T 0099/07 () of 24.7.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T009907.20080724
Datum der Entscheidung: 24 Juli 2008
Aktenzeichen: T 0099/07
Anmeldenummer: 01108259.1
IPC-Klasse: B21D 39/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 25 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Presswerkzeug und Pressverfahren
Name des Anmelders: Ridge Tool Company
Name des Einsprechenden: Novopress GmbH Pressen und Presswerkzeuge & Co. KG
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: Zulassung später Anträge - nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 31. März 2001 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 4. April 2000 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 01108259.1 wurde das europäische Patent Nr. 1 142 655 mit 6 Ansprüchen erteilt.

II. Gegen das erteilte Patent wurde, gestützt auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) EPÜ, Einspruch eingelegt mit dem Antrag auf Widerruf des Patents.

Die Einspruchsabteilung widerrief das Patent mit ihrer am 21. November 2006 zur Post gegebenen Entscheidung.

Sie kam zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 in seiner geänderten Fassung gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Presswerkzeug zum Festpressen von hülsenförmigen Fittings (32a) auf zwei Rohrenden zum Zwecke der Verbindung beider Rohre, mit einer Hubzylinder-Vorrichtung mit einem gabelförmigen Anschlussteil (7), einer in diesem Anschlussteil (7) mittels eines Befestigungsbolzens (50) auswechselbar befestigbaren Presszange (51) und einem Antriebsmotor zur Betätigung einer Kolbenstange (6) als Betätigungsorgan zum Bewegen mindestens einer Pressbacke (51, 51b), dadurch gekennzeichnet, dass ein Anwesenheitssensor (52) für die Presszange (51) und eine erste Zeitverzögerungs-Einrichtung (45b) eingesetzt sind, welche ein Signal zur Verfügung stellen, mittels dem, bei einer fehlenden oder fehlerhaft eingesetzten Presszange (51) nach einer Verzögerungszeit, die Abschaltung des Presswerkzeuges, gewährleistet ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag entspricht dem des Hauptantrags mit einer Einfügung in der ersten Zeile des kennzeichnenden Teils nach "Presszange (51)" ", über den bei fehlender oder fehlerhaft eingeführter Presszange (51) ein Hinweissignal (45a) auslösbar ist,"

III. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 13. Januar 2007 Beschwerde ein und bezahlte gleichzeitig die Beschwerdegebühr. Mit ihrer am 20. März 2007 eingegangenen Beschwerdebegründung verfolgte sie die Aufrechterhaltung des Patents mit einem neu formulierten Anspruch 1 weiter.

IV. Die Beschwerdekammer teilte in ihrem Bescheid als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 3. März 2008 ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage mit, wonach die in den vorliegenden Ansprüchen vorgenommenen Änderungen nicht zulässig seien. Ob Neuheit und erfinderische Tätigkeit diskutiert würden, hänge vom Vorliegen eines zumindest die formalen Zulassungsvoraussetzungen erfüllenden Antrags ab.

V. Mit Schreiben vom 24. Juni 2008 reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag und drei Hilfsanträge ein.

VI. Am 24. Juli 2008 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, in der die Beschwerdeführerin einen erneut geänderten Haupt- und drei Hilfsanträge vorlegte.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des europäischen Patents auf der Basis des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge 1 bis 3, jeweils vom 24. Juli 2008.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Presswerkzeug zum Festpressen von hülsenförmigen Fittings (32a) auf zwei Rohrenden zum Zwecke der Verbindung beider Rohre, mit einer Hubzylinder-Vorrichtung mit einem gabelförmigen Anschlussteil (7), einer in diesem Anschlussteil (7) mittels eines Befestigungsbolzens (50) auswechselbar befestigbaren Presszange (51) und einem Antriebsmotor zur Betätigung einer Kolbenstange (6) als Betätigungsorgan zum Bewegen mindestens einer Pressbacke (51, 51b), wobei ein Anwesenheitssensor für die Presszange (51) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Anwesenheitssensor (52) ein Signal zur Verfügung stellt, mittels dem, bei einer fehlenden oder fehlerhaft eingesetzten Presszange (51) die Einleitung eines Pressvorganges (44) verhinderbar ist, beziehungsweise ein eingeleiteter Pressvorgang abbrechbar ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 entspricht dem des Hauptantrags, bei dem in der fünften Zeile des kennzeichnenden Teils nach "verhinderbar ist" ", und nach einer Verzögerungszeit die Abschaltung des Presswerkzeugs stattfindet" eingefügt ist.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 entspricht dem des Hilfsantrags 1, bei dem in der in der zweiten Zeile des kennzeichnenden Teils nach "Verfügung stellt" "und eine erste Zeitverzögerungs-Einrichtung vorgesehen ist," eingefügt ist.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 lautet:

"Pressverfahren zum Festpressen von hülsenförmigen Fittings (32a) auf zwei Rohrenden zum Zwecke der Verbindung beider Rohre, unter Verwendung eines Presswerkzeugs mit einer Hubzylinder-Vorrichtung mit einem gabelförmigen Anschlussteil (7), einer in diesem Anschlussteil (7) mittels eines Befestigungsbolzens (50) auswechselbar befestigbaren Presszange (51) und einem Antriebsmotor zur Betätigung einer Kolbenstange (6) als Betätigungsorgan zum Bewegen mindestens einer Pressbacke (51, 51b), wobei eine Presszangen-Anwesenheitskontrolle mit einem Anwesenheitssensor für die Presszange (51) vorgesehen ist, wobei die Kolbenstange (6) für über eine Übertragungsvorrichtung die Klemmbewegung mindestens einer Pressbacke (51a, 51b) betätigt, und wobei - nach einem Initialisierungsschritt (42), in dem Selbst-, Start- und Servicetests durchgeführt werden, in einem wiederholbaren zweiten Schritt, bevor eine Pressvorgang (44) auslösbar gemacht wird, mit einem Anwesenheitssensor (52) eine Presszangen-Anwesenheitskontrolle durchgeführt wird und - wenn nach einer Verzögerungszeit noch immer keine Presszange (51) eingesetzt ist, das Presswerkzeug mittels einer Zeitverzögerungseinrichtung (45b) abgeschaltet werden kann, - bei korrekt eingeführter Presszange (51) nach einer kurzen Verzögerungszeit eine Zuordnungs-Erfassung (46) durchgeführt wird, um der eingesetzten Presszange (51) einen Kolbenpositions-Bereichswert zuzuordnen, - sowie als weiterer Kontrollschritt vor der Freigabe der Auslösbarkeit eines Pressvorganges (44) eine Verriegelungskontrolle (47) durchgeführt wird, um bei einem nicht gesicherten Befestigungsbolzen (50) zumindest ein Warnsignal (47a) auszulösen, und danach den Pressvorgang (44) einzuleiten."

VII. Die Beschwerdeführerin brachte vor, die Ansprüche seien in zulässiger Weise geändert worden. Die Lehre des Patents richte sich an den einschlägigen Fachmann, für den es selbstverständlich sei, dass eine Zeitverzögerung nur stattfinden könne, wenn sie durch eine entsprechende Zeitverzögerungseinrichtung ausgelöst werde. Die vorgenommenen Änderungen seien in der Patentbeschreibung (Spalte 2, Zeilen 19 bis 22, Zeilen 51 bis 55; Spalte 5, Zeilen 36 bis 39) auch für den Fachmann klar verständlich im jeweiligen Zusammenhang offenbart.

VIII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte, die neu vorgelegten Ansprüche seien in unzulässiger Weise geändert worden. Daher erfülle keiner der vorliegenden Anträge die formalen Zulassungsvoraussetzungen, insbesondere im Hinblick auf Artikel 84, 123 (2) und (3) EPÜ.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulassung neuer Anträge

2.1 Nach Artikel 13 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (ABl.11/2007 537, 542) steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt. Die neuen Anträge wurden zu einem äußerst späten Zeitpunkt, nämlich im Lauf der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereicht. Die Zulassung eines neuen Antrags in einem so späten Verfahrensstadium ist nur dann verfahrensökonomisch, wenn er nicht von vornherein ungeeignet ist, die Zweifel an der Gewährbarkeit von Ansprüchen auszuräumen.

2.2 Die Beschwerde wurde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über den im Einspruchsverfahren geltenden Haupt- und Hilfsantrag eingereicht, die somit Basis des Beschwerdeverfahrens bilden. Gegenüber diesem Stand des Verfahrens wurden die neu eingereichten Anträge nicht eingeschränkt, sondern durch Weglassen von Merkmalen wieder erweitert, so dass keine Konvergenz hin zu einem prima facie gewährbaren Antrag erkennbar ist.

3. Die Änderungen im Einzelnen

3.1 Im ersten kennzeichnenden Merkmal des Anspruchs 1 des Hauptantrags im Einspruchsverfahren heißt es daß "ein Anwesenheitssensor (52) für die Presszange (51) und eine erste Zeitverzögerungs-Einrichtung (45b) eingesetzt sind, welche ein Signal zur Verfügung stellen". Im Anspruch 1 des neuen Hauptantrags wurde die Verknüpfung, dass auch eine erste Zeitverzögerungs-Einrichtung (45b) eingesetzt ist, welche zusammen mit dem Anwesenheitssensor ein Signal zur Verfügung stellt, weggelassen. Gleiches gilt im Hinblick auf den Hilfsantrag des Einspruchsverfahrens, der die oben zitierten Merkmale ebenfalls enthält und demgegenüber diese Beziehung ebenfalls fehlt.

3.2 Denselben Mangel weist der Anspruch 1 des neuen Hilfsantrags 1 auf, denn es fehlt gleichermaßen die erste Zeitverzögerungs-Einrichtung mit der entsprechenden Beziehung auf das "zur Verfügung stellen" eines Signals.

3.3 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ist infolge der Satzumstellung nicht verständlich und daher unklar (Artikel 84 EPÜ). Auch bei sachdienlicher Auslegung geht jedoch daraus eindeutig hervor, dass die Beziehung der ersten Zeitverzögerungs-Einrichtung, welche ein Signal zur Verfügung stellt, dort fehlt.

3.4 Der Verfahrensanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 geht zurück auf den unabhängigen erteilten Anspruch 4, welcher beginnt mit dem Wortlaut: "Pressverfahren zum Festpressen von hülsenförmigen Fittings (32a), unter Verwendung eines Presswerkzeugs nach einem der Ansprüche 1 oder 2 ...".

Daher wäre die Ausformulierung der erteilten Ansprüche 1 oder 2 in einem solchen unabhängigen Anspruch des Hilfsantrags 3 an sich zulässig. Tatsächlich wurden in den neuen Verfahrensanspruch jedoch nur die Merkmale des Oberbegriffs des erteilten Anspruchs 1 aufgenommen und die kennzeichnenden Merkmale weggelassen, womit eine nicht zulässige Erweiterung des Schutzbereichs (Artikel 123 (3) EPÜ) verbunden ist.

4. Somit erfüllte keiner der im spätest möglichen Verfahrensstadium, nämlich im Lauf der mündlichen Verhandlung vorgelegten neuen Anträge zumindest die erforderlichen formalen Voraussetzungen, so dass keiner der Anträge zum Verfahren zugelassen werden konnte. Folglich konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation