European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2009:T062107.20091030 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 30 October 2009 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0621/07 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01109326.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08L 57/04 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Funktionalisierte Copolymerisate für die Herstellung von Beschichtungsmitteln | ||||||||
Name des Anmelders: | Wacker Chemie AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Celanese Emulsions GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.3.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Änderungen - Einspruchsverfahren (zulässig) Zulässigkeit der verspätet vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel (verneint) Erfinderische Tätigkeit (bejaht) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Der Hinweis auf die Erteilung des europäischen Patents Nr. 1 153 979 der Wacker Polymer Systems GmbH & Co. KG (jetzt Wacker Chemie AG) wurde am 25. Juni 2003 im Patentblatt 2003/26 veröffentlicht. Das Patent basiert auf der europäischen Patentanmeldung Nr. 01109326.7 und wurde am 12. April 2001 unter Beanspruchung der Priorität der deutschen Voranmeldung DE 10022992 vom 11. Mai 2000 angemeldet.
Das erteilte Patent enthielt 24 Ansprüche, wobei der unabhängige Anspruch 1 wie folgt lautete:
"Funktionalisierte Copolymerisate in Form deren wäßrigen Dispersionen oder in Wasser redispergierbaren Pulver, auf Basis von
a) Vinylester-Copolymerisaten von Vinylacetat mit weiteren Vinylestern, oder Vinylester-Ethylen-Copolymerisaten, oder Vinylester-Ethylen-Vinylchlorid-Copolymerisaten, oder Vinylester-Acrylsäureester-Copolymerisaten, oder Acrylsäureester-Copolymerisaten, oder Methylmethacrylat-Copolymerisaten, oder Styrol-1,3-Butadien-Copolymerisaten, mit
b) 0.05 bis 5.0 Gew.-% von einem oder mehreren hydrolysierbaren Silan-Monomeren aus der Gruppe umfassend ethylenisch ungesättigte, hydrolysierbare Siliciumverbindungen und hydrolysierbare Siliciumverbindungen aus der Gruppe umfassend Epoxysilane, Aminosilane und Mercaptosilane,
c) 0.05 bis 5.0 Gew.-% von einem oder mehreren Monomeren aus der Gruppe umfassend ethylenisch ungesättigte Epoxidverbindungen,
d) 0 bis 2.0 Gew.-% von einem oder mehreren Monomeren aus der Gruppe umfassend ethylenisch ungesättigte 1,3-Dicarbonylverbindungen,
sowie 99f. nach [sic] 0.05 bis 10 Gew.-% Hilfsmonomere, wobei die Angaben in Gew.-% jeweils auf das Gesamtgewicht der eingesetzten Monomeren a) bezogen sind."
II. Gegen das Patent wurde am 12. März 2004 von der Celanese Emulsions GmbH Einspruch erhoben. Der Einsprechende stützte seinen Einspruch auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) und zitierte unter anderem folgende Dokumente:
D1: EP 0 215 518 A1;
D3: EP 0 896 029 A1;
D4: XXIII FATIPEC Congress, Brussels, 10-14 June 1996, Volume D, D67-D88; und
D5: DE 15 95 501 A1.
III. In der am 17. Januar 2007 mündlich verkündeten und am 16. Februar 2007 schriftlich begründeten Zwischen¬entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der Gegenstand der Ansprüche des Hilfsantrags (Ansprüche 1-23, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 17. Januar 2007) die Erfordernisse des EPÜ erfüllt. Anspruch 1 des Hilfsantrags lautete wie folgt (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 durch Streichung kenntlich gemacht):
"Funktionalisierte Copolymerisate in Form deren wäßrigen Dispersionen oder in Wasser redispergierbaren Pulver, auf Basis von
a) Vinylester-Copolymerisaten von Vinylacetat mit weiteren Vinylestern, oder Vinylester-Ethylen-Copolymerisaten, oder Vinylester-Ethylen-Vinylchlorid-Copolymerisaten, oder Vinylester-Acrylsäureester-Copolymerisaten, oder Acrylsäureester-Copolymerisaten, oder Methylmethacrylat-Copolymerisaten, oder Styrol-1,3-Butadien-Copolymerisaten, mit
b) 0.05 bis 5.0 Gew.-% von einem oder mehreren hydrolysierbaren Silan-Monomeren aus der Gruppe umfassend ethylenisch ungesättigte, hydrolysierbare Siliciumverbindungen und hydrolysierbare Siliciumverbindungen aus der Gruppe umfassend Epoxysilane, Aminosilane und Mercaptosilane,
c) 0.05 bis 5.0 Gew.-% von einem oder mehreren Monomeren aus der Gruppe umfassend ethylenisch ungesättigte Epoxidverbindungen,
d) 0 bis 2.0 Gew.-% von einem oder mehreren Monomeren aus der Gruppe umfassend ethylenisch ungesättigte 1,3-Dicarbonylverbindungen,
sowie 99f. nach [sic] 0.05 bis 10 Gew.-% Hilfsmonomere, wobei die Angaben in Gew.-% jeweils auf das Gesamtgewicht der eingesetzten Monomeren a) bezogen sind."
