European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2009:T174106.20091016 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 16 October 2009 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1741/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01992987.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | G08G 1/01 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Erfassung von Verkehrslagedaten in einem Verkehrswegenetz und Endeinrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | Vodafone Holding GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - ja (Hauptantrag) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 01 992 987.6.
II. In der angefochtenen Entscheidung stellte die Prüfungsabteilung u. a. fest, dass der Gegenstand von Anspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Als Stand der Technik wurden folgende Dokumente berücksichtigt:
D1: DE-A-197 55 875
D2: EP-A-0 412 286.
III. In einer Mitteilung vom 25. März 2009 bezog sich die Kammer zusätzlich auf folgenden Stand der Technik:
D4: WO-A1-96/42 179
D5: C. Drane et al. "Positioning GSM Telephones" IEEE Communications Magazine, April 1998, Seiten 46 - 59.
Im Laufe des Verfahrens wurde außerdem folgendes Dokument herangezogen:
D3: DE-A1-38 27 352.
IV. Mit Schreiben vom 16. September 2009 reichte die Beschwerdeführerin drei Anspruchssätze als Hilfsanträge 1 bis 3 ein.
V. Am 16. Oktober 2009 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2009 eingereichten Hauptantrags zu erteilen.
VII. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin lautet wie folgt:
"Verfahren zur Erfassung von Verkehrslagedaten in einem Verkehrswegenetz, das von einer Vielzahl von Basisstationen eines zellularen Mobilfunknetzes überdeckt ist und in dem sich eine Vielzahl von Fahrzeugen bewegt, die jeweils mit einer in Betrieb befindlichen mobilen Endeinrichtung für das Mobilfunknetz versehen sind, wobei Betriebsdaten, die beim Betrieb der Endeinrichtung im Kontakt mit den Basisstationen anfallen, zur Bestimmung des aktuellen Aufenthaltsorts der jeweiligen Endeinrichtung genutzt werden,
wobei
- die Endeinrichtung mit einer digitalen Karte des Verkehrswegenetzes ausgestattet wird, die aus einer Vielzahl von für den Verlauf der Verkehrswege repräsentativen geographischen Punkten oder diskreten Streckenabschnitten gebildet ist, wobei den Punkten oder Streckenabschnitten jeweils charakteristische Werte von Betriebsparametern des Mobilfunknetzes zugeordnet sind,
- die Endeinrichtung mit einem Softwareprogramm selbstständig jeweils aktuell vorliegende Betriebsparameter mit den gespeicherten Betriebsparametern der digitalen Karte vergleicht und daraus jeweils die aktuelle Ortsposition der Endeinrichtung ermittelt,
- das Softwareprogramm der Endeinrichtung wiederholt einen für die Geschwindigkeit des Fahrzeugs repräsentativen Wert ermittelt,
- das Softwareprogramm über gespeicherte Fahrprofile verfügt, die für bestimmte Straßentypen charakteristisch sind, und anhand eines Vergleichs des tatsächlich gefahrenen Fahrprofils des Fahrzeugs den aktuell befahrenen Straßentyp zur Erhöhung der Genauigkeit bei der Ortspositionsbestimmung feststellt,
- das Softwareprogramm über gespeicherte Regeln verfügt, die die Endeinrichtung jeweils veranlassen, unter bestimmten vorgegebenen Bedingungen (d. h. ereignisabhängig) eine Meldung über den Betriebsdatenkanal des Mobilfunknetzes an eine Zentrale zu übermitteln, wobei die Meldung zumindest Orts- und Geschwindigkeitsinformationen des Fahrzeugs enthält, und
- die Zentrale die empfangenen Meldungen zur Ermittlung der Verkehrslage auswertet."
Ansprüche 2 bis 10 sind von Anspruch 1 abhängig.
