T 0281/07 (Stabilisierung von Proteinen/ROCHE DIAGNOSTICS GMBH) of 13.11.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T028107.20091113
Datum der Entscheidung: 13 November 2009
Aktenzeichen: T 0281/07
Anmeldenummer: 98121684.9
IPC-Klasse: A61K 47/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verbessertes Verfahren zur Stabilisierung von Proteinen
Name des Anmelders: Roche Diagnostics GmbH
Name des Einsprechenden: Merck Patent Group
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Hauptantrag, Hilfsanträge 1 und 2: Zulässigkeit - (ja): kein Widerspruch zur Entscheidung T 0390/07
Änderungen - (ja): Kombination der Merkmale ursprünglich offenbart
Erfinderische Tätigkeit - (nein): stabilitätserhöhende Wirkung naheliegend
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0390/07
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des auf der Grundlage der europäischen Patentanmeldung Nr. 98 121 684.9 erteilten europäischen Patents Nr. 0 917 879. Das Patent in der erteilten Form enthielt 12 Ansprüche.

Die erteilten unabhängigen Ansprüche lauten wie folgt:

"1. Verbessertes Verfahren zur Verhinderung der Bildung von Proteinaggregaten in einem rekonstituierten Lyophilisat einer pharmazeutischen Zusammensetzung bestehend aus einer wäßrigen gepufferten Lösung eines Proteins, wobei die genannte Lösung aufgetaut, in Kompartimente von injizierbaren Mengen zerteilt und diese Kompartimente lyophilisiert werden, dadurch gekennzeichnet, daß die genannte Lösung des Proteins Kaliumphosphatpuffer als Puffersubstanz enthält und das Verhältnis Kalium- zu Natriumionen in der Lösung 10:1 oder größer ist.

8. Aggregatarme, schmelzbare feste Lagerform eines Proteins, dadurch gekennzeichnet, daß sie amorph ist, eine eingefrorene Lösung des Proteins mit Kaliumphosphatpuffer als Puffersubstanz enthält und das Verhältnis Kaliumionen zu Natriumionen mindestens 10:1 ist, mit der Maßgabe, daß die genannte eingefrorene Lösung kein Polyethylenglycol enthält.

9. Aggregatarme, schmelzbare feste Lagerform eines Antikörpers, dadurch gekennzeichnet, daß sie amorph ist, eine eingefrorene Lösung des Proteins mit Kaliumphosphatpuffer als Puffersubstanz enthält und das Verhältnis Kaliumionen zu Natriumionen mindestens 10:1 ist.

10. Feste Lagerform eines Proteins nach Anspruch 8 oder eines Antikörpers nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, daß die Lagerform durch Lyophilisation hergestellt wird.

11. Pharmazeutische Zusammensetzung bestehend aus einer aggregatarmen wäßrigen gepufferten Lösung eines Proteins im pH-Bereich zwischen 6 und 8, dadurch gekennzeichnet, daß die Lösung Kaliumphosphatpuffer als Puffersubstanz enthält und

a) das Verhältnis Kalium zu Natriumionen in der Lösung 10:1 oder größer ist,

b) die Pufferkonzentration zwischen 10 und 300 mmol/l beträgt

mit der Maßgabe, daß die genannte Zusammensetzung kein Polyethylenglycol enthält.

12. Pharmazeutische Zusammensetzung bestehend aus einer aggregatarmen wäßrigen gepufferten Lösung eines Antikörpers im pH-Bereich zwischen 6 und 8, dadurch gekennzeichnet, daß die Lösung Kaliumphosphatpuffer als Puffersubstanz enthält und

a) das Verhältnis Kalium zu Natriumionen in der Lösung 10:1 oder größer ist,

b) die Pufferkonzentration zwischen 10 und 300 mmol/l beträgt."