IV. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung legte der Einsprechende (Beschwerdeführer) am 16. April 2007 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein.
Am 25. Juni 2007 reichte der Beschwerdeführer die Beschwerdebegründung ein, wobei er sich auf die bereits im Einspruchsverfahren eingereichten Dokumente und die neu eingereichten Dokumente D7 bis D10 bezog.
D7: Rechnung Nr. 9040037928 vom 13.09.1999 betreffend das Produkt Mowilith LDM 1880;
D8: Betriebsanleitung LDM 1880 vom 10.09.1999;
D9: Betriebsanleitung Mowilith LDM 1880 vom 18.12.1998; und
D10: Datenblatt Silan Silquest A 174.
Die Argumente des Beschwerdeführers, soweit sie für die Entscheidung relevant sind, können wie folgt zusammengefasst werden:
a) Der Beschwerdeführer vertrat die Ansicht, dass der im Einspruchsverfahren eingeschränkten Anspruch 1 gegenüber der erteilten Fassung in unzulässiger Weise erweitert worden sei. So konnten in dem im erteilten Anspruch 1 beschriebenen Copolymerisat nur 0,05 bis 5,0 Gew.-% Epoxy- und/oder Aminosilan enthalten sein, während in dem geänderten Anspruch 1 bis zu 10 Gew.-% vorhanden sein können. Dies sei möglich, da Anspruch 1 bis zu 10 Gew.-% Hilfsmonomere enthalten könne, die nicht näher definiert seien. Epoxy- und/oder Aminosilan könnten somit den Hilfsmonomeren zugerechnet werden.
b) Der Beschwerdeführer machte offenkundige Vorbenutzung durch das vor dem Prioritätsdatum im Handel befindliche Produkt Mowilith® LDM 1880 geltend. Er bat die Beschwerdekammer, die in diesem Zusammenhang relevanten Dokumente D7-D10 in das Verfahren zuzulassen.
Der Gegenstand des von der Einspruchsabteilung aufrecht erhaltenen Anspruchs 1 sei weiterhin immer noch nicht ausreichend von der Lehre der D1 abgegrenzt, da Aminosilane nach wie vor in den funktionalisierten Copolymerisaten des Anspruchs 1 vorhanden sein können.
c) Ausgehend von der im Streitpatent erwähnten Nassabriebfestigkeit, sei D4 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. Aus Tabelle 4 des Streitpatents sei zwar abzuleiten, dass der Einbau von geringen Mengen an Epoxidgruppen-haltigem Comonomer bei unverändertem Gehalt an einpolymerisiertem Silan zu einer Verbesserung der Nassabriebfestigkeit führe (Versuch V2 gegenüber den Versuchen 7-10), aber nur bei einem Gehalt von 0,4 bis 1,5 Gew.-% an Epoxidgruppen-haltigem Comonomer. Bei höheren Gehalten an Epoxidgruppen-haltigem Comonomer sei davon auszugehen, dass die Nassabriebfestigkeit sich wieder verschlechtere oder sogar unter den Wert des Vergleichsversuchs V2 falle. Somit könne die Verbesserung der Nassabriebfestigkeit durch den Einbau von Epoxidgruppen-haltigem Comonomer nicht für die Begründung der Patentfähigkeit herangezogen werden, da dieser Effekt nicht über die gesamte Breite des beanspruchten Bereichs auftrete.
