European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2009:T040607.20090512 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 12 Mai 2009 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0406/07 | ||||||||
Anmeldenummer: | 97110717.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | G05D 1/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Routenplanungssystem für landwirtschaftliche Arbeitsfahrzeuge | ||||||||
Name des Anmelders: | CLAAS KGaA | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Deere & Company Amazonen-Werke H. Dreyer GmbH & Co. KG Octrooibureau Van der Lely N.V. BASE TEN SYSTEMS ELECTRONICS GMBH |
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Kammer: | 3.5.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (Haupt- und Hilfsantrag) - verneint | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Gegen das Patent Nr. 821 296 in seiner Gesamtheit wurden gestützt auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 (a) EPÜ insgesamt vier Einsprüche eingelegt.
II. Die Einspruchsabteilung hat in der angefochtenen Entscheidung entschieden, das Patent zu widerrufen. Sie war zur Auffassung gelangt, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 30 des damaligen Haupt- und Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Sie berücksichtigte dabei insbesondere folgende Druckschrift:
E2: Gin Liu, "Computer Generation of Efficient Farm Field Courses", Thesis, University of Regina, Saskatchewan, Kanada, 28. März 1988, ISBN 0-315-42387-0.
III. Gegen diese Entscheidung legte die Patentinhaberin Beschwerde ein und entrichtete die dafür vorgesehene Gebühr. Mit der Beschwerdebegründung wurde beantragt, die Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang nach Hauptantrag oder nach Hilfsantrag aufrecht zu erhalten.
IV. Die Einsprechende I (Deere & Company, im folgenden Beschwerdegegnerin I) nahm zur Beschwerde Stellung und beantragte deren Zurückweisung.
V. Die Einsprechende II (Amazonen-Werke, im folgenden Beschwerdegegnerin II) nahm zur Beschwerde Stellung und beantragte deren Zurückweisung, hilfsweise eine mündliche Verhandlung.
VI. Die weiteren Einsprechenden III und IV nahmen zur Beschwerde weder Stellung und noch stellten sie Sachanträge.
VII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (gleichlautend mit Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, wie er der angefochtenen Entscheidung zu Grunde lag) lautet:
"Routenplanungssystem für landwirtschaftliche Arbeitsfahrzeuge mit einer definierten Arbeitsbreite zur Generierung von Bearbeitungsfahrweg-Verläufen auf einem Feld,
dadurch gekennzeichnet,
dass in eine elektronische Datenverarbeitungseinrichtung ein oder mehrere feldspezifische Daten und ein oder mehrere arbeitsfahrzeugspezifische Daten eingebbar sind, und aufgrund der feldspezifischen und der arbeitsfahrzeugspezifischen Daten in der elektronischen Datenverarbeitungseinrichtung anhand von einem Berechnungsalgorithmus, der eine Kombination von Optimierungskriterien für die Bearbeitungsroute aufweist, der Bearbeitungsfahrweg-Verlauf in Form einer digitalisierten Bearbeitungsroute generiert und dass das Arbeitsfahrzeug eine graphische Anzeige aufweist, auf welcher die digitalisierte Bearbeitungsroute darstellbar ist."
Der weitere unabhängige Anspruch 30 gemäß Hauptantrag (gleichlautend mit Anspruch 30 gemäß Hauptantrag, wie er der angefochtenen Entscheidung zu Grunde lag) bezieht sich auf ein Spurführungssystem.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag (gleichlautend mit Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag, wie er der angefochtenen Entscheidung zu Grunde lag) weist folgendes zusätzliches Merkmal auf:
"und wobei die Kombination der Optimierungskriterien aus mehreren der Merkmale Bestimmung des kürzesten Weges, Bestimmung des schnellsten Weges, Bestimmung des kraftstoffsparendsten Weges und Minimierung von Verlustzeiten gebildet wird."
Der weitere unabhängige Anspruch 30 gemäß Hilfsantrag (gleichlautend mit Anspruch 30 gemäß Hilfsantrag, wie er der angefochtenen Entscheidung zu Grunde lag) bezieht sich auf ein Spurführungssystem.
Entscheidungsgründe
1. Verfahrensfragen
1.1 Die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüche gemäß Haupt- und Hilfsantrag sind identisch mit denen, die der angefochtenen Entscheidung zu Grunde lagen. Da sich bei unveränderten Anträgen die Entscheidung der Kammer auf dieselben Gründe stützt wie die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung, nämlich auf das Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag im Hinblick auf die Lehre von E2 und das fachmännische Handeln, sind der Beschwerdeführerin gegenüber die Erfordernisse des Artikels 113 (1) EPÜ erfüllt.
1.2 Die Beschwerdeführerin hat keinen Antrag gemäß Artikel 116 (1) EPÜ auf eine mündliche Verhandlung gestellt, sondern in ihrer Beschwerdebegründung lediglich angekündigt, dass, "sollte sich im schriftlichen Verfahren die Notwendigkeit der weiteren Einschränkung der Ansprüche 1 und/oder 30 ergeben, die Patentinhaberin zu gegebener Zeit einen oder mehrere weitere Hilfsanträge einreichen" würde.
