T 0685/07 () of 24.2.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T068507.20100224
Datum der Entscheidung: 24 Februar 2010
Aktenzeichen: T 0685/07
Anmeldenummer: 01103559.9
IPC-Klasse: B60D 1/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Anhängekupplung
Name des Anmelders: SCAMBIA Industrial Developments Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: FAC Frank Abels Consulting & Technology GmbH
Jaeger Cartronix GmbH
Westfalia GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Haupt- und Hilfsanträge - verneint
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die von den Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden I und II) gegen das europäische Patent Nr. 1 106 399 eingereichten Einsprüche führten zum Widerruf des Patents mangels erfinderischer Tätigkeit seines Gegenstandes durch die am 20. Februar 2007 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung. Dabei berief sich die Einspruchsabteilung auf den folgenden Stand der Technik

D2: DE-A-38 33 471

D3: DE-A-26 19 913.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 20. April 2007 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 19. Juni 2007 eingereicht.

III. In ihrer Beschwerdeerwiderung berief sich die Beschwerdegegnerin I auf das folgende Dokument aus dem Einspruchsverfahren

D9: US-A-2 733 936.

IV. Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 22. Januar 2010 acht Sätze von Ansprüchen als Hilfsanträge I bis VIII ein.

V. Am 24. Februar 2010 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung, oder alternativ in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag VI bzw. VIII, jeweils eingereicht mit Schreiben vom 22. Januar 2010. Die Hilfsanträge I bis V sowie VII, mit demselben Schreiben eingereicht, wurde zurückgezogen.

Die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende I) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Die Beschwerdegegnerin II hatte mit Schreiben vom 10. Dezember 2009 mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.

VI. Der Anspruch 1 in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lautet wie folgt:

"Einheit umfassend einen Stoßfänger und eine Anhängekupplung für Kraftfahrzeuge, insbesondere Personenkraftfahrzeuge, mit einer Kupplungskugel, (12), mit einem Kugelhals (14) der zwischen einer Arbeitsstellung und einer Ruhestellung welche zwischen dem hinteren Stoßfänger (38) und der Fahrzeugkarosserie liegt, dessen einer Endbereich abgekröpft ist und die Kupplungskugel (12) trägt, und mit einer Kontakteinheit (56) zur Herstellung einer Verbindung zwischen einer Fahrzeugelektrik und einer Anhängerelektrik, welche an einem Schwenkarm (14) gehalten ist, wobei der Schwenkarm (14) an einem fahrzeugfesten Schwenklager (22) um eine Schwenkachse (30) schwenkbar gelagert ist, so daß die Kontakteinheit (56) mit dem Schwenkarm (14) durch eine Schwenkbewegung um die Schwenkachse (30) von einer Arbeitsstellung (a) in eine Ruhestellung (r) und umgekehrt bewegbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Kontakteinheit (56) derart um die Schwenkachse (30) schwenkbar gelagert ist, daß die Kontakteinheit (56) in der Arbeitsstellung (a) im wesentlichen auf einer der Fahrzeugkarosserie (54) abgewandten Seite des hinteren Stoßfängers (38) steht, und daß die Kontakteinheit (56) in der Ruhestellung in einem den Kugelhals (14) aufnehmenden Ruhestellungsraum (78) angeordnet ist, welcher zwischen dem hinteren Stoßfänger (38) und der Fahrzeugkarosserie (54) liegt."

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag VI lautet wie folgt:

