T 0222/07 (Dienstgüte von Telekommunikationsdiensten/VODAFONE) of 26.5.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T022207.20090526
Datum der Entscheidung: 26 Mai 2009
Aktenzeichen: T 0222/07
Anmeldenummer: 99932658.0
IPC-Klasse: H04M 15/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Ermittlung der Dienstgüte von Telekommunikationsdiensten
Name des Anmelders: Vodafone Holding GmbH
Name des Einsprechenden: T-Mobile Deutschland GmbH
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
European Patent Convention Art 123
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit (nein)
Erster Hilfsantrag - Zulassung im Verfahren (ja) Zurückverweisung an erste Instanz (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Ein Einspruch wurde gegen das europäische Patent Nr. 1076989 in seiner Gesamtheit gestützt auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 und 56 EPÜ eingelegt. Die Einspruchsabteilung hat in der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2006 entschieden, den Einspruch zurückzuweisen, und die schriftlichen Entscheidungsgründe am 29. November 2006 zur Post gegeben.

II. Die Einspruchsabteilung hat festgestellt, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des erteilten Patents die Erfordernisse der Artikel 54 (1) und 56 EPÜ erfülle, da er gegenüber den Dokumenten

D6: WO 98/32265 und

D10: DE 44 42 613

neu sei und auch bei einer Zusammenschau der Dokumente

D1: US 5 694 451 A und

D8: WO 94/28683 A

für den Fachmann nicht naheliege.

Gleiches gelte auch für den Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 17.

III. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) mit einem am 24. Januar 2007 eingegangenen Schreiben Beschwerde ein und begründete diese in einem am 27. März 2007 eingegangenen Schreiben. Sie beantragte, den mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss der Einspruchsabteilung aufzuheben, und stellte hilfsweise Antrag auf mündliche Verhandlung.

Weitere Argumente wurden in einem am 15. Dezember 2007 eingegangenen Schreiben vorgebracht.

IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat in ihrer am 8. August 2007 eingegangenen Antwort auf die Beschwerdebegründung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.

V. Die Kammer hat die Parteien mit Bescheid vom 24. September 2008 zur mündlichen Verhandlung geladen und in einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern zur Sache vorläufig Stellung genommen.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat mit Schreiben vom 27. April 2009 ihren Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde als Hauptantrag bestätigt. Ferner hat sie Anspruchssätze als Hilfsanträge 1-3 eingereicht.

VII. Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 7. Mai 2009 ihren Antrag auf Widerruf des erteilten Patents bestätigt und beantragt, den Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents im Umfang einer der Hilfsanträge 1-3 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit der jeweiligen Ansprüche abzuweisen.

VIII. In der mündlichen Verhandlung, die am 26. Mai 2009 vor der Kammer stattfand, beantragte die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückzuverweisen. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen oder hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit zur weiteren Prüfung auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 1 oder der mit Schreiben vom 27. April 2009 als Hilfsanträge 1, 2 und 3 eingereichten nunmehrigen Hilfsanträge 2, 3 und 4 an die erste Instanz zurückzuverweisen.

IX. Anspruch 1 des erteilten Patents lautet wie folgt:

"Verfahren zur Ermittlung der Dienstgüte von Telekommunikationsdiensten in einem Kommunikationsnetz (1;2),

wobei an einem zur Kommunikation im Kommunikationsnetz ausgebildeten Endgerät (6;9) für jeweils eine Dienstinanspruchnahme und/oder für jeweils einen Dienstinanspruchnahme-Versuch die Netzzugänglichkeit des Kommunikationsnetzes, die Dienstzugänglichkeit des ausgewählten Dienstes, die Sprachqualität und die Gesprächsabbruchwahrscheinlichkeit beurteilt wird und wobei die Qualität dieser Dienstgüteparameter repräsentierende Dienstgütedaten an eine Zentrale (10) des Kommunikationsnetzes (1;2) übermittelt werden,

dadurch gekennzeichnet,

daß vom Endgerätenutzer subjektiv ermittelte Dienstgütedaten am Endgerät eingebbar sind."