Für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung von Amts wegen sah die Kammer keinen Anlass.
2. Hauptantrag: Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ):
2.1 Die Einspruchsabteilung betrachtete E2 als den nächstliegenden Stand der Technik. Die Kammer kann sich den von der Einspruchsabteilung zutreffend angeführten Gründen nur anschließen. Die öffentliche Zugänglichkeit dieses Dokuments wurde von der Beschwerdegegnerin I in der Einspruchsschrift vom 24. Juni 2003 dargelegt und von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt. Die Kammer kann auch sonst keine Gründe für Zweifel an der öffentlichen Zugänglichkeit dieses Dokuments zum Prioritätszeitpunkt erkennen.
Dieses Dokument befasst sich mit Verfahren und Algorithmen zur Verwendung bei der Auswahl effizienter Routen ("courses") auf einem Feld (abstract, 1. Absatz) für einen Traktor (Seite 8, 3. Absatz, vorletzter Satz), also für ein landwirtschaftliches Arbeitsfahrzeug, mit einer definierten Arbeitsbreite (siehe zum Beispiel Seite 6, Figur 1.4). In diesem Zusammenhang ist ein Wegefindungssystem ("path finding system") beschrieben, das eine effiziente Route basierend auf Informationen über das gesamte Feld bestimmt (Seite 9, 2. Absatz). E2 offenbart somit ein Routenplanungssystem für landwirtschaftliche Arbeitsfahrzeuge gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1.
Ein solches System basiert auf einer elektronischen Datenverarbeitungseinrichtung ("computerized farm field automation system", Seite 8, 3. Absatz, vorletzter Satz), in die ein oder mehrere feldspezifische Daten und ein oder mehrere arbeitsfahrzeugspezifische Daten (Seite 88, 4. Satz: "implement width", "minimum turning radius") eingebbar sind.
Die Ausgabe einer solchen elektronischen Datenverarbeitungseinrichtung bzw. des auf ihr ablaufenden Computerprogramms besteht aus einem effizienten Bearbeitungsweg-Verlauf (Seite 88, Zeilen 15-16: "efficient course"). Das Computerprogramm verwendet zur Erzeugung des Bearbeitungsfahrweg-Verlaufs feldspezifische Daten (Seite 88, Zeilen 4-6: "shapes of the field and the independent obstacles"). Das Computerprogramm basiert ferner auf einem Algorithmus, siehe z.B. Seiten 126-128 ("Appendix B").
Somit zeigt E2 das Merkmal, dass aufgrund der feldspezifischen und der arbeitsfahrzeugspezifischen Daten in der elektronischen Datenverarbeitungseinrichtung anhand von einem Berechnungsalgorithmus der Bearbeitungsfahrweg-Verlauf in Form einer digitalisierten Bearbeitungsroute generiert wird.
Bis zu diesem Punkt stimmt die Beschwerdeführerin der Merkmalsanalyse zu (siehe Beschwerdebegründung, Absatz 1).
2.2 Der in E2 verwendete Berechnungsalgorithmus weist auch eine Kombination von Optimierungskriterien für die Bearbeitungsroute auf. Dies folgt zum Beispiel aus Seite 8, Zeilen 23 - 24, wonach ein Wegefindungssystem eine vollständige Feldüberdeckung bei gleichzeitiger Minimierung des Wendeüberlapps zur Verfügung stellt. Vollständige Feldüberdeckung und Minimierung des Wendeüberlapps stellen zwei Optimierungskriterien dar, welche in Kombination, nämlich gleichzeitig, Anwendung finden.
Ferner wird in Kapitel 3 von E2, das sich mit dem zentralen Anliegen des Aufsatzes befasst ("Determination of an Efficient Field Course") im Abschnitt 3.5 "Concepts for field course construction" (Seiten 46-49) ein kürzestmöglicher Fahrweg gefordert (Seite 46, erster Satz: "course ... as short as possible"). Kürzestmöglich impliziert, dass der Fahrweg unter Berücksichtung weiterer Randbedingungen kurz sein soll. Solche Randbedingungen werden durch das zentrale Anliegen des Aufsatzes, nämlich der Feststellung eines effizienten Bearbeitungsweg-Verlaufs, gegeben und umfassen eine vollständige Feldüberdeckung bei gleichzeitiger Minimierung des Wendeüberlapps (siehe zum Beispiel Seite 1, Zeilen 12-13 und 18-19). Diese drei Kriterien, also das Vermeiden des Auslassens von Flächen bei gleichzeitiger Minimierung des Wendeüberlapps und das Erzielen des dabei kürzestmöglichen Fahrwegs, sind daher gemeinsame Vorgaben für die aus E2 bekannte Bestimmung eines effizienten Fahrwegs zur Feldbearbeitung.
Schließlich betrifft der in E2 behandelte Gegenstand ein Führungssystem zum Steuern eines Traktors oder zum Unterstützen ("assist") des Fahrers beim Steuern des Traktors in eine beliebige Position und Richtung (Seite 8, Punkt 1).