Anspruch 11 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:
"Endeinrichtung für ein zellulares Mobilfunknetz zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 10,
wobei
- die Endeinrichtung mit einer digitalen Karte des Verkehrswegenetzes ausgestattet ist, die aus einer Vielzahl von für den Verlauf der Verkehrswege repräsentativen geographischen Punkten oder diskreten Streckenabschnitten gebildet ist, wobei den Punkten oder Streckenabschnitten jeweils charakteristische Werte von Betriebsparametern des Mobilfunknetzes zugeordnet sind,
- die Endeinrichtung mit einem zusätzlichen Softwareprogramm versehen ist, das selbstständig jeweils aktuell vorliegende Betriebsparameter mit den gespeicherten Betriebsparametern der digitalen Karte vergleicht und daraus jeweils die aktuelle Ortsposition der Endeinrichtung ermittelt und wiederholt einen für die Geschwindigkeit des Fahrzeugs repräsentativen Wert ermittelt,
- das Softwareprogramm über gespeicherte Fahrprofile verfügt, die für bestimmte Straßentypen charakteristisch sind, und anhand eines Vergleichs des tatsächlich gefahrenen Fahrprofils des Fahrzeugs den aktuell befahrenen Straßentyp zur Erhöhung der Genauigkeit bei der Ortspositionsbestimmung feststellt,
- das Softwareprogramm über gespeicherte Regeln verfügt, die die Endeinrichtung jeweils veranlassen, unter bestimmten vorgegebenen Bedingungen eine Meldung über den Betriebsdatenkanal des Mobilfunknetzes an eine Zentrale zu übermitteln, wobei die Meldung zumindest Orts- und Geschwindigkeitsinformationen des Fahrzeugs enthält."
Ansprüche 12 und 13 sind von Anspruch 11 abhängig.
Die Anspruchssätze gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 sind nicht entscheidungserheblich und brauchen daher nicht wiedergeben zu werden.
VIII. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Wie die vorliegende Anmeldung befasse sich auch das Dokument D1 mit der Aufgabe, Verkehrslagedaten in einem Verkehrswegenetz zu erfassen. Bei dem in D1 offenbarten Verfahren übertrage ein Telematik-Endgerät per Mobilfunk zahlreiche Messdaten eines Fahrzeugs, insbesondere seine Geschwindigkeit, und mittels GPS erfasste Ortsdaten an eine Verkehrszentrale. Zur Ermittlung der Ortsposition werde daher keine digitale Karte in dem Endgerät verwendet, welche Zuordnungen von Punkten oder Streckenabschnitten zu Betriebsparametern des Mobilfunknetzes enthält. Anhand der erfassten Ortsposition werde dann der Weg des Fahrzeugs in einer digitalen Karte bestimmt. Zu diesem Zweck seien Ungenauigkeiten oder Lücken in der Ortsbestimmung durch Interpolation von Positionen zu ergänzen.
Nach dem erfindungsgemäßen Verfahren werde jedoch nicht direkt der Weg der Endeinrichtung in einer digitalen Karte bestimmt, sondern es werde zunächst anhand des Fahrprofils der Straßentyp festgestellt. Dieser sage jedoch als solcher nichts darüber aus, auf welcher konkreten Straße sich ein Fahrzeug befindet. Unter Heranziehung des Straßentyps und der aktuellen Position könne unter Zuhilfenahme einer digitalen Karte auf die konkrete Straße geschlossen werden, wenn Straßen unterschiedlichen Typs nebeneinander lägen.
Das erfindungsgemäße Verfahren zur Verbesserung der Genauigkeit der Ortsposition sei gegenüber der aus D1 bekannten Methode offenbar einfacher und insbesondere mit weniger Rechenaufwand verbunden. Diese Methode könne daher ohne weiteres in einer konventionellen Mobilfunkendeinrichtung ausgeführt werden, die in der Regel über einen Prozessor mit geringerer Leistungsfähigkeit verfügt. Somit werde eine relativ genaue Ortspositionsbestimmung ohne zusätzlichen gerätetechnischen Aufwand ermöglicht.
Die dem Gegenstand von Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag zugrunde liegende Aufgabe könne darin gesehen werden, ein Verfahren zur Bestimmung von Verkehrslagedaten, bei dem eine Zentrale die Verkehrslage anhand von Orts- und Geschwindigkeitsdaten ermittelt, die von Fahrzeugen über ein Mobilfunknetz gesendet werden, derart weiterzuentwickeln, dass eine genaue Orts- und Geschwindigkeitsbestimmung bei verringertem gerätetechnischem Aufwand ermöglicht werden soll.
Aus dem Dokument D1 selbst erhalte der Fachmann offenbar auch unter Heranziehung seines allgemeinen Fachwissens keinen Hinweis auf ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1. Ferner gäben auch die Dokumente D2 bis D5 dem Fachmann keinerlei Veranlassung dazu, durch Abwandlung des aus D1 bekannten Verfahrens zu einem Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 zu gelangen.
