T 1740/06 (Kodiereinrichtung/INFINEON) of 20.1.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T174006.20100120
Datum der Entscheidung: 20 Januar 2010
Aktenzeichen: T 1740/06
Anmeldenummer: 02014968.8
IPC-Klasse: G06F 13/38
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kodiereinrichtung und Dekodiereinrichtung
Name des Anmelders: Infineon Technologies AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 R 67
Schlagwörter: Wesentlicher Verfahrensmangel - nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
J 0010/07
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 2499/11

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung EP-A-1 276 053 (Anmeldenummer 02 014 968.8) bezieht sich insbesondere auf eine Kodiereinrichtung zur Umsetzung von zu kodierenden Daten in unterschiedliche Eigenschaften aufweisende Daten.

II. Die Prüfungsabteilung beanstandete, dass die Erfindung nicht ausreichend deutlich und vollständig offenbart sei und keine erfinderische Tätigkeit aufweise. Nach mehreren schriftlichen Bescheiden wurde die Anmeldung schließlich in einer mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2005 zurückgewiesen. Die Prüfungsabteilung hatte über einen Anspruchssatz als einzigen Antrag zu entscheiden, der erst in der mündlichen Verhandlung eingereicht worden war. Anspruch 1 in der Fassung dieses Antrags lautet wie folgt:

"1. Kodiereinrichtung zum Kodieren von Daten,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Kodiereinrichtung in der Lage ist, die zu kodierenden Daten unterschiedlich zu kodieren, so dass die zu kodierenden Daten in unterschiedliche Eigenschaften aufweisende Daten umsetzbar sind,

wobei einstellbar ist, welche Eigenschaften die kodierten Daten aufweisen sollen oder müssen,

wobei die Kodiereinrichtung überprüft, unter Verwendung welcher Maßnahme oder unter Verwendung welcher Maßnahmen die zu kodierenden Daten kodiert werden müssen, damit den gewünschten Eigenschaften der kodierten Daten am nächsten gekommen werden kann, und

wobei die Kodiereinrichtung die dabei ermittelte Maßnahme verwendet, um die zu kodierenden Daten zu kodieren."

III. Die schriftliche Abfassung der Entscheidung wurde am 12. Juni 2006 zur Post gegeben. Die Prüfungsabteilung begründete darin die Zurückweisung mit dem Fehlen der erfinderischen Tätigkeit. Die in Anspruch 1 beanspruchte Kodiereinrichtung könnte einfach ein Kästchen mit zwei völlig unabhängigen Kodierern und einem Schalter zur Auswahl des Ausgangssignals sein, mit dem der Anwender wählen könne, welche Kodierung er durchführen wolle. Es sei nicht ersichtlich, welcher Zusammenhang zwischen der beanspruchten Kodiereinrichtung und der in der Anmeldung genannten Aufgabe bestehe, eine Kodiereinrichtung zu schaffen, die sich für verschiedene Applikationen einsetzen lässt.

IV. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) legte am 14. August 2006 unter Zahlung der Gebühr Beschwerde gegen die Zurückweisung ihrer Anmeldung ein und reichte eine schriftliche Begründung der Beschwerde am 12. Oktober 2006 ein. Sie beantragte die Aufhebung der Entscheidung der Prüfungsabteilung und die Erteilung eines Patentes unter Zugrundelegung der ursprünglichen Anmeldeunterlagen, hilfsweise auf der Grundlage des am 16. Dezember 2005 eingereichten Anspruchssatzes. Die Beschwerdeführerin rügte ferner eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Verfahrensführung der Prüfungsabteilung in der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2005.

V. Die Kammer teilte der Beschwerdeführerin in einem Bescheid vom 17. August 2009 mit, die Patentfähigkeit der beanspruchten Erfindung sei im Ergebnis zu Recht verneint worden. Sie äußerte darin ferner Zweifel an der Neuheit der beanspruchten Erfindung im Lichte der Druckschrift US-A-4 651 237 (Druckschrift D5). Im Hinblick auf die gerügten Verfahrensmängel erläuterte die Kammer, dass die geltend gemachten Umstände die Aufhebung der Entscheidung nicht rechtfertigten.

Die Beschwerdeführerin reichte mit einem Antwortschreiben vom 27. Oktober 2009 mehrere Anspruchssätze ein, mit der Fassung der Ansprüche vom 16. Dezember 2005 (siehe oben) als Hauptantrag und weiteren Anspruchsätzen als Hilfsanträgen 1 bis 5.

VI. Die Beschwerde wurde am 20. Januar 2010 vor der Kammer mündlich verhandelt. Die Beschwerdeführerin überreichte in der Verhandlung einen neuen Anspruchssatz mit Ansprüchen 1 bis 19 als neuen Hauptantrag und beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 19 gemäß dem am 20. Januar 2010 eingereichten Hauptantrag, hilfsweise auf der Grundlage eines der mit Schreiben vom 27. Oktober 2009 eingereichten Anspruchssätze. Weiterhin wurde die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt.

