European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2008:T173106.20080923 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 23 September 2008 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1731/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 98925499.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | D03C 19/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zur Optimierung von Geweben aufgrund gemessener Garndaten und Optimierungsverfahren | ||||||||
Name des Anmelders: | Ingenieurbüro Dieter Zweigle | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Uster Technologies AG CIS Technologies GmbH |
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Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Beteiligte am Beschwerdeverfahren - Beschwerdeberechtigung (ja) Zulässigkeit verspätet vorgebrachter Beweismittel (ja) "Erfinderische Tätigkeit (nein, Hauptantrag und Hilfsantrag 1) Zulässigkeit verspätet vorgelegter Anträge (nein, Hilfsantrag 2 und 4) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das Europäische Patent Nr. 0 979 321 wurde mit der am 11. Oktober 2006 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung widerrufen. Die Einspruchsabteilung begründete den Widerruf damit, dass der Gegenstand des Patents ausgehend von
D6: "Filament blending in air-jet texturing", Ashok Kumar Setz, Dissertation, University of Leeds, Oktober 1998,
für den Fachmann nahegelegt sei.
II. Mit Schreiben vom 14. November 2006, eingegangen beim Europäischen Patentamt am 15. November 2006, wurde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Das Schreiben des damaligen Vertreters enthielt folgendes Rubrum in Fettdruck
"Anmeldung Nr./Patent Nr. 98925499.0 - 2314 / 979321 /
Patentinhaber: Ingenieurbüro Dieter Zwiegle
Beschwerde gemäß Artikel 106(1) EPÜ"
und unmittelbar daran anschließend als Text in Normalschrift (Hervorhebung in Fettdruck wie im Schreiben des Vertreters):
"Hiermit lege ich im Auftrag meiner Mandantin, Zweigle Textilprüfmaschinen GmbH & Co KG, Ferdinand-Lasalle-Str. 54, 72770 Reutlingen Beschwerde gegen die Entscheidung des Europäischen Patentamts vom 11. Oktober 2006 über den Widerruf des Europäischen Patents ein."
Mit Schreiben vom 12. Februar 2007 wurde die Beschwerdebegründung eingereicht.
III. In einer Mitteilung der Beschwerdekammer nach Artikel 110(2) EPÜ vom 20. April 2007 wies die Kammer auf den Umstand hin, dass die Beschwerde nicht namens des "Patentinhaber[s] Ingenieurbüro Dieter Zwiegle" (gemeint offenbar: "Zweigle") eingereicht wurde, sondern "im Auftrag meiner Mandantin, Zweigle Textilprüfmaschinen GmbH & Co KG". Eine durch die Zweigle Textilprüfmaschinen GmbH & Co KG eingelegte Beschwerde wäre in jedem Fall unzulässig, weil sie nicht Patentinhaberin ist bzw. kein Rechtsübergang ersichtlich war. Auch sei die Bezeichnung des Patentinhabers insofern nicht eindeutig, da nicht erkennbar sei, ob es sich um eine natürliche Person (und Inhaber des Ingenieurbüros) handelt oder um eine juristische Person. Der damalige Vertreter wurde um Aufklärung, ggf. Richtigstellung hinsichtlich der beiden Namen gebeten.
IV. Mit Schreiben vom 25. Januar 2008 legte ein in Untervollmacht des vormaligen Vertreters handelnder neuer Vertreter eine eidesstattliche Erklärung von Herrn Dieter Zweigle und mit Schreiben vom 27. Februar 2008 eine Erklärung des vormaligen Vertreters vor.
Aus der Erklärung Herrn Zweigles geht im wesentlichen hervor, dass der vormalige Vertreter im Namen des Unterzeichnenden, Dieter Zweigle, angewiesen worden sei, gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde einzulegen und dass das Europäische Patent korrekt auf seine Firmenbezeichnung Ingenieurbüro Dieter Zweigle laufe, dessen Inhaber er allein sei. Die "Zweigle Textilprüfmaschinen GmbH & Co KG" habe dagegen mit dem Patent und dem vorliegenden Verfahren nichts zu tun.
Die Erklärung des vormaligen Vertreters enthält im wesentlichen folgende Aussagen: Die Anweisung des Patentinhabers, Beschwerde einzulegen, habe er nur telefonisch erhalten, eine schriftliche Weisung existiere nicht. Es sei seine Absicht gewesen, wie angewiesen die Beschwerde im Namen von Dieter Zweigle einzulegen. Die Wendung "...im Auftrag meiner Mandantin, Zweigle Textilprüfmaschinen GmbH & Co. KG..." sei versehentlich in den Text gerutscht und bei der Unterzeichnung übersehen worden, da der sie enthaltende Textabschnitt in Normalschrift verfasst worden sei, im Gegensatz zu der Hervorhebung, in Fettschrift, des Rubrums und der weiter unten folgenden Beschwerdegebühr. Auch aus der für das Europäische Patentamt vorbereiteten, der Beschwerde beigefügten Empfangsbestätigung (als Anlage dem Schreiben vom 27. Februar 2008 beigefügt), gehe die richtige Bezeichnung des Auftraggebers, Ingenieurbüro Dieter Zweigle, hervor. Ein auf den 22. Januar 2007 datiertes Fax (ebenfalls als Anlage zum Schreiben vom 27. Februar 2008 eingereicht) anlässlich einer Erinnerung an Herrn Zweigle, dem vormaligen Vertreter mitzuteilen, ob die Beschwerdebegründung eingereicht werden solle, enthielt auch eine schriftliche Bestätigung, "dass wir gegen den Widerruf seines Patents formell Beschwerde eingelegt hatten" (Hervorhebung im Original).
