichen Verhandlung am 8. Juli 2010 eingereichte Hauptantrag zugelassen (Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, Artikel 13).

3. Änderungen

3.1 Anspruch 1 gemäß Hauptantrag enthält gegenüber dem erteilten Anspruch 1 (der identisch mit dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 ist) folgende Änderungen:

a) als Monomer (a) werden 2 bis 70 Gew.-% N-Vinylimidazol-Derivate der allgemeinen Formel (i),

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

worin R**(1) bis R**(3) für Wasserstoff, C1-C4-Alkyl oder Phenyl steht, oder

Diallylamine der allgemeinen Formel (II),

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

worin R**(4) für C1-C24-Alkyl steht oder

3-Methyl-1-vinylimidazoliumchlorid, -methosulfat, Dimethyldiallylammoniumchlorid verwendet;

b) als wasserlösliche Monomer (b) wird ausschließlich 22-97,98 Gew.-% N-Vinylpyrrolydon beansprucht;

c) die Mengen der Monomere (c) und (d) sind auf 0 bis 40 Gew.-% bzw. 0,02 bis 8 Gew.-% beschränkt.

3.2 Die beschränkten Mengenangaben entsprechen den bevorzugten Mengen der Monomere (a), (b), (c) und (d), die in der ursprünglich eingereichten Beschreibung offenbart werden (Seite 3, Zeile 39 - Seite 4, Zeile 7). Darüber hinaus sind die vier bevorzugten Bereiche mit einander konsistent, indem die unteren und oberen Werte sich zu 100% addieren.

3.3 N-Vinylpyrrolidon wird in der Beschreibung als besonders bevorzugtes Monomer (b) offenbart (Seite 6, Zeilen 16-17) und in allen Beispielen verwendet.

3.4 Die Monomere (a) können gemäß dem ursprünglichen Anspruch 1 kationisch oder quaternisierbar sein, wobei im zweiten Fall eine Quaternisierung nach der Polymerisation stattfinden muss.

3.4.1 Als kationische Monomere (a) werden in der Beschreibung "3-Methyl-1-vinylimidazoliumchlorid und -methosulfat, Dimethyldiallyammoniumchlorid sowie N,N-Dimethylaminoethylmethacrylat und N-[3-(dimethylamino)propyl]methacrylamid, die durch Methylchlorid, Dimethylsulfat oder Diethylsulfat quaternisiert wurden" offenbart (Seite 5, Zeilen 29-33), wobei "3-Methyl-1-vinylimidazoliumchlorid und -methosulfat und Dimethyldiallylammoniumchlorid" besonders bevorzugt werden (Seite 5, Zeilen 35-37).

3.4.2 Als geeignete quaternisierbare Monomere (a) werden in der Beschreibung N-Vinylimidazol-Derivate der allgemeinen Formel (i), worin R**(1) bis R**(3) für Wasserstoff, C1-C4-Alkyl oder Phenyl steht

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Diallylamine der allgemeinen Formel (II), worin R**(4) für C1-C24-Alkyl steht

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

N,N-Dialkylaminoalkylacrylate und -methacrylate und N,N-Dialkylaminoalkylacrylamide und -methacrylamide der allgemeinen Formel (III),

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

wobei R**(5), R**(6) unabhängig für ein Wasserstoffatom oder einen Methylrest, R**(7) für ein Alkylenrest mit 1 bis 24 C-Atomen, optional substituiert durch Alkylreste und R**(8), R**(9) für C1-C24 Alkylreste und Z für ein Stickstoffatom zusammen mit x = 1 oder für ein Sauerstoffatom zusammen mit x=0 stehen (Seite 4, Zeilen 13-43), offenbart.

3.4.3 In den Beispielen werden jedoch nur quaternisierte Monomere der Formeln (i) und (II) (Dimethyldiallylammoniumchlorid, 3-Methyl-1-vinylimidazoliumchlorid, 3-Methyl-1-vinylimidazoliummethylsulfat und 2,3-Dimethyl-1-vinylimidazoliummethylsulfat) in Kombination mit N-Vinylpyrrolidon verwendet, in Mengen innerhalb der bevorzugten Bereichen. Daraus kann man zum Schluss kommen, dass die Monomere der Formel (i) und (II) die am meisten bevorzugten quaternisierbaren Monomere (a) darstellen.

3.5 In Anspruch 1 gemäß Hauptantrag werden deshalb nicht willkürlich ausgewählte Monomere und Mengenangaben kombiniert, sondern die als bevorzugt angegebenen Monomere (a), Monomer (b) und Mengenangaben, die die Monomergemische aller Beispiele umfassen.