"Kraftfahrzeug umfassend einen Stoßfänger und eine Anhängekupplung für Kraftfahrzeuge, insbesondere Personenkraftfahrzeuge, mit einer Kupplungskugel (12), mit einem Kugelhals (14), dessen einer Endbereich abgekröpft ist und die Kupplungskugel (12) trägt, und mit einer Kontakteinheit (56) zur Herstellung einer Verbindung zwischen einer Fahrzeugelektrik und einer Anhängerelektrik, welche an einem Schwenkarm (14) gehalten ist, wobei der Schwenkarm (14) an einem fahrzeugfesten Schwenklager (22) um eine Schwenkachse (30) schwenkbar gelagert ist, so dass die Kontakteinheit (56) mit dem Schwenkarm (14) durch eine Schwenkbewegung um die Schwenkachse (30) von einer Arbeitsstellung (a) in eine Ruhestellung (r) und umgekehrt bewegbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Kugelhals (14) zwischen einer Arbeitsstellung und einer Ruhestellung (r) verschwenkbar ist, dass der Kugelhals in der Ruhestellung (r) zwischen dem hinteren Stoßfänger (38) und der Fahrzeugkarosserie liegt, dass die Kontakteinheit (56) derart um die Schwenkachse (30) schwenkbar gelagert ist, dass die Kontakteinheit in der Arbeitsstellung (a) im Wesentlichen auf einer der Fahrzeugkarosserie (54) abgewandten Seite des hinteren Stoßfängers (38) steht, dass die Kontakteinheit (56) in der Ruhestellung auf einer der Fahrzeugkarosserie (54) zugewandten Seite des hinteren Stoßfängers (38) angeordnet ist und dass die Kontakteinheit in der Ruhestellung (r) in einem den Kugelhals (14) aufnehmenden Ruhestellungsraum (78) angeordnet ist, welcher zwischen dem hinteren Stoßfänger (38) und der Fahrzeugkarosserie (54) liegt."

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag VIII lautet wie folgt:

"Kraftfahrzeug umfassend einen Stoßfänger und eine Anhängekupplung für Kraftfahrzeuge, insbesondere Personenkraftfahrzeuge, mit einer Kupplungskugel (12), mit einem Kugelhals (14), dessen einer Endbereich abgekröpft ist und die Kupplungskugel (12) trägt, und mit einer Kontakteinheit (56) zur Herstellung einer Verbindung zwischen einer Fahrzeugelektrik und einer Anhängerelektrik, welche an einem Schwenkarm (14) gehalten ist, wobei der Schwenkarm (14) an einem fahrzeugfesten Schwenklager (22) um eine Schwenkachse (30) schwenkbar gelagert ist, so dass die Kontakteinheit (56) mit dem Schwenkarm (14) durch eine Schwenkbewegung um die Schwenkachse (30) von einer Arbeitsstellung (a) in eine Ruhestellung (r) und umgekehrt bewegbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Kugelhals (14) zwischen einer Arbeitsstellung und einer Ruhestellung (r) verschwenkbar ist, dass der Kugelhals in der Ruhestellung (r) zwischen dem hinteren Stoßfänger (38) und der Fahrzeugkarosserie liegt, dass die Kontakteinheit (56) derart um die Schwenkachse (30) schwenkbar gelagert ist, dass die Kontakteinheit in der Arbeitsstellung (a) im Wesentlichen auf einer der Fahrzeugkarosserie (54) abgewandten Seite des hinteren Stoßfängers (38) steht, dass die Kontakteinheit (56) in der Ruhestellung auf einer der Fahrzeugkarosserie (54) zugewandten Seite des hinteren Stoßfängers (38) angeordnet ist, dass die Kontakteinheit in der Ruhestellung (r) in einem den Kugelhals (14) aufnehmenden Ruhestellungsraum (78) angeordnet ist, welcher zwischen dem hinteren Stoßfänger (38) und der Fahrzeugkarosserie (54) liegt, und dass der Ruhestellungsraum (78) im Wesentlichen oberhalb einer durch eine Bodengruppe der Fahrzeugkarosserie (54) und den hinteren Stoßfänger (38) des Kraftfahrzeugs (36) definierten bodenseitigen Fläche (79) liegt."

VII. Zur Stützung ihres Vorbringens brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen folgendes vor:

In ihrer Widerrufsentscheidung habe die Einspruchsabteilung die Bedeutung der Angabe des kennzeichnenden Teils des erteilten Anspruchs 1 "zwischen der Stoßfängereinheit und der Fahrzeugkarosserie" bezüglich der Ruhestellung der Kontakteinheit, bzw. der Anordnung des Ruhestellungsraums für die Kontakteinheit, verkannt. Mit Bezug auf die Figur 4 des Dokuments D2 habe die Einspruchsabteilung die Ruhestellung der Kontakteinheit zwischen der Stoßfängereinheit und der Fahrzeugkarosserie gesehen, gleichzeitig habe sie jedoch eingeräumt, dass die Fahrzeugkarosserie in der Figur 4 von D2 nicht dargestellt sei. Da die Figur 4 von D2 in der Tat die Karosserie nicht zeige, könne über die Ruhestellung der Kontakteinheit relativ zur Fahrzeugkarosserie keine Aussage gemacht werden. Vielmehr sei bei der Betrachtung der Figur 4 festzustellen, dass die Kontakteinheit in der Ruhestellung in wesentlichen Teilen unterhalb des Stoßfängers 5 stehe. Die Figur 4 offenbare somit nicht einen Ruhestellungsraum für die Kontakteinheit, der zwischen dem hinteren Stoßfänger und der Fahrzeugkarosserie liege. Des Weiteren werde der abnehmbare Kugelhals 4 der Anhängekupplung gemäß Dokument D2 im Falle seines Nichtgebrauchs im Kofferraum des Fahrzeugs untergebracht (Spalte 1, Zeilen 1-10), d.h. in einem vom Ruhestellungsraum der Kontakteinheit völlig getrennten Raum.

Dokument D3 offenbare zwar eine Anhängekupplung mit einem Kugelhals, der von einer in den Figuren 1 und 2 durchgezogen gezeichneten Arbeitsstellung in eine strichpunktiert dargestellte Ruhestellung verschwenkbar sei, jedoch fehle sowohl in der Figur 1 als auch in der Figur 2 eine Darstellung der Fahrzeugkarosserie. Der schwenkbare Kugelhals stehe in der Ruhestellung deutlich unterhalb des Stoßfängers 2. Diese Tatsache ergebe sich eindeutig aus den Figuren 1 und 2 und aus der Textstelle auf der Seite 3, dritter Absatz des Dokuments D3, wo erwähnt werde, dass die Schleppstange (Kugelhals) und die Kugel in ihrer Ruhestellung so hoch wie möglich gegen den Stoßfänger anliegen sollten, so dass die Bodenfreiheit so wenig wie möglich beeinträchtigt werde. Diese Textpassage bedeute nichts anderes, als dass der Kugelhals in der Ruhestellung so nah wie möglich an der unteren Seite des Stoßfängers unterhalb desselben liegen solle, denn nur aufgrund dieser Ruhestellungsanordnung unterhalb des Stoßfängers könne die erwähnte Beeinträchtigung der Bodenfreiheit entstehen. Eine Kombination der Lehre des Dokuments D2 und der Lehre des Dokuments D3 ergebe somit weder das Merkmal, dass in der Ruhestellung die Kontakteinheit in einem Ruhestellungsraum zwischen der Stoßfängereinheit und der Fahrzeugkarosserie liege, noch das Merkmal, dass der Kugelhals in der Ruhestellung in einem Ruhestellungsraum zwischen der Stoßfängereinheit und der Fahrzeugkarosserie liege. Schon gar nicht könne die Kombination der Dokumente D2 und D3 das Merkmal ergeben, dass in der Ruhestellung die Kontakteinheit in dem den Kugelhals aufnehmenden Ruhestellungsraum angeordnet sein solle.

Dokument D9 beschreibe eine Anhängekupplung mit einem Kugelhals, der von einer in der Figur 4 durchgezogen gezeichneten Ruhestellung in eine strichpunktiert dargestellte Arbeitsstellung verschwenkbar sei. Die Ruhestellung des Kugelhalses liege keinesfalls zwischen dem hinteren Stoßfänger und der Fahrzeugkarosserie. Der Ausdruck "under the rear body thereof" in der Spalte 5, Zeilen 44-46 von D9 mache deutlich, dass die Ruhestellung des Kugelhalses sich unter der Stoßfängereinheit befinde. Dokument D9 enthalte ohnehin keinerlei Hinweis auf die Anordnung der Kontakteinheit. Darüber hinaus bestehe bei modernen Kraftfahrzeugen kein Raum für eine Verschwenkung des Kugelhals in einer senkrechten Längsebene des Kraftfahrzeuges. Schon aus diesem einzigen Grund würde der Fachmann die Lehre des Dokuments D9 verwerfen.

Als Ergebnis sei festzustellen, dass das im erteilten Patentanspruch 1 beanspruchte erfinderische Konzept eines gemeinsamen Ruhestellungsraums sowohl für die schwenkbare Kontakteinheit als auch für den schwenkbaren Kugelhals aus keinem der Dokumente D2, D3 oder D9 zu entnehmen sei und durch diese Dokumente auch nicht nahegelegt werde. Eine Zusammenschau der Dokumente D2 mit D3 oder der Dokumente D9 mit D2 könne daher nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 führen, so dass dieser auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Der Einwand der Kammer, wonach es aufgrund des durch den Anspruch definierten Gegenstandes, welcher lediglich eine Einheit aus einem Stoßfänger und einer Anhängekupplung für Kraftfahrzeuge umfasse, fraglich sei, inwieweit die Fahrzeugkarosserie als Teil des Anspruchsgegenstands angesehen werden könne, werde durch die Hilfsanträge VI und VII begegnet, welche nunmehr auf ein "Kraftfahrzeug umfassend einen Stoßfänger und eine Anhängekupplung" gerichtet seien.

In dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag VI seien die Merkmale des erteilten Anspruchs 4, wonach die Kontakteinheit in der Ruhestellung auf einer der Fahrzeugkarosserie zugewandten Seite des hinteren Stoßfängers angeordnet ist, den Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 hinzugefügt worden.

In dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag VIII seien die Merkmale des erteilten Anspruchs 5, dass der Ruhestellungsraum im Wesentlichen oberhalb einer durch eine Bodengruppe der Fahrzeugkarosserie und den hinteren Stoßfänger des Kraftfahrzeugs definierten bodenseitigen Fläche liegt, den Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 hinzugefügt worden.

Durch diese Änderungen werde die Anordnung der Kontakteinheit in der Ruhestellung, bzw. die Definition des Ruhestellungsraums, noch näher präzisiert.

VIII. Die Beschwerdegegnerin I argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 in Hinblick auf die Kombination der Dokumente D2 mit D3 keine erfinderische Tätigkeit zukomme, sei zu bestätigen. Da die Beschwerdeführerin die Bedeutung des Ausdruckes "zwischen der Stoßfängereinheit und der Fahrzeugkarosserie" in Bezug auf die Anordnung des Ruhestellungsraumes des schwenkbaren Kugelhalses in den Vordergrund gestellt habe, werde noch auf das Dokument D9 hingewiesen. Dieses Dokument zeige nämlich sämtliche Merkmale des erteilten Anspruchs 1, welche sich auf die Verschwenkung des Kugelhalses und dessen Anordnung in einem Ruhestellungsraum bezögen, der zwischen der Stoßfängereinheit 79 und der Fahrzeugkarosserie 83 liege (vgl. Figur 4 von D9). Stelle sich der vom Dokument D9 ausgehende Fachmann die Aufgabe, neben dem Kugelhals auch die Kontakteinheit in ansehnlicher Weise zu gestalten, so stehe ihm hierfür ohne Weiteres die Lösung zu Verfügung, wie sie im Dokument D2 beschrieben sei, denn es sei offensichtlich, dass die Verschwenkung des Kugelhalses mit der Verschwenkung der Kontakteinheit in keinem technischen Zusammenhang stehe. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ergebe sich deshalb auch in naheliegender Weise aus der Zusammenschau der Dokumente D9 mit D2.

Auch der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen VI bzw. VIII werde durch eine Zusammenschau der Dokumente D9 und D2 nahegelegt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Erteilter Anspruch 1; erfinderische Tätigkeit

2.1 In der vom 17. November 2009 datierten Mitteilung der Kammer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung (Artikel 15 (1) VOBK) wurde festgestellt, dass ein Verb nach dem Ausdruck "Kugelhals (14) der zwischen einer Arbeitsstellung und einer Ruhestellung …?" im Anspruch 1 wie erteilt fehlt. In der mündlichen Verhandlung stellte die Beschwerdeführerin klar, dass, wenn die Beschreibung und die Figuren zur Auslegung der Patentansprüche gemäß Artikel 69 EPÜ herangezogen werden, in Übereinstimmung mit den Angaben am Ende des Absatzes [0052] der Beschreibung der Patentschrift das fehlende Verb so zu deuten ist, dass der Kugelhals zwischen einer Arbeitsstellung und einer Ruhestellung verschwenkbar ist.