V. In einer Mitteilung der Beschwerdekammer vom 28. Februar 2008 wurde ein für den folgenden Tag anberaumter Termin zur mündlichen Verhandlung, die einzig eine Entscheidung zur Zulässigkeit der Beschwerde zum Gegenstand haben sollte, aufgehoben. Der Kammer erschien es aufgrund der mit Schreiben vom 27. Februar 2008 eingereichten Unterlagen nicht ausgeschlossen, dass die Beschwerde zulässig sei, worüber nach einer eventuellen Stellungnahme der Beschwerdegegnerin zusammen mit der Endentscheidung in einer neu anzusetzenden mündlichen Verhandlung zu entscheiden sei.
VI. Am 23. September 2008 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, zu der der Beschwerdeführer (Patentinhaber) und die Beschwerdegegnerin (Einsprechende I) erschienen. Die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende II) war nicht erschienen.
Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des europäischen Patents auf der Basis des Anspruchs 1 vom 12. Februar 2007 und der Ansprüche 2 bis 14, eingereicht mit Schreiben vom 13. Februar 2004, oder auf Basis des Anspruchs 1 vom 12. Februar 2007 und der Ansprüche 2 bis 13, eingereicht mit Schreiben vom 13. Februar 2004 (Hilfsantrag 1), oder auf Basis der Hilfsangträge 2 (entweder mit oder ohne die dort formulierten Unteransprüche) oder 4, die in der mündlichen Verhandlung eingereicht wurden.
Weiterhin beantragte er, die von der Einsprechenden I verspätet, mit Schreiben vom 15. August 2008, eingereichten Dokumente
D9 : "Barcoprofile" User's Manual, Barco NV Automation (Belgien), 2. Oktober 1995, Seite 1-4, "Measuring head", sowie
D10: "Rotor-Spinnspul-Automat AUTOCORO (RTM)", W. Schlafhorst AG & Co, 8/91,
nicht zum Verfahren zuzulassen.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende I) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende II) hat keine Anträge gestellt.
VII. Die unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags haben folgenden Wortlaut
"1. Vorrichtung (11) zur Entwicklung von Geweben
a) mit einer Anzeigeeinheit (16) und
b) einer Bindungseingabevorrichtung (13), wobei die Vorrichtung
c) wenigstens ein Messgerät (12) für die Messung des Garndurchmessers,
d) und eine Vorrichtung (14) zur Ansteuerung des Messgeräts (12) und zur Auswertung umfasst,
e) wobei die Bindungseingabevorrichtung (13) die Eingabe und Änderung frei definierbarer Bindungen ermöglicht,
f) und das Gewebe als Real-Gewebe aufgrund der gemessenen Garndurchmesser und der frei definierbaren Bindung berechnet und dargestellt wird,
g) wobei durch die Veränderbarkeit der definierten Bindung des Gewebes eine Anpassung und Optimierung der Real-Gewebes an die gemessenen individuellen Garndurchmesser möglich ist,
dadurch gekennzeichnet, dass das Messgerät (12) ein optoelektronisches, im Infrarot-Bereich absolute Messungen durchführendes Messgerät ist, und dass die Genauigkeit des Messgeräts (12) wenigstens 1/100 mm beträgt.
14. Verfahren zur Optimierung von Real-Geweben aufgrund gemessener Garndaten mit einer Vorrichtung (11) nach einem der vorangegangenen Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß nach Messung des Garndurchmessers und Definition der frei definierbaren Bindungen das Real-Gewebe aufgrund der gemessenen Garndurchmesser und der definierten Bindung berechnet und dargestellt wird
und durch die Veränderbarkeit der definierten Bindung des Gewebes eine Anpassung und Optimierung des Real-Gewebes an die gemessenen individuellen Garndurchmesser möglich ist."
Der einzige unabhängige Anspruch des Hilfsantrags 1 entspricht dem Anspruch 1 des Hauptantrags.