Der Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"1. Kodiereinrichtung zum Kodieren von Daten, dadurch gekennzeichnet,

dass mehrere verschiedene Maßnahmen dafür in Frage kommen, die Daten zu kodieren,

dass eingebbar ist, welche Referenz-Zustandsverteilung die kodierten Daten aufweisen sollen oder müssen,

dass die Kodiereinrichtung für jede der möglichen Maßnahmen eine Zustandsverteilung ermittelt, bei welcher die bisher von der Kodiereinrichtung ausgegebenen Daten und zusätzlich die Daten, die die Kodiereinrichtung ausgeben würde, wenn die gerade zu kodierenden Daten unter Verwendung der hierfür in Frage kommenden Maßnahmen kodiert würden, berücksichtigt werden,

wobei die Zustandsverteilungen angeben, wie viele Bits mit hohem Pegel und wie viele Bits mit niedrigem Pegel innerhalb der dabei jeweils zu berücksichtigenden Daten vorhanden sind,

dass die Kodiereinrichtung überprüft, welche Zustandsverteilung der Referenz-Zustandsverteilung am nächsten kommt, und die zugehörige Maßnahme verwendet, um die zu kodierenden Daten zu kodieren."

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Patentfähigkeit der Erfindung lässt sich wie folgt zusammenfassen.

Das Vorliegen von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit könne im Hinblick auf den sich im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht verneint werden. Die von der Kammer zitierte Druckschrift D5 komme der beanspruchten Erfindung lediglich näher als der bisher entgegengehaltene Stand der Technik. Es bestünde aber keine vollständige Übereinstimmung, da nicht dieselben Daten auf unterschiedliche Art und Weise codiert würden. Insbesondere sei es weder bekannt noch durch den Stand der Technik nahegelegt, dass die Kodiereinrichtung überprüft, unter Verwendung welcher Maßnahme oder unter Verwendung welcher Maßnahmen die zu kodierenden Daten kodiert werden müssten, damit den gewünschten Eigenschaften der kodierten Daten am nächsten gekommen werden könne.

Es werde eine ganz bestimmte Überprüfung beansprucht. Es werde nämlich überprüft, unter Verwendung welcher Maßnahme die zu kodierenden Daten kodiert werden müssten, damit den gewünschten Eigenschaften der kodierten Daten bzw. deren Referenz-Zustandsverteilung am nächsten gekommen werden könne. Die Überprüfung beinhalte den Vergleich mehrerer Maßnahmen darauf hin, welche im Hinblick auf die gewünschte Referenz-Zustandsverteilung die beste Zustandsverteilung zum Ergebnis habe. In der aus der Druckschrift D5 bekannten Kodiereinrichtung werde nicht überprüft, unter Verwendung welcher Maßnahme die zu kodierenden Daten kodiert werden müssten, um das beste Ergebnis zu erzielen.

Bezüglich der gerügten Verfahrensmängel erläuterte die Beschwerdeführerin, dass die Prüfungsabteilung in der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2005 überraschend über die Anmeldung entschieden habe, ohne der Anmelderin die Gelegenheit zu geben, ihre Anträge zu präzisieren oder sich zu den Gründen zu äußern, wegen der die Prüfungsabteilung die damals zwar nicht formal beantragte, aber ausdrücklich zur Diskussion gestellte Kombination der Ansprüche 1 bis 10, 16 und 17 für nicht gewährbar bewertet hatte. Hierdurch sei der Anspruch auf rechtliches Gehör gravierend verletzt worden. Im Übrigen habe es die Prüfungsabteilung durch die Art der Verfahrensführung dem Vertreter der Anmelderin unmöglich gemacht, seine Argumente in der mündlichen Verhandlung vollständig vorzutragen und auf die von der Prüfungsabteilung geäußerten Bedenken und Beanstandungen angemessen zu reagieren.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig. Der Beschwerde ist, soweit die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung begehrt, auch in der Sache stattzugeben.

2. Das Schutzbegehren der Beschwerdeführerin ist mit dem vorliegenden Hauptantrag im Vergleich zu den in erster Instanz geprüften Anträgen erheblich eingeschränkt worden. Die Kammer lässt den neuen Antrag zu.

Die geänderten Ansprüche sind zulässig. Ihr Gegenstand geht insbesondere nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Die Merkmale des Anspruchs 1 ergeben sich unmittelbar aus dem anhand der Figuren 1 und 2 beschriebenen Beispiel einer Kodiereinrichtung in der weiteren in Spalte 7, Abs. 0032 und 0033 (siehe die veröffentlichte Anmeldeschrift) beschriebenen Ausführungsform.

Die Ansprüche erfüllen auch die Erfordernisse der Deutlichkeit und der Stütze durch die Beschreibung insoweit, dass eine sinnvolle Recherche im Stand der Technik durchgeführt und die beanspruchte Erfindung auf die Erfordernisse der Patentfähigkeit hin geprüft werden kann.