Das Dokument D2 beschreibe ein Verfahren, bei dem anhand von Verkehrsnachrichtensignalen die Position eines Fahrzeugs bestimmt wird. Bei der Standortbestimmung würden die ermittelten Laufzeitwerte mit gespeicherten Werten verglichen, welche die Laufzeiten an den Schnittpunkten eines Koordinatennetzes mit einer bestimmten Rasterweite darstellen. Auf eine Nutzung von Betriebsdaten, wie sie beim Betrieb einer Endeinrichtung in einem Mobilfunknetz anfallen, bzw. von Betriebsparametern eines Mobilfunknetzes gebe D2 keinerlei Hinweis. Für eine Übertragung der Laufzeitmessung auf Mobilfunksignale gebe hingegen D2 keinen Anhaltspunkt.
D3 offenbare eine Standortbestimmung durch Laufzeitmessung von Signalen in einem Mobilfunknetz. Hierzu werde ein elektronischer Speicher verwendet, in dem die Standorte aller ortsfesten Funkstationen zusammen mit ihren individuellen Kennzeichen gespeichert sind. Im Gegensatz zu dem Verfahren nach Anspruch 1 werde somit bei dem aus D3 bekannten Verfahren keine Zuordnungen zwischen Positionen und Betriebsparametern des Mobilfunknetzes bereitgestellt.
D4 beschreibe ein Verfahren, bei dem eine in einem Fahrzeug befindliche Mobilstation von einem Dienstanbieter mit hoher Ortsauflösung lokalisiert wird. Hierzu erfasse die Mobilstation die Signalstärken umliegender Basisstationen, um daraus einen Unterbereich einer Zelle des Mobilfunknetzes zu ermitteln, welcher dem Aufenthaltsort der Mobilstation entspricht. Diese in D4 als Positionsdaten bezeichnete Information werde dann vom Dienstanbieter mit Kartendaten verglichen, um die Position der Mobilstation mit höherer Genauigkeit zu bestimmen.
In D4 sei aber nicht genau erläutert, wie die Positionsdaten aus den Feldstärken der umliegenden Basisstation des Mobilfunknetzes ermittelt werden können. Es sei insbesondere nicht beschrieben, dass Punkten oder Streckenabschnitten in einer digitalen Karte charakteristische Feldstärken zugeordnet sind, so dass die Positionsdaten einer Mobilstation anhand eines Vergleichs der gespeicherten und der aktuell empfangenen Feldstärken ermittelt werden.
Die Mobilstation nach D4 übertrage im Allgemeinen lediglich die Feldstärken an den Dienstanbieter. Zur Erhöhung der Genauigkeit könne auch die Geschwindigkeit aus aufeinanderfolgenden Positionsdaten berechnet und mit den Geschwindigkeiten verglichen werden, die auf den einzelnen Straßen im Aufenthaltsbereich der Mobilstation zu erwarten sind. In D4 sei jedoch vorgesehen, Informationen über den Verkehrsfluss zu verwenden, um die erwarteten Geschwindigkeiten zu aktualisieren. Verkehrslagedaten würden somit als Eingangsgrößen zur genauen Positionsbestimmung benötigt, welche beim Verfahren nach D1 gerade anhand von Positionsdaten von Fahrzeugen bestimmt werden sollen.
Darüber hinaus werde der Vergleich der ermittelten Geschwindigkeit mit erwarteten Geschwindigkeiten auf den umliegenden Straßen nicht von einem Softwareprogramm in der Mobilstation vorgenommen, sondern bei dem Dienstanbieter, zu dem die Mobilstation die Positionsdaten sendet.
Beim erfindungsgemäßen Verfahren werde jedoch keine konkrete Straße in einem geographischen Bereich anhand eines Fahrprofils bestimmt, sondern lediglich ein Straßentyp. Damit werde die ermittelte Geschwindigkeit der Endeinrichtung nicht mit den Geschwindigkeiten auf den einzelnen umliegenden und in einer Karte eingetragenen Straßen verglichen, sondern lediglich mit den Geschwindigkeiten für vordefinierte Straßentypen. Anhand des Straßentyps werde dann die Straße ermittelt, auf der sich das Fahrzeug bewegt. Hierfür werde zwar auch eine Karte verwendet. Diese brauche jedoch keine erwarteten Geschwindigkeiten für einzelne Straßen zu enthalten, sondern es müsse lediglich der Straßentyp spezifiziert werden.