Der unabhängige Anspruch des Hilfsantrags 2 hat folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zur Optimierung von Real-Geweben aufgrund gemessener Garndaten mit einer Vorrichtung (11) zur Entwicklung von Geweben
a) mit einer Anzeigeeinheit (16) und
b) einer Bindungseingabevorrichtung (13), wobei die Vorrichtung
c) wenigstens ein Messgerät (12) für die Messung des Garndurchmessers,
d) und eine Vorrichtung (14) zur Ansteuerung des Messgeräts (12) und zur Auswertung umfasst,
e) wobei die Bindungseingabevorrichtung (13) die Eingabe und Änderung frei definierbarer Bindungen ermöglicht,
f) und das Gewebe als Real-Gewebe aufgrund der gemessenen Garndurchmesser und der frei definierbaren Bindung berechnet und dargestellt wird,
g) wobei durch die Veränderbarkeit der definierten Bindung des Gewebes eine Anpassung und Optimierung des Real-Gewebes an die gemessenen individuellen Garndurchmesser möglich ist,
wobei das Messgerät (12) ein optoelektronisches, im Infrarot-Bereich absolute Messungen durchführendes Messgerät ist, und die Genauigkeit des Messgeräts (12) wenigstens 1/100 mm beträgt, wobei nach Messung des Garndurchmessers und Definition der frei definierbaren Bindungen das Real-Gewebe aufgrund der gemessenen Garndurchmesser und der definierten Bindung berechnet und dargestellt wird
und durch die Veränderbarkeit der definierten Bindung des Gewebes eine Anpassung und Optimierung des Real-Gewebes an die gemessenen individuellen Garndurchmesser möglich ist."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 unterscheidet sich von dem des Hilfsantrags 2 dadurch, dass am Ende des Anspruchs der Ausdruck "möglich ist" durch den Ausdruck "durchgeführt wird" ersetzt wurde.
VIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
a) zur Zulässigkeit der Beschwerde
Aus der Erklärung des vormaligen Vertreters und den dazu überreichten Anlagen gehe hervor, dass es seine Absicht gewesen sei, die Beschwerde im Namen des im Rubrum der Beschwerdeschrift, bis auf einen Buchstabenverdreher richtig benannten Patentinhabers einzureichen. Die falsche Bezeichnung im Textteil sei wohl bei der Endkontrolle übersehen, was möglicherweise durch die Hervorhebung anderer Teile des Schriftsatzes begünstigt wurde. Die "(scheinbare) Unklarheit" über die Indentität des Beschwerdeführers ließe sich auch im Lichte der vorinstanzlichen Erteilungs- und Einspruchsverfahren auflösen, die derselbe Vertreter für ein und denselben Patentinhaber geführt habe. Die Angabe in der Beschwerdeschrift sei daher zu korrigieren.
b) zur Zulassung von D9 und D10 zum Verfahren
Die Druckschriften D9 und D10 dürften nicht zum Verfahren zugelassen werden, da sie verspätet eingereicht wurden, nicht relevanter seien als die bereits im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen und aus den Druckvermerken nicht eindeutig und zweifelsfrei ihre Zugehörigkeit zum Stand der Technik hervorgehe.
c) zur erfinderischen Tätigkeit - Hauptantrag, Hilfsantrag 1
D6 sei nächstliegender Stand der Technik und offenbare eine Vorrichtung zur Entwicklung von Geweben. Die Vorrichtung nach Anspruch 1 unterscheide sich von der bekannten Vorrichtung durch die Merkmale c) und f) im Oberbegriff und durch die Merkmale seines kennzeichnenden Teils.
Insbesondere würde bei der bekannten Vorrichtung der Garndurchmesser nicht gemessen. D6 befasse sich nur mit der Gewebe-Simulation anhand der gemessenen Garn-Reflektivität und enthalte hinsichtlich der Messung des Garndurchmessers nur diffuse Hinweise. Aus Seite 213, unten, und Seiten 303/304 gehe hervor, dass der Garndurchmesser zur Gewebe-Simulation konstant angenommen sei. In Abschnitt 8.6 sei die Messung des Garndurchmessers nur als eine Möglichkeit zukünftiger Entwicklungen offenbart. Die auf Seiten 171/172 beschriebenen Anweisungen zur Kalibrierung zeigten Schwierigkeiten mit der Beleuchtung und erwähnten Hoch-Frequenz-Störungen des Reflexionssignals, so dass der experimentelle Set-up für eine reproduzierbare kontinuierliche Messung ungeeignet sei.
Ebenso offenbarten diese Abschnitte, dass eine mit einem Garn bekannten Durchmessers kalibrierte und somit vergleichende Messung, im Gegensatz zur beanspruchten absoluten Messung, durchgeführt werde.
Darüber hinaus nenne D6 als Lichtquelle für die Beleuchtung des Systems Tageslicht-Lampen, d.h. die Verwendung sichtbaren Lichtes anstelle der beanspruchten Messung im Infrarot- (IR-) Bereich.
Ausgehend von D6 wäre der Fachmann vor die objektive Aufgabe gestellt, die Vorrichtung zur Gewebe-Simulation zu verbessern.
Aus D6 erhalte der Fachmann keine Anregung, diese Aufgabe mit den Merkmalen des Anspruchs 1 zu lösen. Die notwendigen Änderungen stünden der Lehre aus D6 entgegen und machten einen kompletten Umbau erforderlich, der nur in Kenntnis der Erfindung erfolgen könne.
Ein Vorteil der absoluten Messung sei, dass Kalibrierungen unnötig würden.
Aus D6 erhalte der Fachmann keinen Hinweis, ein im IR-Bereich arbeitendes Messgerät zu verwenden. Die Messung im sichtbaren Wellenlängenbereich sei sogar die erste Wahl des Fachmanns, da die Simulationen sich mit wahrnehmbaren Eigenschaften des Gewebes beschäftige. Die IR-Messung verringere äußere Störeinflüsse, wie z.B. Fremdlicht, und sei für Garndurchmesser besonders gut geeignet. Es gäbe aber für den Fachmann auch Alternativen, da neben dem IR und dem sichtbaren Spektrum auch noch der UV-Bereich oder der Einsatz von monochromatischem Licht möglich wäre.
