European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2009:T077107.20091014 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 14 October 2009 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0771/07 | ||||||||
Anmeldenummer: | 98966280.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | E04C 5/06 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Schubbewehrung für Flachdecken und Dübelleiste hierfür | ||||||||
Name des Anmelders: | HALFEN GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Deutsche Kahneisen Gesellschaft mbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Zulässigkeit verspätet vorgebrachter Beweismittel (verneint) Hauptantrag - Neuheit (bejaht) Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit (bejaht) |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 15. November 2006, zur Post gegeben am 12. März 2007, den Einspruch gegen das Europäische Patent No. 1 040 238 gemäß Artikel 102(2) EPÜ 1973 zurückzuweisen.
II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hatte am 9. Mai 2007 Beschwerde eingelegt und am gleichen Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung war am 19. Juli 2007 eingegangen.
III. Mit Ladung vom 23. Juli 2009 zur mündlichen Verhandlung teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung in einem Bescheid gemäß Artikel 15(1) VOBK mit. Die mündliche Verhandlung fand am 14. Oktober 2009 unter Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt. Während der Verhandlung legte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) einen Hilfsantrag und den druckschriftlichen Stand der Technik D7 vor.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde oder hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags.
V. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 9 gemäß Hauptantrag haben folgenden Wortlaut:
"1. Schubbewehrung für Flachdecken (1) im Stützenbereich mit mehreren, im wesentlichen radial zu einer Stütze (2) angeordneten Dübelleisten (6), bestehend jeweils aus einer Dübelschiene (7) und mehreren senkrechten, parallel und im Abstand zueinander daran angebrachten Dübeln (8,8´), die jeweils einen länglichen Dübelschaft (9,9´) und mindestens an dem von der Dübelschiene (7) abgekehrten Ende einen verbreiterten Dübelkopf (10,10´) aufweisen, dadurch gekennzeichnet, daß der Durchmesser der Dübelschäfte (9) der der Stütze (2) benachbarten Dübel (8) größer ist als der Durchmesser der Dübelschäfte (9´) der weiter von der Stütze (2) entfernten Dübel (8´)."
"9. Dübelleiste für eine Schubbewehrung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß an einer Dübelschiene (7) mindestens zwei Gruppen (11, 12) von senkrechten Dübeln (8 bzw. 8´) parallel und im Abstand zueinander angebracht sind, die jeweils einen länglichen Dübelschaft (9 bzw. 9´) und mindestens an dem von der Dübelschiene abgekehrten Ende einen verbreiterten Dübelkopf (10) aufweisen, und daß der Durchmesser der Dübelschäfte (9) einer ersten Gruppe (11) von Dübeln (8), die am Rand der Dübelleite [sic!] liegt größer ist als der Durchmesser der Dübelschäfte (9´) mindestens einer zweiten Gruppe (12) von Dübeln (8')."
VI. Für die vorliegende Entscheidung wurden insbesondere folgende Beweismittel berücksichtigt:
D1 = DE 2 727 159 A
D2 = "Bauingenieur", Heft Nr.10/1996, Seiten A17 bis A18
D3 = "Beton- und Stahlbetonbau", Heft 12/1984, Seiten 328 bis 334
D4 = AT 331 469 B
D5 = "Vorlesungen über Massivbau", Fritz Leonhardt, 3.Teil, "Grundlagen zum Bewehren im Stahl-betonbau", 3.Auflage, Springer Verlag, Berlin, 1977, Seiten 121 bis 135
D6 = "Stahlbetonbau, Bemessung, Konstruktion, Ausführung", Gottfried Lohmeyer, 3. Auflage, B.G. Teubner, Stuttgart, 1983, Seiten 118 bis 135
D7 = "Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung" für DEHA- Doppelkopfbolzen-Dübelleisten als Schubbewehrung im Stützenbereich punktförmig gestützter Platten, Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin, 24.November 1997, Seiten 1 bis 5
VII. Die Parteien haben im wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:
VII.1 Zulässigkeit von Beweismitteln
Die Beschwerdeführerin führte aus, daß die während der Verhandlung erstmals vorgelegte D7 als verspätet zurückzuweisen sei. Zudem sei D7, wonach angeblich der DEHA-Doppelkopfbolzen-Dübelleiste eine bauaufsichtliche Zulassung grundsätzlich nur für die Verwendung von Dübeln gleichen Durchmessers erteilt wurde, irreführend. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin enthalte die vor der D7 erstellte, ursprüngliche Zulassung der Dübelleiste, keinerlei Vorgaben an die Durchmesser der Dübel. Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass aus der bauaufsichtlichen Zulassung nach D7 jedenfalls der Hinweis auf die Verwendung gleicher Dübeldurchmesser bei Dübelleisten zu entnehmen sei. Die D7 sei daher relevant, denn dieses Dokument sei ein weiteres Indiz für den Fachmann, im Gegensatz zum Patent eben keine unterschiedlichen Dübeldurchmesser auf einer Dübelleiste vorzusehen.