Aus den vorstehenden Gründen beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2.
2.1 Die Ansprüche 1 bis 13 gemäß dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin unterscheiden sich von dem in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigten Anspruchssatz lediglich durch die einteilige Form der Ansprüche 1 und 11.
2.2 Die Kammer hat daher keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Hauptantrags im Sinne des Artikels 123 (2) EPÜ.
3.
3.1 Anspruch 1 bezieht sich auf ein "Verfahren zur Erfassung von Verkehrslagedaten in einem Verkehrswegenetz, das von einer Vielzahl von Basisstationen eines zellularen Mobilfunknetzes überdeckt ist und in dem sich eine Vielzahl von Fahrzeugen bewegt, die jeweils mit einer in Betrieb befindlichen mobilen Endeinrichtung für das Mobilfunknetz versehen sind".
Dieses Verfahren umfasst folgende Merkmale:
a) die Betriebsdaten, die beim Betrieb der Endeinrichtung im Kontakt mit den Basisstationen anfallen, werden zur Bestimmung des aktuellen Aufenthaltsorts der jeweiligen Endeinrichtung genutzt;
b) die Endeinrichtung wird mit einer digitalen Karte des Verkehrswegenetzes ausgestattet;
c) die Karte ist aus einer Vielzahl von für den Verlauf der Verkehrswege repräsentativen geographischen Punkten oder diskreten Streckenabschnitten gebildet,
d) wobei den Punkten oder Streckenabschnitten jeweils charakteristische Werte von Betriebsparametern des Mobilfunknetzes zugeordnet sind,
e) die Endeinrichtung vergleicht mit einem Softwareprogramm selbstständig jeweils aktuell vorliegende Betriebsparameter mit den gespeicherten Betriebsparametern der digitalen Karte und ermittelt daraus jeweils die aktuelle Ortsposition der Endeinrichtung,
f) das Softwareprogramm ermittelt wiederholt einen für die Geschwindigkeit des Fahrzeugs repräsentativen Wert,
g) das Softwareprogramm verfügt über gespeicherte Fahrprofile, die für bestimmte Straßentypen charakteristisch sind, und stellt anhand eines Vergleichs des tatsächlich gefahrenen Fahrprofils des Fahrzeugs den aktuell befahrenen Straßentyp zur Erhöhung der Genauigkeit bei der Ortspositionsbestimmung fest,
h) das Softwareprogramm verfügt über gespeicherte Regeln, die die Endeinrichtung jeweils veranlassen, unter bestimmten vorgegebenen Bedingungen (d. h. ereignisabhängig) eine Meldung über den Betriebsdatenkanal des Mobilfunknetzes an eine Zentrale zu übermitteln, wobei die Meldung zumindest Orts- und Geschwindigkeitsinformationen des Fahrzeugs enthält,
i) die Zentrale wertet die empfangenen Meldungen zur Ermittlung der Verkehrslage aus.
3.2 Da keines der vorliegenden Dokumente ein Verfahren mit der o. g. Merkmalskombination zeigt, ist der Gegenstand von Anspruch 1 neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.
4.
4.1 D1 bezieht sich auf die Erfassung von Verkehrslagedaten in einem Verkehreswegenetz und betrifft insbesondere ein Verfahren zur kostengünstigen Übertragung von Ortsdaten und Messdaten von einem Endgerät an eine Verkehrszentrale (D1, Seite 2, Zeilen 13 bis 15).
Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin überein, dass dieses Dokument als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden kann.
4.2 Figur 1 von D1 zeigt ein Fahrzeug 1, das sich in einem Verkehrswegenetz mit u. a. einer Autobahn und zwei Bundesstrassen bewegt. Ein im Fahrzeug untergebrachtes Endgerät 2 erfasst GPS-Daten, die vom Fahrzeug gemessene Geschwindigkeit und die zurückgelegte Strecke. Die Übertragung von Ortsdaten bzw. von Messdaten per Mobilfunk (z. B. per SMS) an die Zentrale 4 kann beim Unterschreiten eines Geschwindigkeitswertes durch das Fahrzeug oder beim Auftreten eines anderen Ereignisses erfolgen (D1, Seite 2, Zeilen 54 bis 59).