3.6 Entgegen der Auffassung der Einsprechenden führen die hinzugefügten Änderungen nicht zu einer neuen Kombination, die unabhängig offenbarte Merkmale beliebig zusammensetzt, sondern sie beschränken den Schutzbereich auf den Kern der Erfindung wie ursprünglich offenbart. Der Fachmann findet in der Beschreibung und in den Beispielen eine eindeutige und unmittelbare Offenbarung der jetzt beanspruchten Kombination.

3.7 Die vorliegende Situation unterscheidet sich von allen von der Einsprechenden zitierten Entscheidungen.

In T 0288/92 (supra) wurden die geänderten Merkmale nicht als solche im allgemeinen Teil der Beschreibung offenbart, wie jetzt der Fall ist. T 0680/93 (supra) betraf eine Verallgemeinerung einer spezifischen Ausführungsform, was hier nicht der Fall ist. In T 0962/98 und T 0714/08 (supra) konnte man aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht zweifelsfrei erkennen, dass die aus den Beispielen aufgenommenen Merkmale nicht in engem Zusammenhang mit den übrigen Merkmalen des Ausführungsbeispieles standen, sondern sich unmittelbar und eindeutig auf den allgemeineren Kontext bezogen, was im jetzigen Fall jedoch klar aus der Beschreibung und den Beispielen hervorgeht.

3.8 Die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ sind deshalb erfüllt.

4. Neuheit und erfinderische Tätigkeit

4.1 Die Neuheit der Verwendung nach Anspruch 1 wurde nicht bestritten. Die Kammer sieht keinen Grund, eine andere Meinung zu vertreten.

4.2 Nächstliegender Stand der Technik

4.2.1 Das angefochtene Patent betrifft die Verwendung von bestimmten Polymeren als Haarkonditionierungsmittel. Solche Polymere sind bekannt aus D3, das in der angefochtenen Entscheidung und in allen Ausführungen der Parteien als nächstliegender Stand der Technik betrachtet wurde. Die Kammer ist der gleichen Meinung.

4.2.2 D3 offenbart die Verwendung in der Kosmetik oder bei topischer Auftragung einer wässrigen Dispersion, die ein nicht flüchtiges Organopolysiloxan, ausgewählt aus einer bestimmten Liste, und ein vernetztes Polymer aus Trimethylamin-ethylmethacrylatchlorid oder ein vernetztes Copolymer desselben Monomeres mit Acrylamid in einem kosmetisch oder physiologisch akzeptablen wässrigen Mittel enthält (Anspruch 1 und Seite 6, Zeilen 21-29). Vorzugsweise wird ein vernetztes Copolymer aus Acrylamid und Trimethylamin-ethylmethacrylatchlorid im Verhältnis 20:80 verwendet (Seite 7, Zeilen 13-15). In den Beispielen werden Haarbehandlungszusammensetzungen erwähnt, die das Handelsprodukt Salcare SC92 (eine Dispersion in Mineralöl eines vernetzten Copolymeres aus Trimethylamin-ethylmethacrylatchlorid mit Acrylamid; Seite 6, Zeilen 30-35) enthalten.

4.2.3 Durch die Behandlung mit dieser wässrigen Dispersion wird das Haar glänzend, seidenweich und leicht und die Kämmbarkeit, Weichheit und Festigungseigenschaften werden verbessert (Seite 1, Zeilen 15-21).

4.2.4 Damit werden in D3 Polymere offenbart, die ähnlich zu den in Anspruch 1 verwendeten Polymeren sind und für dieselbe Verwendung benutzt werden.

4.3 Aufgabe und Lösung

4.3.1 Die im angefochtenen Patent gestellte Aufgabe ist es, ein kationisches Konditioniermittel für Shampoos mit verbesserter Wirksamkeit und ohne Build-up Effekt zu finden (Absatz [0005]). Dieses Problem wird in D3 gelöst (Seite 1, Zeilen 15-21), wobei das behandelte Haar einfach zu kämmen, weich und leicht ist.

4.3.2 Die Frage ist jetzt zu beantworten, ob der Ersatz der Copolymere von D3 mit den jetzigen, insbesondere durch die Auswahl der Monomere (a) und (b) und der bestimmten Mengen, eine Verbesserung der Konditioniereigenschaften mit sich bringt.

4.3.3 Die in der Patentschrift enthaltenen Beispiele vergleichen die Eigenschaften von erfindungsgemäßen Polymeren mit denen von kationischen Polymeren, die keinen Vernetzer enthalten, und sind deshalb nicht geeignet, um einen Vergleich mit den vernetzten Polymeren von D3 zu ermöglichen.

