European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2007:T033707.20071130 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 30 November 2007 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0337/07 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04002334.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | B24C 1/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Entfernung einer Schicht eines Bauteils | ||||||||
Name des Anmelders: | SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (Haupt- und Hilfsanträge 1-2 - nein) Zulassung eines in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrags 3 (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 04 002 334.3 Beschwerde eingelegt.
Die Prüfungsabteilung entschied, dass die während der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche des Hauptantrags bzw. der am 20. Juni 2006 eingereichten Hilfsanträge 1-5 bzw. die darin vorgenommenen Änderungen nach Artikel 123(2) EPÜ zulässig sind. Sie entschied weiters, dass die Gegenstände der Ansprüche 1 des Hauptantrags bzw. der Hilfsanträge 2-5 neu gegenüber dem nächstkommenden Stand der Technik D1 (EP-A-1 317 995) sind, während es dem Gegenstand von Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags an der Neuheit gegenüber D1 mangelt. Außerdem mangelt es den Gegenständen der Ansprüche 1 des Hauptantrags bzw. der Hilfsanträge 2-5 an der notwendigen erfinderischen Tätigkeit gegenüber D1 bzw. einer Kombination von D1 mit D3 (EP-A-0 142 418).
II. Mit Bescheid vom 10. September 2007, der als Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung vor der Kammer beigefügt war, teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt geltenden Anträge mit.
Die Ansprüche 1 des Hauptantrags und des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags I schienen danach die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ zu erfüllen, während die Ansprüche 4 und 7 des Hilfsantrags I und die Ansprüche 1 der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge II bis IV gegen Artikel 123(2) EPÜ zu verstoßen schienen.
Anspruch 1 aller Anträge enthielt nicht die Formulierung "der zur Bildung der glasartigen Schicht (33, 32, 36) wärmebehandelt wurde" und daher schienen alle Anträge die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ nicht zu erfüllen.
Trotz der formalen Beanstandungen machte die Kammer Ausführungen bezüglich der erfinderischen Tätigkeit.
D1 schien den nächstkommenden Stand der Technik für Anspruch 1 des Hauptantrags zu bilden, da es ein Verfahren zum Entfernen einer Schicht von einem Substrat mittels Trockeneisstrahlens offenbart, bei dem das Substrat nicht beschädigt und durch das Trockeneis auch nicht durch Fremdstoffe kontaminiert wird.
Ausgehend von D1 konnte nach Ansicht der Kammer die mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 zu lösende Aufgabe darin gesehen werden, weitere Anwendungsgebiete für das Trockeneisstrahlverfahren nach D1 zu finden, wie zum Beispiel das Entfernen einer Schicht mit einem anorganischen Binder, der zumindest Phosphorsäure, zumindest Chromsäure und ein Metallphosphat enthält.
Die Lösung dieser Aufgabe schien nach Ansicht der Kammer nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit zu beruhen, weil der Fachmann durch die allgemeine Lehre von D1 unter Berücksichtigung des in D1 beschriebenen Standes der Technik zur Durchführung eines Versuches angeregt zu werden scheint, gemäß dem der Fachmann zum Verfahren nach Anspruch 1 kommt. Im Übrigen schien es kein Vorurteil zu geben, das den Fachmann von einem derartigen Versuch abhalten würde.
Für die Ansprüche 1 der Hilfsanträge I-IV schienen dieselben Schlussfolgerungen wie für den Hauptantrag zu gelten, da es keinerlei Vorurteil zu geben schien, das den Fachmann von Versuchen abhalten würde. Im Übrigen beanspruchten die Hilfsanträge I-IV vier völlig unterschiedliche Ausgestaltungen des Verfahrens, wobei die Zusammensetzung des Binders oder der Mehrschichtaufbau in keinem Zusammenhang mit einer Anwendung des Verfahrens auf komplette Rotoren oder beschaufelte Turbinenscheiben steht. Somit schienen mit diesen Merkmalen völlig unterschiedliche Teilaufgaben gelöst zu werden. Die Kammer vermerkte zusätzlich, dass die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren keinerlei Argumente im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit bzw. die zu lösenden Aufgaben gemäß den Hilfsanträgen I-IV vorgebracht hatte.