Nicht zuletzt aufgrund dieser vom Fachmann inzident mitzulesenden Klarstellung und der in dem Anspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen eingeführten Präzisierungen ist die Kammer der Auffassung, dass der nächstliegende Stand der Technik im Dokument D9 wiedergegeben wird. Dieses Dokument zeigt (vgl. Figuren 1 bis 6) eine Einheit umfassend einen Stoßfänger ("rear bumper 79") und eine Anhängekupplung für Kraftfahrzeuge, mit einer Kupplungskugel 25 und mit einem Kugelhals 23, dessen Endbereich die Kupplungskugel trägt. Der Kugelhals ist zwischen einer Arbeitsstellung (Figur 4: strichpunktiert dargestellt) und einer Ruhestellung (Figur 4: mit durchgezogenen Linie dargestellt) verschenkbar.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist der Raum, in dem der Kugelhals seine Ruhestellung einnimmt (Ruhestellungsraum), zwischen dem hinteren Stoßfänger 79 und der Fahrzeugkarosserie 83 angeordnet. Die sehr allgemeine und aufgabenhafte Formulierung des Anspruchs schließt keineswegs eine Verschwenkung des Kugelhals in einer senkrechten Längsebene des Kraftfahrzeuges aus. Auch die von der Beschwerdeführerin zitierte Textstelle in der Spalte 5 des Dokuments D9 ("The trailer hitch is mounted on a towing vehicle in position forwardly of the bumper of the vehicle and under the rear body thereof") bedeutet nicht, dass die Ruhestellung des Kugelhalses sich unter der hinteren Stoßfängereinheit des Kraftfahrzeuges befindet, sondern unter dessen hinteren Wagenkasten. Der Fachmann weiß, dass der in den Figuren 1, 4 und 5 von D9 dargestellte Fahrzeugrahmen 83 die Fahrzeugkarosserie trägt. Als solcher ist dieser Rahmen als Teil der Karosserie im Sinne des Anspruchs anzusehen. Heutige Personenkraftfahrzeuge besitzen zwar eine rahmenlose Karosserie, die beanspruchte Anhängekupplung ist jedoch nicht auf Personenkraftfahrzeuge eingeschränkt. Selbst das Dokument D9 sieht vor, dass die darin beschriebene Anhängekupplung für eine Ausrüstung an verschiedenartigen Fahrzeugtypen angepasst werden kann (Spalte 5, Zeilen 58-61: "It will be understood that various mounting arrangements may be used for this trailer hitch and that it is adaptable for mounting with various types of vehicles"). Für einen Fachmann ist es offensichtlich, dass der in dem aus den fünfziger Jahren stammenden Dokument D9 dargestellte Fahrzeugrahmen 83 einem Teil der selbsttragenden Karosserie eines modernen Personenkraftfahrzeuges entspricht.

2.2 Somit verbleiben als wesentliche Unterscheidungsmerkmale des beanspruchten Gegenstands zum Inhalt des Dokuments D9 die die Kontakteinheit betreffenden Merkmale des erteilten Anspruchs 1.

2.3 Das Dokument D9 beinhaltet keine Angabe zur elektrischen Verbindung zwischen der Fahrzeugelektrik und der Anhängerelektrik, es ist jedoch offensichtlich, dass eine solche Verbindung vorhanden sein muss. Zu bemerken ist, dass Dokument D9 sich als Ziel gesetzt hat, trotz Anhängerkupplung ein optisch ansprechendes Erscheinungsbild des Kraftfahrzeuges zu bieten (Spalte 1, Zeilen 36-45). Unter Berücksichtigung der durch die Unterscheidungsmerkmalen erzielten Wirkungen kann die dem Streitpatent zugrunde liegende objektive technische Aufgabe, wie folgt formuliert werden: eine elektrische Verbindung zwischen der Fahrzeugelektrik und der Anhängerelektrik für ein aus Dokument D9 bekanntes Kraftfahrzeug zu schaffen, die gut zugänglich ist und das Erscheinungsbild des Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt.

2.4 Zur Lösung dieser Aufgabe wird der Fachmann den bekannten Stand der Technik auf dem Gebiet der Anhängerkupplung zu Hilfe nehmen und auf Dokument D2 stoßen. Aufgabe des Dokuments D2 ist es nämlich, die Zugänglichkeit einer elektrischen Steckeinheit für eine zwischen einer Gebrauchs- und einer Nichtgebrauchsstellung umstellbare Anhängekupplung zu verbessern, wobei in der Nichtgebrauchsstellung das Erscheinungsbild des Kraftfahrzeuges unauffällig bleiben soll (Spalte 1, Zeilen 11-19 und Zeilen 59-63).

