T 0160/07 () of 26.7.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T016007.20070726
Datum der Entscheidung: 26 Juli 2007
Aktenzeichen: T 0160/07
Anmeldenummer: 04016654.8
IPC-Klasse: B23Q 7/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Werkstückwechsler für Bearbeitungsmaschinen
Name des Anmelders: Maschinenfabrik Berthold Hermle
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123
Schlagwörter: Zulässigkeit der Änderungen - ja
Neuheit und erfinderische Tätigkeit - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 04 016 654.8 wurde von der Prüfungsabteilung mit der am 6. November 2006 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen, weil sie den Erfordernissen des EPÜ nicht genügte.

Folgender Stand der Technik wurde im Prüfungsverfahren ermittelt:

D1: US-A-5 781 983

D2: US-A-4 373 840

D3: US-A-4 781 512

D4: GB-A-2 135 604

II. Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin am 3. Januar 2007 Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr bezahlt. Mit der gleichzeitig eingegangenen Beschwerdebegründung hat sie ihren Antrag auf Erteilung eines europäischen Patents auf die Anmeldung mit geänderten Unterlagen weiterverfolgt.

III. Die Beschwerdekammer hat in ihrer mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandten Mitteilung vom 23. April 2007 ihre vorläufige Meinung dargelegt, wonach die erfinderische Tätigkeit hinsichtlich der Gegenstände des Haupt- und des Hilfsantrags zu diskutieren sei.

IV. Am 26. Juli 2007 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der die Beschwerdeführerin einen neuen Antrag vorlegte.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisung aufzuheben und ein Patent mit den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüchen 1 bis 10 und angepasster Beschreibung, Figuren 1 bis 3, wie ursprünglich eingereicht, zu erteilen.

Anspruch 1 lautet:

"Bearbeitungsmaschine mit einem eine Speicheranordnung (14; 32) für Werkstücke und/oder Werkstückpaletten (10) aufweisenden Werkstückwechsler zum Verfahren solcher Werkstücke oder Werkstückpaletten (10) zwischen der Speicheranordnung (14; 32) und einer Bearbeitungsposition der Bearbeitungsmaschine (12), mit einer Greifereinrichtung (20) zum Aufnehmen und Absetzen von Werkstücken oder Werkstückpaletten (10), mit einem Drehantrieb zum Verschwenken der Greifereinrichtung (20) um eine vertikale Achse, mit einem Linearantrieb (16 - 18) zum Verfahren der Greifereinrichtung (20) zwischen einer ersten Position an der Speichereinrichtung (14; 32) und der Bearbeitungsposition, wobei die Speicheranordnung (14; 32) wenigstens einen Wechselplatz (28; 35, 36) für die Übergabe und Übernahme von Werkstücken oder Werkstückpaletten (10) durch die Greifereinrichtung (20) besitzt, und wobei eine Fördereinrichtung zum Zuführen und Abführen von Paletten- und/oder Werkstückaufnahmen (26) zum und vom Wechselplatz (28; 35, 36) vorgesehen ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass der Werkstückwechsler zum Umsetzen der Werkstücke oder Werkstückpaletten (10) zwischen der Speicheranordnung (14; 32) und einem Werkstücktisch (11) der Bearbeitungsmaschine (12) ausgebildet ist und als selbständige Einheit vor der Bearbeitungsmaschine (12) positionierbar ist und der Linearantrieb (16 - 18) zum Wegfahren der Greifereinrichtung (20) vom Werkstücktisch (11) während der Bearbeitung in eine Parkposition ausgebildet ist, und dass die Greifereinrichtung (20) einen Doppelgreifer mit zwei nach entgegengesetzten Richtungen weisenden Greifern (21, 22) aufweist."

V. Die Beschwerdeführerin führte aus, der neue Anspruch 1 sei durch Zusammenfassung des ursprünglich eingereichten unabhängigen Anspruchs 1 mit den Merkmalen der zweiten Alternative des abhängigen Anspruchs 9 gebildet.