2.3 Der beanspruchte Gegenstand unterscheidet sich somit von dem aus E2 bekannten Routenplanungssystem dadurch, dass das Arbeitsfahrzeug eine graphische Anzeige aufweist, auf welcher die digitalisierte Bearbeitungsroute darstellbar ist.
2.4 Die objektive, durch dieses Merkmal zu lösende Aufgabe besteht darin, eine spezielle Unterstützungsvorrichtung anzugeben und somit für den Fahrer des landwirtschaftlichen Arbeitsfahrzeugs eine Möglichkeit zu schaffen, die von dem Routenplanungssystem erstellte Bearbeitungsroute zu überprüfen und das landwirtschaftliche Arbeitsfahrzeug anhand der angezeigten Route manuell zu steuern.
Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin dahingehend überein, dass das in E2 erwähnte Unterstützen des Traktorfahrers (Seite 8, Zeilen 19-21) nicht zwangsläufig eine Darstellung der Bearbeitungsroute auf einer graphischen Anzeige umfasst. Die entsprechende Textpassage ("to steer or to assist the operator to steer it") kann auch so verstanden werden, dass das Unterstützen des Fahrers ("to assist the operator to steer it") darin besteht, dass das Führungssystem das automatische Lenken des Traktors auch bei Anwesenheit des Fahrers gemäß der berechneten Route weitgehend übernimmt, und das Lenken ("to steer") darin besteht, den Traktor bei Abwesenheit des Fahrers zu lenken. Selbst wenn das Unterstützen des Fahrers ("to assist the operator to steer it") so verstanden wird, dass bei Anwesenheit des Fahrers dieser das Lenken des Traktors auf Anweisung des Systems selbst durchführt, folgt nicht zwangsläufig, dass die Route auf einer graphischen Anzeige angezeigt wird. Es kann genauso gut eine akustische Anweisung erfolgen.
Unabhängig von der Interpretation dieser Textpassage "to assist the operator to steer it" in E2 war es für den Fachmann aufgrund alltäglicher Erfahrungen ohne weiteres als vorteilhaft erkennbar, ausgehend von dem aus E2 bekannten Routenauswahlsystem eine graphische Anzeige vorzusehen, sodass der Fahrer die berechnete Route im Voraus kennt. Er hat dadurch u.a. die Möglichkeit Vorkehrungen entlang der Route zu treffen, etwa zum Nachtanken. Das aus E2 bekannte Routenplanungssystem mit einer entsprechenden graphischen Anzeige auszustatten, war daher für den Fachmann naheliegend.
2.5 Da somit dieses Merkmal keine erfinderische Tätigkeit begründet, erfüllt der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.
3. Hilfsantrag: Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ):
3.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag weist das weitere Merkmal auf, dass die Kombination der Optimierungskriterien aus der Bestimmung des kürzesten Weges, des schnellsten Weges, des kraftstoffsparendsten Weges und der Minimierung von Verlustzeiten gebildet wird.
In E2 wird demgegenüber die Kombination der Bestimmung des kürzesten Weges mit der Minimierung der unbearbeiteten Fläche und der Überlappung vorgenommen (siehe Punkt 2.2).
3.2 Die Optimierungskriterien gemäß Anspruch 1 und E2 sind nicht voneinander unabhängig. Die in E2 vorgeschlagene Bestimmung des kürzesten Weges in Verbindung mit der Minimierung der unbearbeiteten Flächen und des Überlapps haben einen Einfluss auf die Gesamtbearbeitungszeit, den Kraftstoffverbrauch und die Verlustzeiten (siehe zum Beispiel E2, Seite 2, Zeilen 14-18 und Seite 7, Zeilen 11-12). Somit ist die durch die Optimierungskriterien gemäß Anspruch 1 zu lösende Aufgabe darin zu sehen, alternative und leichter fassbare Optimierungskriterien zu formulieren und/oder die in E2 angegebenen Kriterien um weitere zu ergänzen.
3.3 Die Reduzierung der Gesamtbearbeitungszeit, des Kraftstoffverbrauchs und der Verlustzeiten ist konkreter und unmittelbarer im Blickfeld eines durchschnittlichen Benutzers als die in E2 angestrebte Minimierung der unbearbeiteten Flächen und der Überlappung. Da jedoch auch das in E2 vorgestellte Routenplanungssystems die Aufgabe lösen soll, die landwirtschaftlichen Kosten, welche ausdrücklich die Treibstoffkosten umfassen (Seite 1, Zeile 2), zu reduzieren (Seite 1, Zeile 7), war es für den Fachmann naheliegend, das aus E2 bekannte Routenplanungssystem im Hinblick auf ein leichteres Verständnis durch den Benutzer auf die im Anspruch genannten Kriterien hin auszurichten.
3.4 Da dieses Merkmal keine erfinderische Tätigkeit begründet, erfüllt der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.
4. Da keiner der vorliegenden Anträge der Beschwerdeführerin gewährbar ist, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.