European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2010:T009107.20100311 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 11 März 2010 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0091/07 | ||||||||
Anmeldenummer: | 00927006.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | E03F 7/10 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zur Aufnahme von aufsaugbarem Material | ||||||||
Name des Anmelders: | FFG Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft mbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Müller Umwelttechnik GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Stand der Technik - offenkundige Vorbenutzung auf einer Messe (verneint) - Offenbarung eines schriftlichen Angebots (bejaht) Erfinderische Tätigkeit (verneint) Ermessen der Einspruchsabteilung zu entscheiden, ob die Vernehmung von Zeugen erforderlich ist - Verfahrensfehler (nein) Rückzahlung der Beschwerdegebühr (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent EP-B1-1 175 535 betrifft ein Reinigungsfahrzeug zur Aufnahme von Abfall, Schlamm, Fäkalien oder dergleichen. Gegen das erteilte Patent hatte die Einsprechende Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent zu widerrufen, da der beanspruchte Gegenstand nicht neu bzw. nicht erfinderisch sei (Artikel 100 a) EPÜ).
II. Die Einspruchsabteilung ist zum Ergebnis gekommen, dass die genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegenstehen und hat daher den Einspruch zurückgewiesen. Die Entscheidung ist am 15. November 2006 zur Post gegeben worden.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende (die Beschwerdeführerin) am 15. Januar 2007 Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet und am 15. März 2007 ihre Beschwerde begründet.
IV. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung aufzuheben und die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen sowie die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen. Hilfsweise beantragt sie den Widerruf des Patentes.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat keinen Antrag gestellt.
V. Ansprüche
Anspruch 1 des erteilten Patents lautet wie folgt:
"1. Vorrichtung zur Aufnahme von aufsaugbarem Material, insbesondere Abfall, Schlamm, Fäkalien oder dergleichen, insbesondere in Ausbildung als Reinigungsfahrzeug, mit
einem vorzugsweise zylindrischen Behälter (11), der einen ersten Tank (101) für das über einen Saugschlauch (17) aufgesaugte Material und einen zweiten Tank (102) mit einem angeschlossenen Hochdruckschlauch (15) für ein Spülmedium aufweist;
einer Steuereinrichtung zum Steuern von Funktionskomponenten der Vorrichtung, insbesondere einer Saug- und Spülfunktion; und
einer Bedieneinrichtung (20) zum Eingeben von Steuerbefehlen für die Steuereinrichtung,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Vorrichtung eine elektronische Messeinrichtung (200) zum Messen der Füllstände im ersten und zweiten Tank (101, 102) aufweist;
wobei die Steuereinrichtung, die Bedieneinrichtung (20) und die Messeinrichtung (200) zu einer elektronischen Einrichtung gehören;
wobei die Bedieneinrichtung (20) zum Eingeben von Steuerbefehlen für die Steuereinrichtung und zum visuellen Darstellen von Messwerten und Steuerparametern als Touchscreen ausgebildet ist;
wobei zur Datenübertragung ein Bussystem (30), vorzugsweise ein CAN-Bus, zum Ankoppeln der Bedieneinrichtung (20) an verschiedenen Mess- und Steuerstellen der Steuereinrichtung und der Messeinrichtung vorgesehen ist;
wobei der erste und der zweite Tank (101, 102) eine gemeinsame verschiebbare Trennwand (50) zum Füllstandsausgleich aufweisen; und
wobei durch die Messeinrichtung (200) die Stellung der verschiebbaren Trennwand (50) zum Messen des Füllstandes des ersten Tanks mitberücksichtigbar ist."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der in Anspruch 1 definierten Vorrichtung.
VI. Stand der Technik
Während des Einspruchsverfahren wurden u.a. die folgenden Druckschriften genannt:
D1/1: "Kanalreinigung; Gläserner Arbeitsplatz schützt die Gesundheit", Umwelt (Sonderdruck), Seiten 26 bis 27, VDI Verlag, Juli/August 1996.
D1/2: Angebotstext für Kanalreinigungsfahrzeug WA III, 24. September 1997.