4.3.4 In den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Tests und in den mit Schreiben vom 4. Juni 2010 eingereichten Vergleichsversuchen werden Salcare SC92 enthaltende Tensidlösungen mit Zusammensetzungen, die die beanspruchten Copolymere enthalten, verglichen. Die Vergleichbeispiele widerspiegeln jedoch nicht die Beispiele von D3 (insbesondere ist kein Silikon enthalten), sodass sie ebenso wenig einen direkten Vergleich des beanspruchten Gegenstandes mit den Zusammensetzungen von D3 darstellen.

4.3.5 Da somit keine Verbesserung der Ergebnisse von D3 festgestellt werden kann, kann die Aufgabe nur darin gesehen werden, weitere Polymere für haarkonditionierende kosmetische Zusammensetzungen zur Verfügung zu stellen.

4.3.6 Bei dieser Formulierung der Aufgabe ist es unerheblich, ob der Anspruch 1 gemäß der Auslegung der Einsprechenden (Verwendung der Polymere zur Zubereitung kosmetischer Zusammensetzungen mit konditionierenden Eigenschaften, wobei damit ein konditionierender Effekt der Polymere nicht impliziert sei) oder der der Pateninhaberin (Verwendung der Polymere zur Haarkonditionierung, wobei der Konditionierungseffekt der Polymere wesentlich sei) zu interpretieren ist, da bei beiden Interpretationen der Fachmann zum selben Unterschied gegenüber D3 und zur Formulierung der selben Aufgabe kommt.

4.4 Naheliegen der Lösung

4.4.1 D5 offenbart eine Körperpflegezusammensetzung enthaltend Wasser, mindestens ein Mittel mit kosmetischer Wirkung und bis zu 1.0 Gew.-% eines Verdickers bestehend im wesentlichen aus einem leicht vernetzten kationischen Vinylpolymer erhalten durch die Polymerisation von 5 bis 100 Mol.% eines kationischen Vinylmonomers, 0 bis 90 Mol.% Acrylamids, und 0.005 bis 0.05 Gew.-% eines bifunktionellen Vinylmonomers, wobei das kationische Vinylmonomer ein quaternisiertes Ammoniumsalz von Dimethylamin-ethylmethacrylat ist (Anspruch 1). Diallyldimethylammoniumchlorid wird unter anderem als alternatives geeignetes kationisches Vinylmonomer genannt (Spalte 1, Zeilen 61-65). Neben Acrylamid wird eine Kombination von Acrylamid mit Acrylamidomethyl-Propan-Sulphonsäure erwähnt (Spalte 2, Zeilen 5-10; Spalte 3, Zeilen 1-11). Andere Monomere, insbesondere N-Vinylpyrrolidon, werden nicht genannt.

4.4.2 Auf die anderen zitierten Dokumente wurde für die erfinderische Tätigkeit nicht verwiesen; auf jeden Fall werden die beanspruchten Copolymere in keinem der zitierten Dokumente genannt.

4.4.3 Während der mündlichen Verhandlung bezog sich die Einsprechende auf die Würdigung des Standes der Technik im angefochtenen Patent (insbesondere auf den Absatz [0009]) als Beweis dafür, dass die beanspruchten Polymere wohlbekannt seien, sodass sie als möglicher Ersatz der Polymere von D3 in Betracht gezogen werden könnten. Im Absatz [0009] wird die bekannte Herstellung von vernetzten Polymerisaten auf Basis von N-Vinylpyrrolidon und (quaternisiertem) N-Vinylimidazol erwähnt, die hochvernetzt, wasserunlöslich, wenig quellbar und daher als Konditioniermittel in kosmetischen Formulierungen nicht geeignet sind. Entgegen der Meinung der Einsprechenden unterscheiden sich deshalb gemäß dem Streitpatent diese als Adsorbentien und Ionenaustauscher verwendeten Polymerisate von den beanspruchten Polymeren.

4.4.4 Da im Stand der Technik kein Hinweis dafür zu finden ist, dass die beanspruchten Polymere als alternative Polymere für haarkonditionierende kosmetische Zusammensetzungen verwendet werden könnten, ist die beanspruchte Verwendung eine nicht naheliegende Alternative zur bekannten Verwendung von D3.

4.5 Aus diesen Gründen erfüllt der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.

4.6 Der abhängige Anspruch 2 spezifiziert die Verwendung der Polymere als Haarkonditionierungsmittel in Shampoos und ist aus den selben Gründen neu und erfinderisch.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent auf Basis der Ansprüche 1 und 2 des in der mündlichen Verhandlung am 8. Juli 2010 eingereichten Hauptantrags und einer noch daran anzupassenden Beschreibung aufrecht zu erhalten.

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