III. Als Reaktion reichte die Beschwerdeführerin mit ihrem Schreiben vom 17. Oktober 2007 einen neuen und einzigen Hauptantrag ein, der alle bisherigen Anträge ersetzte.
IV. Am 30. November 2007 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
In der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Basis eines der nachfolgenden Anspruchssätze zu erteilen:
1. Ansprüche 1 bis 15, eingereicht mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2007 (Hauptantrag), oder
2. Ansprüche 1 bis 15, eingereicht in der mündlichen Verhandlung (Hilfsantrag 1), oder
3. Ansprüche 1 bis 15, eingereicht in der mündlichen Verhandlung (Hilfsantrag 2), oder
4. Ansprüche 1 bis 13, eingereicht in der mündlichen Verhandlung (Hilfsantrag 3).
In der mündlichen Verhandlung wurden die Entgegenhaltungen D1, D3, D4 (US-B2-6 585 569, Teil der Prüfungsakte) sowie die Anlagen D (SermeTelR984/985 [STS-27(3/04)], und SermeTelR Process 2F-1 Coating System [STS-8(3/05)], und SermeTel**(TM) Process 5380 DPR Coating System [STS-9 F(7/05)]) und Anlage E (SERMATECHR Solutions - Corrosion), beide mit der Beschwerdebegründung eingereicht, berücksichtigt.
V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"1. Verfahren zum Entfernen einer zumindest einen anorganischen Binder enthaltenden Schicht (33) von der Oberfläche (38) eines Bauteils (20),
das Verfahren mit einer Schicht (33) durchgeführt wird, dessen Binder
zumindest Chromsäure (H2CrO3),
insbesondere zu 50wt%, enthält,
zumindest phosphorige Säure (H3PO3),
insbesondere bis zu 20wt% enthält,
zumindest Phosphorsäure (H3PO4),
insbesondere bis zu 30wt% enthält,
wobei die Schicht (33) eine Duplexschicht (32, 36) ist,
wobei die Duplexschicht (32, 36) aufgebaut ist aus einer ersten Schicht (32),
die aus Chromsäure, phosphoriger Säure, Phosphorsäure, Aluminium und optional Magnesiumoxid besteht,
einer zweiten Schicht (36),
die aus Chromsäure, phosphoriger Säure, Phosphorsäure und optional Magnesiumoxid besteht,
wobei ein Trockeneisstrahl (14) aus Trockeneispartikeln über die Oberfläche (38, 40) des Bauteils (20) geführt wird,
so dass durch die Einwirkung der auftreffenden Trockeneispartikel Material der Schicht (33, 32, 36) abgetragen wird."
VI. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das zusätzliche Merkmal "wobei der Binder wärmebehandelt wurde" zwischen den beiden Formulierungen "einer zweiten Schicht (36), optional Magnesiumoxid besteht" und "wobei ein Trockeneisstrahl (14) aus Trockeneispartikeln über die Oberfläche ".
VII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das zusätzliche Merkmal "wobei der Binder durch eine Wärmebehandlung glasartig ausgebildet wurde" zwischen den beiden Formulierungen "einer zweiten Schicht (36), optional Magnesiumoxid besteht" und "wobei ein Trockeneisstrahl (14) aus Trockeneispartikeln über die Oberfläche ".
VIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das zusätzliche Merkmal "wobei der Binder durch eine Wärmebehandlung glasartig ausgebildet wurde und das Verfahren an einem kompletten Rotor mit Schaufeln durchgeführt wird oder das Verfahren an beschaufelten Turbinenscheiben durchgeführt wird" zwischen den beiden Formulierungen "einer zweiten Schicht (36), optional Magnesiumoxid besteht" und "wobei ein Trockeneisstrahl (14) aus Trockeneispartikeln über die Oberfläche ".