Obwohl die im Patent in Absatz [0017] genannten Barco-Messköpfe wohl Stand der Technik gewesen seien, seien sie in Kombination mit einer Vorrichtung zur Gewebesimulation nicht bekannt gewesen.
D9 und D10 seien nicht geeignet den Gegenstand des Anspruchs 1 in Kombination mit D6 nahezulegen. Die offenbarten Messköpfe seien nämlich für den Einsatz in Spinnmaschinen bestimmt.
d) zum Hilfsantrag 2
Anspruch 1 beruhe auf dem erteilten Anspruch 14, in den die Vorrichtungs-Merkmale des erteilten Anspruchs 1 aufgenommen wurden. Die abhängigen Ansprüche 2-13 beruhten auf den erteilten Ansprüchen 2-13, wobei ihre Bezeichnung "Vorrichtung" in "Verfahren" entsprechend Anspruch 1 geändert wurde. Somit seien die Änderungen im Hinblick auf Artikel 123 EPÜ zulässig.
Ein Verfahren gemäß Anspruch 1 sei durch D6 nicht nahegelegt. Aufgabe sei es, ein Verfahren zur besseren, realistischeren Simulation zu entwickeln. Die Messung des Garndurchmessers sei nur als eine Möglichkeit in D6 erwähnt, ihre Durchführung aber nicht beschrieben. Darüber hinaus umfasse das in D6 beschriebene Verfahren auch keinen Optimierungs-Schritt, wie er im letzten Merkmal des Anspruchs 1 angegeben ist.
e) zum Hilfsantrag 4
Mit der Änderung im Anspruch 1 würde zum Ausdruck gebracht, dass die Optimierung nicht mehr nur eine Möglichkeit des Verfahrens ist, sondern tatsächlich als Schritt des Verfahrens "durchgeführt wird".
IX. Die Beschwerdegegnerin trug im wesentlichen folgende Argumente vor
a) zur Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde sei unzulässig, da aus der Beschwerdeschrift 3 Personen als Beschwerdeführer in Frage kämen und somit nicht eindeutig sei, in wessen Namen sie eingelegt wurde.
b) zur Zulassung von D9 und D10 zum Verfahren
D9 und D10 stellten nur einen Nachweis für den Stand der Technik dar, auf den im Patent im Absatz [0017] hingewiesen wird. Sie offenbarten die drei Merkmale des Messgerätes nach Anspruch 1 und seien daher prima facie hochrelevant für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Den Druckvermerken ließe sich auch entnehmen, dass sie zum Stand der Technik gehörten. Ihr Inhalt sei darüber hinaus leicht verständlich, so dass sie zum Verfahren zugelassen werden sollten.
c) zur erfinderischen Tätigkeit - Hauptantrag, Hilfsantrag 1
Nächstliegender Stand der Technik für den Gegenstand des Anspruchs 1 sei die aus D6 bekannte Vorrichtung. Strittig sei, ob die folgenden, nicht miteinander wechselwirkenden Merkmale des Anspruchs nahegelegt seien:
- Berechnung des Gewebes aufgrund des gemessenen Garndurchmessers,
- geforderte Genauigkeit des Messgerätes,
- absolute Messung,
- Messung im IR-Bereich.
Die objektive Aufgabe sei darin zu sehen, die Gewebesimulation aufgrund anderer Garn-Eigenschaften durchzuführen.
Hinsichtlich des ersten Merkmals offenbare D6 in verschiedenen Passagen, dass die bekannte Vorrichtung geeignet sei, den Garndurchmesser zu bestimmen. In Abschnitt 8.6 werde auf die zukünftigen Entwicklungen und in Unterabschnitt 3 ausdrücklich auf die Messung des Garndurchmessers und seiner Variation für komplexere Gewebe-Simulationen hingewiesen.
Die drei das Messgerät betreffenden Merkmale, die jedes für sich genommen allein schon durch normale fachmännische Überlegungen nahegelegt seien, seien aus D9 und D10 bekannt. Ihre Verwendung in einer Vorrichtung aus D6 sei für den Fachmann auf dem Gebiet der textilen Messtechnik naheliegend.
d) zum Hilfsantrag 2
Die Änderung der abhängigen Ansprüche verstoße gegen die Bestimmungen der Artikel 123(2) und (3) EPÜ. Die ursprünglich auf eine Vorrichtung bezogenen Merkmale seien jetzt als Merkmale eines Verfahrens definiert, wofür es keine Offenbarung in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen gebe und was außerdem zu einer Erweiterung des Schutzbereiches führe.