Um die Mobilstation und somit das entsprechende Fahrzeug geographisch zu lokalisieren, werden die in der Zentrale 4 empfangenen Daten einer digitalen Karte zugeordnet. Eine direkte Zuordnung zu Positionen in der Karte ist möglich, wenn in einem Datensatz mit Messdaten zu jedem Messdatum der vom Endgerät mittels GPS erfasste Ort mit angegeben wird (vgl. D1, Seite 3, Zeile 66 bis Seite 4, Zeile 1).
D1 sieht ferner vor, das Endgerät mit einer digitalen Karte auszustatten, um beim Passieren eines bestimmten Ortes die Datenübertragung an die Zentrale zu veranlassen.
4.3 Die in D1 beschriebene Übertragung von Datensätzen per Mobilfunk setzt somit voraus, dass das Verkehrswegenetz von Basisstationen eines zellularen Mobilfunknetzes überdeckt ist und dass Fahrzeuge, die sich im Verkehrswegenetz bewegen, mit einer in Betrieb befindlichen mobilen Endeinrichtung für das Mobilfunknetz versehen sind.
Es liegt auf der Hand, dass eine digitale Karte des Verkehrswegenetzes aus einer Vielzahl von für den Verlauf der Verkehrswege repräsentativen geographischen Punkten oder diskreten Abschnitten gebildet ist, so dass das in D1 offenbarte Merkmal b) von Anspruch 1 auch das o. g. Merkmal c) impliziert (siehe Punkt 3.1).
Da Datensätze beim Auftreten bestimmter Ereignisse, z.B. beim Passieren eines bestimmten Ortes, über den Betriebskanal des Mobilfunknetzes an die Zentrale übermittelt werden können, ist davon auszugehen, dass die in D1 offenbarte Endeinrichtung mit einem Softwareprogramm ausgestattet ist, das über entsprechende Regeln verfügt, um ggf. eine Datenübertragung zu veranlassen (siehe Merkmal h)).
5.
5.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich daher von dem aus D1 bekannten Verfahren durch folgende Merkmale:
a) die Betriebsdaten, die beim Betrieb der Endeinrichtung im Kontakt mit den Basisstationen anfallen, werden zur Bestimmung des aktuellen Aufenthaltsorts der jeweiligen Endeinrichtung genutzt;
d) den Punkten oder Streckenabschnitten [der in der Endeinrichtung gespeicherten digitalen Karte] sind jeweils charakteristische Werte von Betriebsparametern des Mobilfunknetzes zugeordnet;
e) die Endeinrichtung vergleicht mit einem Softwareprogramm selbständig jeweils aktuell vorliegende Betriebsparameter mit den gespeicherten Betriebsparametern der digitalen Karte und ermittelt daraus jeweils die aktuelle Ortsposition der Endeinrichtung;
g) das Softwareprogramm verfügt über gespeicherte Fahrprofile, die für bestimmte Straßentypen charakteristisch sind, und stellt anhand eines Vergleichs des tatsächlich gefahrenen Fahrprofils des Fahrzeugs den aktuell befahrenen Straßentyp zur Erhöhung der Genauigkeit bei der Ortspositionsbestimmung fest.
Während das aus D1 (Seite 2, Zeilen 63 bis 65) bekannte Verfahren vorsieht, dass die Position eines Fahrzeugs durch einen GPS-Empfänger oder eine gleiche Einrichtung erfasst wird, dienen die o. g. Merkmale a), d), e) und g) der Bestimmung des Aufenthaltsortes eines Fahrzeuges anhand von Betriebsdaten eines Mobilfunknetzes.
5.2 Von D1 ausgehend kann die dem Gegenstand des Anspruchs 1 zugrunde liegende Aufgabe darin gesehen werden, ein Verfahren zur Bestimmung von Verkehrslagedaten, bei dem eine Zentrale die Verkehrslage anhand von Orts- und Geschwindigkeitsdaten ermittelt, die von Fahrzeugen über ein Mobilfunknetz gesendet werden, derart weiterzuentwickeln, dass eine Orts- und Geschwindigkeitsbestimmung bei verringertem gerätetechnischem Aufwand möglich ist.
6.
6.1 Es gehört zum allgemeinen Fachwissen, dass Betriebsdaten, die beim Betrieb einer Mobilstation in einem Mobilfunknetz anfallen, zur Standortbestimmung der Mobilstation verwendet werden können (siehe z. B. D4 Seite 1, Zeilen 1 bis 3 und Seite 2, Zeilen 5 bis 21 und D5, Seite 50, "Mobile-Based Positioning").