IX. Die Beschwerdeführerin hat im wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Das Verfahren von Anspruch 1 des Hauptantrags sei erfinderisch. Es gehe um ein neues Anwendungsgebiet des Verfahrens auf eine neue Klasse von Materialien, wobei sich die Frage stelle, ob der Fachmann aufgrund der D1 und den dort erwähnten keramischen Materialien und den Materialeigenschaften, die er aus D3 kennt, die Schlussfolgerung ziehen könnte, dass die Materialien der D3 mit dem Verfahren der D1 entfernt werden können. Diese Argumentation wurde von der Prüfungsabteilung nicht geführt. D3 würde eher den nächstkommende Stand der Technik darstellen als D1.
Die Anlagen D und E zeigten, dass die Beschichtungen mit der Bezeichnung SermeTelR der Firma Sermatech (d.h. der Patentinhaberin von D3) Temperaturen von -226ºC bis +650ºC aushalten und Chromate und Phosphate aufweisen, wie sie durch Verwendung von Chromsäure, phosphorige Säure und/oder Phosphorsäure entstehen. Der D1 sei kein Hinweis entnehmbar, dass sich das Verfahren auf Materialien anwenden lasse, die sehr tiefe Temperaturen von -226ºC aushielten, welche weit unter der Temperatur von Trockeneis liege. Außerdem habe die Kammer in ihrem Bescheid nicht den Aufgabe-Lösungsansatz korrekt benutzt.
Im Übrigen ergebe sich nicht zwangsläufig eine Kombination der Lehren der D1 und der D3, da nicht dargelegt wurde, warum eine Beschichtung der D3 vorteilhaft wäre, um sie mit dem Verfahren nach D1 zu entfernen. D3 wäre nur eine Alternative unter vielen. Eine Argumentation warum der Fachmann die Lehren der D3 und der D1 kombinieren würde, wurde nicht geführt. Die mittels APS aufgetragenen Keramikschichten sind nur bei hohen Temperaturen (>1000ºC) aufgrund der stengelförmigen Struktur temperaturwechselbeständig. Diese Struktur ist bei den Beschichtungen gemäß vorliegender Anmeldung nicht vorhanden. Bei tiefen Temperaturen weise Keramik eine geringe Temperaturwechselbeständigkeit auf, so dass sie sich durch eine Thermoschockbehandlung bei tiefen Temperaturen auch sehr leicht entfernen lasse. Da die Beschichtungen gemäß Anlage E auch bei tieferen Temperaturen thermoschockbeständig seien (siehe Seite 1, erster Absatz "coatings are extremely ductile"), wäre es umso überraschender, dass sich solche glasartige Binderschichten auf Chromat/Phosphat-Basis (siehe Anlage D, Seite STS-8(3/05), erster Absatz) durch das beanspruchte Verfahren entfernen lassen. Die Tieftemperatureigenschaften von Keramiken würden sich wesentlich von jenen der hohen Temperaturen unterscheiden. Ein Beweismittel für diese Aussage könne aber nicht vorgelegt werden.
Die Änderungen gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 sollten im Bescheid erhobene Einwände unter Artikel 84 EPÜ ausräumen.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 stelle eine weitere Beschränkung durch Aufnahme von Merkmalen abhängiger Ansprüche dar und bringe den Vorteil einer Zeitersparnis durch den Wegfall des Ausbauens und Zerlegens der Turbine. Hilfsantrag 3 entspreche somit Anspruch 1 der mit der Beschwerdebegründung ursprünglich eingereichten Hilfsanträge III und IV, sei somit als rechtzeitig eingereicht zu bezeichnen. Die Zulässigkeit in das Verfahren für diesen Hilfsantrag liege aber im Ermessen der Kammer. Die zu lösende Aufgabe sei die Vermeidung des Ausbauens der Turbine. D4 sei nicht relevant, denn das Reinigen einer Schicht sei nicht mit dem Entfernen einer Schicht vergleichbar. D4 betreffe somit einen Stand der Technik, der entfernter sei als jener nach D3 oder D1, und den der Fachmann daher nicht berücksichtigen würde. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 erfülle daher die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 84 und 123(2) EPÜ)
Da die Kammer zum Schluss gelangte, dass die Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1-2 auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhen (siehe Punkt 3 unten), gab es keine Veranlassung, weitere offene Fragen zu entscheiden. Insbesondere erübrigte sich die Prüfung, ob die vorgenommenen Änderungen in den Ansprüchen der vorliegenden Anträge durch die Offenbarung der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung gestützt werden, bzw. ob deren Ansprüche die Erfordernisse der Klarheit erfüllen.