Außerdem sei aus mehreren Dokumenten des Standes der Technik, z. B. D1, D3 und D5, bekannt, dass Epoxid-haltige Comonomere zur Modifikation von Emulsionspolymerisaten eingesetzt werden können. Der Gegenstand des Anspruchs 1 werde somit durch die Kombination von D4 mit diesen Dokumenten nahegelegt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 werde auch durch das Dokument D1, kombiniert mit D3 und D4 nahegelegt.
V. Mit Schreiben vom 6. November 2007 nahm der Beschwerdegegner (Patentinhaber) zur Frage der Zulässigkeit der Änderungen gemäß Artikel 123(3) EPÜ Stellung. Außerdem beantragte er, den Einwand der mangelnden Neuheit wegen offenkundiger Vorbenutzung durch das Produkt Mowilith® LDM 1880 als unzulässig zurückzuweisen. Es handele sich dabei nämlich um eine eigene Vorbenutzungshandlung des Beschwerdeführers, die nun erstmals vorgebracht werde. Zudem sei die Vorbenutzung nicht ausreichend substantiiert. Insbesondere wies der Beschwerdegegner auf die umfangreichen Schwärzungen in den Ansatzdatenblättern D8 und D9 hin.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei auch gegenüber D1 neu und werde weder durch D4 allein, noch durch D4 in Zusammenschau mit D1, D3 oder D5 nahegelegt.
VI. Mit Schreiben vom 30. April 2008 hielt der Beschwerdeführer seine bisherigen Einwände aufrecht und machte weitere Ausführungen dazu. Im Zusammenhang mit der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung reichte er weitere Dokumente ein:
D11: Betriebsanleitung LDM 1880 vom 30.10.1996;
D12: Betriebsanleitung LDM 1880 vom 19.11.1999;
D13: Betriebsanleitung LDM 1880 vom 29.12.1999;
D14: Rechnung Nr. 9040059476 vom 25.11.1999 betreffend Mowilith® LDM 1880;
D15: Rechnung Nr. 9000193075 vom 04.01.2000 betreffend Mowilith® LDM 1880; und
D16: Rechnung Nr. 9000198812 vom 13.01.2000 betreffend Mowilith® LDM 1880.
VII. Zusammen mit seiner Erwiderung vom 9. Februar 2009 legte der Beschwerdegegner einen Hilfsantrag vor, der Unklarheiten bezüglich der Auslegung in Anspruch 1 beseitigen sollte.
Hinsichtlich der offenkundigen Vorbenutzung argumentierte der Beschwerdegegner, dass es dem Fachmann nicht möglich gewesen sei nachzuweisen, dass das dem Produkt Mowilith® LDM 1880 zugrundeliegende Polymerisat einpolymerisierte Silaneinheiten aufwies. Zum Beweis dafür, dass diese Schlussfolgerungen zutreffen, verwies er auf einen Schriftwechsel zwischen der Hoechst AG und der Wacker Chemie GmbH. Somit liege gemäß G 1/92 keine offenkundige Vorbenutzung vor.
VIII. In Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung wies die Kammer in der Mitteilung vom 17. August 2009 insbesondere auf die strittige Frage bezüglich Artikel 123(3) EPÜ und die zweifelhafte Beweiskraft der geschwärzten Ansatzdatenblätter hin.
IX. Auf die Mitteilung der Kammer reichte der Beschwerdegegner mit Schreiben vom 29. September 2009 einen neuformulierten Hilfsantrag ein.
X. Der Beschwerdeführer reichte mit Schreiben vom 30. September 2009 die Dokumente D8a, D9a, D11a, D12a und D13a ein, bei denen es sich um "entschwärzte" Versionen der Dokumente D8, D9 und D11-13 handelte.
Im Zusammenhang mit der öffentlichen Verfügbarkeit des Produktes Mowilith® LDM 1880 verwies er auf das Dokument DE 196 21 574 A1 (D17).
XI. Am 26. Oktober 2009 reichte der Beschwerdegegner einen 2. Hilfsantrag ein (Ansprüche 1-23).
XII. Am 30. Oktober 2009 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
a) Im Verlauf der Diskussion, inwieweit der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltene Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ erfüllt, machte der Beschwerdegegner seinen mit Schreiben vom 26. Oktober 2009 eingereichten Antrag (Überschrift "2. Hilfstantrag") zu seinem einzigen Antrag und zog alle anderen Anträge zurück.
