T 1546/06 () of 10.2.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T154606.20090210
Datum der Entscheidung: 10 Februar 2009
Aktenzeichen: T 1546/06
Anmeldenummer: 98104629.5
IPC-Klasse: F16F 7/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Energieabsorberelement
Name des Anmelders: Bombardier Transportation GmbH
Name des Einsprechenden: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0023/86
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) gegen das europäische Patent Nr. 0 874 176 eingelegte, auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ 1973 gestützte Einspruch, in dem zum Stand der Technik auf folgende Druckschriften verwiesen wurde

E1: CH-A-265 703

E2: GB-A-2 134 211

wurde von der Einspruchsabteilung mit der am 28. Juli 2006 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.

II. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr am 28. September 2006 Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung ist am 16. November 2006 eingegangen.

Die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

III. In ihrer am 3. April 2007 eingegangenen Beschwerdeerwiderung widersprach die Beschwerdegegnerin den Ausführungen der Beschwerdeführerin und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Der Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lautet wie folgt:

"1. Energieabsorberelement, insbesondere Energieabsorberelement für Schienenfahrzeuge, welches aus mehreren ineinandergefügten rohrförmigen Elementen (1, 2) aufgebaut ist, die aus unterschiedlichen Werkstoffen bestehen, dadurch gekennzeichnet, dass im Schadensfall ein erstes rohrförmiges Element (1) durch Bruch in einer fortlaufenden Bruchzone des ersten rohrförmigen Elementes (1) und ein zweites rohrförmiges Element (2) durch abrollende Verformung Energie aufnimmt."

V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin kann wie folgt zusammengefasst werden:

Der einzige Unterschied des Gegenstands des Patentanspruchs 1 zum aus E2 oder E1 bekannten Stand der Technik sei darin zu sehen, dass beim zweiten rohrförmigen Element eine abrollende Verformung statt einer Auffaltung im Schadensfall erfolge.

Abgesehen davon, dass der Begriff "abrollende Verformung" nicht klar definiert sei, sei auch nicht zu erkennen, durch welches technische Merkmal im Patentanspruch des Streitpatents erreicht werden soll, dass eine wie auch immer geartete Verformung erfolge.

Falls durch den Begriff "abrollende Verformung" ein fortlaufendes Umbiegen des rohrförmigen Elements nach hinten gemeint sein sollte, wie in der Zeichnung des Streitpatents dargestellt, sei damit nur eine einfache Variante einer Auffaltung gegeben, die einen Patentschutz nicht begründen könne. Die kinetische Energie werde bei der so genannten abrollenden Verformung nämlich genauso wie beim Auffalten abgebaut, indem das rohrförmige Element umgebogen werde. Bei beiden Varianten erfolge das Umbiegen fortlaufend über die Länge des Elements. Der einzige unbedeutende Unterschied sei, dass beim Auffalten ein Hin-und Her-Biegen erfolge, während bei der abrollenden Verformung laufend in eine Richtung gebogen werde. Der Patentanspruch 1 habe somit wegen fehlender erfinderischer Leistung keinen Bestand.

VI. Zu der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumentation ist die Beschwerdegegnerin der Auffassung, dass der Patentanspruch 1 im Lichte der Beschreibung und Zeichnungen des Patents klar sei und dass dessen Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstands

2.1 Der der Erfindung am nächsten kommende Stand der Technik ist in E2 zu finden, denn E1 zeigt kein rohrförmiges Element, das durch Bruch in einer fortlaufenden Bruchzone Energie aufnimmt. E2 beschreibt ein Energieabsorberelement, welches aus mehreren ineinandergefügten rohrförmigen Elementen 2,3 aufgebaut ist. Die ineinandergefügten Elemente bestehen aus unterschiedlichen Werkstoffen. Im Schadensfall wird Energie durch Bruch in einer fortlaufenden Bruchzone 6 des ersten rohrförmigen Elements 3 und durch die Verformung des zweiten rohrförmigen Elements 1 aufgenommen.