2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
Keines der vorliegenden Dokumente offenbart ein Verfahren zum Entfernen einer Schicht mit einem in Anspruch 1 des Hauptantrags bzw. in Anspruch 1 der Hilfsanträge 1-2 definierten anorganischen Binder.
Die Verfahren von Anspruch 1 dieser Anträge sind somit neu. Anspruch 1 des Hauptantrags bzw. der Hilfsanträge 1-2 erfüllt deshalb das Erfordernis von Artikel 54 EPÜ.
3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Es wird zunächst der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 behandelt (siehe Punkt 3.8 für die höherrangigen Anträge).
3.1 Nächster Stand der Technik
3.1.1 D1 wird von der Kammer als nächstkommender Stand der Technik für Anspruch 1 aller vorliegenden Anträge angesehen, weil es ein Verfahren zum Entfernen einer Schicht mittels Trockeneisstrahlens offenbart, bei dem das Substrat nicht beschädigt und durch das Trockeneis auch nicht durch Fremdstoffe kontaminiert wird (siehe Ansprüche 1 und 9; Spalte 5, Zeilen 7 bis 18 und Zeile 35 bis Spalte 6, Zeile 29). Das Verfahren nach D1 dient zum Aufbringen oder Wiederherstellen einer Schutzschicht oder eines Schutzschichtsystems auf Gasturbinenschaufeln (vgl. Spalte 1, Zeilen 5 bis 8), wobei in der Regel auf dem Grundkörper eine Schutzschicht oder ein Schutzschichtsystem gegen Oxidation, Korrosion und/oder zur Wärmedämmung aufgebracht wird (siehe Spalte 1, Zeilen 19 bis 35). Mit dem Verfahren nach D1 wird spezifisch eine keramische Schicht, insbesondere Wärmedämmschicht von Yttrium stabilisierten Zirkonoxid, die auf einer MCrAlY Korrosionsschutzschicht über eine Haftvermittlerschicht aufgebracht ist, mittels eines Trockeneisstrahles von 10 bis 30 bar entfernt (siehe Spalte 3, Zeilen 19 bis 33; Spalte 4, Zeilen 1 bis 50; Spalte 6, Zeilen 2 bis 11; Ansprüche 1 bis 9; Figuren 1 bis 3).
Die implizit in D1 beschriebene Haftvermittlerschicht ist normalerweise eine Aluminiumoxidschicht, die sich durch Oxidation der MCrAlY-Schicht bildet. Diese Aluminiumoxidschicht stellt eine anorganische Binderschicht dar, da sie die darunter liegende MCrAlY-Schicht mit der keramischen Wärmeschutzschicht verbindet bzw. deren Anbindung verbessert (siehe Spalte 6, Zeilen 6 bis 11).
3.2 Somit unterscheidet sich das Verfahren nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 von dem Verfahren nach D1 dadurch, dass die zu entfernende Schicht mit einem anorganischen Binder eine Duplexschicht ist, die aus einer ersten und zweiten Schicht aufgebaut ist. Dabei besteht die erste Schicht aus Chromsäure, phosphoriger Säure, Phosphorsäure, Aluminium und optional Magnesiumoxid und die zweite Schicht besteht aus Chromsäure, phosphoriger Säure, Phosphorsäure und optional Magnesiumoxid, wobei der Binder durch eine Wärmebehandlung glasartig ausgebildet wurde.
3.2.1 Durch diese Zusammensetzung des anorganischen Binders und den Duplexschichtaufbau wird erreicht, dass die Schicht mit dem Trockeneisstrahl vollständig abgetragen werden kann, ohne das Substrat zu schädigen bzw. mit Fremdstoffen zu kontaminieren (siehe ursprünglich eingereichte Anmeldung, Seite 4, Zeilen 21 bis 36; Seite 8, Zeile 34 bis Seite 9, Zeile 14).