Anspruch 17 des erteilten Patents lautet wie folgt:

"Endgerät zur Kommunikation in einem Kommunikationsnetzwerk,

dadurch gekennzeichnet,

daß es ein Programm zur Durchführung des Verfahrens nach einem der voranstehenden Ansprüche, einen Speicher für das Programm und einen Prozessor zum Abarbeiten des Programmes aufweist."

Anspruch 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag lautet wie folgt:

"Verfahren zur Ermittlung der Dienstgüte von Telekommunikationsdiensten in einem Kommunikationsnetz (1;2),

dadurch gekennzeichnet,

daß an einem zur Kommunikation im Kommunikationsnetz ausgebildeten Endgerät (6;9) für jeweils eine Dienstinanspruchnahme und/oder für jeweils einen Dienstinanspruchnahme-Versuch

- die Netzzugänglichkeit des Kommunikationsnetzes,

- die Dienstzugänglichkeit des ausgewählten Dienstes,

- die Sprachqualität und

- die Gesprächsabbruchwahrscheinlichkeit

beurteilt werden und

- daß die Qualität dieser Dienstgüteparameter repräsentierende, vom Endgerätenutzer subjektiv ermittelte Dienstgütedaten am Endgerät eingegeben und an eine Zentrale (10) des Kommunikationsnetzes (1;2) übermittelt werden."

Anspruch 17 gemäß erstem Hilfsantrag stimmt wörtlich mit Anspruch 17 des erteilten Patents überein.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Auslegung des Anspruchs 1:

1.1 Gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 des erteilten Patents werden für jeweils eine Dienstinanspruchnahme und/oder für jeweils einen Dienstinanspruchnahme-Versuch Dienstgütedaten, die die Qualität bestimmter Dienstgüteparameter repräsentieren, an eine Zentrale des Kommunikationsnetzes übermittelt. Gemäß dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs sind vom Endgerätebenutzer subjektiv ermittelte Dienstgütedaten am Endgerät eingebbar.

Aus dem Anspruchswortlaut ergibt sich nicht, dass die Dienstgütedaten des Oberbegriffs mit den Dienstgütedaten des kennzeichnenden Teils identisch sein müssen. Daher können die an eine Zentrale des Kommunikationsnetzes übermittelten Dienstgütedaten sowohl subjektive als auch objektive, d.h. nicht vom Endgerätebenutzer subjektiv ermittelte, sein. Diese Auslegung des Anspruchs wird durch den abhängigen Anspruch 12 des erteilten Patents gestützt, demzufolge "das Endgerät-seitige Erfassen von Dienstgütedaten dadurch erfolgt, daß das Endgerät selbst und/oder Komponenten des Kommunikationsnetzes technisch objektiv die Dienstgütedaten ermitteln" (Hervorhebung hinzugefügt). Dies bedeutet auch, dass das im Oberbegriff des Anspruchs befindliche Merkmal der Beurteilung der vier Dienstgüteparameter an einem Endgerät in einem weiten Sinne verstanden werden muss und nicht auf eine subjektive Beurteilung beschränkt ist.

1.2 Aus der fehlenden Verbindung zwischen den Dienstgütedaten des Oberbegriffs und jenen des kennzeichnenden Teils ergibt sich auch, dass das Merkmal, dass bestimmte Dienstgütedaten für jeweils eine Dienstinanspruchnahme und/oder für jeweils einen Dienstinanspruchnahme-Versuch beurteilt werden, sich nicht notwendigerweise auf die vom Endgerätenutzer subjektiv ermittelten Dienstgütedaten bezieht. Die Häufigkeit bzw. Genauigkeit der Ermittlung der subjektiven Dienstgütedaten wird durch den Anspruch nicht festgelegt und kann sowohl für jeweils eine Dienstinanspruchnahme (oder einen Dienstinanspruchnahme-Versuch) als auch mit einer beliebigen anderen Häufigkeit bzw. Genauigkeit erfolgen.