II. Gegen die Erteilung des Patents wurde ein Einspruch eingelegt. Die Einspruchsgründe waren gestützt auf Artikel 100 a) und b) EPÜ mit der Begründung, dass der Gegenstand des Patents nach Artikel 52(1) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 54 und 56 EPÜ im gesamten Umfang wegen fehlender Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig sei und dass das europäische Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Mit Schreiben vom 10. August 2006 wurde von der Einsprechenden ein neuer Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ mit der Begründung eingeführt, dass der Gegenstand des europäischen Patents über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgehe.

III. In ihrer am 10. Oktober 2006 verkündeten Entscheidung hat die Einspruchsabteilung das Streitpatent widerrufen. In der Sache kam sie zu dem Ergebnis, dass der verspätet angeführte Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ prima facie relevant und somit zum Einspruchsverfahren zuzulassen sei. Der Gegenstand des Hauptantrags in Form der erteilten Anspruchsfassung erfülle aufgrund eines unzulässigen Disclaimers in den Ansprüchen 8 und 11 nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ. Der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1-3 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da er durch die Kombination des Dokuments (1) mit dem Dokument (3) bzw. (4) nahegelegt sei.

IV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen diese Entscheidung am 12. Februar 2007 Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr gezahlt. Die Beschwerdebegründung wurde am 20. April 2007 eingereicht.

V. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2009 reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag, einen Hilfsantrag 1 sowie die Dokumente (10) und (11) ein. Der mit der Beschwerdebegründung vom 20. April 2007 eingereichte Hilfsantrag 4 wurde Hilfsantrag 2.

Die geltenden unabhängigen Ansprüche lauten jeweils wie folgt:

a) Hauptantrag:

"1. Verbessertes Verfahren zur Verhinderung der Bildung von Antikörperaggregaten in einem rekonstituierten Lyophilisat einer pharmazeutischen Zusammensetzung bestehend aus einer wässrigen gepufferten Lösung eines Antikörpers, wobei die genannte Lösung eingefroren, aufgetaut, in Kompartimente von injizierbaren Mengen zerteilt und diese Kompartimente lyophilisiert werden, dadurch gekennzeichnet, dass die genannte Lösung des Antikörpers Kaliumphosphatpuffer als Puffersubstanz sowie ein nichtionisches Detergens enthält und das Verhältnis Kalium- zu Natriumionen in der Lösung 10:1 oder größer ist.

6. Feste Lagerform eines Antikörpers, dadurch gekennzeichnet, dass sie hergestellt wird durch Lyophilisation einer aggregatarmen, schmelzbaren festen Lagerform des Antikörpers, die amorph ist und eine eingefrorene Lösung des Antikörpers mit Kaliumphosphatpuffer als Puffersubstanz enthält, wobei das Verhältnis Kaliumionen zu Natriumionen mindestens 10:1 ist und wobei ein nichtionisches Detergens enthalten ist.

7. Pharmazeutische Zusammensetzung bestehend aus einer aggregatarmen, wässrigen gepufferten Lösung eines Antikörpers im pH-Bereich zwischen 6 und 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Lösung Kaliumphosphatpuffer als Puffersubstanz enthält und

a) das Verhältnis Kalium zu Natriumionen in der Lösung 10:1 oder größer ist,

b) die Pufferkonzentration zwischen 10 und 300 mmol/l beträgt;

und wobei ein nichtionisches Detergens enthalten ist."

b) Hilfsantrag 1:

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 6 sind identisch mit den Ansprüchen 1 und 7 des Hauptantrags.

c) Hilfsantrag 2:

Der einzige unabhängige Anspruch 1 ist identisch mit Anspruch 1 des Hauptantrags.

VI. Die folgenden Entgegenhaltungen wurden u.a. im Laufe des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens zitiert:

(1) WO 94/14465

(2) D. Essig, et al., "Lyophilisation", Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 8-12 und 103-117 (1993)

(3) M.J. Pikal, "Freeze Drying of Proteins, Part II: Formulation Selection", BioPharm 3(9), 26-30 (1990)

(4) K.E. Avis und V.L. Wu (Hrsgb.): "Biotechnology and Biopharmaceutical Manufacturing", Interpharm Press, Inc., 199-263 (1996)

(10) P. Dráber, et al., "Stability of monoclonal IgM antibodies freeze-dried in the presence of trehalose", Journal of Immunological Methods 181, 37-43 (1995)

(11) CS-B1 247 484 (beglaubigte englische Übersetzung)

VII. Die mündliche Verhandlung, an deren Ende die Entscheidung über die Beschwerde verkündet wurde, fand am 13. November 2009 statt.