Anspruch 1 dieses nun einzigen Antrags unterschied sich von dem von der Einspruchsabteilung aufrecht erhaltenen Anspruch 1 (Punkt ?III, oben) dadurch, dass die Hilfsmonomeren folgendermaßen definiert worden sind:
" sowie 99f. noch 0.05 bis 10 Gew.-% Hilfsmonomere, aus der Gruppe umfassend ethylenisch ungesättigte Mono- und Dicarbonsäuren, ethylenisch ungesättigte Carbonsäureamide und -nitrile, Mono- und Diester der Fumarsäure und Maleinsäure, ethylenisch ungesättigte Sulfonsäuren bzw. deren Salze, vorvernetzende Comonomere aus der Gruppe der mehrfach ethylenisch ungesättigten Comonomere, und nachvernetzende Comonomere aus der Gruppe umfassend Acrylamidoglykol-säure (AGA), Methylacrylamidoglykolsäuremethylester (MAGNE), N-Methylolacrylamid (NMA), N-Methylolmeth¬acrylamid, N-Methylolallylcarbamat, Alkylether oder Ester des N-Methylolacrylamids, des N-Methylolmeth¬acrylamids und des N-Methylolallylcarbamats, wobei die Angaben in Gew.-% jeweils auf das Gesamtgewicht der eingesetzten Monomeren a) bezogen sind."
b) Der Beschwerdeführer erhob keine Einwände unter Artikel 84 und 123(2) und (3) EPÜ gegen die Ansprüche des einzigen Antrags.
c) Hinsichtlich der offenkundigen Vorbenutzung vertraten beide Parteien im Wesentlichen ihre bereits schriftlich vorgetragenen Positionen. Warum die offenkundige Vorbenutzung erst mit der Beschwerdebegründung geltend gemacht worden ist, konnte der Beschwerdeführer nicht schlüssig begründen.
Abgesehen von der offenkundigen Vorbenutzung erhob der Beschwerdeführer keine weiteren Neuheitseinwände.
d) Die Parteien waren sich einig, dass D4 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Nach Ansicht des Beschwerdeführers war der Gegenstand des Anspruchs 1 durch D4 in Kombination mit D1 bzw. D5 nahegelegt.
XIII. Der Beschwerdeführer beantragt, die Entscheidung der Einspruchabteilung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Der Beschwerdegegner beantragt, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1-23, eingereicht mit Schreiben vom 26. Oktober 2009 (Überschrift "2. Hilfsantrag"), aufrechtzuerhalten.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
2.1 Anspruch 1
2.1.1 Die funktionalisierten Copolymerisate des Anspruchs 1 (beansprucht in Form wässriger Dispersionen oder in Wasser redispergierbarer Pulver) basieren auf den Komponenten a) bis d). Gegebenenfalls können noch 0.05 bis 10 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht der eingesetzten Monomere a), Hilfsmonomere copolymerisiert werden. Durch die Aufzählung der Komponenten a) bis d) und das anschließende "sowie gegebenenfalls" ist für den Fachmann klar, dass im Anspruch 1 die Formulierung "auf der Basis von" eine abschließende Formulierung der möglichen Monomeren bzw. Monomereinheiten der Copolymerisate einleitet. Mit anderen Worten, die funktionalisierten Copolymerisate des Anspruchs 1 können nur aus den Komponenten a) bis d) und den aufgelisteten Hilfsmonomeren bestehen.
Durch die explizite Auflistung der Hilfsmonomeren in Anspruch 1 besteht auch keine Überschneidung mit den Komponenten a) bis d), so dass alle Komponenten des funktionalisierten Copolymerisats klar und eindeutig bestimmt werden.
2.1.2 Die Änderungen in Anspruch 1 sind
- die Streichung der Acrylsäureester-Copolymerisate in der Komponente a),
- die Streichung von Epoxysilan und Aminosilan in der Komponente b),
- die explizite Auflistung der Hilfsmonomeren.
Die Streichung einzelner Elemente in den Komponenten a) und b) ist unter Artikel 123(2) EPÜ nicht zu beanstanden, da die Streichungen nicht zu einer neuen, konkreten Ausführungsform führt (kein "singling out"). Der beanspruchte Gegenstand bleibt in seiner ursprünglich offenbarten Allgemeinheit erhalten, wird durch die Streichungen lediglich eingeschränkt. Da zudem die explizite Aufzählung der Hilfsmonomeren durch die ursprüngliche Beschreibung, Seite 3, Zeile 35 bis Seite 4, Zeile 17 gestützt wird, erfüllen die Änderungen des Anspruchs 1 somit die Erfordernisse des Artikel 123(2) EPÜ.
Auch in dem von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Anspruch 1 (siehe Punkt ?III, oben) waren Amino- und Epoxysilane in der Komponente b) gestrichen worden, wobei aber die Hilfsmonomeren nicht näher definiert worden sind. So konnten in dem geänderten Anspruch 1, wie der Beschwerdeführer ausgeführt hat, Amino- und Epoxysilane in Form von Hilfsmonomeren in den Copolymerisaten anwesend sein, und zwar in Mengen bis zu 10 Gew.-%. Da im erteilten Anspruch 1 Amino- und Epoxysilane aber nur in Mengen bis zu 5 Gew.-% vorhanden sein konnten, verstieß der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachtete Anspruch 1 gegen Artikel 123(3) EPÜ. Diese Problematik tritt bei dem nun vorliegenden Anspruch 1 nicht mehr auf, da Amino- und Epoxysilane durch die explizite Auflistung der Hilfsmonomere nicht mehr unter diese Kategorie fallen können (siehe auch Punkt ?2.1.1, oben). Der geänderte Anspruch 1 ist somit gegenüber dem erteilten Anspruch 1 eingeschränkt und erfüllt die Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ. Auch der Beschwerdeführer erhob diesbezüglich keine Einwände gegen den vorliegenden Anspruch 1.
2.2 Die Ansprüche 2-23 entsprechen den erteilten Ansprüchen 2-20 und 22-24, wobei (i) der Gegenstand der abhängigen Ansprüche 5-7 an den geänderten Anspruch 1 angepasst worden ist, (ii) in den Ansprüchen 19 und 20 die Verwendung der funktionalisierten Copolymerisate in Klebemitteln gestrichen, und (iii), bedingt durch die Streichung des erteilten Anspruchs 21, der Rückbezug in den Ansprüchen 22 und 23 entsprechend geändert worden ist. Somit sind auch die Änderungen dieser Ansprüche unter Artikel 84 oder 123 EPÜ nicht zu beanstanden.
2.3 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die vorliegenden Ansprüche die Erfordernisse der Artikel 84, 123(2) und 123(3) EPÜ erfüllen. Auch der Beschwerdeführer erhob diesbezüglich keine Einwände.
3. Neuheit
3.1 Offenkundige Vorbenutzung
3.1.1 Der Beschwerdeführer machte zum ersten Mal in der Beschwerdebegründung offenkundige Vorbenutzung durch das im Handel befindliche Produkt Mowilith® LDM 1880 geltend. Dabei handelt es sich nach den unwidersprochenen Ausführungen des Beschwerdegegners um eine "eigene" Vorbenutzungshandlung des Beschwerdeführers. Dieser hatte nämlich im Jahr 2003 das Dispersionsgeschäft der Clariant GmbH übernommen und hätte daher die Vorbenutzung bereits mit der Einlegung des Einspruchs im Jahre 2004, spätestens aber während des Einspruchsverfahrens, geltend machen können. Der Beschwerdeführer konnte weder im schriftlichen Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer schlüssig darlegen, warum er die offenkundige Vorbenutzung erst mit der Beschwerdebegründung vorgebracht hat - mehr als 3 Jahre nach Ablauf der Einspruchsfrist. Allein schon aus diesem Grund bestehen erhebliche Bedenken gegen die Zulassung der verspätet vorgebrachten "eigenen" Vorbenutzung in das Beschwerdeverfahren (siehe in diesem Zusammenhang auch T 534/89, ABl. EPA 1994, 464).