2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

2.1 Die Beschwerdeführerin hat mit ihrer Beschwerde mangelnde Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gegenüber der Lehre von D6 geltend gemacht. Die in diesem Dokument am 23. Juli 1998 veröffentlichte internationale Anmeldung wurde am 16. Januar 1998 eingereicht. Das Streitpatent nimmt eine Priorität vom 5. Mai 1998 in Anspruch. Die Wirksamkeit der Inanspruchnahme ist von der Beschwerdeführerin nicht angegriffen worden und besteht nach Überzeugung der Kammer insbesondere auch für den Gegenstand des Anspruchs 1. Die internationale Anmeldung D6 gehört somit nicht durch ihre - dem Prioritätsdatum des Streitpatents nachfolgende - Veröffentlichung zum Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ, sondern kann nur nach Artikel 54 (3) EPÜ i.V. mit Artikel 158 (1) EPÜ 1973 zum Stand der Technik gehören. Sie ist daher bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen (Artikel 56 Satz 2 EPÜ).

2.2 D6 zeigt ein Verfahren zur Ermittlung der Dienstgüte von Telekommunikationsdiensten in einem Kommunikationsnetz (siehe Zusammenfassung: "Determination of service situation"), wobei an einem zur Kommunikation im Kommunikationsnetz ausgebildeten Endgerät (MS; PC) Dienstgütedaten ("parameter representing the service situation") ermittelt werden (Seite 5, Zeilen 13-17).

Außerdem impliziert die für den Endgerätenutzer vorgesehene Möglichkeit, die Dienstgütequalität zu verhandeln (Seite 4, Zeilen 21-23), die Eingabe von Dienstgütedaten am Endgerät.

Die in D6 betrachteten Dienstgütedaten ("parameter representing the service situation") umfassen Verzögerung, Wahrscheinlichkeit eines Paketverlusts (Seite 2, Zeile 29; "propagation delay" und "probability of losing the packet"), Auslastung des Funksystems, Anzahl der gesendeten Pakete und Paketzeitstempel (Seite 5, Zeilen 21-28; "ratio of free channels to reserved channels", "number of packets sent to the mobile station per time unit" und "time stamp").

2.3 Zwar ergibt sich nach Auffassung der Kammer das Merkmal der Sprachqualität in einem paketvermittelten Kommunikationsnetzwerk unmittelbar aus Parametern wie Verzögerung und Paketverlust, so dass aus D6 implizit auch die Beurteilung eines entsprechenden Dienstgüteparameters bekannt war.

2.4 Jedoch ist in D6 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart, die weiteren Dienstgüteparameter Netzzugänglichkeit des Kommunikationsnetzes, Dienstzugänglichkeit des ausgewählten Dienstes und Gesprächsabbruchwahrscheinlichkeit zu beurteilen und zu übermitteln.

Es ist zwar richtig, dass bei einer nicht vorhandenen Netzzugänglichkeit in keinem Netz, auch nicht in dem in D6 beschriebenen, eine Kommunikation zu Stande kommt. Aus dieser Feststellung lässt sich aber nicht folgern, dass das Nichtzustandekommen einer Verbindung in irgendeiner Form, wie beansprucht, an eine Zentrale des Kommunikationsnetzes übermittelt wird. Dies trifft umso mehr zu, als in D6 von einer konstant vorhandenen Verbindung ausgegangen wird. Ein Verbindungsaufbau wird nicht erwähnt.

Entsprechende Erwägungen gelten für die weiteren Dienstgüteparameter Dienstzugänglichkeit des ausgewählten Dienstes und Gesprächsabbruchwahrscheinlichkeit.

Weiterhin ist in D6 nicht eindeutig offenbart, dass die Dienstgütedaten an eine Zentrale des Kommunikationsnetzes übermittelt werden.