Andere besondere Eigenschaften oder Effekte dieses Binders bzw. dieses Duplexschichtaufbaus sind der Anmeldung nicht entnehmbar, insbesondere gibt es darin keinerlei Beispiele oder Vergleichsbeispiele gemäß dem Stand der Technik.
3.2.2 Glasartig bedeutet gemäß vorliegender Anmeldung, dass die Schicht ähnliche thermische und/oder mechanische Eigenschaften wie Glas aufweist und sich von den thermischen und/oder mechanischen Eigenschaften eines Metalls und einer Keramik unterscheidet (siehe ursprünglich eingereichte Anmeldung, Seite 8, Zeilen 18 bis 21).
Aufgrund dieser Aussagen in der Anmeldung können die Argumente der Beschwerdeführerin basierend auf der Anlage E, wonach die unter den Anspruch 1 fallenden SermeTelR Beschichtungen extrem duktil wären, nicht akzeptiert werden, da Gläser im Unterschied zu Metallen im allgemeinen nicht duktil sind. Anlage E offenbart im Übrigen auch nirgends, dass die SermeTelR-Beschichtungen glasartig wären.
3.3 Aufgabe
Die Aufgabe der vorliegenden Anmeldung wird unter Berücksichtigung des einzigen unterscheidenden Merkmals und des Aufgabe-Lösungsansatzes (siehe Punkte 3.2 bis 3.2.2 oben) deshalb von der Kammer - in Übereinstimmung mit der in der Anmeldung genannten Aufgabe - darin gesehen, für das aus D1 bekannte Trockeneisstrahlverfahren weitere Anwendungsgebiete, wie zum Beispiel das Entfernen einer anderen Schicht mit einem anorganischen Binder, der zumindest Chromsäure, zumindest phosphorige Säure und zumindest Phosphorsäure enthält, zu finden, bei dem die Schicht auch vollständig entfernt werden kann und bei dem das Substrat weder beschädigt noch kontaminiert wird (siehe ursprünglich eingereichte Anmeldung, Seite 3, Zeilen 31 bis 33).
3.4 Lösung der Aufgabe
Die genannte Aufgabe wird durch das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 dadurch gelöst, dass das bekannte Verfahren auf eine Duplexschicht aus einem anorganischen Binder mit den angegebenen Komponenten (deren erste bzw. zweite Schicht) besteht und durch Wärmebehandlung glasartig ausgebildet wurde.
3.5 Diese Lösung wird, ausgehend von dem Verfahren nach D1 unter Berücksichtigung des darin offenbarten Fachwissens, von der Kammer als nahe liegend erachtet.
3.5.1 D1 offenbart dem Fachmann, "die bisherigen Anwendungen des Trockeneisstrahlens beruhten maßgeblich auf einer thermo-mechanischen Einwirkung auf eine eher weiche Beschichtung. Ein solcher Belag oder eine Beschichtung wird durch Kaltversprödung und anschließende Einwirkung stückweise durch ein Abplatzen abgetragen. Eine keramische Wärmedämmschicht besteht demgegenüber aus einem harten, widerstandsfähigen Material. Darüber hinaus ist eine keramische Wärmedämmschicht gerade dafür ausgelegt, Temperaturwechsel und thermische Spannungen auszuhalten. Hierzu wird üblicherweise eine stengelförmige Struktur aufgebaut, die die Kompensation thermischer Spannungen erlaubt. Die keramische Wärmedämmschicht sollte somit eigentlich gerade gegen thermo-mechanische Abtragungsversuche unempfindlich sein." (siehe Spalte 3, Zeilen 34 bis 49).
Weiters erwähnt D1, dass mit dem Trockeneisstrahlverfahren auch eine Reinigung der Gasturbinenschaufel durchgeführt werden kann (siehe Spalte 5, Zeilen 7 bis 18).