VIII. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

i) Zulässigkeit des Hauptantrags:

Der vorliegende Hauptantrag entspreche einem während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung zurückgenommenen Hilfsantrag 3, über den die Einspruchsabteilung nicht entschieden habe. Folglich sei dieser nicht zulässig (T 0390/07 vom 20. November 2008, unveröffentlicht).

ii) Änderungen:

Die Kombination der Merkmale "Antikörperaggregat" und "nicht-ionisches Tensid" im Anspruch 1 des Hauptantrags sei in der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht offenbart. Zwar seien die beiden Merkmale individuell in den ursprünglichen Ansprüchen 5 und 7 offenbart, jedoch nicht deren Kombination. Diese Kombination ergäbe sich auch nicht durch den Rückbezug des Anspruchs 7 auf die Ansprüche 1-6, da dadurch der spezifische Rückbezug auf den Anspruch 5 nicht individualisiert werde. Die Kombination der beiden Merkmale werde auch nicht durch die Textpassage auf Seite 5, Absatz 3 der ursprünglichen Anmeldung spezifisch offenbart, die lediglich zum Ausdruck bringe, dass vorzugsweise ein nichtionisches Detergens zugesetzt werden könne.

iii) Erfinderische Tätigkeit:

Die Entgegenhaltung (10), die den nächstliegenden Stand der Technik darstelle, beschreibe ein Verfahren zur Lyophilisierung von Antikörpern, bei dem die Antikörperlösung vor dem Einfrieren zur Stabilisierung mit Trehalose versetzt werde. Diese Maßnahme werde gemäß einer bevorzugten Ausführungsform auch im hier beanspruchten Verfahren durchgeführt. Die Aufgabe gegenüber diesem nächstliegenden Stand der Technik sei in der Bereitstellung eines Lyophilisierungsverfahrens von Antikörpern zu sehen, bei der die Aggregatbildung reduziert werde. Diese Aufgabe sei durch den Ersatz des Natriumphosphatpuffers durch Kaliumphosphatpuffer sowie durch den Zusatz eines nichtionischen Tensids gelöst worden. Beide Maßnahmen seien jedoch für den Fachmann naheliegend: Zum einen beschreibe die Entgegenhaltung (3) eine beim Einsatz von Natriumphosphatpuffer bei der Einfrierphase zu beobachtende und für die Stabilität von Proteinen einschließlich Antikörpern sehr abträgliche pH-Verschiebung, die sich durch die Verwendung eines Kaliumphosphatpuffers deutlich verringern ließe. In der Entgegenhaltung (4) werde aus diesem Grund sogar von der Verwendung eines Natriumphosphatpuffers abgeraten. Zum anderen werde in den Entgegenhaltungen (2) und (4) die stabilisierende Wirkung von Tensiden auf Proteine beim Einfriervorgang offenbart.

IX. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

i) Zulässigkeit des Hauptantrags:

Die Entscheidung T 0390/07 sei nicht relevant, da die Einspruchsabteilung auch über die erteilten Ansprüche entschieden habe. Diese seien Gegenstand des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrags gewesen, der in dieser Form dann auch mit der Beschwerdebegründung gestellt worden sei.

ii) Änderungen:

Die Einwände der Beschwerdegegnerin gegen die geänderten Ansprüche seien deshalb unzutreffend, weil aus dem vierten vollständigen Absatz auf Seite 2 der ursprünglich eingereichten Anmeldung eindeutig hervorgehe, dass Antikörper im erfindungsgemäßen Verfahren eine bevorzugte Ausführungsform der Proteine darstellten.

iii) Erfinderische Tätigkeit:

Es gäbe keinen Stand der Technik, der die vorteilhaften Eigenschaften des beanspruchten Verfahrens zur Verhinderung von Antikörperaggregaten in einem rekonstituierten Lyophilisat nahelegte. Als nächster Stand der Technik sei die Entgegenhaltung (10) anzusehen. Die verminderte Aggregatbildung des erfindungsgemäßen Verfahrens gegenüber diesem Stand der Technik werde durch drei Maßnahmen erzielt: durch die Verwendung eines Kaliumphosphatpuffers, durch Zugabe eines Detergens und durch Einhaltung eines Verhältnisses von Kalium- zu Natriumionen von mindestens 10:1. Durch diese verminderte Aggregatbildung sei es erfindungsgemäß möglich, auf den in der Entgegenhaltung (10) für die aus dem Lyophilisat rekonstituierte wässrige Lösung beschriebenen Zentrifugierungsschritt zu verzichten. Obwohl die stabilisierende und damit aggregationsvermindernde Wirkung von Detergentien und von Kaliumphosphatpuffer bei der Lyophilisierung von Proteinen im Stand der Technik beschrieben sei, hätte der Fachmann keinerlei Veranlassung gehabt, die vorstehend genannten drei Maßnahmen miteinander zu kombinieren, siehe "could-would approach". Insbesondere sei die Tatsache in Betracht zu ziehen, dass das nunmehr beanspruchte Verfahren auf Antikörper beschränkt sei, die sich strukturell von anderen Proteinen unterschieden. Zudem handle es sich bei Antikörperlösungen um sensible Zusammensetzungen, so dass Vorhersagen über das Verhalten eines bestimmten Antikörpers beim Einfrieren, Auftauen oder bei der Lyophilisation kaum möglich seien.

X. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents gemäß Hauptantrag oder Hilfsantrag 1, jeweils eingereicht am 13. Oktober 2009, oder gemäß Hilfsantrag 2, eingereicht am 20. April 2007 (damals als Hilfsantrag 4).

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulässigkeit der Anträge:

2.1 Hauptantrag:

Anspruch 1 des mit Schreiben vom 13. Oktober 2009 eingereichten, derzeit geltenden Hauptantrags ist identisch mit Anspruch 1 eines Hilfsantrags 3, der während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 10. Oktober 2006 eingereicht und sodann wieder zurückgenommen wurde, so dass er nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist (siehe Anlage 3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung). Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind jedoch unter anderem die Ansprüche in der erteilten Fassung (Hauptantrag im Einspruchsverfah-ren), die auf Grund eines unzulässigen Disclaimers als nicht gewährbar gemäß Artikel 123(2) EPÜ befunden wurden (siehe Abschnitt A der Entscheidungsgründe). Diese Ansprüche wurden mit Einreichung der Beschwerde weiterhin als Hauptantrag aufrecht erhalten und erst mit Schreiben vom 13. Oktober 2009 durch den nunmehr geltenden Hauptantrag ersetzt.

Somit unterscheidet sich der vorliegende Fall von der in der Entscheidung T 0390/07 gegebenen Situation, in der der im Einspruchsverfahren zurückgenommene Hilfsantrag im Beschwerdeverfahren von Anfang an als neuer Hauptantrag gestellt wurde (siehe Punkt X der Entscheidung T 0390/07). Zudem wurde hier - ebenfalls im Unterschied zu T 0390/07 - der Hauptantrag im Beschwerdeverfahren mit dem Ziel eingereicht, den in der angefochtenen Entscheidung aufgeführten Widerrufsgrund auszuräumen sowie durch Einschränkung des Anspruchsgegenstands auf besonders bevorzugte Ausführungsformen die Position hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit zu verbessern. Dies ist ein legitimes, dem Zweck des Beschwerdeverfahrens entsprechendes Vorgehen, so dass die Kammer in Ausübung des ihr in Artikel 13(1) VOBK eingeräumten Ermessens den geänderten Hauptantrag zum Verfahren zugelassen hat.