D1/3: Schreiben der Firma Faun Müller Umwelttechnik GmbH an die Firma Müller Umwelttechnik GmbH & Co KG, 24. September 1998.
D1/4: Muster-Angebotstext der Müller Umwelttechnik GmbH & Co KG für die Vermarktung des Canalmaster Typ F 120 E WA Vision 2000, 2. Oktober 1998.
D2: Angebot von Müller Umwelttechnik GmbH & Co KG an den Entwässerungsbetrieb Kaiserslautern Nr. 9811-9541 für ein Müller-Canalmaster Typ F 120 E WA Vision 2000, 25. November 1998.
D6/1: Schreiben der Hamburger Stadtentwässerung an die Firma Faun eurotec GmbH, 5. Januar 1998.
In der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung auf das folgende Dokument verwiesen:
VOL: Bundesanzeiger, Jahrgang 54, Nummer 216a, 20. November 2002, "Bekanntmachung der Neufassung der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL), Ausgabe 2002 vom 17. September 2002".
VII. Vorbringen
a) Die Beschwerdegegnerin
Zur Beschwerdebegründung hat die Beschwerdegegnerin nicht Stellung genommen.
b) Neuheit und Erfinderische Tätigkeit
Die Beschwerdeführerin trägt vor, dass die beanspruchte Vorrichtung hinsichtlich einer offenkundigen Vorbenutzung eines Fahrzeugs "Canalmaster Vision 2000" nicht neu sei. Die Vorbenutzung betreffe die Zuschaustellung des Fahrzeuges auf der Messe IFAT 1996 vom 7. bis 11. Mai 1996, die Versendung schriftlicher Angebote, sowie die Vorführung bzw. Probebetrieb bei der Hamburger Stadtentwässerung vor dem 5. Januar 1998.
Die Einspruchsabteilung war der Meinung, dass die geltend gemachten Vorbenutzungen nicht ausreichend substantiiert seien, und hat sie daher für die Entscheidung nicht berücksichtigt.
Die Beschwerdeführerin führte aus, dass das Streitpatent durch den Angebotstext nach Anlage D1/4 oder D2 vorweggenommen werde. Dies Angebote wurden an unterschiedliche Kunden ohne Verpflichtung zur Geheimhaltung gesendet.
Das Kanalreinigungsfahrzeug des Angebotstextes sei mit einem Stahlbehälter mit einem Entleerungskolben als verstellbarer Trennwand versehen. Durch die Trennwand würden zwei Kammern gebildet, von denen eine Frischwasser und die andere zu entsorgendenden Schlamm enthalte. Eine komplette SPS Steuerung aller Funktionen mit Touch-Panel als Anzeigeinstrument für alle wichtigen Betriebsdaten sei vorhanden.
Unter dem Thema "Wasseraufbereitungsanlage" im Angebotstext sei ein Schwimmerschalter und eine Steuereinrichtung für die Schlamm- und Absetzkammer genannt. Dieses Merkmal entspreche der in Anspruch 1 definierten Messeinrichtung zum Messen des Füllstandes. Bei einer kompletten SPS Steuerung aller Funktionen handele es sich um elektronische Mess- und Steuereinrichtungen. Es sei implizit, dass die Einrichtung zum Messen des Füllstandes auch die Stellung der Trennwand berücksichtigen müsse.
Obwohl ein Bussystem zur Datenübertragung nicht explizit genannt sei, sei dies eine naheliegende Maßnahme für das Mess- und Steuersystem der D2, in dem mehrere Sensoren abgefragt werden müssten.
Die beanspruchte Vorrichtung sei daher hinsichtlich des Angebotstextes nicht neu bzw. nicht erfinderisch.
Mit D6/1 sei ferner eine weitere Vorbenutzung desselben Fahrzeugs bei der Hamburger Stadtentwässerung belegt.
c) Rückstattung der Beschwerdegebühr
Aus folgenden Gründen sei das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin gemäß Artikel 113(1) EPÜ verletzt und es entspreche der Billigkeit, die Beschwerdegebühr zu erstatten.