3. Der vorliegende Antrag spezifiziert im Vergleich zu den in der ersten Instanz geprüften Anträgen die Kodiereinrichtung dahingehend, dass die Auswahl der geeigneten "Maßnahme" zur Datenkodierung unter einer Mehrzahl verschiedener Maßnahmen erfolgt, wobei für jede Maßnahme eine "Zustandsverteilung" ermittelt wird, die die bisher kodierten Daten und zusätzlich die Daten berücksichtigt, die bei der Kodierung der aktuellen Daten "unter Verwendung dieser Maßnahme" ausgegeben würden, und die so ermittelten Zustandsverteilungen mit einer erwünschten "Referenz-Zustandsverteilung" verglichen werden. Eine Kodiereinrichtung mit diesen Merkmalen war nicht Gegenstand der Zurückweisungsentscheidung und war auch nicht, soweit die Kammer dies der Akte nehmen kann, Gegenstand des vorhergehenden Prüfungsverfahrens. Die beiden einzigen Dokumente, die im europäischen Recherchenbericht genannt sind, sind ganz offensichtlich als Stand der Technik für die nun beanspruchte Kodiereinrichtung nicht relevant.

Die von der Kammer in das Verfahren eingeführte Druckschrift D5 offenbart zwar eine Kodiereinrichtung, die die zu kodierenden Daten überprüft, um die anzuwendende "Maßnahme" - dort das Setzen oder Nichtsetzen eines Bits - auszuwählen, und die daher den der Zurückweisung zu Grunde liegenden Anspruchsgegenstand neuheitsschädlich vorwegnimmt. Die Auswahl erfolgt jedoch nicht auf der Grundlage von "Zustandsverteilungen" für eine Vielzahl von möglichen "Maßnahmen" zur Datenkodierung. Für diesen Stand der Technik haben die bereits kodierten Daten und damit die Zustandsverteilungen im Sinne der vorliegenden Anmeldung keine erkennbare Bedeutung. Die Druckschrift D5 ist daher auch als Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht geeignet.

Dennoch bleiben insbesondere im Hinblick auf bekannte adaptive Verfahren Zweifel an der Patentfähigkeit des Anspruchsgegenstandes bestehen. Die Kammer hält es daher für erforderlich, die Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen, um der Beschwerdeführerin die Gelegenheit zu geben, die Anmeldung nochmals erstinstanzlich auf der Grundlage des Hauptantrags mit dem noch zu recherchierenden Stand der Technik auf Patentfähigkeit prüfen zu lassen.

4. Mit der Zurückverweisung der Angelegenheit auf der Grundlage des Hauptantrags erübrigt sich eine Entscheidung über die Hilfsanträge.

5. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs ist zurückzuweisen. Die Kammer geht dabei von der Anwendbarkeit der Regel 67 EPÜ 1973 und nicht von der mit dieser Vorschrift inhaltsgleichen Regel 103 (1) a) des revidierten EPÜ aus (siehe hierzu J 10/07 ABl. EPA 2008, 567, Nr. 7 und 1.3 der Entscheidung, denen die Kammer sich voll anschließt). Eine rechtliche Grundlage für eine solche Rückzahlung könnte sich nur aus Regel 67 EPÜ 1973 ergeben, deren Anwendung aber einen "wesentlichen Verfahrensmangel" zur Voraussetzung hat. An dieser Wesentlichkeit fehlt es hier. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs im Zusammenhang mit der Diskussion der "hypothetische[n] Kombination von Ansprüchen 1 bis 10, und 16, 17" (siehe Punkt 24 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2005) mag zutreffend sein, diese Ansprüche waren aber nicht Gegenstand der Zurückweisungsentscheidung. Der Zurückweisung lagen ausschließlich die Ansprüche des damaligen Hauptantrags zu Grunde.

Die Beschwerdeführerin hat nicht vorgetragen, dass ihr in Bezug auf diesen Antrag das rechtliche Gehör versagt worden sei. Sie habe allerdings erwartet, dass die Prüfungsabteilung ihr nach der Beratung die Möglichkeit geben würde, in der mündlichen Verhandlung nochmals einen geänderten Antrag einzureichen, und dass sie daher von der Zurückweisung der Anmeldung überrascht worden sei.

Die Kammer sieht in diesem und den anderen von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Umständen zwar eine Verfahrensführung durch die Prüfungsabteilung, die zu berechtigter Kritik Anlass geben mag, wenn es auch die Verantwortung eines Anmelders ist, die gewünschten Anträge aus eigener Initiative zu stellen.

Die hier entscheidende Frage ist jedoch die Wesentlichkeit der gerügten Verfahrensmängel für die Zurückweisung der Anmeldung. Keiner der geltend gemachten Umstände lässt erkennen, dass die Prüfungsabteilung bei korrekter Verfahrensführung zu einem anderen Ergebnis als der Zurückweisung der Anmeldung hätte kommen können. Die möglicherweise die fragliche Verhandlung belastenden Verfahrensmängel sind daher keine wesentlichen Verfahrensmängel im Sinne der Regel 67 EPÜ 1973. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr kann daher keinen Erfolg haben.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz auf der Grundlage des Hauptantrags zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

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