6.2 Da eine Ortsbestimmung auf der Basis von Feldstärkeinformationen über die von der Mobilstation zu empfangenden Basisstationen am aktuellen Aufenthaltsort für bestimmte Anwendungen zu ungenau sein kann (D4 Seite 3, Zeilen 1 bis 14), stellt sich D4 als Aufgabe, die Genauigkeit der Ortung einer Mobilstation eines Mobilfunknetzes zu erhöhen (D4, Seite 4, zweiter Absatz).
6.3 D4 (Seite 5, Zeilen 1 bis 3) setzt voraus, dass sich ein mit einer Mobilstation ausgestattetes Fahrzeug in einem Verkehrswegenetz bewegt. Da das GSM-Mobilfunknetz die Ortung einer Mobilstation mit einer Ungenauigkeit von 200 m erlaubt, ist die systembedingte Ortsauflösung lediglich im Falle eines dünnen Straßennetzes ausreichend, um die vom Fahrzeug befahrene Straße zu identifizieren. Um bei hoher Straßendichte den Aufenthaltsort des Fahrzeugs genau bestimmen zu können, schlägt D4 vor, die Fahrzeuggeschwindigkeit zu berücksichtigen (D4, Seite 5, Zeilen 3 bis 10).
6.4 Folglich sieht D4 (Seite 5, letzter Absatz und Seite 6, erster Absatz) u. a. vor, die Fahrzeuggeschwindigkeit aus den sukzessiven Ortspositionen einer Mobilstation zu berechnen und diese dann mit den Geschwindigkeiten zu vergleichen, die für die Straßen eines mittels GSM-Betriebsdaten identifizierbaren geographischen Bereichs charakteristisch sind. Gemäß D4 (Seite 5, letzter Absatz bis Seite 6, erster Absatz und Seite 12, erster Absatz) können Informationen über den Verkehrsfluss zur Bestimmung der erwarteten Geschwindigkeiten herangezogen werden. Es liegt indes auf der Hand, dass diese Maßnahme lediglich der Aktualisierung von Geschwindigkeitsdaten dient und somit für die Implementierung des in D4 offenbarten Verfahrens nicht unbedingt erforderlich ist.
6.5 Das Verfahren gemäß D4 setzt somit den Einsatz einer Endeinrichtung (d. h. einer Mobilstation) voraus, welche die von den Basisstationen eines Mobilfunknetzes empfangenen Betriebsdaten zur Gewinnung von Positionsdaten verwendet, wobei den Positionsdaten geographische Unterbereiche des befahrenen Gebiets zugeordnet sind. Durch Vergleich der ermittelten Positionsdaten mit gespeicherten Kartendaten, die das Straßennetz innerhalb des befahrenen Gebiets darstellen, werden Untermengen ("sub-sets") von Straßen definiert, die den geographischen Unterbereichen entsprechen. Die Untermengen der Verkehrsstrassen werden miteinander verglichen, um die befahrene Route auf der Basis von Unterschieden zwischen den durch die sukzessiven Untermengen identifizierten Verkehrsstrassen zu lokalisieren (siehe Seite 4, letzter Absatz).
6.6 Die Figur von D4 (Seite 7, letzter Absatz) zeigt Streckenabschnitte eines Verkehrswegenetzes, wo sich eine Mobilstation befinden soll. Die gestrichelten Kreise entsprechen jeweils einem Bereich mit einem Durchmesser von 200 m und stellen die durch die Betriebsdaten des Mobilfunknetzes erreichbare Ortsauflösung dar. Die Mobilstation überwacht die Signalstärken der sich in ihrem Empfangsbereich befindlichen Basisstationen und übermittelt an die Zentrale Daten, die eine Bestimmung ihres Standorts mit der den o. g. Kreisen entsprechenden Genauigkeit erlauben. In bestimmten Fällen kann die Reihenfolge der identifizierten Aufenthaltsbereiche (d. h. der Kreise) ausreichen, um die befahrene Route genau zu bestimmen.
D4 lehrt somit, dass die Straße, auf der sich eine Mobilstation befindet, identifiziert werden kann, wenn die relativ ungenauen, durch ein Mobilfunknetz bereitgestellten Positionsdaten mit entsprechenden digitalen Kartendaten kombiniert werden (Seite 9, letzte drei Zeilen).
