T 1828/06 () of 30.3.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T182806.20090330
Datum der Entscheidung: 30 März 2009
Aktenzeichen: T 1828/06
Anmeldenummer: 02018419.8
IPC-Klasse: G01C 21/36
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Navigationssystem und Verfahren zur Einschaltsteuerung eines Navigationssystems
Name des Anmelders: ROBERT BOSCH GMBH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit: bejaht
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 02 018 419.8 (Veröffentlichungsnummer EP 1 296 116 A1) wurde von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.

II. Die Zurückweisung wurde von der Prüfungsabteilung damit begründet, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der ursprünglichen Fassung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Der Entscheidung gingen zwei Bescheide voraus, in denen auf folgende Druckschriften Bezug genommen wurde:

D1: US-B1-6 172 643

D2: EP-A-0 508 826

D3: US-A-5 922 042

III. Die Beschwerdeführerin hat beantragt, ein Patent auf der Grundlage der geltenden Fassung des Anspruchs 1 zu erteilen, welches die ursprüngliche Fassung ist, die auch der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegt.

Ihre Argumentation lässt sich wie folgt zusammenfassen:

In der Zurückweisung werde ausgeführt, dass, obwohl nicht explizit in D1 offenbart, ob die Daten in einem nicht-flüchtigen oder in einem flüchtigen Speicher gespeichert würden, es im Rahmen der Lehre von D1 liege, dass die Navigationsdaten in einem nicht-flüchtigen Speicher abgespeichert werden müssten, um den Energieverbrauch zu minimieren. Dies sei eine fachübliche, allgemein bekannte Maßnahme.

Wie schon im Verfahren vor der Prüfungsabteilung vorgetragen, sei aber ein nicht-flüchtiger Speicher der D1 weder explizit noch implizit zu entnehmen. Vielmehr lehre die D1 unmissverständlich die Verwendung eines flüchtigen Speichers, der zur Erhaltung der Informationen mit Energie versorgt werden müsse. Somit sei das Merkmal

a) Abspeichern der Zielführungsinformationen vor Ablauf der Nachlaufphase (n) in einem nicht-flüchtigen Speicher

der D1 weder explizit noch implizit zu entnehmen.

Wie ebenfalls schon früher vorgetragen, müsste ausgehend von D1 der Fachmann zunächst eine Motivation haben, sich von deren Offenbarung abzuwenden und für den Standby-Betrieb überhaupt einen abweichenden Ansatz in Betracht zu ziehen. Aus der D1 ergebe sich hierfür keinerlei Motivation oder Anregung. So liefere die D1 insbesondere keinerlei Hinweis dahingehend, dass der gemäß Dl erheblich reduzierte Energieverbrauch während des Standby-Betriebs in irgendeiner Form kritisch sein könnte. Vielmehr schlage die D1 gerade eine Verlängerung der Standby-Betriebsdauer unter bestimmten Umständen vor.

Darüber hinaus sei die Verwendung nichtflüchtiger Speicher ein nicht unerheblicher Kostenfaktor. Wenn also in der D1 davon ausgegangen werde, dass ein Standby-Betrieb mit reduziertem Energieverbrauch tragbar sei, stelle sich auch die Frage, warum der Fachmann davon abweichen und zusätzlich einen nicht-flüchtigen Speicher einsetzen sollte.

Die Auslegung des Merkmals d) in der vorliegenden Entscheidung berücksichtige in keiner Weise das Zusammenwirken dieses Merkmals mit den übrigen Merkmalen des Anspruchs 1 und auch nicht denen der Beschreibung. Während gemäß dem Merkmal c) das Navigationssystem nicht länger als eine definierte Quittierungszeit nach dem Ende der Nachlaufphase (n) ausgeschaltet wäre,

richte sich das Merkmal d) auf den abweichenden Fall, dass ein abgespeichertes Ziel noch nicht erreicht wurde und das Navigationssystem länger als eine definierte Quittierungszeit nach dem Ende der Nachlaufphase (n) ausgeschaltet war. In diesem Fall werde die Zielführung eben nicht automatisch mit dem Einschalten des Navigationssystems wieder aufgenommen, vielmehr sei hier zur Wiederaufnahme einer noch nicht abgeschlossenen Zielführung ein expliziter Start der Zielführung durch den Benutzer erforderlich.

IV. Die unabhängigen Ansprüche in der ursprünglichen Fassung, die dieser Entscheidung zu Grunde liegt, lauten wie folgt:

"1. Verfahren zur Einschaltsteuerung eines Navigationssystems, bei dem innerhalb einer Nachlaufphase (n) eingegebene Zielführungsinformationen in einem flüchtigen Speicher verfügbar gehalten werden, gekennzeichnet durch

a) Abspeichern der Zielführungsinformationen vor Ablauf der Nachlaufphase (n) in einem nicht-flüchtigen Speicher, und

nach Wiedereinschalten des Navigationssystems

b) Überprüfen, ob ein abgespeichertes Ziel innerhalb einer definierten Entfernung erreicht wurde und

c) automatisches Starten der Zielführung mit den abgespeicherten Zielführungsinformationen, wenn ein abgespeichertes Ziel noch nicht erreicht wurde und das Navigationssystem nicht länger als eine definierte Quittierungszeit nach dem Ende der Nachlaufphase (n) ausgeschaltet war und

d) Bedienergesteuertes Starten der Zielführung mit den abgespeicherten Zielführungsinformationen, wenn ein abgespeichertes Ziel noch nicht erreicht wurde und das Navigationssystem länger als eine definierte Quittierungszeit nach dem Ende der Nachlaufphase (n) ausgeschaltet war.