Die beanspruchte Bearbeitungsmaschine mit Werkstückwechsler sei neu, da kein Dokument des Standes der Technik Anordnung mit den Merkmalen des Anspruchs 1 offenbare.

Die nun beanspruchte Lösung beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit, weil ein mit den kennzeichnenden Merkmalen ausgebildeter Werkstückwechsler als selbständige Einheit in Kombination mit einer Bearbeitungsmaschine weder bekannt noch durch rein fachmännische Überlegungen nahegelegt sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Der nun geltende Anspruch 1 ist auf eine Bearbeitungsmaschine mit einem Werkstückwechsler gerichtet. Diese Kombinationsanordnung ergibt sich aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen (z.B. A-Dokument Spalte 1, Zeilen 3 bis 8, Spalte 2, Zeilen 13 bis 15, Spalte 4, Zeilen 3 bis 7; Figuren 1 bis 3). Die Zusammenfassung der Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 1 mit einer alternativen Weiterbildung nach dem ursprünglichen Anspruch 9 ist nicht zu beanstanden. Die Beschreibung wurde angepasst und auf den Gegenstand der nunmehr geltenden Ansprüche beschränkt. Die Erfindung ist zweifellos ausführbar, und die Ansprüche sind klar und von der Beschreibung gestützt, so dass die Vorschriften der Artikel 83, 84 und 123 (2) EPÜ erfüllt sind.

3. Neuheit

3.1 Die Frage der Neuheit hat im bisherigen Verfahren keine Rolle gespielt. Die nun beanspruchte Merkmalskombination unterscheidet sich von der aus D1 bekannten Anordnung jedenfalls durch das Merkmal, dass der Werkstückwechsler als selbständige Einheit vor der Bearbeitungsmaschine positionierbar ist.

3.2 Von den in D2, D3 und D4 offenbarten Werkstückwechslern unterscheidet sich die beanspruchte Lösung dadurch, dass der Werkstückwechsler zum Verfahren von Werkstücken oder Werkstückpaletten zwischen einer Speicheranordnung und einer Bearbeitungsposition der Bearbeitungsmaschine eine Greifereinrichtung zum Aufnehmen und Absetzen von Werkstücken oder Werkstückpaletten sowie einen Drehantrieb zum Verschwenken der Greifereinrichtung um eine vertikale Achse und einen Linearantrieb zum Verfahren der Greifereinrichtung zwischen einer ersten Position an der Speichereinrichtung und der Bearbeitungsposition aufweist.

3.3 Auch der in der Anmeldung zitierte Stand der Technik (EP-B-1 321 224, DE-A-198 53 945, EP-A-1 201 354) offenbart keine als selbständige Einheit vor der Bearbeitungsmaschine positionierbare Werkzeugwechseleinrichtung. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu im Sinn von Artikel 54 (1) EPÜ.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 Der der Erfindung nächstkommende Stand der Technik ist D1. Diese Druckschrift offenbart eine Bearbeitungsmaschine mit einem eine Speicheranordnung (14; 32) für Werkstücke und/oder Werkstückpaletten (10) aufweisenden Werkstückwechsler mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1.

4.2 Aufgabe der Erfindung ist die Schaffung eines Werkstückwechslers, der von der Bearbeitungsmaschine entkoppelt ist, das rationelle Umsetzen von Werkstücken oder Werkstückpaletten zwischen einer relativ weit vom Werkstücktisch entfernten Speicheranordnung und diesem Werkstücktisch ermöglicht und eine gute Zugänglichkeit zur Bearbeitungsmaschine bzw. zu deren Werkstücktisch gewährleistet.

Diese Aufgabe wird durch eine Anordnung mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst.