6.7 Laut D4 (Seite 10, Zeilen 12 bis 20) kann die aus den Positionsdaten berechnete Geschwindigkeit einer Mobilstation zur Bestimmung der befahrenen Straße beitragen. Wenn z. B. die Geschwindigkeit einer Mobilstation nah an die Durchschnittsgeschwindigkeit oder an die erlaubte Höchstgeschwindigkeit einer bestimmten Strasse im identifizierten Aufenthaltsbereich der Mobilstation herankommt, ist davon auszugehen, dass sich die Mobilstation auf dieser Straße und nicht auf einer langsameren befindet. Dies erlaubt z. B. eine Autobahn von einer benachbarten Landstraße zu unterscheiden (D4, Seite 10, Zeilen 18 bis 20: "This approach would enable for example confusion between a minor road which follows a motorway and the motorway itself to be eliminated").
Da die gefahrenen Durchschnittsgeschwindigkeiten bzw. die erlaubten Höchstgeschwindigkeiten als charakteristisch für bestimmte Straßentypen zu betrachten sind, erlaubt die in D4 vorgesehene Berücksichtigung dieser Geschwindigkeitsinformation, zwischen verschiedenen Straßentypen innerhalb eines geographischen Bereichs zu unterscheiden. So stellt die einem Straßenabschnitt zugeordnete Durchschnitts- bzw. Höchstgeschwindigkeit ein für diesen Straßenabschnitt charakteristisches Fahrprofil gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags dar.
6.8 D4 (Seite 12, letzter Absatz) sieht ferner die Möglichkeit vor, eine Mobilstation mit Schaltungen zu versehen, welche die Berechnung der Ortsposition auf der Basis der Signalstärke von benachbarten Basisstationen ermöglichen würde. Gewöhnlich wird aber das offenbarte System so betrieben, dass die Mobilstation die Identität der sechs stärksten empfangenen Signale an die Zentrale übermittelt. Aus dieser Information berechnet dann der Dienstanbieter die Ortsposition der Mobilstation.
6.9 Obwohl die Ortsposition der Mobilstation anhand der Stärke der von einer Anzahl von Basisstationen ausgestrahlten Signale bestimmt werden kann, können diese Ortsinformationen durch Laufzeitdaten ("Timing Advance") verbessert werden (D4, Seite 13, Letzter Absatz). Andererseits kann oft die Ortsposition einer Mobilstation, die sich auf einer Autobahn bewegt, lediglich durch die Signalstärke zweier Basisstationen bestimmt werden (Seite 14, zweiter Absatz).
7.
7.1 Aus der vorstehend zusammengefassten Lehre ergibt sich, dass D4 folgende Merkmale des Anspruchs 1 offenbart:
- die Betriebsdaten, die beim Betrieb der Endeinrichtung im Kontakt mit den Basisstationen anfallen, werden zur Bestimmung des aktuellen Aufenthaltsorts der jeweiligen Endeinrichtung genutzt,
- die für die Bestimmung des Aufenthaltsorts verwendete digitale Karte ist aus einer Vielzahl von für den Verlauf der Verkehrswege repräsentativen geographischen Punkten oder diskreten Streckenabschnitten gebildet;
- das Softwareprogramm verfügt über gespeicherte Fahrprofile, die für bestimmte Straßen charakteristisch sind, und stellt anhand eines Vergleichs des tatsächlich gefahrenen Fahrprofils des Fahrzeugs den aktuell befahrenen Straßentyp zur Erhöhung der Genauigkeit bei der Ortspositionsbestimmung fest.
7.2 Die beim beanspruchten Verfahren verwendete Endeinrichtung unterscheidet sich somit von der aus D4 bekannten Endeinrichtung durch folgende Merkmale:
b) die Endeinrichtung ist mit der digitalen Karte des Verkehrswegenetzes ausgestattet;
d) den Punkten und Streckenabschnitten der Karte sind jeweils charakteristische Werte von Betriebsparametern des Mobilfunknetzes zugeordnet;
e) die Endeinrichtung vergleicht mit einem Softwareprogramm selbstständig jeweils aktuell vorliegende Betriebsparameter mit den gespeicherten Betriebsparametern der digitalen Karte und ermittelt daraus jeweils die aktuelle Ortsposition der Endeinrichtung.