2.2 Hilfsanträge 1 und 2:

Die Hilfsanträge 1 und 2 unterscheiden sich vom vorliegenden Hauptantrag durch Streichung des Anspruchs 6 (Hilfsantrag 1) bzw. der Ansprüche 6 und 7 (Hilfsantrag 2). Das unter Punkt 2.1 oben im letzten Absatz Ausgeführte trifft auch auf diese Hilfsanträge zu, die daher ebenfalls als zulässig erachtet wurden.

3. Hauptantrag - Anspruch 1:

3.1 Änderungen:

Der vorliegende Anspruch 1 unterscheidet sich vom in der ursprünglichen Anmeldung eingereichten Anspruch 1 im Wesentlichen dadurch, dass das sich in der wässrigen gepufferten Lösung befindende Protein auf Antikörper beschränkt wurde und die besagte wässrige gepufferte Lösung zusätzlich ein nichtionisches Detergens enthält. Die Grundlage für die Einschränkung der Proteine auf Antikörper findet sich im vierten vollständigen Absatz auf Seite 2 der ursprünglich eingereichten Anmeldung, in dem die Antikörper als einzig bevorzugte Ausführungsform der Proteine, und zwar mit Bezug auf die gesamte Erfindung, beschrieben werden. Folglich ist die Kombination dieses Merkmals mit dem Zusatz eines nichtionischen Detergens, der gemäß der Offenbarung auf Seite 5, 3. Absatz ebenfalls bevorzugt ist, in der ursprünglich eingereichten Anmeldung spezifisch offenbart.

In Folge dessen erfüllt der vorliegende Anspruch 1 die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ.

3.2 Neuheit:

Die Neuheit des vorliegenden Anspruchs 1 wurde von der Beschwerdegegnerin nicht angegriffen. Auch die Kammer sieht keine Veranlassung, die Neuheit in Frage zu stellen.

3.3 Erfinderische Tätigkeit:

Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Stabilisierung von Antikörpern beim Einfrier- oder Lyophilisationsprozess oder während der Lagerung bei niedrigen Temperaturen, so dass die Bildung von Antikörperaggregaten bei der Rekonstitution des Lyophilisats vermieden wird (siehe die Absätze [0001] und [0008] der Patentschrift).

Die Entgegenhaltung (10), die den nächstliegenden Stand der Technik darstellt, betrifft ebenfalls ein Verfahren zur Stabilisierung von Antikörpern, bei dem monoklonale IgM Antikörper mit Trehalose versetzt und vor der Lyophilisation gegen 5 mM Natriumphosphatpuffer mit pH 7,5 dialysiert werden. Danach werden die verdünnten Lösungen gefriergetrocknet und die so erhaltenen Lyophilisate aufbewahrt und als rekonstituierte Lösung vor dem Einsatz zentrifugiert (siehe Seite 38, Zeilen 4-17 der linken Spalte sowie den Absatz 2.2).

Bei diesem nächstliegenden Stand der Technik ist die streitpatentgemäß zu lösende Aufgabe in der Bereitstellung eines Verfahrens zur verbesserten Stabilisierung von Antikörpern beim Einfrier- oder Lyophilisationsprozess zu sehen.

Im Gegensatz zu dem in der Entgegenhaltung (10) beschriebenen Verfahren, in dem die aus dem Lyophilisat rekonstituierte wässrige Lösung zentrifugiert wird, ist erfindungsgemäß ein derartiger Zentrifugierungsschritt, in dem eventuell entstandene Aggregate abgetrennt werden, nicht erforderlich. Das lässt darauf schließen, dass das erfindungsgemäße Verfahren in der Tat zu einer verbesserten Stabilisierung von Antikörpern beim Einfrier- oder Lyophilisationsprozess führt, so dass die gestellte Aufgabe nach der Lehre des vorliegenden Anspruchs 1 plausibel gelöst wird.