Mit der aus D6 bekannten Vorrichtung werde ein Verfahren durchgeführt, bei dem nach Messung der Reflektivität und Definition der frei definierbaren Bindung das Real-Gewebe aufgrund der gemessenen Reflektivität und der definierten Bindung berechnet und dargestellt wird, was aus Abschnitt 7.3.2.1 hervorgehe. In Abschnitt 8.5 werde unter Ziffer 5 auch auf die Möglichkeit der Anpassung und Optimierung des Gewebes an die Garnparameter durch die Veränderbarkeit der Bindungen hingewiesesn. Wie zuvor bezüglich der Vorrichtung gezeigt wurde, liege es für den Fachmann nahe, das Simulations-Verfahren auch mittels der Messung des Garndurchmessers durchzuführen und somit ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen.
e) zum Hilfsantrag 4
Für den Fachmann sei klar, dass der technische Zweck des Verfahrens nur die Optimierung von Geweben sein könne, so dass sich durch diese Änderung des letzten Verfahrensmerkmals von einem möglichen in einen durchzuführenden Verfahrensschritt keine erfinderische Tätigkeit begründen lasse.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
1.1 Im Rubrum der Beschwerdeschrift wurde der Patentinhaber, Ingenieurbüro Dieter Zweigle, genannt. Die Beschwerde wurde hingegen im Namen der Zweigle Textilmaschinen GmbH mit der Anschrift des Patentinhabers eingelegt, die nicht Partei im Einspruchsverfahren war und folglich auch nicht zur Beschwerde berechtigt war. Wie der vormalige Vertreter in seiner Erklärung glaubhaft gemacht hat, handelt es sich bei der Nennung der GmbH im Textteil der Beschwerdeschrift offensichtlich um einen Fehler, der bei ihrer Endkontrolle übersehen wurde. Auch die begleitend mit der Beschwerdeschrift eingereichte, für das Europäische Patentamt vorbereitete Empfangsbestätigung und das an Herrn Dieter Zweigle gerichtete Fax betreffend die Einreichung der Beschwerdebegründung belegen, dass der vormalige Vertreter mit der Absicht und in dem Glauben gehandelt hat, die Beschwerde im Namen des Patentinhabers eingereicht zu haben.
Da der Name des Patentinhabers sowie seine Anschrift in der Beschwerdeschrift genannt ist und die wirkliche Absicht des vormaligen Vertreters zweifelsfrei erkennbar ist, konnte die Beschwerdeschrift hinsichtlich des Beschwerdeführers auf Dieter Zweigle berichtigt werden (Regel 139 Satz 1 EPÜ). Damit entspricht die Beschwerdeschrift dem Erfordernis der Regel 99(1) a) EPÜ. An der Identität des Beschwerdeführers und an seiner Berechtigung besteht daher kein Zweifel (Artikel 107 EPÜ 1973).
Da auch alle weiteren in Regel 101(1) EPÜ genannten Erfordernisse erfüllt sind, ist die Beschwerde zulässig.
1.2 Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass für die Person des Beschwerdeführers neben der GmbH zwei weitere Personen in Frage kommen, nämlich Dieter Zweigle und das Ingenieurbüro Dieter Zweigle, ist unzutreffend. Da eine Rechtsform "Ingenieurbüro" nicht existiert, kann nur davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Ingenieurbüro Dieter Zweigle und Dieter Zweigle um ein und dieselbe natürliche Person handelt. Dies wird in der unbestrittenen Erklärung Dieter Zweigles bestätigt, in der er angibt, alleiniger Inhaber des Ingenieurbüros zu sein. Somit besteht kein Zweifel über die Person des Beschwerdeführers.
2. Zulassung von D9 und D10 in das Verfahren
2.1 Nach Artikel 13(1) Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (ABl. 11/2007, 537, 542) steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt. Die Einreichung neuer Dokumente stellt eine Änderung des Vorbringens dar. D9 und D10 wurden nach Einreichung der Beschwerdebegründung und damit verspätet und zwar erst .wenige Wochen vor der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereicht. In einem so späten Zeitpunkt kann ein geändertes Vorbringen nur dann berücksichtigt werden, wenn die Komplexität dieses Vorbringens und die gebotene Verfahrensökonomie dem nicht entgegenstehen. D9 und D10 sind nicht umfangreich und inhaltlich leicht verständlich; Bedenken hinsichtlich der Komplexität ihres Inhalts wurden von der Beschwerdeführerin nicht geäußert. Ihre Berücksichtigung führt darüber hinaus auch nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens. Da die Druckschriften außerdem für die Frage erfinderischer Tätigkeit prima facie hoch relevant sind, sind sie in das Verfahren einzuführen.
2.2 Von der Beschwerdeführerin wurde angezweifelt, dass die beiden Entgegenhaltungen vorveröffentlicht seien.
2.2.1 D10 trägt auf der letzten Seite den Druckvermerk "238-8/91-1.5d1". Im allgemeinen bezeichnet in solchen Druckvermerken die Angabe "8/91" das Druck- oder Fertigstellungsdatum der Broschüre, hier also August 1991. Von der Beschwerdeführerin wurde insbesondere die Bedeutung der Ziffernfolgen "238" und "1.5d1" in Frage gestellt. Sie hat aber keine Argumente dahingehend vorgebracht, dass die normale Auslegung der Angabe "8/91" als Datum im vorliegenden Fall nicht gültig sei, so dass D10 als vorveröffentlicht anzusehen ist.
