T 0073/07 (Grobpositionierung/Westfalia) of 13.7.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T007307.20090713
Datum der Entscheidung: 13 Juli 2009
Aktenzeichen: T 0073/07
Anmeldenummer: 00100122.1
IPC-Klasse: A01J 5/017
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum Ansetzen wenigstens eines Melkbechers an eine Zitze eines Tieres
Name des Anmelders: GEA WestfaliaSurge GmbH
Name des Einsprechenden: Octrooibureau Van der Lely N.V.
DeLaval International AB
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 52
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Fehlende Neuheit (Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 4)
Fehlende erfinderische Tätigkeit (Hilfsantrag 5)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der am 15. November 2006 zur Post gegebenen Entscheidung wurde das europäische Patent Nr. 1 020 111 widerrufen.

II. Die Patentinhaberin (nachstehend Beschwerdeführerin) legte am 12. Januar 2007 gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Am selben Tag wurde die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerde wurde am 14. März 2007 begründet.

III. Am 13. Juli 2009 wurde vor der Kammer mündlich verhandelt.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung (Hauptantrag) oder hilfsweise in einer geänderten Fassung aufgrund eines der mit der Beschwerbegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 5 aufrechtzuerhalten.

Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 4 des erteilten Patentes gemäß dem Hauptantrag sowie den Hilfsanträgen 1 und 2 lautet wie folgt:

"4. Vorrichtung zum Ansetzen wenigstens eines Melkbechers (1) an eine Zitze (2) eines Tieres (3), insbesondere einer Kuh, mit einer Sensoreinrichtung (5), die wenigstens eine Sensoreinheit (6) hat, die zur Anlage an ein hinteres Körperteil des Tieres (3) bringbar ist, und mit einer Ansetzeinrichtung (14), die wenigstens einen Positionierarm (15) zum Anbringen des wenigstens eines Melkbechers (1) an die Zitze (2) des Tieres (3) und eine Positioniereinrichtung (17) zum Orten wenigstens einer Zitze aufweist, sowie mit einer Steuerungseinrichtung (16), die mit der Positioniereinrichtung (17) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Sensoreinrichtung (5) eine mit der Sensoreinheit (6) verbundene Messeinrichtung (9) aufweist, dass die Sensoreinrichtung (5) ortsfest bezüglich einer Referenzlage angeordnet ist, dass die Sensoreinheit (6) mit einer Bewegung des Tieres lageveränderlich ist und die Messeinrichtung (9) eine Lageänderung der Sensoreinheit (6) bezüglich der Referenzlage misst, und dass die Steuerungseinrichtung (16) eine Auswerteeinheit (19) aufweist, die mit der Messeinrichtung (9) verbunden ist."

Der Vorrichtungsanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom erteilten Vorrichtungsanspruch 4 durch das Hinzufügen des Merkmals

"wobei das Ergebnis der Auswertung zur Grobpositionierung des Positionierarmes verwendet wird".

Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 3 gemäß dem Hilfsantrag 4 unterscheidet sich vom erteilten Vorrichtungsanspruch 4 durch das Hinzufügen des Merkmals

"wobei die Sensoreinrichtung (6) um wenigstens eine Achse (7) verschwenkbar ist".

Der Vorrichtungsanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 5 lautet wie folgt:

"1. Vorrichtung zum Ansetzen wenigstens eines Melkbechers (1) an eine Zitze (2) eines Tieres (3), insbesondere einer Kuh, mit einer Sensoreinrichtung (5), die wenigstens eine Sensoreinheit (6) hat, die zur Anlage an ein hinteres Körperteil des Tieres (3) bringbar ist, und mit einer Ansetzeinrichtung (14), die wenigstens einen Positionierarm (15) zum Anbringen des wenigstens eines Melkbechers (1) an die Zitze (2) des Tieres (3) und eine Positioniereinrichtung (17) zum Orten wenigstens einer Zitze aufweist, sowie mit einer Steuerungseinrichtung (16), die mit der Positioniereinrichtung (17) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Sensoreinrichtung (5) eine mit der Sensoreinheit (6) verbundene Messeinrichtung (9) aufweist, dass die Sensoreinheit (6) mit einer Bewegung des Tieres lageveränderlich ist und die Messeinrichtung (9) eine Lageänderung der Sensoreinheit (6) bezüglich einer Referenzlage misst, und dass die Steuerungseinrichtung (16) eine Auswerteeinheit (19) aufweist, die mit der Messeinrichtung (9) verbunden ist, wobei das Ergebnis der Auswertung zur Grobpositionierung des Positionierarmes verwendet wird, dass die Sensoreinheit (6) um wenigstens eine Achse (7) verschwenkbar ist, und dass die Sensoreinheit (6) wenigstens ein im wesentlichen stabförmiges Tastelement aufweist."

V. Die Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechende I und II) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

VI. Die Beschwerdeführerin trug im wesentlichen vor, dass die Gegenstände der unabhängigen Vorrichtungsansprüche gemäß dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 5 gegenüber der EP-A-880 888 (D1) neu seien und dass der Gegenstand des Vorrichtungsanspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 5 ausgehend von der D1 und im Hinblick auf die Druckschrift "A.R. Frost, Robotic milking: a review", in Robotica 1990 (D11) sowie auf die EP-A-188 303 (D8) auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Beschwerdegegnerinnen widersprachen diesen Ausführungen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 4 (Neuheit)

2.1 Die D1 (siehe insbesondere Spalte 4, Zeilen 18 bis 27; Spalte 6, Zeilen 1 bis 43; Figuren 1 und 2) beschreibt eine Vorrichtung zum Ansetzen wenigstens eines Melkbechers an eine Zitze einer Kuh, mit einer Sensoreinrichtung (33, 34, 37, 39) die wenigstens eine Sensoreinheit (33, 34, 37) hat, die zur Anlage an ein hinteres Körperteil des Tieres bringbar ist, und mit einer Ansetzeinrichtung (7), die wenigstens einen Positionierarm (9) zum Anbringen des wenigstens eines Melkbechers an die Zitze des Tieres und eine Positioniereinrichtung ("detector" 28 und "laser" 31) zum Orten wenigstens einer Zitze aufweist, sowie mit einer Steuereinrichtung, die mit der Positioniereinrichtung verbunden ist. Die Sensoreinrichtung (33, 34, 37, 39) weist eine mit der Sensoreinheit (33, 34, 37) verbundene Messeinrichtung ("registration means" 39) auf und ist ortsfest bezüglich einer Referenzlage angeordnet. Außerdem ist die Sensoreinheit (33, 34, 37) mit der Bewegung des Tieres lageveränderlich und die Messeinrichtung (39) misst eine Lageveränderung der Sensoreinheit (33, 34, 37) bezüglich der Referenzlage, wobei die Steuereinrichtung eine Auswerteeinheit aufweist, die mit der Messeinrichtung verbunden ist.

2.1.1 Diesbezüglich hat die Beschwerdeführerin schriftlich vorgetragen, dass aus der D1 nicht bekannt sei, dass die mit der Auswerteeinheit verbundene Messeinrichtung eine Lageveränderung der Sensoreinheit bezüglich der Referenzlage messe.

Es geht jedoch aus der D1 eindeutig hervor (siehe insbesondere Spalte 6, Zeilen 36 bis 43; Figur 1), dass die Sensoreinheit (33, 34, 37) am Rahmen (11) des Melkstalles (1) ortsfest angelenkt ist, dass die Messeinrichtung (39) eine Winkelmesseinrichtung ist, die eine Auslenkung der Sensoreinheit (33, 34, 37) bezüglich einer ortsfesten Achse (36) misst, dass die gemessene Auslenkung eine Lageveränderung der Sensoreinheit bezüglich einer Referenzlage darstellt, und dass die gemessene Lageveränderung in ein elektronisches Signal umgewandelt wird, das einem Computer zugeführt wird, wo dieses Signal in ein Steuersignal für den Positionierarm (9) weiter umgewandelt wird. Mit anderen Worten: Die gemessene Lageveränderung wird durch eine Auswerteeinheit einer Steuereinrichtung ausgewertet, wobei das Ergebnis dieser Auswertung zur Positionierung des Positionierarmes (9) verwendet wird.

2.1.2 Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 4 (Hauptantrag) sowie der der unabhängigen Vorrichtungsansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 sind somit nicht neu (Artikel 54 EPÜ 1973).

2.2 Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen offenbart die D1 auch das Merkmal, dass das Ergebnis der Auswertung zur Positionierung des Positionierarmes verwendet wird.

Darüber hinaus, geht es aus dieser Druckschrift hervor, dass der Positionierarm (9) aufgrund der gemessenen Lageveränderungen der Sensoreinheit (33, 37) sowohl während des Ansetzens als auch nach dem Ansetzen des Melkbechers zur Positionierung des Positionierarmes verwendet wird ("both during and after connection of the teat cups..."; siehe insbesondere Spalte 6, Zeilen 13 bis 23). Dies impliziert, dass das Ergebnis der Auswertung zur Grobpositionierung des Positionierarmes verwendet wird.

2.2.1 Diesbezüglich hat die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

(a) Bei der Vorrichtung nach der D1 erfolge aufgrund der Sensoreinheit (33, 37) eine Nachverfolgung der Bewegung des Tieres während des Melkens und

(b) die Grobpositionierung des Positionierarmes (9) erfolge nicht aufgrund der Sensoreinheit (33, 37), sondern aufgrund der den Laser (31) aufweisenden Positioniereinrichtung.

2.2.2 Die Kammer kann diesen Argumenten aus den folgenden Gründen nicht folgen:

(a') Wie bereits im obigen Abschnitt 2.2 ausgeführt worden ist, erfolgt eine Nachverfolgung der Bewegung des Tieres sowohl während des Ansetzens des Melkbechers als auch während des Melkens des Tieres.

(b') Es geht eindeutig aus der D1 hervor, dass während des Ansetzens des Melkbechers der Positionierarm (9) nicht nur aufgrund der durch die Sensoreinheit (33, 37) gemessenen Lageveränderung, sondern auch auf der Basis der durch den Laser (31) festgestellten Position der Zitze, positioniert wird, wobei der Melkbecher aufgrund dieser festgestellten Position mittels des Positionierarmes (9) mit der Zitze verbunden wird (siehe insbesondere Spalte 8, Zeilen 11 bis 15). Der fachmännische Leser wird ohne weiteres erkennen, dass die durch den Laser (31) festgestellte Position der Zitze für die zum Verbinden des Melkbechers mit der Zitze führende Feinpositionierung des Positionierarmes verwendet wird und dass die durch die Sensoreinheit (33, 34, 37) gemessenen Lageveränderung einer Positionierung des Positionierarmes dient, die nicht zur Verbindung des Melkbechers mit der Zitze führt und somit als Grobpositionierung anzusehen ist.

2.2.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 3 ist somit nicht neu (Artikel 54 EPÜ 1973).

2.3 Im Hinblick auf die Ausführungen im vorstehenden Abschnitt 2.1.2 offenbart die D1 auch das Merkmal, dass die Sensoreinheit (33, 34, 37) um eine Achse (36) verschwenkbar ist.

2.3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 4 ist somit nicht neu (Artikel 54 EPÜ 1973).

2.4 Dem Hauptantrag sowie den Hilfsanträgen 1 bis 4 kann somit nicht stattgegeben werden.

3. Hilfsantrag 5 (Neuheit und erfinderische Tätigkeit)

3.1 Bei der aus der D1 bekannten Vorrichtung weist die Sensoreinheit (33, 34, 37) wenigstens ein im wesentlichen kreisförmiges Tastelement ("stop" 37) auf (siehe Figur 1).

Diesbezüglich haben die Beschwerdegegnerinnen im wesentlichen vorgetragen, dass dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 5 die Neuheit fehle, insofern als das in der Figur 1 der D1 mit dem Bezugszeichen 35 versehene Element im wesentlichen stabförmig sei.

Die Kammer kann diesem Argument nicht folgen, weil das Element 35 den Arm darstellt, der das Tastelement trägt ("At the ... end of the hingeable arm construction 35 there is disposed a stop 37 ..."; siehe Spalte 6, Zeilen 32 bis 35).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 5 ist somit gegenüber der D1 neu (Artikel 54 EPÜ 1973).

3.2 Der beanspruchte Gegenstand unterscheidet sich von diesem nächstkommenden Stand der Technik (D1) dadurch, dass das "wenigstens ein Tastelement" der Sensoreinheit im wesentlichen stabförmig ist.

3.2.1 Dieses Merkmal ist in der Patentschrift (siehe Abschnitt [0015]) ohne Angabe von besonderen Vorteilen erwähnt. Diesbezüglich hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen vorgetragen, dass durch dieses Merkmal die Sensoreinheit näher spezifiziert werde.

Das beanspruchte stabförmige Tastelement hat dieselbe Funktion wie das kreisförmige Tastelement der D1, die darin besteht, eine Kontaktfläche zu definieren, die in Kontakt mit dem hinteren Körperteil des Tieres gehalten werden kann.

Die objektiv zugrunde liegende technische Aufgabe kann daher als die Bereitstellung einer vereinfachten Alternative zu dem Tastelement der Sensoreinheit gemäß der D1 - zur Erzielung derselben Funktion - formuliert werden.

3.2.2 Sensoreinheiten, die ein im wesentlichen stabförmiges Tastelement aufweisen, sind allgemein bekannt. Aus der D11 ist eine Sensoreinheit bekannt, die Stäbe aufweist, die in Kontakt mit dem hinteren Körperteil des Tieres gehalten werden ("bars held in contact with the hip and tail bones", siehe Seite 313, rechte Spalte, letzter Absatz; Figur 4). Aus der D8 ist ebenfalls eine Sensoreinrichtung, die einen Stab ("rod" 8) aufweist, der sich auf das hintere Teil des Tieres stützt (siehe Seite 11, Zeilen 29 bis 34; Figur 4).

Es wäre daher für den Fachmann, der nach einem alternativen Tastelement für die Sensoreinheit gemäß der D1 sucht, naheliegend, ein stabförmiges Tastelement - wie es aus der D11 oder der D8 bekannt ist - zu benutzen.

3.2.3 Diesbezüglich hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen vorgetragen, dass die Sensoreinheit der D11 nur schematisch dargestellt sei, ohne anzugeben, wie sie sich - um den Kontakt mit dem hinteren Teil des Tieres zu halten - bewegt. Selbst wenn der Fachmann diese Druckschrift berücksichtigte, wäre er nicht zu einer um eine Achse verschwenkbaren Sensoreinheit mit einem stabförmigen Tastelement gelangt.

3.2.4 Die Kammer kann diesem Argument nicht folgen, weil die Sensoreinheit der D1 bereits so angeordnet ist, dass sie um eine Achse verschwenken kann. Daher bezieht sich die zu lösende Aufgabe darauf, wie das Tastelement bezüglich seiner Kontaktfläche auszugestalten ist, und nicht wie die Sensoreinheit in Bezug auf ihre Bewegbarkeit anzuordnen ist.

Darüber hinaus, ist das stabförmige Tastelement ("rod" 8) der D8 so angeordnet, dass es um eine Achse ("hinge pin" 7) verschwenken kann.

3.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 5 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973). Diesem Hilfsantrag kann daher nicht stattgegeben werden.

Entscheidungsgründe

AUS DIESEN GRÜNDEN WIRD ENTSCHIEDEN:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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