4.3 D1 offenbart eine Werkzeugmaschine mit einer integrierten Werkstückwechseleinrichtung mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1. Bei dieser Vorrichtung wird das Werkstück 26 von einem Greifer 25 von einer Wechselstation zur Bearbeitungsstelle 28 der Werkzeugmaschine transportiert und dort während der Bearbeitung gehalten. Zum Werkstückwechsel fährt der Greifer mit dem Werkstück zurück zur Wechselstation und ergreift das nächste Werkstück.

Abgesehen davon, dass der Entgegenhaltung D1 kein Hinweis entnehmbar ist, den Werkstückwechsler zum Umsetzen der Werkstücke oder Werkstückpaletten als selbständige Einheit vor der Bearbeitungsmaschine zu positionieren, ist die mit dieser bekannten Vorrichtung durchführbare Bearbeitung ungünstiger als mit der beanspruchten. So ermöglicht die einen Doppelgreifer mit zwei nach entgegengesetzten Richtungen weisenden Greifern aufweisende Greifereinrichtung gemäß der Anmeldung einen wesentlich schnelleren Werkstückwechsel als die bekannte Lösung, da jeweils bereits im zweiten Greifer das nächste Werkstück bereitgehalten werden kann und nach Aufnahme des bearbeiteten Werkstückes durch den ersten Greifer sogleich auf dem Werkstücktisch positioniert werden kann. Auch in dieser Richtung enthält D1 keine Anregung.

4.4 Zwar ist ein Doppelgreifer, wie in der Anmeldung beschrieben, an sich aus dem Dokument DE-A-198 53 945 bekannt, jedoch nur in unmittelbarer Kombination mit einer einen Palettenwechsler umfassenden Werkzeugmaschine, der eine festgelegte Kinematik aufweist. Wegen dieses unterschiedlichen Maschinenkonzepts ist eine Anregung zur Ausgestaltung eines als selbständige Einheit vor der Bearbeitungsmaschine positionierbaren Werkstückwechslers mit einem Drehantrieb zum Verschwenken der Greifereinrichtung um eine vertikale Achse und mit einem Linearantrieb zum Verfahren der Greifereinrichtung ist hieraus jedoch nicht ableitbar. Somit besteht für den einschlägigen Fachmann kein Anlass, etwa eine Kombination mit D1 in Erwägung zu ziehen.

4.5 Die Druckschrift D2 zeigt und beschreibt einen Werkstückwechsler, bei dem eine Werkstückpalette 22 von einem Drehtellersystem 20 von einer Wechselstation 33 auf den Werkstücktisch einer Bearbeitungsmaschine 24 verschoben werden kann und umgekehrt. Dieses Werkstückwechselsystem könnte als separat positionierbare Einheit bezeichnet werden, jedoch weist es weder einen Drehantrieb zum Verschwenken einer Greifereinrichtung um eine vertikale Achse und einen Linearantrieb zum Verfahren der Greifereinrichtung auf, noch enthält es einen Doppelgreifer, so dass wegen der unterschiedlichen Arbeitsweise dieser Vorrichtung der Fachmann keine Anregung zur Kombination mit D1 erhält.

4.6 Die übrigen Dokumente des Standes der Technik gehen in ihrem gegenüber der beanspruchten Erfindung relevanten Offenbarungsgehalt über den Inhalt der vorstehend behandelten Druckschriften nicht hinaus. Es ist auch nicht ersichtlich, wie der zuständige Fachmann allein aufgrund seiner fachlichen Fähigkeiten die beanspruchte Lösung hätte auffinden können. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

5. Da somit die maßgeblichen Bestimmungen des EPÜ erfüllt sind, kann auf die Anmeldung ein Patent im beantragten Umfang erteilt werden (Artikel 52 (1) EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf Grundlage der Ansprüche 1 bis 10 und der angepassten Beschreibung (Spalten 1 bis 7) wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 26. Juli 2007, Figuren 1 bis 3, wie ursprünglich eingereicht, zu erteilen.

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