4. Navigationssystem zur Zielführung mit einem flüchtigen Speicher für eingegebene Zielführungsinformationen, einem nicht-flüchtigen Speicher, einer Recheneinheit und mit Ruhestromsteuermitteln zur Teilausschaltung des Navigationssystems und Speicherung der Zielführungsinformationen in dem flüchtigen Speicher während einer Nachlaufzeit, dadurch gekennzeichnet, dass das Navigationssystem zur Durchführung des Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche ausgebildet ist."

Entscheidungsgründe

1. Die vorliegende Anmeldung geht gemäß dem Oberbegriff des vorliegenden Anspruchs 1 von einem Verfahren zur Einschaltsteuerung eines Navigationssystems aus, bei dem innerhalb einer Nachlaufphase eingegebene Zielführungsinformationen in einem flüchtigen Speicher verfügbar gehalten werden. Ein solches Verfahren ist bekannt, wie aus der Beschreibung des Standes der Technik in der vorliegenden Anmeldung, siehe Seite 1, Zeilen 13 bis 19, hervorgeht. Dieser Stand der Technik entspricht auch dem durch die Druckschrift D1 offenbarten, wobei für einen Fachmann ersichtlich ist, dass die Zielführungsinformationen in einem flüchtigen Speicher abgelegt sind. Denn in D1, siehe Spalte 1, Zeilen 32 bis 42, geht es darum, die Stromaufnahme zu reduzieren und dies mit einer verkürzten, insbesondere von dem vorangegangenen Betriebszustand abhängigen Dauer des Bereitschaftsbetriebs (Standby) zu erreichen, in welchem bekanntermaßen ein flüchtiger Speicher mit Strom zu versorgen war, siehe vorliegende Anmeldung, Seite 2, Zeilen 4 bis 19. Damit ergibt sich, dass das in dem vorliegenden Anspruch 1 definierte Merkmal a) "Abspeichern der Zielführungsinformationen vor Ablauf der Nachlaufphase in einem nicht-flüchtigen Speicher" aus D1 nicht hervorgeht. Das Verfahren gemäß dem Anspruch 1 ist schon daher neu.

2. Nach dem Merkmal b) des vorliegenden Verfahrens wird nach dem Wiedereinschalten des Navigationssystems überprüft, ob ein abgespeichertes Ziel innerhalb einer definierten Entfernung erreicht wurde. Eine Überprüfung, ob ein abgespeichertes Ziel erreicht wurde, findet zwar auch in dem in D1 beschriebenen Verfahren statt, siehe Schritt 13 in Figur 2, aber dies erfolgt nicht nach dem Wiedereinschalten, sondern noch während des der Nachlaufphase entsprechenden Bereitschaftsbetriebs, dessen Dauer T1 oder T2 entsprechend dem Ergebnis der Überprüfung bemessen wird. Während also in D1 innerhalb der Nachlaufphase entschieden wird, ob die Zielführung fortgesetzt oder endgültig abgebrochen wird, siehe Schritte 11 und 12, erfolgt erfindungsgemäß eine derartige Entscheidung erst nach dem Wiedereinschalten, was durch das Abspeichern der Zielführungsinformationen in einem nicht-flüchtigen Speicher ermöglicht wird.

3. Gemäß den Schritten c) und d) des vorliegenden Verfahrens, die in D1 naturgemäß nicht anwendbar sind, wird bei noch nicht erreichtem Ziel in Abhängigkeit vom Ablauf einer sich an die Nachlaufzeit anschließenden Quittierzeit entschieden, ob die Zielführung automatisch fortgesetzt wird oder nur durch "bedienergesteuertes Starten". Diese Entscheidung kann durch die Verwendung des nicht-flüchtigen Speichers beliebig lange nach Ablauf der Nachlaufphase getroffen werden und berücksichtigt, dass es mit wachsender Zeitdauer nach einer Unterbrechung der Zielführung offenbar immer unwahrscheinlicher wird, dass diese fortgesetzt werden soll.

4. Da sich, wie aus dem Vorhergenden hervorgeht, das im Anspruch 1 definierte Verfahren von dem aus D1 bekannten durch die Merkmale bzw. Schritte a) bis d) unterscheidet, kann die damit gelöste Aufgabe entsprechend ihrer Formulierung in der Anmeldung darin gesehen werden, ein verbessertes Verfahren zur Einschaltsteuerung eines Navigationssystems zu schaffen, mit dem die angegebenen Zielführungsinformationen auch nach Ablauf der Nachlaufzeit weiter verfügbar sind und das eine benutzerfreundliche Fortführung der Zielführung nach einem Wiedereinschalten des Navigationssystems ermöglicht.