Somit lehrt D1 dem Fachmann insbesondere in Hinblick auf den in D1 zitierten bekannten Stand der Technik, dass das Trockeneisstrahlen ein sehr vielseitiges Verfahren zum Entfernen von sowohl weichen Beschichtungen mittels Kaltversprödung als auch von harten, thermo-mechanisch unempfindlichen Schichten, wie einer keramischen Wärmedämmschicht auf einer metallischen Hochtemperatur-Korrosionsschutzschicht, darstellt, mit dem auch lediglich eine Reinigung von Schmutzresten erfolgen kann (siehe Spalte 2, Zeile 30 bis Spalte 3, Zeile 15). Dieser breite Anwendungsbereich läßt sich, wie für den Fachmann offensichtlich ist, durch die Einstellung der Trockeneistrahlhärte bzw. des Druckes regeln (siehe Spalte 4, Zeilen 46 und 47; Spalte 6, Zeilen 26 bis 29). Damit wird der Fachmann aber dazu angehalten, zumindest Versuchsweise dieses Trockeneisstrahlverfahren auch zum Entfernen anderer auf Turbinenschaufeln aufgebrachter Schichten mit gewisser Erfolgserwartung auszuprobieren (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 5. Auflage 2006, I.D.6 und I.D.8.19.4.).
Die Tatsache, dass eine glasartige anorganische Schicht entfernt werden soll, würde den Fachmann nicht von einem derartigen Versuch abhalten. Im Gegenteil, der Fachmann würde aufgrund dieser Eigenschaft eher annehmen, dass sich eine derartige Schicht wie Keramik verhält und daher spröde ist und sich somit ohne Probleme mit dem Trockeneisstrahlverfahren entfernen lassen sollte.
Damit gelangt der Fachmann zum Verfahren von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.
3.5.2 Soweit die Beschwerdeführerin ihre Argumente darauf stützt, daß die Beschichtung nach Anspruch 1 gemäß der nachveröffentlichten Anlage E Temperaturen von bis zu
-226ºC aushalten müsse, wird von der Kammer bemerkt, daß diese Behauptung sich auf keinerlei Gegenpart im Anspruch 1 stützen kann bzw. die Bauteile, bevorzugt die beschichteten Turbinenbauteile, eines Kompressors im Temperaturbereich von ca. -50ºC bis -60ºC (als geschätzte Lufttemperatur bei Anwendung von Flugzeugturbinen in einer Höhe von ca. 11000 m) bis 200ºC eingesetzt werden dürften (siehe ursprünglich eingereichte Anmeldung, Seite 1, Zeilen 18 bis 20). Es ist aber den drei nachveröffentlichten Datenblättern der Anlage D nicht entnehmbar, dass die darin beschriebenen Beschichtungen für die in Anlage E erwähnte tiefe Temperatur ausgelegt und verwendbar sind. Im Übrigen sagt die Tatsache, dass eine Beschichtung die genannte Temperatur von -226ºC ohne Schaden übersteht, nichts darüber aus, wie sich diese Beschichtung bei dieser Temperatur bei einer gleichzeitigen zusätzlichen mechanischen Beanspruchung, wie beim Trockeneisstrahlen, verhält. Die D3 macht diesbezüglich ebenfalls keinerlei Aussagen. Diese Argumente der Beschwerdeführerin können daher nicht akzeptiert werden.
Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung keine Argumente auf der Basis des, von den Beschwerdekammern in der Regel angewandten, Aufgabe-Lösungs-Ansatzes ausgehend vom nächstkommenden Stand der Technik unter Berücksichtigung der unterscheidenden Merkmale vorgebracht (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 5. Auflage 2006, I.D.2. bis I.D.6.). Die Beschwerdeführerin hat auch nicht dargelegt, warum diese bereits im Bescheid vorgetragene Argumentation der Kammer nicht zutreffend sein sollte.