3.1.2 Daneben bestehen prima facie auch Zweifel an der Relevanz der vorgelegten Beweismittel. So enthalten die vom Beschwerdeführer vorgelegten Ansatzdatenblätter D8, D9 und D11-D13 umfangreiche Schwärzungen, welche sowohl die eingesetzten Reaktanden betreffen, als auch die Reaktionsbedingungen. Aus diesen Dokumenten kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden, welche Monomere unter welchen Bedingungen eingesetzt worden sind. Letztendlich kann keine Information zur Zusammensetzung von Mowilith® LDM 1880 aus diesen Dokumenten hergeleitet werden. Selbst nach dem Bescheid der Kammer (Punkt ?VIII, oben), in dem auf die zweifelhafte Beweiskraft der teilweise geschwärzten Ansatzdatenblätter hinwiesen worden ist, reichte der Beschwerdeführer lediglich "entschwärzte" Versionen der Ansatzdatenblätter vor, nämlich die Dokumente D8a, D9a und D11a-D13a. Aber selbst aus diesen Dokumenten ist die Zusammensetzung von Mowilith® LDM 1880 nicht eindeutig ersichtlich. So wird bei den Reaktionsansätzen eine ungesättigte Verbindung vorgelegt, deren genaue chemische Zusammensetzung unkenntlich gemacht worden ist. Ob das Produkt Mowilith® LDM 1880 unter den Anspruch 1 des vorliegenden Antrags fällt, lässt sich auch anhand der "entschwärzten" Dokumente nicht mit Sicherheit feststellen.
3.1.3 Weiterhin kann, wie der Beschwerdegegner ausgeführt hat, anhand der Ansatzdatenblätter und Rechnungen nicht belegt werden, was genau an die Öffentlichkeit gelangt ist. Es fehlt nämlich der Zusammenhang zwischen den produzierten Chargen von Mowilith® LDM 1880 und den tatsächlich verkauften Produkten.
3.1.4 Aufgrund dieser Sachlage kommt die Kammer zu dem Schluss, die verspätet geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 114(2) EPÜ).
Damit erübrigt sich eine Diskussion, ob das Produkt Mowilith® LDM 1880 überhaupt analysierbar war. Der Beschwerdegegner hatte nämlich geltend gemacht, dass man bei der geringen Menge an verwendeter Silanverbindung lediglich den Siliziumgehalt in der Polymerdispersion über eine Elementaranalyse bestimmen könne, nicht aber ob dieses Silizium von einem copolymerisierten Monomer stammt. Somit seien die in G 1/92 genannten Voraussetzungen für eine offenkundige Vorbenutzung nicht gegeben (ABl. EPA 1993, 277, Punkt 1.4 der Entscheidungsgründe).
3.2 Weitere Neuheitseinwände gegen den Gegenstand der vorliegenden Ansprüche erhob der Beschwerdeführer nicht. Auch die Kammer sieht die Neuheit gegenüber den im Verfahren befindlichen Dokumenten als gegeben.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1 Die vorliegenden Ansprüche betreffen funktionalisierte Copolymerisate (in Form wässriger Dispersionen oder in Wasser redispergierbarer Pulver), Verfahren zu deren Herstellung sowie deren Verwendung. Die Copolymerisate sollen in unterschiedlichen Farbrezepturen, z. B. in silicat- wie auch in carbonatreichen, zu Beschichtungs¬mitteln mit sehr guter Nassabriebsbeständigkeit führen (Absatz [0004] des Streitpatents). Auch in Absatz [0033] wird darauf hingewiesen, dass die funktionalisierten Copolymerisate bei hohen Pigmentvolumenkonzentrationen, d. h. in hochgefüllten und überkritisch formulierten Zusammensetzungen, noch hohe Nassabriebsfestigkeiten garantieren.
4.2 Dokument D4 beschreibt Vinylacetat-Ethylen-Copolymerdispersionen, die als Bindemittel für emissionsarme Innen- und Seidenglanzfarben verwendet werden. In das Copolymerisat sind geringe Mengen eines Silancomonomeren (< 1.0 Gew.-%) eingebaut (Seite D84). Die Bindemittel weisen ein gutes Pigmentbindevermögen auf, eine der wichtigsten anwendungstechnischen Eigenschaften von Bindemitteln für hochgefüllte Innenfarben (Seiten D67, D73 und D76). In Abbildung 4 wird die Nassabriebfestigkeit (gemessen in Scheuerzyklen) einer Innenwandfarbe in Abhängigkeit des Siliangehalts (0-1.0 Gew.-%) gezeigt, wobei als Silan Methacryloxypropyltrimethoxysilan verwendet worden ist. Die höchsten Abriebwerte werden bei 0,4 Gew.-% Silan erhalten.
D4 betrifft somit das gleiche Gebiet wie das Streitpatent und beschreibt auch die im Streitpatent angesprochenen Eigenschaften der Bindemittel, nämlich Nassabriebsbeständigkeit und hohes Pigmentbindevermögen. Die Kammer stimmt daher mit den Parteien überein, dass D4 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Im Unterschied zu dem beanspruchten Gegenstand enthalten die in D4 beschriebenen Bindemitteln keine Comonomereinheiten von ethylenisch ungesättigten Epoxidverbindungen.
4.3 Das Streitpatent selbst enthält Beispiele, die belegen, dass mit funktionalisierten Copolymerisaten gemäß Anspruch 1 die Nassabriebfestigkeit gegenüber Bindemitteln gemäß dem nächstliegenden Stand der Technik in der Tat verbessert wird. So wird im Vergleichsversuch V2 des Streitpatents (Tabelle 2) ein funktionalisiertes Copolymerisat hergestellt, das ein Vinylsilan enthält, aber keine Epoxidverbindung, d. h. ein Bindemittel wie es in D4 beschrieben wird. Dieses Bindemittel wird in eine carbonatreiche Farbrezeptur eingearbeitet, die mit der im Anhang I von D4 aufgeführten Rezeptur vergleichbar ist. Im Vergleich mit Farbrezepturen, die ein anspruchsgemäßes Copolymerisat enthalten, d. h. Vinylsilan und Epoxidverbindung (Versuche 7-10), zeigt der Vergleichsversuch 2 eine schlechtere Nassabriebfestigkeit (Tabelle 4 des Streitpatents).
Die Beispiele im Streitpatent zeigen somit, dass die vom Anmelder ursprünglich formulierte Aufgabe (Punkt ?4.1, oben) auch die objektive technische Aufgabe darstellt, nämlich die Entwicklung von Polymerisaten, die in unterschiedlichen Farbrezepturen, z. B. in silicat- wie auch in carbonatreichen, zu Beschichtungsmitteln mit sehr guter Nassabriebsbeständigkeit führen. Diese Aufgabe wird, wie die diskutierten Beispiele zeigen, auch gelöst.
Der Beschwerdeführer hat zugegeben, dass das Streitpatent eine Verbesserung der Nassabriebfestigkeit für Copolymerisate mit einem Gehalt von 0,4-1,5 Gew.-% an Epoxidverbindung belegt (Vergleichsversuch V2 gegenüber den Versuchen 7-10). Nach seiner Ansicht sei aber bei höheren Gehalten an Epoxidverbindung davon auszugehen, dass sich die Nassabriebfestigkeit wieder verschlechtere und sogar unter die Werte des Vergleichsversuchs V2 falle. Da die Verbesserung der Nassabriebfestigkeit nicht über die gesamte Breite des beanspruchten Bereichs auftrete, könne sie nicht zur Formulierung der objektiven Aufgabe herangezogen werden. Da der Beschwerdeführer aber keine Beweise für seine Behauptung vorgelegt hat, z. B. eigene Versuche mit mehr als 1,5 Gew.-% Epoxidverbindung im Copolymerisat, und auch sonst keine Anzeichen vorliegen, die Zweifel daran aufkommen lassen, dass der geltend gemachte Effekt nicht über den gesamten beanspruchten Bereich auftritt, kann die Kammer der Argumentation des Beschwerdeführers nicht folgen und hält an obiger Formulierung der objektiven Aufgabe fest.
4.4 Es bleibt zu untersuchen, ob die durch Anspruch 1 vorgeschlagene Merkmalskombination zur Lösung der objektiven Aufgabe durch den Stand der Technik nahegelegt wird.
4.4.1 In D4 selbst findet sich kein Hinweis auf die Verwendung von Epoxidverbindung zur Verbesserung der Nassabriebfestigkeit bzw. des Pigmentbindevermögens. D4 untersucht vielmehr den Einfluss des Silangehalts und des Emulgator/Schutzkolloidsystems auf die anwendungstechnischen Eigenschaften der Dispersion.
