T 1906/06 () of 7.1.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T190606.20090107
Datum der Entscheidung: 07 Januar 2009
Aktenzeichen: T 1906/06
Anmeldenummer: 00100355.7
IPC-Klasse: F16L 37/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 20 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Lösbare Steckverbindung für den Anschluss von Rohrleitungen
Name des Anmelders: Johannes Schäfer vormals Stettiner Schraubenwerke GmbH &
Co. KG
Name des Einsprechenden: Voss Automotive GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 113(1)
European Patent Convention 1973 R 67
European Patent Convention 1973 R 68(2)
Schlagwörter: Wesentlicher Verfahrensmangel (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 033 520 zurückgewiesen worden ist, Beschwerde eingelegt.

II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) und Artikel 100 b) EPÜ angegriffen worden.

Dabei wurde unter anderem auf die Dokumente

D1: EP-A-0 751 332

D4: DE-A-198 19 758

D6: US-A-4 750 765

D7: EP-B-0 226 698

D10: DE-U-297 19 247

verwiesen und die erfinderische Tätigkeit beim Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents im Hinblick auf eine Kombination des Dokuments D4 mit Dokument D1, D7 oder D10 in Frage gestellt.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Zusätzlich beantragte sie, die Angelegenheit wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels an die erste Instanz zurückzuverweisen und die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.

IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte als Hauptantrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang auf Basis der Ansprüche 1 bis 15, eingereicht am 10. August 2007, aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragte sie, das Patent auf der Grundlage von Anspruch 10 des Hauptantrags als unabhängigem Anspruch und den Ansprüchen 3 bis 9 und 11 bis 15 als abhängigen Ansprüchen aufrechtzuerhalten.

V. Beide Parteien haben ihre hilfsweise gestellten Anträge auf mündliche Verhandlung für den Fall zurückgenommen, dass die Angelegenheit ohne Sachentscheidung über Neuheit und erfinderische Tätigkeit an die erste Instanz zurückverwiesen wird.

VI. Die Beschwerdeführerin hat zu dem geltend gemachten Verfahrensmangel im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die Beschwerdeführerin habe zu Beginn der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung erklärt, dass sie ihren Vortrag im Wesentlichen auf die Dokumente D1, D7 und D6 stützen wolle. Ihr sei allerdings nur Gelegenheit gegeben worden, zu Dokument D1 vorzutragen. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung zeige, dass nach der Diskussion der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 im Hinblick auf Dokument D1 bereits die Entscheidung der Einspruchsabteilung verkündet worden sei. Eine Diskussion der Dokumente D6 und D7 habe nicht stattgefunden. Dies sei als eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführerin zu werten. Im schriftlichen Verfahren habe die Beschwerdeführerin auch mit den Dokumenten D4, D7 und D10 argumentiert. Die angefochtene Entscheidung enthalte aber keinerlei Begründung, warum der Gegenstand des Anspruchs 1 auch gegenüber den Dokumenten D4, D6 und D7, einzeln und in Kombination mit Dokument D1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Entscheidung verstoße deshalb auch gegen Regel 68 (2) EPÜ (1973). Somit liege ein wesentlicher Verfahrensmangel im Einspruchsverfahren vor.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat sich zu dem von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Verfahrensmangel nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

1. Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 23. August 2006 ist zu ersehen, dass die Beschwerdeführerin zu Beginn der mündlichen Verhandlung angekündigt hat, dass sie ihren Vortrag auf die Dokumente D1, D7 und D6 stützen wolle. Aus dem Protokoll ergibt sich weiterhin, dass im weiteren Verlauf der Verhandlung zu Dokument D1 vorgetragen wurde, jedoch ist nicht zu entnehmen, ob zu den Dokumenten D6 und D7 vorgetragen wurde. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin zur erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf Dokument D1 verkündet. Allerdings wurden laut Protokoll die Parteien nach Abschluss der Diskussion über den Punkt Neuheit gefragt, ob noch etwas hinzuzufügen sei. Ferner hat der Vorsitzende der Einspruchsabteilung vor der letzten Unterbrechung der Verhandlung angekündigt, dass die Einspruchsabteilung über die erfinderische Tätigkeit beraten werde. Einen erneuten Hinweis auf die Dokumente D6 und D7 hat die Beschwerdeführerin an diesen Stellen nicht gegeben.

Die Kammer sieht es deshalb als nicht erwiesen an, dass das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung verletzt wurde.

2. Die angefochtene Entscheidung befasst sich ausschließlich mit Dokument D1 und kommt zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents gegenüber diesem Dokument auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die angefochtene Entscheidung geht aber weder auf die Dokumente D6 und D7 ein, die die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung ansprechen wollte, noch berücksichtigt sie die Argumentation der Beschwerdeführerin aus dem schriftlichen Verfahren, dass eine Kombination des Dokuments D4 mit einem der Dokumente D1, D7 und D10 den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents nahelege.

Der Beschwerdeführerin wurde somit das rechtliche Gehör, das ihr nach Artikel 113 (1) EPÜ zusteht, dadurch verweigert, dass ihre Argumente aus dem schriftlichen Verfahren keine Beachtung fanden.

3. Weil die angefochtene Entscheidung nur darlegt, warum der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents gegenüber Dokument D1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, nicht aber, warum dieser Gegenstand auch gegenüber der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Dokumentenkombination auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist diese Entscheidung als unzureichend begründet anzusehen. Die angefochtene Entscheidung ist somit nicht in Einklang mit Regel 68 (2) EPÜ (1973).

4. Dem Einspruchsverfahren haftet somit ein wesentlicher Verfahrensmangel an, der gemäß Regel 67 EPÜ (1973) die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigt.

5. Artikel 11 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts sieht vor, dass eine Angelegenheit bei Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels an die erste Instanz zurückverwiesen wird. Gründe, die gegen eine Zurückverweisung sprechen, sind nicht erkennbar. Vielmehr ist der Beschwerdeführerin Gelegenheit zu geben, ihre Argumente vollständig vor der ersten Instanz vortragen zu können und bewertet zu bekommen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Bearbeitung zurückverwiesen.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Quick Navigation