VII.2 Hauptantrag - Neuheit Anspruch 1
Die Beschwerdeführerin führte aus, dass sich der Gegenstand nach Anspruch 1 gegenüber D1 zunächst durch das Merkmal zu unterscheiden scheine, wonach verschiedene Dübeldurchmesser auf einer Dübelleiste zur Anwendung gelangen sollen. Im vorliegenden Patent sei aber kein Hinweis über einen bestimmten Durchmesser oder Abstand der Dübel zu entnehmen. Falls also allgemeines Fachwissen zur Ausführung der Erfindung nach dem Patent genüge, sei die Bestimmung des Durchmessers bzw. Abstands der Dübel der einzig verbleibende Bemessungsparameter bei vorgegebenem Schubspannungsverlauf nach der einschlägigen tau-Linie zufolge Last im Stützenbereich. Weiter weg von der Stütze seien die wirkenden Kräfte geringer und die Dübel seien dort, entsprechend abgestuft, eben schwächer auszulegen. Auch aus den Dokumenten D1 und D4 seien keine Angaben über Dimensionierungen des Durchmessers oder des Abstands der dort beschriebenen Schubbewehrung zu entnehmen, was wieder den Schluss zuließe, dass Bemessungslösungen wie die Dimensionierung von Durchmesser oder Abstand der Dübel unter Kenntnis der tau-Linie auf allgemeinem Fachwissen basieren. Somit sei in D1 implizit also auch das Merkmal des mit der Entfernung von der Stütze abnehmenden Durchmessers der Dübel offenbart, und Anspruch 1 sei daher nicht neu.
Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass eine exakte Angabe der Dübeldurchmesser im Streitpatent deswegen nicht zu finden sei, da sie von der Deckenstärke der Flachdecke abhängig und daher eine Sache des jeweiligen Anwendungsfalls sei. Jedenfalls sei keiner der bekanntgewordenen Druckschriften ein Hinweis zu entnehmen, insbesondere auch nicht implizit aus der D1, bei einer Schubbewehrung gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 unterschiedliche Durchmesser auf einer Dübelleiste bei der Bemessung der Dübel vorzusehen. Daher sei Anspruch 1 neu.
VII.3 Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit Anspruch 1
Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass der Fachmann zunächst durch D5 zu dem in Anspruch 1 gegenüber D1 verbleibenden Merkmal eines geringeren Dübeldurchmessers in Entfernung vom Stützenbereich angeregt werde. So lehre D5 insbesondere auf Seite 128 oben, die Schubbewehrung der maßgebenden tau-Linie stufenweise durch Veränderung der Bügeldurchmesser anzupassen. Die physikalisch wirkenden Kräfte auf Balken wie in D5 oder auf Platten (also Flachdecken) seien die gleichen, und Schubbewehrungen aller Art gegen Durchstanzen seien bekannt. So sei der Fachmann mit Bügeln als auch mit Dübeln in gleichem Maße vertraut und würde daher den aus D5 bekannten Aspekt der stufenweise Anpassung der (vertikalen) Bügeldurchmesser in gleicher Weise auf (vertikale) Dübeldurchmesser anwenden. Darüber hinaus seien in D4 auf Seite 2 im ersten und zweiten Absatz Schubbewehrungen im Säulenbereich von Flachdecken beschrieben. Auch hier erhalte der Fachmann insbesondere aus den Zeilen 42 und 43 der Seite 2 die Anregung, die Stärke der (Schub-) Bewehrungselemente, also der Bügel, an die Spannungsverhältnisse der Platte anzupassen. Und schließlich lehre auch insbesondere Seite 131 oben aus D6, den Bügeldurchmesser in der Mitte geringer zu wählen als am Auflagerrand des gezeigten Balkens, um dadurch die Bewehrung an den Schubkraftverlauf anzupassen. Auch im Lichte der D6 sei der Fachmann mit der Balken - Plattenanalogie und der für diese Bauelemente üblichen Schubbewehrungen, d.h. Bügel oder Dübel, vertraut und somit sei, ausgehend von D1, durch D6 der Gegenstand des Anspruchs 1 ebenfalls nahegelegt. Im übrigen verblieben dem Fachmann nur zwei Möglichkeiten die Dübel aus D1 an die tau-Linie anzupassen, nämlich erstens unterschiedliche Abstände der Dübel auf der Dübelleiste vorzusehen. Da diese Maßnahme im Streitpatent selbst als bekannt beschrieben werde, verbliebe nur die zweite Möglichkeit, nämlich den Durchmesser der Dübel abzustufen. Der Parameter einer radialen Anordnung der Dübelleisten bewirke zwar ebenfalls eine Abminderung der Schubbewehrung mit Entfernung von der Stütze. Dennoch könne auch hier gemäß (DIN) Norm der Radialabstand der Dübelleisten nicht beliebig groß sein.
Die Beschwerdegegnerin erwiderte, dass der mit Dübelleisten vertraute Fachmann das Gebiet der Balken nicht in Betracht ziehen würde. So seien insbesondere in D5 und D6 lediglich Balken mit Bügel beschrieben, wohingegen der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Streitpatent auf eine Schubbewehrung für Flachdecken gerichtet sei. Die Dokumente D4 bis D6 betreffen zudem Bewehrungskörbe, die ganz anders verlegt seien als Dübelleisten. D4 beschreibe zwar unterschiedliche Stärken von Stäben für Flachdecken, aber nicht innerhalb eines einzigen Korbes, sondern im Vergleich zu einem mit zunehmenden Abstand (von der Stütze) angeordneten anderen Korbes. Ausgehend von D1 gebe es für den Fachmann daher keinen Hinweis, um zur erfindungsgemäßen Lösung abgestufter Dübeldurchmesser zu gelangen. Im übrigen seien beispielsweise auch in D2 in der Abbildung auf Seite A17 und in D3 in Bild 41 auf Seite 331 radiale Anordnungen von Dübelleisten für Flachdecken ersichtlich. Durch die radiale Anordnung erfolge bereits eine Abminderung der Schubbewehrung mit zunehmender Entfernung von der Stütze, und daher eine Anpassung an den Schubspannungsverlauf. Und schließlich werde bei den DEHA-Dübelleisten der D2 auf Seite A17, rechte Spalte letzter Absatz von einer Konzentration der Stützenbewehrung abgeraten, was den Fachmann ebenfalls von einer unterschiedlichen Bemessung der Dübel zur Stütze hin wegführe.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Bestimmungen der Artikel 106 bis 108 EPÜ 1973 und der Regel 1(1) und 64 EPÜ 1973 und ist damit zulässig.
2. Zulässigkeit von Beweismitteln
Die Kammer folgt der Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach Dokument D7 erheblich verspätet vorgetragen wurde. Zudem erscheint D7 prima facie als allgemeiner Hinweis an den Fachmann nach Ansicht der Kammer nicht entscheidungserheblich, da hierin lediglich eine spezielle bauaufsichtliche Zulassung einer "DEHA-Doppelkopfbolzen-Dübelleiste" beschrieben scheint (und zwar auch nur auszugsweise auf den Seiten 1 bis 5, anstatt der am Deckblatt der D7 erwähnten acht Seiten und neun Anlagen).