Durch die o. g. Merkmale b), d) und e) erfolgt die Bestimmung der Ortsposition einer mobilen Endeinrichtung lediglich auf der Basis eines in der Endeinrichtung durchgeführten Vergleichs zwischen den von benachbarten Basisstationen empfangenen Betriebsparametern und den gespeicherten und der digitalen Karte zugeordneten Betriebsparametern.
7.3 Wie vorstehend ausgeführt, sieht D4 zwar vor, die Ortsposition durch die Endeinrichtung bestimmen zu lassen. Dies erfolgt jedoch nicht mittels eines Vergleichs zwischen empfangenen und gespeicherten Betriebsdaten, sondern anhand von Berechnungen mit den empfangenen Betriebsdaten.
Durch die Kombination von D1 und D4 würde der Fachmann somit zu einem Verfahren gelangen, bei welchem die in einem Fahrzeug befindliche Endeinrichtung empfangene Betriebsparameterwerte zur Berechnung ihrer Ortsposition an die Zentrale übermittelt oder solche Berechnungen durchführt und die errechnete Orstposition an die Zentrale übermittelt.
8.
8.1 D2 betrifft ein Verfahren zur "fahrtroutenselektiven Wiedergabe digital codierter, von einem Sender zu einem Fahrzeugempfänger übertragener Verkehrsnachrichten " (Spalte 1, Zeilen 1 bis 5). Wie es diesem Dokument (Spalte 2, Zeilen 27 bis 40) zu entnehmen ist, "wird zunächst ein Koordinatennetz über das für den Autofahrer relevante Gebiet gelegt und für die einzelnen Koordinatenpunkte die Laufzeitwerte der empfangbaren und in ihrer Modulation synchronisierten Sender bestimmt. .... Die so gewonnenen Laufzeitwerte werden nun tabellarisch im Empfänger gespeichert und mit den ermittelten Laufzeitwerten verglichen. Als Standort werden dann diejenigen Koordinaten ausgewählt, deren Laufzeitwerte den gemessenen Laufzeitwerten am nächsten kommen."
8.2 D3 (Spalte 2, Zeilen 9 bis 45) betrifft ein Verfahren zur Ermittlung des aktuellen Standortes einer mobilen Funkstation, wobei die Mobilstation einen Rechner C mit einem Speicher enthält, wo die Standorte aller ortsfesten Funkstationen mit ihren individuellen Kennzeichen tabellarisch abgespeichert sind. Aus den bekannten Standorten von drei ortsfesten Funkstationen und den entsprechenden Laufzeitdifferenzen berechnet der Rechner nach den Regeln der Trigonometrie den Standort der Mobilstation.
8.3 Zusammenfassend weist keines der vorliegenden Dokumente auf die Möglichkeit hin, den Punkten und Streckenabschnitten einer in einer Endeinrichtung gespeicherten digitalen Karte charakteristische Werte von Betriebsparametern des Mobilfunknetzes zuzuordnen und die aktuelle Ortsposition durch einen Vergleich zwischen den empfangenen und den gespeicherten Betriebsparametern zu ermitteln.
8.4 Angesicht des vorliegenden Standes der Technik ist die Kammer daher der Auffassung, dass es für den Fachmann, der vom Dokument D1 ausging und sich als Aufgabe setzte, das bekannte Verfahren mit verringertem technischem Aufwand zu verwirklichen, nicht naheliegend war, zu einem Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hautantrags der Beschwerdeführerin zu gelangen.
Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
9.
9.1 Anspruch 11 bezieht sich auf eine Endeinrichtung für ein zellulares Mobilfunknetz zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 10. Die in diesem Anspruch aufgeführten Merkmale entsprechen den Merkmalen der in Anspruch 1 genannten Endeinrichtung. Der Gegenstand von Anspruch 11 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
9.2 Die abhängigen Ansprüche 2 - 10 und 12 - 13 betreffen besondere Ausführungsformen eines Verfahrens gemäß Anspruch 1 bzw. einer Endeinrichtung gemäß Anspruch 11 und weisen somit eine erfinderische Tätigkeit auf.
10. Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Ansprüche 1 bis 13 gemäß dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin die Erfordernisse des EPÜ erfüllen. Dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin, ein Patent auf der Basis solcher Ansprüche zu erteilen, war somit stattzugeben.
11. Bei dieser Sachlage war daher über die Hilfsanträge 1 bis 3 der Beschwerdeführerin nicht zu entscheiden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2009 eingereichten Ansprüche 1 bis 13 und einer anzupassenden Beschreibung zu erteilen.