3.5.3 Weiterhin wurde ein spezifischer Effekt der anorganischen Schicht, der einen Einfluss auf das Verfahren zum Entfernen der Schicht hätte, von der Anmelderin nicht nachgewiesen. Selbst wenn die Kammer unterstellen würde, dass die anorganischen Schichten gemäß Anspruch 1 bei deren Anwendung als Schutzschicht auf Turbinenbauteilen vorteilhaft sind, gibt es keinerlei Anhaltspunkt, dass diese Tatsache einen Einfluss auf das Verfahren zur Entfernung der Schicht an sich hat. Die vorliegende Anmeldung zeigt vielmehr, dass sich die in Verfahrensanspruch 1 definierte Schicht, in analoger Weise wie andere vom Stand der Technik bekannte Schichten, problemlos entfernen läßt.
3.6 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass D3 den nächstkommenden Stand der Technik bilden würde, da es anorganische Beschichtungen des Chromat/Phosphat-Typs offenbart, die für verschiedene Turbinenbauteile, wie Kompressorkomponenten beinhaltend Kompressorschaufeln und Leitschaufeln, besonders geeignet sind (siehe Seite 1, erster Absatz; Seite 17, letzter Absatz bis Seite 18, erster Absatz; Beispiele 1 bis 8; Ansprüche 19 bis 21). D3 macht bezüglich der Thermoschockbeständigkeit der Beschichtungen keine Aussage und erwähnt lediglich eine verbesserte Salzsprühtestbeständigkeit bzw. Erosionsbeständigkeit (siehe Seite 9, zweiter Absatz; Seite 10, zweiter Absatz, dritter Satz). Gemäß dem Beispiel 7 wird z.B. eine einzige Schicht ausgehend von den Bestandteilen CrO3, H3PO4, H3PO3 und Al-Pulver aufgebracht, die dann wärmebehandelt wird, es können aber auch mehrere Schichten aufgebracht werden, wobei die Deckschicht z.B. dem Binder der ersten Schicht aber ohne Al-Pulver entsprechen kann (siehe Seite 24, zweiter Absatz; Beispiele 1, 3, und 6 bis 8; Anspruch 30).
3.7 Da D3 keinerlei Hinweise zu irgendwelchen Verfahren zum Entfernen der beanspruchten oder anderer Beschichtungen gibt, kann es nach Ansicht der Kammer jedoch nicht den nächstkommenden Stand der Technik für den Verfahrensanspruch 1 darstellen. Allerdings, selbst wenn D3 als nächstkommender Stand der Technik betrachtet würde, dann wird eine Anwendung des Verfahrens nach D1 zum Entfernen einer aus D3 bekannten Schicht von der Kammer aus folgenden Gründen für den Fachmann als nahe liegend angesehen.
Die im Verfahren nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 beanspruchte Schicht ist in D3 vollständig offenbart, siehe Beispiel 7 in Verbindung mit der auf Seite 24, 2. Absatz beschriebenen bevorzugten Duplexschicht mit einer ersten Schicht mit Aluminium als Opfermaterial im glasartigen Binder und einer zweiten Deckschicht mit glasartigem Binder. Es stellt sich die Aufgabe, eine solche Schicht mit einem Verfahren zu entfernen, bei dem die Schicht vollständig entfernt werden kann und das Substrat weder beschädigt noch kontaminiert wird (siehe ursprünglich eingereichte Anmeldung, Seite 3, Zeilen 31 bis 33).
3.7.1 Die D1 bietet ein solches Verfahren zum Entfernen der Schicht an, unter Verwendung eines Trockeneisstrahles. Der Fachmann würde dieses Verfahren anwenden, denn nur mit diesem Verfahren kann er eine Beschädigung bzw. eine Kontamination des Substrats vermeiden (siehe Absatz [0014] der D1).
Das Argument der Beschwerdeführerin, wonach die völlig unterschiedlichen Materialien der Schichten gemäß D3 (d.h. Chromat/Phosphat Typ) bzw. gemäß D1 (Keramikmaterial) den Fachmann davon abhalten würde, das Verfahren mit Trockeneisstrahl in Anwendung zu bringen, ist nicht überzeugend. Wie schon unter Punkt 3.5.1 oben dargelegt, lehrt D1 dem Fachmann ein Verfahren zum Entfernen von völlig unterschiedlichen Materialien, so dass der Fachmann - mit berechtigter Erfolgserwartung - zumindest Versuche mit diesem Verfahren durchführen würde.