5. Die Druckschrift D1 gibt keinen Hinweis zur Lösung dieser Aufgabe, da die dort getroffenen Maßnahmen sich nur darauf beziehen, zur Reduzierung des Stromverbrauchs die Nachlaufphase möglichst kurz zu halten, d.h. ihre Dauer davon abhängig zu machen, ob eine Zielführung überhaupt stattgefunden hat bzw. mit welchem Ergebnis. Das vorliegende Verfahren dagegen übernimmt die Zielführungsdaten vor Ablauf der Nachlaufphase in einen nicht-flüchtigen Speicher.

6. In der Druckschrift D2, siehe Figur 4 und Spalte 5, Zeile 40 bis Spalte 7, Zeile 12, ist ein Navigationssystem für ein Fahrzeug beschrieben, bei dem die Zielführungsdaten in einem RAM, worunter üblicherweise ein flüchtiger Speicher zu verstehen ist (D2, Spalte 3, Zeilen 14 bis 20), gehalten werden, bis das Fahrzeug dem Ziel näher gekommen ist als eine vorgegebene Entfernung (D <= D1), z.B. auf einem großen Parkplatz in der Nähe des Ziels. Mit dieser Maßnahme wird sichergestellt, dass die Zielführungsinformationen nicht gelöscht werden, bis das Ziel erreicht wird, und andererseits nach einem Neustart die überholten Zielführungsdaten nicht mehr angezeigt werden. D2 geht also inhaltlich hinsichtlich der Merkmale a) und b) nicht über D1 hinaus und gibt ebenfalls keine Hinweise auf das automatische oder bedienergesteuerte Starten vor bzw. nach Ablauf einer Quittierzeit entsprechend den Merkmalen c) und d).

7. Die Druckschrift D3 betrifft ein Navigationssystem in einem Fahrzeug, bei dem beim Ausschalten, z.B. des Motors (Schritt 210 "Power-down" in Figur 2) die Zielführungsinformationen von einem RAM zu einem ROM, d.h. zu einem nicht-flüchtigem Speicher, transferiert werden (Schritt 230), wenn eine Berechnung ergibt, dass das Ziel noch nicht erreicht ist (Schritt 230), um sie beim Neustart (Power-up in Figur 3) wieder zur Verfügung zu haben und die Zielführung fortzusetzen. Dabei wird vom Benutzer eine Bestätigung verlangt, dass er die Fortsetzung der Zielführung wünscht (Schritt 340).

8. Auch wenn D3 hinsichtlich der Speicherung in flüchtigen und nicht-flüchtigen Speichern nach dem Abschalten gewisse Gemeinsamkeiten mit dem vorliegenden Verfahren aufweist, unterscheidet sich die Arbeitsweise von D3 doch von der des vorliegenden Verfahrens schon im Ansatz dadurch, dass der Test, ob das Ziel erreicht ist, vor dem endgültigen Abschalten ausführt wird und nicht erst nach dem Wiedereinschalten. Eine Nachlaufphase ergibt sich in D3 allenfalls durch die Zeit, die benötigt wird, um zu berechnen, ob das Ziel erreicht ist. Nach dem Wiedereinschalten die Zielführung vor Ablauf einer Quittierungszeit automatisch und danach bedienergesteuert zu starten, wie es den Schritten c) und d) in dem vorliegenden Verfahren entspricht, geht aus D3 ebenfalls nicht hervor. Dort muss der Benutzer in jedem Fall die Fortsetzung der Zielführung bestätigen.

9. Ersichtlicherweise führt eine Kombination des Inhalts der Druckschrift D1 mit dem von D2 oder D3 noch nicht zu dem in dem vorliegenden Anspruch 1 definierten Verfahren. Die verbleibenden Unterschiede bezüglich der Schritte c) und d) sind auch nicht trivial. Das Verfahren war daher für den Fachmann nicht naheliegend. Es beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ 1973.

10. Die abhängigen Ansprüche 2 und 3 betreffen Ausführungsarten des Verfahrens gemäß Anspruch 1. Der Anspruch 4 richtet sich auf ein Navigationssystem, das zur Durchführung des Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche ausgebildet ist. Die Ansprüche 2 bis 4 erfüllen somit ebenfalls die Erfordernisse des EPÜ 1973.

11. Die Beschreibung ist durch eine faktische Darstellung des Standes der Technik, wie er in Form der Dokumente D1 und D2 vorliegt, ergänzt worden und genügt ebenso wie die Zeichnungen den an sie zu stellenden Forderungen.

12. Da dem Antrag der Beschwerdeführerin entsprochen wurde, brauchte die lediglich hilfsweise beantragte mündliche Verhandlung nicht durchgeführt werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, ein Patent in folgender Fassung zu erteilen:

Ansprüche:

1 bis 4, wie ursprünglich eingereicht

Beschreibung:

Seiten 1, 3 bis 7, wie ursprünglich eingereicht

Seiten 2 und 2A, eingereicht mit Schreiben vom

03.03.2005

Zeichnungen:

1/2 und 2/2, wie ursprünglich eingereicht

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