2.2.2 Mit Blick auf den Druckvermerk "R1-IN E.PM5 3/11/05" wurde von der Beschwerdeführerin bezweifelt, dass D9 vorveröffentlicht sei. Es kann aber dahin gestellt bleiben, ob speziell dieser der Kammer vorgelegte Auszug einer Bedienungsanleitung tatsächlich als vorveröffentlicht angesehen werden kann. Aufgrund der Übereinstimmung der Angaben in D9 und D10 hinsichtlich des Messprinzips, insbesondere der Anordnung des Garns und der Messkopf-Komponenten (IR-Sendediode, Referenzempfänger, Messfeld-Empfänger) sowie der erzielten Messgenauigkeit, und aufgrund des langen Zeitraums, der D9 und D10 trennt (14 Jahre), kann davon ausgegangen werden, dass das Messprinzip zumindest auf dem Gebiet der Spinnmaschinen bekannt war und, wenn überhaupt, dann nur unwesentliche Änderungen erfahren haben kann. Ungeachtet des sich aus dem Druckvermerk von D9 ergebenden Datums, kann daher mit Sicherheit angenommen werden, dass der dargestellte Messkopf auch schon zum Zeitpunkt der Niederlegung des Inhalts der Bedienungsanleitung (siehe Urheberrechtsvermerk 1995, Ausgabe/Version Oktober 1995) die offenbarten Merkmale aufwies. D9 dient deshalb im Zusammenhang mit D10 als Beleg dafür, dass Messköpfe zur Messung des Durchmesser mit IR-Licht und einer Genauigkeit von 1/100 mm zum Stand der Technik gehörten.
3. Hauptantrag
3.1 Es herrscht Einigkeit zwischen den Parteien, dass die aus D6 bekannte Vorrichtung den nächstliegenden Stand der Technik für den Gegenstand des Anspruchs 1 bildet.
3.2 Fachmann für den Gegenstand des Streitpatents ist ein Textilingenieur mit umfassenden Kenntnissen in der Garnverarbeitung und der Messtechnik, der gegebenenfalls durch einen Programmierer unterstützt wird.
3.3 Die Vorrichtung aus D6 weist eine Anzeigeeinheit, eine Bindungseingabevorrichtung zur Eingabe und Änderung frei definierbarer Bindungen (Kapitel 7.3, 7.3.1, 7.3.2.1(e)), ein Messgerät, das geeignet ist zur Messung des Garndurchmessers (Kapitel 6.2.6.2, letzter Absatz), sowie eine Vorrichtung zur Ansteuerung des Messgeräts und Auswertung auf (Kapitel 6.2.4). Die Vorrichtung ist auch geeignet, Gewebe aufgrund gemessener Garneigenschaften zu berechnen und darzustellen (Kapitel 7.3.3, 7.4.1).
Da die Vorrichtung in der Weise programmiert ist, dass Parameter von Garn und Gewebe, wie z.B. die Bindungsart, der Garndurchmesser oder die gemessene Garn-Reflektivität vom Benutzer zu Beginn einer Gewebe-Simulation eingegeben werden (Kapitel 7.3.2 und 8.5, Ziffer 5), ist es möglich, die Berechnung mit veränderten Parametern, so z.B. mit einer anderen Bindungsart, zu wiederholen, so dass eine Anpassung und Optimierung des Real-Gewebes an die gemessenen individuellen Garneigenschaften (z.B. die Reflektivität) möglich ist.
Die Vorrichtung aus D6 weist auch ein Messgerät auf, das grundsätzlich geeignet ist, den Garndurchmesser bei geeigneter Kalibrierung sogar kontinuierlich zu messen (letzter Absatz des Kapitels 6.2.6.2, Kapitel 8.4, Ziffer 1, zweiter Absatz). Die Vorrichtung ist aber so programmiert, dass für die Simulation des Gewebes der Garndurchmesser konstant gesetzt wird (Kapitel 7.3.2.1, Buchstabe a, Programm-Code auf Seite 304).
3.4 D6 offenbart allerdings nicht eindeutig und zweifelsfrei, dass die Vorrichtung, die in den Kapiteln 6 und 7 beschrieben ist,
a) geeignet ist, Gewebe als Real-Gewebe aufgrund gemessener Garndurchmesser zu berechnen und eine Anpassung und Optimierung des Real-Gewebes an die gemessenen individuellen Garndurchmesser zu ermöglichen,
und
b) die Merkmale des Messgeräts im kennzeichnenden Teil des Anspruchs aufweist.
3.5 Die in 3.4 genannten unterscheidenden technischen Merkmale haben die technischen Effekte:
a´) Real-Gewebe anhand von anderen gemessenen Garn-Eigenschaften zu simulieren ;
b´) die Messung des Garndurchmessers unabhängig vom Einfluss der Umgebungshelligkeit und mit erhöhter Genauigkeit durchzuführen.
Die objektive Aufgabe kann daher darin gesehen werden, die aus D6 bekannte Vorrichtung weiterzubilden, um eine genauere Simulation von Real-Geweben anhand anderer gemessener Garneigenschaften mittels eines geeigneten Messgeräts zu erhalten.