Damit würde der Fachmann auch über die Anwendung des Verfahrens nach D1 auf eine Schicht nach D3 zum Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 gelangen.
3.8 Das Verfahren des Anspruchs 1 von Hilfsantrag 2 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
Diese Schlußfolgerung gilt mutatis mutandis für den Hauptantrag und Hilfsantrag 1, da deren breitere Ansprüche 1 den glasartigen Binder von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 umfassen. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag umfasst nämlich auch nicht wärmebehandelte und nicht glasartige anorganische Binder, während der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 auch nicht glasartige wärmebehandelte anorganische Binder umfasst.
Somit sind auch der Hauptantrag und der Hilfsantrag 1 in Hinblick auf Artikel 56 EPÜ nicht gewährbar.
4. Zulässigkeit des Hilfsantrags 3 (Artikel 10b) VOBK)
Während der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin den zusätzlichen Hilfsantrag 3 mit einem Anspruch 1 ein (siehe oberen Punkt VIII), welcher prinzipiell - abgesehen von der Duplexschicht und deren Zusammensetzungen - einer Kombination der rechtzeitig mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüche 1 der Hilfsanträge III und IV entspricht, die aber mit dem Schreiben vom 17. Oktober 2007 zurückgezogen und durch den vorliegenden Hauptantrag ersetzt worden sind. Als Begründung für diese ungewöhnliche Verfahrensweise nannte die Beschwerdeführerin, dass ein derartiges Verfahren vom Stand der Technik nicht herleitbar wäre und den Vorteil habe, dass der Ausbau bzw. das Zerlegen der Turbinen vermieden werden könne.
4.1 Die Kammer erachtet diese Vorgangsweise als Verfahrensmissbrauch, da es nicht angeht, dass die Beschwerdeführerin ihre rechtzeitig eingereichten Hilfsanträge zurückzieht, um sie dann überraschend in der mündlichen Verhandlung wieder vorzulegen. Insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin als Reaktion auf den Bescheid der Kammer vom 10. September 2007 rechtzeitig einen neuen Hauptantrag eingereicht hatte, zeigt, dass sie in der Lage gewesen wäre, diesen Hilfsantrag früher zu stellen, bzw. früher "wiederzubeleben".
4.2 Die zusätzlichen Merkmale von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 haben im Übrigen mit der ursprünglichen Aufgabenstellung (siehe Punkt 3.3 oben) nichts mehr gemein, sondern versuchen eine zusätzliche, unabhängige Teilaufgabe zu lösen. Daher kann entsprechend der allgemeinen Praxis der Beschwerdekammern ein weiteres Dokument zur Lösung dieser weiteren Teilaufgabe herangezogen werden (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 5. Auflage 2006, I.D.8.2.2.).
4.3 Dokument D4 (US-B2-6 585 569), das Teil der Prüfungsakte und in der Beschreibung der Anmeldung zitiert ist (siehe Seite 3, Zeilen 28 und 29), zeigt ein Verfahren zum on-Line Reinigen von kompletten Turbinen mittels Trockeneisstrahlens (siehe Spalte 2, Zeilen 44 bis 58; Spalte 3, Zeilen 1 bis 19; Ansprüche 1, 4 und 6). Dem Fachmann wird in Kenntnis des Trockeneistrahlverfahrens zum Entschichten und Reinigen von Turbinenbauteilen gemäß D1 somit von D4 gelehrt, dass auch komplette Turbinen mit einem derartigen Verfahren behandelt werden können und er dadurch das Zerlegen der Turbine vermeiden kann. Damit wird aber das Verfahren nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 nahegelegt.
4.4 Unter Berücksichtigung dieser Fakten übt die Kammer daher ihr Ermessen gemäß Artikel 10b) VOBK aus und läßt deshalb den prima facie nicht gewährbaren Hilfsantrag 3 nicht mehr zu.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.