4.4.2 D1 offenbart Polymerisate in Form wässriger Dispersionen, die sich von einem ethylenisch ungesättigten Monomer(gemisch), einem epoxidgruppenhaltigen Monomer und einem ausgewählten Aminosilan ableiten. Im Gegensatz zu den Ausführungen des Beschwerdeführers liegt D1 nicht die gleiche Aufgabe zugrunde wie dem Streitpatent. In D1 geht es darum, die Haftzugfestigkeit von Klebemitteln, insbesondere Fliesenklebern, zu verbessern (Spalte 1, Zeilen 13-14, Spalte 2, Zeilen 1-7, Spalte 6, Zeilen 53-57). Bei der Haftzugfestigkeit handelt es sich um eine andere Eigenschaft als bei der im Streitpatent angesprochenen Nassabriebfestigkeit, bei der die Abtragung der Beschichtung mittels der Vliesmethode nach ISO 11998 gemessen wird (Absatz [0046] des Streitpatents). Außerdem können die Copolymerisate gemäß Anspruch 1 keine Einheiten basierend auf Aminosilan enthalten. Somit kann D1 grundsätzlich nichts zur Lösung der objektiven Aufgabe beitragen. Die vom Beschwerdeführer vorgenommene Kombination des nächstliegenden Standes der Technik mit D1 beruht somit auf einer rückschauenden (ex post) Betrachtungsweise.
Auch das Vergleichsbeispiel 1 der D1 ändert an dieser Beurteilung nichts. Dieses Beispiel offenbart zwar die die Kombination eines Vinylsilans mit einer Epoxidgruppen-haltigen Verbindung (entsprechend den Komponenten b) und c) des Anspruchs 1), aber im Zusammenhang mit einem Acrylsäureester-Copoylmerisat, das nicht unter die Komponente a) des Anspruchs 1 fällt. Diesem Vergleichsbeispiel kann in keiner Weise die Anregung entnommen werden, dass eine Kombination aus Vinylsilan, Epoxidgruppen-haltiger Verbindung und Basismonomeren gemäß a) des Anspruchs 1 zu einer Verbesserung der Nassabriebfestigkeit führen würde.
4.4.3 D3 betrifft vernetzbare, in Wasser redispergierbare Pulverzusammensetzungen, die ein in Wasser unlösliches, filmbildendes Polymerisat enthalten, z. B. Vinylacetat-Ethylen-Copolymere (Seite 3, Zeile 50; Beispiel 1). Geeignete Comonomere mit vernetzbaren Gruppen sind z. B. ethylenisch ungesättigte Silanmonomere oder Expoxidgruppen-haltige Monomere. D3 liegt die Aufgabe zugrunde, redispergierbare Pulver bereitzustellen, welche sich durch hohe Lagerstabilität, Blockstabilität und Rieselfähigkeit auszeichnen. D3 befasst sich somit mit einer grundsätzlich anderen Problematik und kann zur Lösung der objektiven Aufgabe nichts beitragen. Abgesehen davon, legt D3 den Einsatz von ethylenisch ungesättigten Silanmonomeren und Expoxidgruppen-haltigen Monomeren nicht nahe.
4.4.4 D5 bezieht sich auf filmbildende wässrige Emulsionen von copolymerisierten ethylenisch ungesättigten Stoffen, welche eine geringe Menge an Oxiran-haltigen (d.h. Epoxidgruppen-haltigen) Comonomereinheiten enthalten. Die Oxiranringe des Polymerisats werden vor, während oder nach der Polymeriation mit Ammoniak oder Aminen behandelt, d. h. die Oxirangruppen reagieren mit dem Ammoniak bzw. den Aminen ab. Somit wird in D5 das Gegenteil von dem gemacht, was das Streitpatent zur Lösung der objektiven Aufgabe vorschlägt: In D5 werden im Polymerisat vorhandene Epoxidgruppen entfernt, während sie gemäß Anspruch 1 in das Copolymerisat eingebaut werden. D5 kann also in keiner Weise die Anregung entnommen werden, dass Epoxidgruppen-haltige Comonomere die Nassabriebfestigkeit der Polymerisate des nächstliegenden Standes der Technik verbessern würden.
4.4.5 Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1, und damit auch der Gegenstand der Ansprüche 2-23, weder durch D4, noch durch D4 in Zusammenschau mit D1, D3 oder D5 nahegelegt wird.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Ansprüchen und einer eventuell noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche:
Nr. 1-23 eingereicht mit Schreiben vom 26. Oktober 2009 (Überschrift "2. Hilfsantrag").