Zur Frage, ob der Fachmann bei der Lösung dieser Aufgabe die beiden oben beschriebenen Maßnahmen (Ersatz des Natriumphosphatpuffers durch Kaliumphosphatpuffer unter Einhaltung eines Verhältnisses Kalium- zu Natriumionen in der Lösung von mindestens 10:1 einerseits sowie den Zusatz eines nichtionischen Detergens andererseits) ergriffen hätte, sei zunächst auf die Entgegenhaltung (3) verwiesen, in der explizit erwähnt wird, dass die Verwendung des Natriumphosphatpuffers bei der Lyophilisation von Proteinen problematisch ist, da es beim Einfrieren der Proteinlösung auf Grund der Auskristallisierung der basischen Pufferkomponente Na2HPO4·H2O zu einer für die Stabilität des Proteins abträglichen pH-Erniedrigung kommt, die bei Verwendung von Kaliumphosphatpuffer wesentlich geringer ausfällt (siehe den die Seiten 27 und 28 verbindenden Absatz).

Eine ähnliche Lehre findet sich in der Entgegen-haltung (4), in der darauf hingewiesen wird, dass bei der Lyophilisation von Proteinen die Verwendung sowohl von reinem Natriumphosphatpuffer als auch von Mischungen enthaltend Kaliumphosphatpuffer und Natriumsalze auf Grund der bereits erwähnten pH-Verschiebungen vermieden werden sollte, wodurch sich, obwohl nicht explizit in der Entgegenhaltung (4) erwähnt, zwangsläufig ein Verhältnis Kalium- zu Natriumionen > 10:1 ergibt (siehe Seite 242, Mitte). Zudem ist der Entgegenhaltung (4) (siehe Seite 242, letzter vollständiger Absatz) ebenso wie der Entgegenhaltung (2) (siehe Seite 109, Punkt (g)) die Schutzfunktion von Detergentien bei der Lyophilisation von Proteinen zu entnehmen. Dass sich die Entgegenhaltungen (2) und (4) nicht spezifisch auf nichtionische Detergentien beziehen, ist für den vorliegenden Fall ohne Belang, da es keinerlei Hinweise auf einen stabilitätsfördernden Einfluss der nichtionischen Detergentien gegenüber den Detergentien bzw. Tensiden allgemein gibt.

Obwohl sich die Entgegenhaltungen (2) bis (4) nicht speziell auf Antikörper sondern auf Proteine allgemein beziehen, trifft die darin vermittelte Lehre auch auf Antikörper zu, da auch Antikörper Proteine darstellen. Somit ergibt sich für den Fachmann in naheliegender Weise, dass die beiden oben genannten Maßnahmen zu einer verbesserten Stabilisierung der Antikörper bei der Lyophilisation und Lagerung führen.

Der zusätzliche Einfrier- und Auftauzyklus, der gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 vor der Lyophilisation durchgeführt wird, kann keinen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit liefern, da er, wie bereits in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt wurde (siehe Entscheidungsgründe, Punkt B, 1. Hilfsantrag), keine stabilitätserhöhende Wirkung ausübt, sondern der Stabilität eher abträglich ist.

Darüber hinaus kann sich die Kammer nicht der Argumentation der Beschwerdeführerin anschließen, wonach jedes Protein bzw. jeder Antikörper gesondert zu untersuchen sei, was die Eigenschaften beim Einfrieren, Auftauen oder bei der Lyophilisation betrifft. Die in den Entgegenhaltungen (2) bis (4) vermittelte Lehre, insbesondere was das pH-Verhalten der Phosphatpuffer beim Einfrieren sowie die durch Einsatz von Detergentien bewirkte Verhinderung der Aggregation betrifft, ist nämlich so allgemeingültig, dass der Fachmann sie zur Lösung der oben definierten Aufgabe auch tatsächlich angewandt hätte. Somit erfüllt der Gegenstand von Anspruch 1 nicht die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ.

3.4 Auf Grund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 des Hauptantrages ist eine Prüfung der weiteren unabhängigen Ansprüche 6 und 7 nicht erforderlich.

4. Hilfsanträge 1 und 2:

Da der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 und 2 mit dem Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags identisch ist, erfüllen auch die Hilfsanträge 1 und 2 nicht die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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