Diese Aufgabe wird gemäß D2 durch eine Kontakteinheit 10a gelöst, die um eine Scharnierachse 7a an einer Stoßfängerverkleidung 5 schwenkbar angeordnet ist (Figur 4). Die Kontakteinheit 10a ist von einer gestrichelt dargestellten Arbeitsstellung (rechte Seite der Figur) in eine durchgezogen dargestellten Ruhestellung verschwenkbar. Wie aus Figur 4 ersichtlich, liegen die Arbeitsstellung und die Ruhestellung etwa symmetrisch zur Ebene der Stoßfängerverkleidung 5, d.h. dass die Kontakteinheit in der Arbeitsstellung im Wesentlichen auf einer der Fahrzeugkarosserie abgewandten Seite des hinteren Stoßfängers 5 und in der Ruhestellung im Wesentlichen auf einer der Fahrzeugkarosserie zugewandten Seite des hinteren Stoßfängers 5 steht. Der Raum, der die Kontakteinheit 10a in der Ruhestellung aufnimmt (vgl. D2: Spalte 4, Zeilen 2-10), liegt oberhalb des untersten Abschnittes der Fahrzeugkarosserie. Letztere ist in Figur 4 strichpunktiert dargestellt und trägt das Bezugszeichnen 2 (vgl. Spalte 2, Zeilen 43-44 und Spalte 3, Zeilen 60-62: "Stoßfängerträger 2").

2.5 Stellt sich der vom Dokument D9 ausgehende Fachmann die Aufgabe, neben dem verschwenkbaren Kupplungsteil auch die elektrische Verbindung in optisch ansehnlicher Weise zu gestalten, so steht ihm hierfür ohne weiteres die Lösung zur Verfügung, wie sie in der Figur 4 vom Dokument D2 dargestellt ist, denn es ist offensichtlich, dass die Mechanik zum Ausfahren der Kontakteinheit völlig getrennt von der Mechanik sein kann, die die In- und Außerbetriebsstellung des Kugelhalses bewerkstelligt (vgl. z.B. D1: Fig. 3-5). Die Lehren von D9 und D2 sind somit ohne weiteres kombinierbar. Das Merkmal, wonach die Kontakteinheit in der Ruhestellung in einem den Kugelhals aufnehmenden Ruhestellungsraum angeordnet ist, ist naheliegend, zumal der Ruhestellungsraum lediglich dadurch definiert ist, dass er zwischen dem hinteren Stoßfänger und der Fahrzeugkarosserie liegt. Figur 4 des Dokuments D9 zeigt, dass der Raum hinter dem Stoßfänger 79 für eine gemeinsame Unterbringung des verschwenkbaren Kugelhalses 23 und der verschwenkbaren Kontakteinheit gemäß Dokument D2 reichlich Platz bietet. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ergibt sich deshalb in naheliegender Weise aus der Zusammenschau der Dokumente D9 mit D2.

2.6 Auch in Hinblick auf die naheliegende Kombination der Dokumente D2 mit D3 ist die Kammer der Auffassung, dass dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 keine erfinderische Tätigkeit zuerkannt werden kann (Art. 56 EPÜ 1973). Bei der gegebenen Sachlage erübrigt es sich aber, detailliert hierauf einzugehen.

3. Hilfsanträge VI und VIII

Die in dem Anspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen VI bzw. VII hinzugefügten Merkmale (Merkmale des erteilten Anspruchs 4 bzw. Merkmale der erteilten Ansprüche 4 und 5) sind bereits aus dem Dokument D9 (vgl. Figur 4) bekannt. Die in diesen Hilfsanträgen durchgeführten Einschränkungen sind daher nicht in der Lage, die zum Hauptantrag festgestellten Einwände der Kammer in Hinblick auf die mangelnde erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands zu überwinden.

4. Die Kammer kommt somit zu dem Schluss, dass der jeweilige Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, bzw. gemäß sämtlichen Hilfsanträgen nicht patentfähig ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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