Eine Zulassung des von der Beschwerdegegnerin in der Verhandlung vorgelegten und somit erst zu einem sehr späten Verfahrensstadium eingereichten Dokuments D7 ist daher im Sinne der Artikel 12(4) und 13(1),(3) VOBK nicht gerechtfertigt.
3. Hauptantrag - Neuheit Anspruch 1
(Artikel 100 a) EPÜ, siehe Artikel 54 EPÜ)
Die Parteien (und auch die Kammer) stimmen darin überein, dass Dokument D1 die Schubbewehrung einer Flachdecke mit im Durchstanzbereich einer Stütze radial (als Variante auch orthogonal) angeordneten "Flachstäben bzw. -stählen 3" und darauf lotrecht angeschweißten "Stäben 1" mit "Stabköpfen 2" am oberen Ende, also Dübelleisten gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1, beschreibt (siehe D1: Seite 2(handschriftlich), die letzten zwei Absätze; Seite 5(handschriftlich), die ersten beiden Absätze; Seite 9(handschriftlich), erster Absatz; Figuren). Das Dokument D1 liefert außer der schematisch gezeigten Anordnung von Dübel und Dübelleisten in einer Flachdecke keine weiteren Angaben, auf welche Weise die praktische Bemessung der Dübelleisten unter vorgegebener Last erfolgen soll, wie etwa die Auswahl von Stahlqualität, Materialstärken, oder Abmessungen der Dübelleiste. Abgesehen von der radialen (oder in einer Variante orthogonalen) Anordnung der Leisten ist insbesondere auch keine konstruktive Anpassung an den Schubspannungsverlauf im Stützenbereich der Flachdecke (d.h. an die sogenannte "tau-Linie") ersichtlich. Der Vortrag der Beschwerdeführerin zu angeblich fachüblichen konstruktiven Ausbildungen bei der Bemessung von Dübelleisten, wie etwa die Abstufung des Abstands oder Durchmessers der in D1 beschriebenen Dübel zum Zweck der Anpassung an die tau-Linie, betrifft daher nach Ansicht der Kammer die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit gegenüber der Offenbarung aus D1. Somit folgt die Kammer der Auffassung der Beschwerdegegnerin, wonach der Fachmann an keiner Stelle der D1 unmittelbar und eindeutig eine Anordnung als Schubbewehrung gemäß dem Kennzeichen des Anspruchs 1 entnimmt, auch nicht implizit, bei der auf einer Dübelschiene ("Flachstab 3") der Durchmesser der Dübelschäfte ("Stäbe 1") der der Stütze benachbarten Dübel ("Stäbe 1" mit "Stabköpfen 2") größer ist als der Durchmesser der Dübelschäfte ("Stäbe 1") der weiter von der Stütze entfernten Dübel ("Stäbe 1" mit "Stabköpfen 2").
Die Neuheit des Anspruchs 1 in Bezug auf den übrigen im Verfahren befindlichen Stand der Technik wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten, und auch die Kammer hat keinen Anlass, diese anzuzweifeln.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt daher die Erfordernisse der Neuheit.
4. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit Anspruch 1
(Artikel 100 a) EPÜ, siehe Artikel 56 EPÜ)
Die Kammer stimmt mit der Ansicht beider Parteien überein, wonach die Schubbewehrung für Flachdecken aus Dokument D1 als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden kann. Wie auf Seite 2 (handschriftlich) der D1 in den letzten beiden Absätzen beschrieben, dienen derartige Schubbewehrungen vor allem dazu, den örtlichen Schubbruch der Flachdecke im Bereich ihrer Unterstützungspunkte, das sogenannte Durchstanzen, zu verhindern. Darüber hinaus offenbaren die Dokumente D2 ("DEHA-Dübelleisten"; siehe Seite A17 und Figur "Darstellung des Fachwerkmodells") und D3 ("Kopfbolzen-Dübelleisten"; siehe Punkt 7.2 auf Seite 330 und Bild 41 auf Seite 331) ebenfalls Schubbewehrungen für Flachdecken mit radial angeordneten Dübelleisten gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1. In D2 (siehe Seite A17, zweite Spalte, letzter Absatz) und D3 (siehe Seite 330, zweite Spalte, zweiter Absatz) wird nach Ansicht der Kammer auf den Umstand hingewiesen, dass zufolge des geforderten Durchstanznachweises bei Flachdecken mit herkömmlicher Schubbewehrung (z.B. Bügel) unter Abschnitt 22.5.2 der DIN 1045 die zulässige Schubspannung tau02 im Querschnitt der Flachdecke mittels des kappa2 Beiwertes abgemindert werden muss. Daraus ergibt sich bei der Bemessung durch den Statiker der Zwang zu einer höheren Bewehrung im Stützenbereich, um einer starken Kraftkonzentration im Stützenbereich (d.h. der Durchstanzgefahr) zu begegnen. Wie auch von der Beschwerdegegnerin angeführt, wird in D2 eine solch resultierende "Konzentration" herkömmlicher Stützenbewehrung (siehe Seite A17, dritte Spalte, letzter Absatz) als konstruktiv nachteilig beschrieben. Im Gegensatz dazu offenbaren sowohl D2 (siehe Seite A17, zweite Spalte, zweiter Absatz) als auch D3 (siehe Seite 330, zweite Spalte, zweiter und dritter Absatz), dass, entsprechend deren bauaufsichtlichen Zulassungen als Ergebnis verschiedener Versuche, die volle zulässige Schubspannung tau02 bei Dübelleisten in Rechnung gestellt werden darf, also ohne Abminderung nach DIN 1045. Wegen der gegenüber üblicher Schubbewehrung erhöhten Tragkraft ermöglichen es die in D2 und D3 (aber auch in D1) beschriebenen Dübelleisten dem Statiker also, abweichend vom Durchstanznachweis aus DIN 1045, einen geringeren Bewehrungsgrad der Flachdecke im Stützenbereich vorzusehen.
Wie oben unter Punkt 3 zur Neuheit dargelegt, unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von dem in D1 (bzw. in D2 oder D3) offenbarten, durch seine Merkmale im Kennzeichen.
Ausgehend von D1 (bzw. von D2 oder D3) kann diesen Merkmalen die Aufgabe zugrunde gelegt werden, für radial angeordnete Dübelleisten der Flachdecke eine Anpassung an die jeweils auftretende (Schub-) Beanspruchung zu erreichen.
Das Dokument D4 (siehe Seite 2, Zeilen 1 bis 8) betrifft zwar eine Schubbewehrung für Flachdecken gegen Durchstanzen. Die Kammer stimmt zudem mit der Ansicht der Beschwerdeführerin überein, wonach in D4 insbesondere auf Seite 2, Zeilen 42 bis 45 bzw. auf Seite 3, Zeilen 10 bis 13, eine Anpassung der Stärke der Bügel bzw. der Dimensionen der Bügel an die "örtlichen Spannungsverhältnisse" in der Platte beschrieben wird. Obwohl nicht explizit erwähnt, kann daher wohl eine Anpassung an die Schubspannungsverhältnisse (d.h. an die tau-Linie) mittels verschiedener Durchmesser der (vertikalen) Bügel aus D4 abgeleitet werden. Weiters kann dahingestellt bleiben, ob D4, entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin und der Einspruchsabteilung unter Punkt 5.2 der Entscheidung, nun tatsächlich lehrt, lediglich konstanten Stabdurchmesser innerhalb eines einzigen Bewehrungskorbes vorzusehen, oder nicht. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents umfasst jedenfalls beide konstruktiven Aspekte einer Anpassung an den Schubspannungsverlauf, nämlich einerseits verschiedene Stabdurchmesser innerhalb ein und derselben Dübelleiste (siehe Patent, Ausführungsbeispiel nach den Figuren 1 bis 3), vergleichbar mit verschiedenen Bügelstärken innerhalb eines einzigen Korbs, und andererseits mehrteilige verschiedene Dübelleisten mit jeweils konstantem Stabdurchmesser (siehe Patent, Ausführungsbeispiel nach den Figuren 4 und 5), vergleichbar mit mehreren verschiedenen Körben bzw. konstanten Bügelstärken innerhalb eines Korbs. Dennoch ist die Kammer der Ansicht, dass, ausgehend von den in D1, D2 oder D3 offenbarten Dübelleisten, die Lehre aus D4 mit ihrer klassischen Bügelbewehrung vom Fachmann zur Lösung der gestellten Aufgabe erst gar nicht in Betracht gezogen würde, da in D4 der Nachweis gegen Durchstanzen offenbar konservativ nach DIN 1045 erfolgt, was gegenüber Dübelleisten, wie oben eingangs zur Offenbarung aus D2 und D3 ausführlich dargelegt, unwirtschaftlich (geringere Tragkraft) und konstruktiv unerwünscht (Einbau auf der Baustelle) ist. Und selbst bei einer Zusammenschau der Dokumente D1 (bzw. D2 und D3) mit D4 folgt die Kammer der Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass bereits die Lehre einer konstruktiven Ausgestaltung von Biegezug- und Schubbewehrung aus geflochtenen Bewehrungskörben in Wirkkombination mit angepassten Bügeldurchmessern aus D4 den Fachmann von der Ausbildung einer Schubbewehrung als Dübelleiste mit aufgeschweißten Dübeln gemäß Anspruch 1 wegführen würde. Darüber hinaus legt D4, so wie von der Beschwerdegegnerin angeführt, nicht nur Bewehrungskörbe anstatt Dübelleisten, sondern parallel und orthogonal zueinander angeordnete (Schub-) Bewehrungen um die Stütze der Flachdecke nahe und würde den Fachmann somit auch von einer radialen Anordnung der Schubbewehrung gemäß Anspruch 1 wegführen.
Die Druckschriften D5 und D6 betreffen Balken bzw. Plattenbalken und keine Flachdecken. Eine Schubbewehrung mit spezieller konstruktiver Ausbildung und Bemessung gegen Durchstanzen, entweder der DIN 1045 oder bauaufsichtlichen (Einzel-) Zulassungen folgend, ist bei diesen Bauteilen somit nicht vonnöten, da bei ihnen kein vergleichbarer Schubbruch (Durchstanzen) wie bei Flachdecken unter Last im Stützenbereich auftritt. Bei einachsig verlaufenden Balken und Plattenbalken entfällt zudem die Problematik der konstruktiven Ausbildung einer zweiachsig in der (Flach-) Decke rund um den Stützenbereich verlegten Schubbewehrung. Zudem beschreiben D5 und D6 wieder lediglich Bügel zur Schubbewehrung, die in Zusammenhang mit (in Balkenrichtung verlaufenden) Bewehrungskörben ausgebildet ist. Daher folgt die Kammer der Auffassung der Beschwerdegegnerin, wonach der Fachmann, ausgehend von radial um die Stütze verlaufenden Dübelleisten, die Schubbewehrungen der Balken (bzw. Plattenbalken) aus den Dokumenten D5 und D6 nicht berücksichtigen würde, um oben stehende Aufgabe zu lösen.