3.6 D6 weist zur Lösung dieser Aufgabe bereits den Weg, der auch im Streitpatent eingeschlagen wurde. In Kapitel 8.6 wird unter dem Titel "Vorschläge für zukünftige Forschung" ("Suggestions For Future Research") unter Ziffer 3 angeregt, unter anderem die Messung des Garndurchmessers und seiner Variation in anspruchsvolleren Gewebe-Simulations-Programmen zu verwenden. Somit ist es für den Fachmann naheliegend, die Messung der Reflektivität durch die Messung der Garndurchmessers zu ersetzen (oder zu ergänzen). Dies erfordert im wesentlichen Kenntnisse in der Programmierung der bekannten Vorrichtung, für die der Fachmann gegebenenfalls einen Programmierer heranziehen würde. Der Fachmann würde daher allein durch die Anregungen in D6 und ohne erfinderisch tätig zu werden die bekannte Vorrichtung so einrichten und programmieren, dass sie geeignet wäre, Gewebe als Real-Gewebe aufgrund gemessener Garndurchmesser zu berechnen und eine Anpassung und Optimierung des Real-Gewebes an die gemessenen individuellen Garndurchmesser zu ermöglichen.
3.7 Der Fachmann, der sich mit der Verbesserung der Simulation von Geweben befasst, die auf dem gemessenen Garndurchmesser und dessen Variation beruht, würde dabei selbstverständlich auch nach geeigneten Messsystemen Ausschau halten. Allein schon aufgrund der im Kapitel 6.2.6.3 beschriebenen notwendigen Kalibrierungsmaßnahmen würde er den Austausch oder die Ergänzung der in D6 verwendeten Messanordnung erwägen. Wenn es darum geht, Garndurchmesser möglichst genau zu bestimmen, würde er bei seiner Suche insbesondere das Gebiet der Garnherstellung mitberücksichtigen. Auf diesem Gebiet ist es zur Qualitätsbeurteilung und -sicherung gesponnenen Garns erforderlich, dessen Eigenschaften mit geeigneten Sensoren kontinuierlich zu erfassen. Wie bereits im Patent in Absatz [0017] offenbart und von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde, gehörten insbesondere die Barco-Messköpfe zum Stand der Technik, auch wenn sie nicht speziell in Kombination mit Vorrichtungen zur Gewebeentwicklung verwendet worden sind. Aus D9 geht hervor, dass die dort in einer Spinnmaschine eingesetzten Barco-Messköpfe nach dem Prinzip einer absoluten Messung arbeiten, IR-Licht verwenden und eine Genauigkeit von 1/100 mm erreichen. Auch D10 dokumentiert einen Messkopf für Garndurchmesser in einer Spinnmaschine nach dem gleichen Mess-Prinzip und mit den gleichen Merkmalen, wie sie in D9 beschrieben werden. Für den Fachmann war es naheliegend, Messköpfe nach dem in D9 und D10 offenbarten Prinzip aufgrund ihrer augenscheinlichen Vorteile (Unabhängigkeit vom Umgebungslicht, Messgenauigkeit, Wegfall aufwendiger Kalibrierung) in einer Vorrichtung zur Entwicklung von Garnen auf Basis gemessener Garndurchmesser, wie sie durch D6 nahegelegt ist, zu verwenden und damit ohne erfinderisch tätig zu sein, zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen (Artikel 56 EPÜ 1973).
3.8 Zwar standen dem Fachmann zur Messung des Garndurchmessers neben dem sichtbaren und dem IR-Bereich des Spektrums prinzipiell auch alternative Wellenlängenbereiche (UV, monochromatisch) zur Verfügung. Es wurde aber nicht gezeigt, dass solche Systeme im Stand der Technik eingesetzt wurden und somit dem Fachmann eine echte Alternative zu den aus D9 und D10 bekannten Messköpfen gewesen wären. Wie die Beschwerdeführerin auch ausgeführt hat, ist IR-Licht besonders für die Messung des Garndurchmessers geeignet, weil Fremdlichtanteile die Messung nicht beeinflussen. Diesem Vorteil liegt allerdings keine für den Fachmann überraschende Erkenntnis zugrunde, sondern war bereits Stand der Technik (D9, D10). Damit hätte der Fachmann insbesondere dann, wenn die Messung von Garn-Eigenschaften nicht notwendigerweise im sichtbaren Wellenlängenbereich erfolgen muss (anders als bei der Gewebe-Simulation auf Grundlage der Garnreflektivität), IR-Messköpfe bei seinen Überlegungen zur Verbesserung der bekannten Vorrichtung berücksichtigt.
3.9 Wie bereits oben gesagt, ist auch die Tatsache, dass D9 und D10 Messköpfe für die Garnüberwachung im Spinnprozess betreffen, kein Grund, sie bei der Weiterentwicklung einer Vorrichtung zur Entwicklung von Geweben auszuschliessen. Die Fachgebiete der Garnherstellung und Gewebeentwicklung sind eng verwandte Gebiete. Dem einschlägigen Fachmann war zumindest bekannt, dass bei der Garnherstellung Systeme zur Garnüberwachung Stand der Technik waren. Aus diesem Grund lag es für ihn nahe, sie auf der Suche nach geeigneten Messgeräten für den Durchmesser berücksichtigen.
4. Hilfsantrag 1
Da der Gegenstand des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrags identisch mit dem des Hauptantrags ist, kann auch dieser Hilfsantrag nicht gewährt werden.
5. Hilfsanträge 2 und 4
5.1 Nach Artikel 13(1) Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (ABl. 11/2007, 537, 542) steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt. Die Hilfsanträge 2 und 4 wurden nach Einreichung der Beschwerdebegründung und damit verspätet und zwar erst eineinhalb Monate vor der mündlichen Verhandlung eingereicht. Die Zulassung neuer Anträge in einem so späten Verfahrensstadium ist nur dann verfahrensökonomisch, wenn sie nicht von vornherein ungeeignet sind, die Zweifel an der Gewährbarkeit von Ansprüchen auszuräumen.
5.2 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 geht aus der Kombination der unabhängigen Ansprüche 1 und 14 des Hauptantrags hervor und betrifft ein Verfahren zur Optimierung von Real-Geweben aufgrund gemessener Garndaten mit einer Vorichtung zur Entwicklung von Geweben, wobei die Vorrichtung die Merkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags umfasst. Die Vorrichtung ist, wie oben gezeigt, für den Fachmann nahegelegt. Bei der Verwendung einer solchen Vorrichtung wird, nachdem der Garndurchmesser gemessen und die Bindungen mittels der Eingabevorrichtung frei definiert wurden, aufgrund dieser Parameter das Real-Gewebe berechnet und auf der Ausgabeeinheit dargestellt. Somit kann das erste Merkmal, welches im Anspruch auf die Definition des Messgeräts folgt, keinen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit leisten.
Das zweite Merkmal definiert im wesentlichen nur eine Möglichkeit, die das Verfahren bereithalten soll: "durch die Veränderbarkeit der definierten Bindung des Gewebes eine Anpassung und Optimierung des Real-Gewebes an die gemessenen individuellen Garndurchmesser möglich ist".
Diese Möglichkeit ist nicht nur inhärent bei der Verwendung der naheliegenden Vorrichtung (das Verfahren kann prinzipiell wiederholt und mit geänderten Parametern durchgeführt werden) sondern wird auch durch D6 nahegelegt. In Kapitel 7.3.2.1 wird unter Buchstabe e) die Möglichkeit zur Eingabe verschiedener Bindungen ("weave structure") des zu simulierenden Gewebes offenbart. Im Kapitel 8.5, das die Ergebnisse der Computer-Simulation des Aussehens des Gewebes zusammenfasst, wird unter Ziffer 5 angeregt, mit den gleichen Garnparametern eine Vielzahl anderer Bindungen zu simulieren und somit den Einfluss auf die Struktur zu demonstrieren. Es ist für den Fachmann naheliegend diesen Einfluss der Bindung auf das Aussehen des simulierten Real-Gewebes auch bei wiederholten Berechnungen zu demonstrieren, die auf dem gemessenen individuellen Garndurchmesser beruhen.
Die Beschwerdeführerin sieht dagegen in D6 keine Offenbarung oder Anregung für eine Optimierung. Dieser Ansicht kann die Beschwerdekammer nicht folgen, da der eigentliche Zweck von Simulationen auf Basis eines Datensatzes unter Veränderung eines Parameters nur darin bestehen kann, die Ergebnisse zu vergleichen und daraus das nach objektiven oder subjektiven Kriterien ermittelte jeweilige beste Ergebnis auszuwählen. Auf diese Weise wird eine Optimierung ermöglicht (und in der Praxis regelmäßig durchgeführt).
Somit ist der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrag 2 nicht erfinderisch (Artikel 56 EPÜ 1973).
5.3 Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob die Änderungen der Kategorie der abhängigen Ansprüche unter Artikel 123(2) und (3) EPÜ gewährbar wären. So wurde bei den abhängigen Ansprüchen nur die Bezeichnung "Vorrichtung" durch "Verfahren" ersetzt. Diese Änderung führt zum Beispiel beim Anspruch 2 dazu, dass statt der Vorrichtung nun das Verfahren dadurch gekennzeichnet ist, dass die definierte Bindung graphisch dargestellt wird. Damit wird auch eine graphische Darstellung erfasst, die nicht mit den Mitteln der Vorrichtung realisiert wird, wofür es im Patent und in den ursprünglichen Unterlagen keine Offenbarung zu geben scheint. Die Änderung scheint also gegen die Bestimmung des Artikels 123 (2) EPÜ zu verstoßen. Außerdem scheint sie den Schutzbereich auf Verfahren auszudehnen, die nun andere Mittel als die Vorrichtung zur graphischen Darstellung benutzt, was einem Verstoß gegen die Bestimmung des Artikels 123 (3) EPÜ entspricht.
5.4 Da die Änderungen am Anspruch 1 nicht geeignet sind, den Einwand fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973) auszuräumen und die Änderung der abhängigen Ansprüche Zweifel an ihrer Gewährbarkeit unter Artikel 123 EPÜ aufkommen lassen, wird der Hilfsantrag 2 nicht zum Verfahren zugelassen.
5.5 Der Wortlaut des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 unterscheidet sich von dem des Hilfsantrags 2 nur durch den Austausch seiner letzten beiden Wörter "möglich ist" durch "durchgeführt wird". Dies kann aber an der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens nichts ändern. Wenn der Fachmann die Möglichkeit eines Verfahrensschritts nahegelegt sieht, dann wird er diesen Verfahrensschritt auch durchführen. Aus diesem Grund ist die Änderung am Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 nicht geeignet, den Einwand fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973) auszuräumen, so dass auch dieser Hilfsantrag nicht zum Verfahren zugelassen wird.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.