- Angebot der Zeugen
In einem Bescheid der Einspruchsabteilung vom 28. Juli 2006 wurde angezweifelt, ob das Angebot (D2) abgeschickt wurde und den Empfänger erreicht hat. Als Antwort hat die Beschwerdeführerin erläutert, dass mehrere Angebotstexte gemäß D1/3 an verschiedene Kunden abgesendet wurden und Herrn B. Sackmann als Zeugen für diese Tatsache angeboten.
Die Einspruchabteilung habe zum ersten Mal in der Entscheidung bezweifelt, dass die Dokumente D1/1 und D1/2 dasselbe Fahrzeug betreffen und dass alle beanspruchten Merkmale des Fahrzeugs auf der Messe öffentlich zugänglich waren. Da diese Punkte bisher nicht im Verfahren erörtert worden seien, habe die Beschwerdeführerin entgegen Artikel 113 EPÜ keine Möglichkeit gehabt, Stellung zu nehmen. Zum Beleg der offenkundigen Vorbenutzung auf der Messe habe die Beschwerdeführerin im Einspruchsschriftsatz einen Zeugen (Herr W. Müller) angeboten. Wenn die Einspruchsabteilung die offenkundige Vorbenutzung bezweifele, sei sie verpflichtet, den angebotenen Zeugen anzuhören.
- Das von der Einspruchsabteilung eingeführte Dokument VOL
D2 betreffe ein Angebot an den Entwässerungsbetrieb Kaiserlautern. Um ihre Meinung zu stützen, dass an öffentliche Auftragsgeber abgegebene Angebote und ihre Anlagen vertraulich seien, habe die Einspruchsabteilung erstmalig in der Entscheidung auf das als Anlage zur Entscheidung beigefügte Dokument VOL verwiesen. Zu diesem neu eingeführten Dokument habe sich die Beschwerdeführerin nicht äußern können.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die Vorbenutzung als Stand der Technik
nach Artikel 54(2) EPÜ
Bei der Vorbenutzung handelt sich einerseits um die Zurschaustellung des Fahrzeugs "Canalmaster Vision 2000" auf einer Messe IFAT im März 1996 und anderseits um die Versendung schriftlicher Angebote sowie eines Kundentests des Fahrzeugs.
2.1 Zurschaustellung auf der Messe IFAT
Dokument D1/1 betrifft eine Zeitschrift, die über die Messe IFAT 1996 berichtet. Es ist diesem Artikel zu entnehmen (Seite 27), dass ein Kanalreinigungsfahrzeug mit dem Namen "Vision 2000" auf der Messe vorgestellt wurde.
Der Artikel befasst sich im wesentlichen mit der in einer geschlossenen Glaskabine vorgesehenen Steuerung über ein Touch-Panel. Andere technische Details wie beispielsweise Behältervolumen und die Ausstattung mit Pumpen und Schläuchen auf der Saugseite und der HD-Seite sind nur am Rande angesprochen. Insbesondere fehlen Angaben über eine verschiebbare Trennwand im Behälter, eine elektronische Einrichtung zum Füllstandsmessen und ein Bussystem zur Datenübertragung.
Falls ein derartiges Fahrzeug auf der Messe ausgestellt war, sind auch diese Merkmale von außen nicht sofort erkennbar und konnten daher den Besuchern der Messe nicht ohne weiteres bekannt geworden sein. Aus diesem Grund hat die Einspruchsabteilung diese Vorbenutzung als nicht ausreichend substantiiert angesehen. Sie hat dabei nicht verkannt, dass die weiteren Fragen nur durch weitere Beweismittel wie den zum Beleg der offenkundigen Vorbenutzung auf dieser Messe benannten Zeugen geklärt werden können, diesen Zeugen aber nicht berücksichtigt. Die Kammer folgt der Auffassung der Einspruchsabteilung insoweit, als mit den vorliegenden Beweismitteln nicht eindeutig zu klären ist, welche technischen Merkmale über die obengenannten Merkmale hinaus bei der Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich wurden. Dieser Vorbenutzung kann daher hier nicht weiter nachgegangen werden.
2.2 Versendung eines schriftlichen Angebots
Die Beschwerdeführerin (Müller Umwelttechnik GmbH & Co KG) hat mit dem Schreiben D2 ein Angebot für ein Canalmaster III Fahrzeug an Entwässerungsbetrieb Kaiserslautern gesendet.
Dieses Schreiben entspricht dem Entwurf für ein Musterangebot gemäß Anlage D1/4, das von der Einsprechenden entworfen und gemäß Anlage D1/3 von jedem Kunden-Center an 10 Kunden verschickt werden sollte. Diese Umstände und die Tatsache, dass das Schreiben D2 mit Datum, genauer Angebots-Nummer und Unterschrift versehen ist, lassen keine Zweifel daran aufkommen, dass dieses Angebot tatsächlich an die Entwässerungsbetriebe Kaiserslautern abgeschickt worden ist. Auch wenn damit noch nicht mit hundertprozentiger Sicherheit nachgewiesen wurde, dass das Angebot auch beim Empfänger angekommen ist, so kann doch nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass dies aller Wahrscheinlichkeit nach der Fall ist. Die von der Einspruchsabteilung geäußerten Zweifel sind daher nicht begründet und wurden auch von der Beschwerdegegnerin nicht erhoben.
Die Einspruchsabteilung war der Meinung, dass gemäß der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) solche Angebote vertraulich seien. Die Kammer schließt sich aber dieser Auffassung nicht an. Erstens ist zu bemerken, dass die VOL, auf die die Einspruchsabteilung Bezug nahm, im Jahr 2002 veröffentlicht wurde. D2 wurde 1998 gesendet, sodass es nicht sicher ist, ob die gleichen Bedingungen der zitierten VOL bereits 1998 in Kraft waren. Zweitens gibt D2 keinen Hinweis, dass entweder Müller Umwelttechnik den Abnehmer zur Geheimhaltung verpflichtet hat oder sich eine Geheimhaltungsverpflichtung aus den Umständen ergab.
Vielmehr deutet der Umstand, dass das Angebot D2 eine (geschwärzte) Angabe des Kaufpreises sowie Angaben zu Zahlungsbedingungen, Lieferzeit, Garantie und Gültigkeit enthält, darauf hin, dass es sich um ein unter Geschäftspartnern übliches Lieferangebot handelt, das nicht wie bei verbundenen Firmen oder bei gemeinsamen Entwicklungsprojekten unter einem stillschweigenden Geheimhaltungsvorbehalt steht. Mit dem Eintreffen beim Entwässerungsbetrieb Kaiserslautern in den Tagen nach dem Absendetermin 25. November 1998 war daher der Inhalt der Angebots D2 als öffentlich zugänglich anzusehen.
2.3 Da das Schreiben (D2) Stand der Technik nach Artikel 54(2) EPÜ ist, ist es nicht nötig zu beurteilen, ob die anderen Angebote oder der Kundentest des Fahrzeugs (Dokument D6/1) der Öffentlichkeit zugänglich waren.
3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
3.1 D2 betrifft ein Fahrzeug ("MÜLLER-CANALMASTER TYP F 120 E WA VISION 2000") zur Reinigung von Verstopfungen in Rohrleitungen und zum Absaugen und Transportieren von Schlämmen. Das Fahrzeug nach D2 weist die folgenden Merkmale auf:
- Zylindrischer Behälter mit einem Tank für das über einen Saugschlauch aufgesaugte Material und einem zweiten Tank mit einem Hochdruckschlauch für Spülwasser (siehe z.B. Seite 1, "Behälter", "Die Schlammkammer mit ", Seite 2 "Auf dem Scheitel der Wasserkammer ", und Seite 5 "Schlauchhaspel und Bedienerkabine", "Hochdruckspülschlauch");
- eine Steuereinrichtung zum Steuern von Funktionskomponenten und eine als Touchscreen ausgebildete Bedieneinrichtung zum Eingeben von Steuerbefehlen und zum visuellen Darstellen von Messwerten und Steuerparametern (Seite 7, "Bedienung und Überwachung: Komplette SPS Steuerung aller Funktionen mit Touch-Panel als Anzeige Instrument");
- der Behälter weist einen Entleerungskolben als eine verstellbare Trennwand auf (Seite 1); diese trennt die Schlammkammer (erster Tank) und die Wasserkammer (zweiter Tank); es ist implizit (siehe Punkt 4 unten "erfinderische Tätigkeit), dass die verstellbare Trennwand die Funktion hat, den Füllstand der Kammern auszugleichen.
3.2 D2 erwähnt, dass das Fahrzeug mit einem großen Schauglas zur Beobachtung des Füllstandes der Schlammkammer (siehe Seite 2, "Grosses Schauglas ") sowie einem Füllstandsschauglas für die Betriebswasserkammer (Seite 3, oben) ausgerüstet ist. Es ist nicht entnehmbar, dass die Füllstände im ersten und zweiten Tank mittels einer elektronischen Messeinrichtung erfasst werden und durch diese Messeinrichtung die Stellung der verschiebbaren Trennwand zum Messen des Füllstandes des ersten Tanks mitberücksichtbar ist.
Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die komplette SPS Steuerung aller Funktionen, zusammen mit Seite 4, wo ein Schwimmerschalter und eine Steuerung für die Schlamm- und Absetzkammern unter "Wasseraufbereitungsanlage" genannt sind, eine elektronische Messeinrichtung zum Messen des Füllstandes im ersten und zweiten Tank offenbare. Dieses Merkmal betrifft jedoch lediglich den ersten Tank des Anspruchs 1, d.h. den Tank für aufgesaugtes Material. Der Füllstand des Wassertankes (zweiter Tank des Anspruchs 1) wird auf Basis eines Schauglases gemessen und eine Berücksichtigung der Stellung der Trennwand bei der Anzeige des Füllstandes der Schlammkammer ist in D2 nicht explizit beschrieben.
3.3 Die D2 offenbart auch nicht, dass ein Bussystem zu Datenübertragung vorgesehen ist.
3.4 Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, dass die nicht explizit im Angebotstext erwähnten Merkmale für den Fachmann so naheliegende Maßnahmen seien, dass die Neuheit fraglich sei. Jedoch geht die Rechtsprechung der Beschwerdekammern von einem engen Neuheitsbegriff aus, d.h. die Merkmale der Erfindung müssen sich klar, eindeutig und unmittelbar aus dem Stand der Technik ergeben.
Da die oben genannten Merkmale diese Bedingungen hinsichtlich der D2 nicht erfüllen, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf diesen Stand der Technik neu.
4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
4.1 Wie oben dargelegt, unterschiedet sich die Vorrichtung des Anspruchs 1 von dem in D2 beschriebenen Fahrzeug dadurch, dass sie
- eine elektronische Messeinrichtung zum Messen der Füllstände im ersten und zweiten Tank mit Berücksichtigung der Stellung der verschiebbaren Trennwand aufweist und
- ein Bussystem zum Ankoppeln der Bedieneinrichtung an verschiedenen Mess- und Steuerstellen der Steuereinrichtung und der Messeinrichtung vorgesehen ist.
4.2 Das Fahrzeug nach D2 weist eine komplette Steuerung alle Funktionen über ein Touch-Panel auf.
Es werden eine Vielzahl von Funktionen (siehe Seite 7 unten) elektronisch überwacht. Es bietet sich daher an, auch die einfache Überwachung des Füllstands in den Tanks über eine elektronische Füllstandsmessung an Stelle der simplen Überwachung mittels Schauglas oder Schwimmerschalter vorzunehmen. Da der korrekte Füllwert in beiden Tanks von der Stellung der verschiebbaren Trennwand abhängig ist, muss eine solche elektronische Überwachung diese Stellung berücksichtigen. Damit stellt dieses Merkmal lediglich die konsequente Weiterentwicklung der in D2 beschriebenen Vorrichtung in der bereits vorgezeichneten Richtung dar. Die Kammer schließt sich daher der Auffassung der Beschwerdeführerin an, dass dieses Merkmal naheliegend ist.
4.3 Die Kammer folgt auch der Argumentation der Beschwerdeführerin, dass der Einsatz eines Bussystems zur Datenübertragung an verschiedenen Mess- und Steuereinrichtungen in einem solchen Fahrzeug im Ermessen des Fachmanns liegt, weil insbesondere das System umfangreiche Überwachungsaufgaben mit mehreren Sensoren umfasst.
4.4 Da die Unterschiedsmerkmale für den Fachmann naheliegende Maßnahmen darstellen, beruht die Vorrichtung des Anspruchs 1 im Hinblick auf den Stand der Technik nach D2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5. Rückzahlung der Beschwerdegebühr
5.1 Die Beschwerdeführerin hat diesen Antrag damit begründet, dass die Einspruchsabteilung mehrere neue Aspekte der Entscheidung zugrunde gelegt hat, die vorher nicht erörtert wurden (siehe Seite 6, erster Absatz der Beschwerdebegründung). Dies betreffe die beiden geltend gemachten Vorbenutzungen auf der Messe IFAT und bei der Hamburger Stadtentwässerung, die Zweifel an der Tatsache, dass die Dokumente D1/1 und D1/2 denselben Gegenstand betreffen, die Nichtberücksichtigung von D1/4 als Stand der Technik und die Wertung von D2 als nichtöffentlich.
5.2 Hinsichtlich der Ausstellung auf der Messe verwies die Beschwerdeführerin auf einen Sonderdruck einer Zeitschrift (D1/1), der über ein auf der Messe ausgestelltes Fahrzeug berichtet, und argumentiert, dass die technischen Daten des Fahrzeuges dem Angebotstext D1/2 entsprächen. Zum Beleg dieser offenkundigen Vorbenutzung hat die Beschwerdeführerin auch Zeugenbeweis durch Herrn W. Müller angeboten.
5.3 Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung nicht ausreichend substantiiert sei, weil die Umstände der Benutzungshandlung weder im Einspruchschriftsatz noch im Schreiben vom 28. September 2006 ausreichend dargelegt worden seien (siehe Punkte 3.5 und 3.6 auf Seite 5 der angefochten Entscheidung). Aus diesem Grund hat die Einspruchsabteilung entschieden, die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung auf der Messe nicht zu berücksichtigen, und als Folge dieser Entscheidung war die Einvernahme des angebotenen Zeuge nicht notwendig.
5.4 Zur Substantiierung der Vorbenutzung auf der Messe IFAT hat die Einspruchsabteilung besonders darauf abgestellt, dass offen sei, ob das Fahrzeug den Besuchern der Messe unbeschränkt zugänglich war, ob sie das Fahrzeug untersuchen konnten und ob das Fahrzeug vorgeführt wurde. Diese Fragen sind deshalb von Bedeutung, weil nur dadurch die nicht ohne weiteres von außen erkennbaren Merkmale der verschiebbaren Trennwand und der elektronischen Füllstandsmessung der Öffentlichkeit zugänglich werden konnten. Die Angaben der Einsprechenden hierzu im Einspruchsschriftsatz beschränken sich auf das pauschale Zeugenangebot von Herrn W. Müller "zum Beleg der offenkundigen Vorbenutzung...". Hieraus ist nicht ersichtlich, was der Zeuge zur Klärung der offenen Fragen beitragen könnte.
5.5 Ob die Einspruchsabteilung richtig entschieden hat, dass die Vorbenutzung nicht genügend substantiiert war, ist im übrigen hier nicht die Frage. Es liegt im Ermessen der Einspruchsabteilung zu entscheiden, ob die Vernehmung von Zeugen erforderlich ist (Artikel 117 und Regel 117 EPÜ); trotzdem ist die Entscheidung zu begründen (Regel 111 EPÜ). Da die Einspruchsabteilung ihrer Entscheidung hinsichtlich der Einvernahme von Herr W. Müller als Zeuge begründet hat, liegt hier kein Verfahrensfehler vor.
5.6 Den Einwand, dass die Vorbenutzung auf der Messe IFA nicht ausreichend substantiiert sei, hat die Einspruchsabteilung im übrigen bereits im Bescheid vom 28. Juli 2006 erhoben. Daraufhin hat die Beschwerdeführerin auch noch die weitere Vorbenutzung bei der Hamburger Stadtentwässerung vorgebracht. Diese Vorbenutzung wurde außerhalb der Einspruchsfrist geltend gemacht, sodass kein Verfahrensfehler darin gesehen werden kann, dass die Einspruchsabteilung nur die in der Einspruchsschrift geltend gemachte Vorbenutzung berücksichtigt und die Vorbenutzung in Hamburg außer Acht gelassen hat.
5.7 Der Einwand, dass die D1/1 und die D1/2 nicht denselben Gegenstand beträfen, wurde nicht erst in der Entscheidung, sondern bereits im Bescheid vom 28. Juli 2006 (siehe Punkt 3.2) geäußert, sodass sich die Beschwerdeführerin hierzu äußern konnte. Dies hat sie im Schreiben vom 28. September 2006 auch getan. Zum Beleg der Offenkundigkeit der Dokumente D1/2 und D2 hat die Beschwerdeführerin im Einspruchsschriftsatz Zeugenbeweis ebenfalls durch Herrn W. Müller angeboten.
5.8 Die Einspruchsabteilung war der Meinung (siehe Bescheid vom 28. Juli 2006, Punkte 3.2 und 3.3), dass es sich bei der D1/2 (Angebotstext für ein Kanalreinigungsfahrzeug) um ein internes Dokument handele, das bei der Erstellung eines Angebots an ein externes Unternehmen als Muster verwendet werden sollte und daher nicht öffentlich zugänglich war. Die Beschwerdeführerin konnte sich hierzu ebenfalls bereits äußern. Die Einspruchsabteilung hat das Angebot des Zeugenbeweis durch Herr W. Müller zu diesem Punkt abgelehnt, weil er Geschäftsführer der Firma Müller Umwelttechnik GmbH und deshalb am Ausgang des Verfahrens interessiert sei. Als Antwort (Schreiben vom 28. September 2006) hat die Beschwerdeführerin noch Herrn B. Sackmann, Geschäftsführer der Tochterfirma Faun Müller Umwelttechnik GmbH, als Zeuge dafür angeboten, dass mehrere wortgleiche Angebote entsprechend D1/4 bzw. D2 an beliebige Kunden versendet wurden.
5.9 Ob D1/4 Stand der Technik war, konnte dahingestellt bleiben, da mit D2 tatsächlich ein entsprechendes individualisiertes Angebot vorlag. Hinsichtlich D2 war für die Einspruchsabteilung, wie bereits im Bescheid vom 28. Juli 2007 angesprochen, entscheidend, ob dieses Angebot auch den Empfänger erreicht hat. Da die Beschwerdeführerin die Zeugen Müller und Sackmann nur zum Beweis des Absendens von D2 und nicht für den Erhalt beim Empfänger genannt hat, war klar, dass durch Vernehmung der Zeugen die für die Einspruchsabteilung entscheidende Frage nicht zu klären sein würde. Damit erübrigte sich die Vernehmung der Zeugen und ein Fehler in der Ermessensausübung der Einspruchsabteilung bei der Ladung von Zeugen ist nicht erkennbar.
5.10 Um ihre Meinung weiter zu unterstützen, dass D2 vertraulich war, wies die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung (Punkt 4.5) auf §22 der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) hin, die als Anlage der Entscheidung beigefügt war.
Die Nennung der VOL erstmalig in der Entscheidung war zwar für den Beschwerdeführer überraschend; es ist aber zu berücksichtigen, dass das entsprechende Argument bereits im Bescheid vom 28. Juli 2006 genannt war und die VOL lediglich zur weiteren Stützung dieses Arguments diente. Daraus folgt, dass sich die Beschwerdeführerin zu diesem Argument bereits äußern konnte und der Bezug auf die VOL nicht entscheidungserheblich war. Wenn auch in diesem Bezug ein Verfahrensfehler gesehen werden kann, so war dieser Verfahrensfehler daher nicht so schwerwiegend, dass er die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigen könnte.
6. Anträge
Als Hauptantrag hat die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung aufzuheben und die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen sowie die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen. Der Hilfsantrag betrifft den Widerruf des Patentes. Jedoch erachtet es die Kammer in diesem Fall in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 111(1) EPÜ als sachdienlich, die Sache abschließend zu entscheiden und daher den Widerruf des Patents an Stelle der Zurückweisung an die erste Instanz zu berücksichtigen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.