2.5 Somit steht die Lehre von D6 dem beanspruchten Gegenstand nicht neuheitsschädlich gegenüber.

3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

3.1 Die Kammer geht in Übereinstimmung mit den Parteien von D1 als nächstliegendem Stand der Technik aus.

Aus diesem Dokument ist ein Verfahren zur Leistungsüberwachung von Telekommunikationsdiensten in einem Kommunikationsnetz ("method ... for performance monitoring in a telecommunications network", siehe Zusammenfassung) bekannt, wobei an einem zur Kommunikation im Kommunikationsnetz ausgebildeten Endgerät ("subscriber terminal", siehe Spalte 2, Zeilen 39-41; Spalte 3, Zeilen 1-6) die Zeitdauer, während der das Endgerät nicht in der Lage war, mit der Basisstation zu kommunizieren (Spalte 2, Zeilen 52-57), die Qualität des Übertragungskanals (Spalte 2, Zeile 65) und die Gesprächstrennung (Spalte 2, Zeile 60: "call disconnection") ermittelt werden und wobei entsprechende Daten an eine Zentrale des Kommunikationsnetzes übermittelt werden (Spalte 3, Zeilen 11-17).

3.2 In einigen Aspekten unterscheiden sich die Merkmale des Anspruchs 1 nur in semantischer Hinsicht, nicht aber sachlich vom Offenbarungsgehalt des Dokuments D1.

So ist ein Verfahren zur Ermittlung der Dienstgüte statt zur Leistungsüberwachung beansprucht. Die Dienstgüte (quality of service) ist ein Begriff, der Parameter, Wirkungen, Erscheinungen, Eindrücke etc. zusammenfasst, welche den Grad der Zufriedenheit eines Telekommunikationsdienst-Kunden in einem Kommunikationsnetz bestimmen (siehe Patentschrift, Spalte 1, Zeilen 9-15). Die individuelle Erfahrung eines Nutzers (siehe Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 8. August 2007, Seite 4, erster Satz) mag als Folge der so verstandenen Dienstgüte zu verstehen sein, ist aber nicht mit ihr gleichzusetzen. Da die gemäß dem Dokument D1 ermittelten Parameter ebenfalls den Grad der Zufriedenheit eines Kunden bestimmen (siehe z.B. Zusammenfassung, letzter Satz: "performance experienced by the customer"), handelt es sich bei dem aus dem D1 bekannten Verfahren ebenfalls um ein Verfahren zur Ermittlung der Dienstgüte im Sinne des Streitpatents.

Die aus D1 bekannte Ermittlung der Zeitdauer, während der das Endgerät nicht in der Lage war, mit der Basisstation zu kommunizieren, impliziert eine Beurteilung der Netzzugänglichkeit, also des ersten Dienstgüteparameters des Anspruch 1.

3.3 Die Beurteilung des zweiten Dienstgüteparameters des Anspruchs 1, die Dienstzugänglichkeit des ausgewählten Dienstes, wird im Dokument D1 nicht explizit erwähnt. Jedoch stellt die Zeitdauer, während der das Endgerät nicht in der Lage war, mit der Basisstation zu kommunizieren (Spalte 2, Zeilen 52-57), zwangsläufig ein Maß für die Dienstzugänglichkeit dar. Dies wird besonders deutlich, wenn - wie dies von Anspruch 1 nicht ausgeschlossen wird - nur ein einziger Dienst in dem Telekommunikationsnetz angeboten wird.

3.4 Der dritte Dienstgüteparameter gemäß Anspruch 1, die Sprachqualität, ist zwar nicht gleichzusetzen mit der Qualität des Übertragungskanals gemäß Dokument D1 (siehe Spalte 2, Zeile 65), da die Sprachqualität auch von anderen Faktoren, wie z.B. der Fehlerkorrektur und der Sprachkodierung, abhängt. Diese Faktoren bestimmen jedoch zusammen mit der Qualität des Übertragungskanals die Sprachqualität. Somit impliziert die Ermittlung der Qualität des Übertragungskanals auch eine Beurteilung der Sprachqualität. Im übrigen wäre dem Fachmann nach Überzeugung der Kammer die Bedeutung der Sprachqualität als wichtiger Dienstgüteparameter ohne weiteres bewusst gewesen.

3.5 Die Beurteilung des vierten Dienstgüteparameters gemäß Anspruch 1, der Gesprächsabbruchwahrscheinlichkeit, ergibt sich in dem im Dokument D1 beschriebenen Verfahren aus der Ermittlung der Gesprächstrennung (Spalte 2, Zeile 60: "call disconnection").

3.6 Gemäß dem Dokument D1 kann die Übertragung der gesammelten Informationen für jedes einzelne Gespräch erfolgen (Spalte 2, Zeilen 11-14: "as part of call set-up, call transfer, or call disconnect", sowie Spalte 3, Zeilen 11-17). Dies legt es nach Auffassung der Kammer zumindest nahe, dass sie für jeweils eine Dienstinanspruchnahme oder einen Dienstinanspruchnahme-Versuch erfasst, d.h. beurteilt und an eine zentrale Stelle - der im Anspruch des Streitpatents verwendete Begriff "Zentrale" ist nicht näher bestimmt - übertragen werden.

3.7 Somit enthält die Lehre des Dokuments D1 alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 entweder explizit oder implizit oder legt diese dem Fachmann nahe. Jedoch ist das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1, wonach "vom Endgerätenutzer subjektiv ermittelte Dienstgütedaten am Endgerät eingebbar sind", weder aus D1 bekannt noch wird es durch dieses Dokument dem Fachmann nahegelegt. Dies hat auch die Einspruchsabteilung so gesehen und diesen Unterschied als für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit entscheidend angesehen.

3.8 Die durch dieses Merkmal zu lösende Aufgabe kann im Sinne des Streitpatents in einer umfassenderen und vollständigeren Ermittlung der Dienstgüte gesehen werden (Spalte 1, Zeilen 48-50).

Eine solche Aufgabenstellung ist so allgemein, dass sie als solche keine erfinderische Tätigkeit begründen kann.

3.9 Für den mit dieser Aufgabe betrauten Fachmann ist es nach Auffassung der Kammer naheliegend, zusätzlich zu den in D1 verwendeten weitere Parameter zur Ermittlung der Dienstgüte zu beurteilen und zu übermitteln. Da ihm bekannt ist (Spalte 1, Zeilen 16-17 des Streitpatents), dass die Dienstgüte durch objektive und subjektive Parameter beeinflusst wird, würde er dabei auch in Erwägung ziehen, subjektive Parameter zu berücksichtigen. Die Ermittlung subjektiver Parameter zum Beispiel durch Befragung von Testkunden oder durch Kundenumfragen war zum Prioritätstag des Streitpatents allgemein bekannt (vgl. etwa Spalte 1, Zeilen 17-36 des Streitpatents).

Der Fachmann hätte daher ohne weiteres in Erwägung gezogen, zur umfassenderen und vollständigeren Ermittlung der Dienstgüte nicht nur weitere vom Endgerät objektiv ermittelte Parameter, sondern auch vom Benutzer subjektiv ermittelte Parameter zu berücksichtigen. Diese würde der Fachmann in nahe liegender Weise, so wie es im Streitpatent gewürdigten Stand der Technik üblich ist, durch Befragung von Testkunden oder durch Kundenumfragen ermitteln. Wenn eine solche Befragung oder Umfrage, wie dies typischerweise der Fall ist, telefonisch durchgeführt wird, gibt der Endgerätebenutzer von ihm subjektiv ermittelte Dienstgütedaten in der Regel akustisch am Endgerät ein. Da auch eine derartige akustische Eingabe unter den Wortlaut des Anspruchs 1 fällt (s. Spalte 4, Zeilen 34-35: "die Übertragung der (z.B. akustisch oder über eine Taste 11 eingegebenen) 'erfahrenen Dienstgüte' ..."), würde der Fachmann durch eine Kombination der Lehre des Dokuments D1 mit dem allgemein bekannten Stand der Technik ohne erfinderisches Zutun zum beanspruchten Gegenstand gelangen.

3.10 Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen argumentiert, dass der im Verfahren befindliche Stand der Technik von einer Verbindung einer Ermittlung von objektiven Dienstgüteparametern, die technisch durch das Endgerät selbst erfolgt, und einer Ermittlung von subjektiven Dienstgüteparametern, die den Benutzer selbst involviert, wegweisen würde, um soweit wie möglich den als unzuverlässig betrachteten menschlichen Faktor auszuschließen.

Dieses Argument kann die Kammer nicht überzeugen. Die Lebenserfahrung zeigt, dass für die Entscheidung eines Kunden für einen bestimmten Diensteanbieter nicht allein die objektive technische Leistung der angebotenen Dienste entscheidend ist, sondern auch die allgemein erfahrene, also subjektive Dienstgüte. Auch wenn es sicherlich ein Bestreben gibt, die erfahrene Dienstgüte auf objektive technische Parameter abzubilden, wird es letztlich unvermeidlich bleiben, dass sich Diensteanbieter bei ihren Kunden persönlich über die erfahrene Dienstgüte rückversichern, um weiterhin in der Lage zu sein, die Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Zwar mag es eine Tendenz dahingehend geben, objektive Dienstgüteparameter technisch über das Endgerät, d. h. ohne menschlichen Faktor, zu ermitteln. Diese Tendenz geht aber nach Auffassung der Kammer nicht so weit, dass der Fachmann eine zusätzliche telefonische Kundenumfrage nicht mehr in Betracht ziehen würde.

3.11 Da somit der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents für den vom Dokument D1 ausgehenden Fachmann unter Berücksichtigung des allgemein bekannten Standes der Technik naheliegend ist, erfüllt das Patent nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung ist daher aufzuheben.

Hilfsantrag 1

4. Zulassung in das Verfahren

4.1 Der Hilfsantrag 1 der Beschwerdegegnerin wurde im Laufe der mündlichen Verhandlung und somit spät eingereicht (Artikel 12 (2) VOBK). Die Zulassung verspätet eingereichter Anträge liegt im Ermessen der Kammer (Artikel 13 (3) VOBK).

4.2 Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern müssen verspätet eingereichte Anträge einen ernsthaften Versuch zur Ausräumung erhobener Einwände darstellen und dürfen nicht zu neuen, bisher nicht bestehenden Einwänden führen.

4.3 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 beschränkt die Dienstgüteparameter "Netzzugänglichkeit", "Dienstzugänglichkeit", "Sprachqualität" und "Gesprächsabbruchwahrscheinlichkeit" derart, dass ihre Qualität repräsentierende Dienstgütedaten vom Endgerätebenutzer nunmehr subjektiv, und nicht wie in Dokument D1 vom Endgerät selbst nur objektiv ermittelt werden. Aus dem Anspruch ergibt sich zudem, dass diese subjektiv ermittelten Daten für jeweils eine Dienstinanspruchnahme und/oder für jeweils einen Dienstinanspruchnahme-Versuch ermittelt und übermittelt werden. Dieses Merkmal ist nicht Bestandteil des allgemein bekannten, im Streitpatent gewürdigten Stands der Technik, gemäß dem subjektive Dienstgütedaten mittels Befragung von Testkunden oder Kundenumfragen erhalten werden.

Folglich ist die Einreichung des Hilfsantrags 1 als ernsthafter Versuch zu werten, den gegen das erteilte Patent durchgreifenden Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit zu beheben.

4.4 Der Gegenstand des Anspruchs führt auch nicht zu neuen, bisher nicht erhobenen Einwänden.

Insbesondere verletzt der beanspruchte Gegenstand nicht die Erfordernisse des Artikels 123 EPÜ. Der Wortlaut von Anspruch 1 des erteilten Patents ließ offen, ob die Dienstgütedaten, die die Qualität der Dienstgüteparameter "Netzzugänglichkeit", "Dienstzugänglichkeit", "Sprachqualität" und "Gesprächsabbruchwahrscheinlichkeit" repräsentieren, objektiv oder vom Endgerätebenutzer subjektiv ermittelt werden. Der neue Anspruch beschränkt sich auf die zweite Variante und stellt daher keine Schutzbereichserweiterung im Sinne von Artikel 123 (3) EPÜ, sondern eine Einschränkung dar. Die subjektive Ermittlung dieser Dienstgütedaten ist auch ursprünglich offenbart, wie aus der als WO-Schrift 99/57823 veröffentlichten Anmeldung, auf der das Patent beruht, hervorgeht (Seite 5, Zeile 23 bis Seite 6, Zeile 2).

Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, dass die Lehre des im Patent als Stand der Technik gewürdigten Dokuments D1 dem Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 entspreche und von objektiven Dienstgüteparametern ausginge (Spalte 1, Zeilen 37-45). Eine Einschränkung auf subjektive Dienstgüteparameter sei daher keine Einschränkung, sondern eine Verschiebung des Schutzumfangs und verletze somit die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ. Dieses Argument überzeugt die Kammer jedoch nicht, da dem Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 nicht zu entnehmen ist, dass sein Oberbegriff allen Merkmalen der aus D1 bekannten Lehre entsprechen soll. Die von der Beschwerdeführerin angegebene Stelle aus der Patentbeschreibung gibt nur eine Zusammenfassung des Inhalts des Dokuments D1 ohne direkten Hinweis auf die Merkmale des Anspruchs.

Aus dem geänderten Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ergibt sich ferner, dass subjektiv ermittelte Daten jetzt auch für jeweils eine Dienstinanspruchnahme und/oder für jeweils einen Dienstinanspruchnahme-Versuch ermittelt und übermittelt werden. Dieses Merkmal stellt eine Einschränkung der im erteilten Anspruch offen gelassenen Häufigkeit bzw. Genauigkeit der subjektiven Ermittlung dar und war als mögliche Ausführungsform auch ursprünglich offenbart (vgl. Anspruch 1 in Verbindung mit Seite 5, Zeile 23 bis Seite 6, Zeile 2 der veröffentlichten Anmeldung).

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 führt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht zu neuen Klarheitsmängeln. Der in diesem Anspruch verwendete Begriff "subjektiv ermittelte Dienstgütedaten" ist zwar einigermaßen vage, war jedoch bereits im erteilten Anspruch 1 enthalten. Da mangelnde Klarheit keinen Einspruchsgrund darstellt und nach gefestigter Rechtsprechung im Falle geänderter Ansprüche im Einspruchsverfahren nur solche Klarheitsmängel gerügt werden können, die durch die Änderungen selbst verursacht worden sind, ist dieser Einwand unbegründet.

4.5 Bei der Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13 (3) VOBK berücksichtigt die Kammer, dass die für ihre Entscheidung über den Hauptantrag wesentliche Argumentation, die auf einer Kombination der Lehre des Dokuments D1 mit dem allgemein bekannten, in der Patentschrift gewürdigten Stand der Technik basiert, in dieser Form zum ersten Mal während der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist. Da der neu eingereichte Hilfsantrag 1 einen ernsthaften Versuch darstellt, den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit im Lichte dieser Argumentation zu beheben, und keinen Anlass für neue Einwände gibt, lässt die Kammer diesen Hilfsantrag in das Verfahren zu.

5. Zurückverweisung (Artikel 111 (1) EPÜ):

5.1 Gemäß Artikel 111 (1) EPÜ wird die Beschwerdekammer entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder sie verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück.

5.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 betrifft einen Sachverhalt, der in dieser Form noch nicht im Rahmen des erstinstanzlichen Einspruchsverfahrens geprüft worden ist. In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin im Laufe der mündlichen Verhandlung erstmals das Argument vorgebracht hat, dass sich der Begriff der subjektiven Ermittlung auf eine gedankliche Tätigkeit beziehe und daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unberücksichtigt bleiben solle. Mit diesem Gesichtspunkt hatte sich die Einspruchsabteilung bislang noch nicht befasst.

5.3 Um den Parteien eine angemessene Gelegenheit zu geben, auf den geänderten Sachverhalt und die neuen Argumente zu reagieren, und um eine Prüfung der geänderten Ansprüche durch zwei Instanzen zu ermöglichen, übt die Kammer daher ihr Ermessen gemäß Artikel 111 (1) EPÜ dahingehend aus, dass sie die Angelegenheit zur weiteren Prüfung an die Einspruchsabteilung zurückverweist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Prüfung zurückverwiesen.

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