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin und der Einspruchsabteilung unter den Punkten 3.6 (Seite 9 der Entscheidung, fünfter Absatz) und 4.3.2 (Seite 11 der Entscheidung, letzter Absatz) ist den Druckschriften D2 auf Seite A17, rechte Spalte und D3 auf Seite 330, rechte Spalte 2.Absatz ff. jedoch an keiner Stelle die Lehre zu entnehmen, dass einerseits bei Dübelleisten aus D2 und D3 eine Konzentration der Stützenbewehrung unerwünscht sei und aus diesem Grund andererseits die Dübeldurchmesser nicht zur Stütze hin abgestuft werden dürfen, also Dübelleisten stets Dübel mit konstantem Durchmesser aufweisen sollen. Die Kammer stimmt daher mit der Ansicht der Beschwerdeführerin überein, dass, da grundsätzlich die Anpassung von Schubbewehrungen an die einschlägige tau-Linie im Stützenbereich eine bekannte Maßnahme darstellt, vielleicht auch unterschiedlich abgestufte Dübeldurchmesser einer Dübelleiste hierzu dienen könnten. Ausgehend von D1 hat der Fachmann jedoch keinen Anlass, die Dübeldurchmesser abzustufen, wenn, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, für eine Anpassung an den Schubspannungsverlauf bereits die Parameter radiale Anordnung bzw. unterschiedliche Dübelabstände als bekannte konstruktive Maßnahmen zur Verfügung stehen. Trotz der (nicht bewiesenen) Behauptung der Beschwerdeführerin, wonach angeblich gemäß (DIN) Norm der Abstand der Dübelleisten bei radialer Anordnung "nicht beliebig groß" sein kann und der von der Beschwerdegegnerin im Patent selbst genannte Umstand, wonach offenbar auch die Überschreitung eines bestimmten Dübelabstandes nicht zulässig sei (siehe Patent, Spalte 1, Absatz [0003]), gibt der Stand der Technik der bereits seit langer Zeit hergestellten Dübelleisten keinerlei Hinweis, wonach eine Abstufung der Dübeldurchmesser, sei es aus wirtschaftlichen oder konstruktiven Gründen, bei der Bemessung von Vorteil wäre. So wurde offenbar erst von der Beschwerdegegnerin selbst erkannt, dass durch die Dimensionierung auf den in unmittelbarer Stützennähe auftretenden Belastungsfall in der Praxis oftmals in einem weiter von der Stütze entfernten Bereich eine Überdimensionierung der Schubbewehrung erfolgt, deshalb nachteilig ist, und dieses Problem durch die Anordnung verschiedener Dübeldurchmesser in Entfernung von der Stütze vorteilhaft gelöst werden kann (siehe Patent, Spalten 1 und 2, Absätze [0004] bis [0010]).
Ausgehend von D1 kann der Fachmann somit weder durch sein Fachwissen, noch durch den ansonsten bekanntgewordenen Stand der Technik angeregt werden, dass er außer einer Bestimmung der Abstände zwischen den radial angeordneten Dübelleisten und der Abstände zwischen den auf einer Leiste angeordneten Dübel zudem (oder anstatt dessen) eine Anpassung der Dübeldurchmesser mittels Abstufung in Entfernung von der Stütze gemäß Anspruch 1 durchführen würde, um die vorstehende Aufgabe zu lösen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt daher die Erfordernisse der erfinderischen Tätigkeit.
5. Hauptantrag - Neuheit und Erfinderische Tätigkeit Anspruch 9 (Artikel 100 a) EPÜ, siehe Artikel 54 und 56 EPÜ)
Die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes gemäß Anspruch 9 im Lichte des vorliegenden Standes der Technik wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten, und auch die Kammer hat keinen Anlass diese zu bezweifeln, denn die Dübelleiste nach Anspruch 9 beruht auf derselben erfinderischen Idee wie Anspruch 1, wonach mehrere Dübel der Dübelleiste einen Schaftdurchmesser aufweisen, der vom Schaftdurchmesser mehrerer anderer Dübel auf der Leiste verschieden ist.
6. Hilfsantrag
Da die Ansprüche 1 und 9 gemäß Hauptantrag das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit erfüllen und weitere Patentierungshindernisse nicht erkennbar sind, sind Anspruch 1 und Anspruch 9 des Hauptantrags zusammen mit den abhängigen Ansprüchen 2 bis 8 patentfähig. Die Zulässigkeit des erst während der Verhandlung von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Hilfsantrags unter Artikel 12(4) und 13(1),(3) VOBK kann daher dahingestellt bleiben.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.