2.2 Die Parteien sind sich darin einig, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sich vom dem aus E2 bekannten Energieabsorberelement lediglich dadurch unterscheidet, dass das zweite rohrförmige Element die Energie durch eine abrollende Verformung aufnimmt.

2.3 Die Beschwerdeführerin hat die Klarheit des Begriffes "abrollende Verformung" bemängelt.

2.3.1 Die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes hat oftmals bestätigt, dass Klarheit keinen Einspruchsgrund darstellt. Im Einklang mit T 23/86 (vgl. ABl. 1987, 316) sind in einem solchen Fall, wo sich die Patentinhaberin und die Einsprechende über die Bedeutung eines Begriffes in einem Anspruch nicht einig sind, die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Ansprüche heranzuziehen, um den objektiven Inhalt eines Anspruchs festzustellen und die Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit beurteilen zu können.

2.3.2 Den Figuren sowie der zugehörigen Beschreibung der Patentschrift ist eindeutig zu entnehmen, dass es sich bei der "abrollenden Verformung" um das fortlaufende Abrollen einer Verformungszone (Deformationsbereich 23) des zweiten rohrförmigen Elements 2 entlang des ersten rohrförmigen Elements 1 (Figuren 2-3 und 4) oder entlang einer durch die ineinandergefügten rohrförmigen Elemente vorgegebenen zylindrischen Fläche (Figur 1) handelt (siehe Patentschrift Spalte 3, Zeilen 41 bis 46 und Spalte 3, Zeilen 56 bis 58, sowie Spalte 4, Zeile 11). Dabei stabilisieren sich die rohrförmigen Elemente gegenseitig und die Knickstabilität des zweiten rohrförmigen Elements wird durch das erste rohrförmige Element unterstützt, um die Fließeigenschaften bei der Deformation des zweiten Elements zu verbessern (Spalte 2, Zeilen 47-53). Aus der Beschreibung und den Figuren des Streitpatents geht hervor, dass die Verformung (Deformationsbereich 23) des zweiten rohrförmigen Elements, welche durch ihr Abrollen Energie verzehren soll, durch einen umgestülpten Bereich des zweiten rohrförmigen Elements initiiert wurde.

2.3.3 Es handelt sich somit bei der "abrollenden Verformung" um einen für den Fachmann zumindest vor dem Hintergrund der Beschreibung und der Zeichnungen des Streitpatents klar umrissenen Begriff.

2.4 Zur erfinderischen Tätigkeit

2.4.1 Die Beschwerdegegnerin hat glaubhaft dargelegt, dass wenn die Energieabsorption durch Faltung bzw. Stauchung erfolgt, wie aus E1 oder E2 bekannt, lediglich lokal begrenzte Verformungszonen des Energieabsorbers einer plastischen Verformung unterliegen, während zwischen diesen lokalen Verformungszonen liegende Abschnitte des Energieabsorbers keine nennenswerte plastische Verformung erfahren und damit nicht zur Energieabsorption beitragen.

Demgegenüber erfolgt bei Energieabsorption durch Abrollen eines im Ausgangszustand des Absorbers initiierten Deformationsbereiches eine vollständige plastische Verformung des Materials des Energieabsorbers im Bereich der abrollenden Verformungszone, sodass der gesamte Bereich des Energieabsorbers, den die abrollende Verformung durchläuft, eine plastische Verformung erfährt und damit zur Energieabsorption beiträgt. Durch die beanspruchte abrollende Verformung wird eine gleichmäßigere Absorption der Energie im Vergleich zu einer Energieabsorption durch Faltung bzw. Stauchung erreicht.

2.4.2 Die beiden Varianten zur Energieabsorption betreffen somit grundsätzlich verschiedene Absorptionsmechanismen, so dass es sich bei der abrollenden Verformung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents nicht, wie seitens der Beschwerdeführerin behauptet, lediglich um eine einfache Variante der aus den Entgegenhaltungen El und E2 bekannten Energieabsorption durch Faltung bzw. Stauchung handelt.

2.4.3 Dieser Unterschied schlägt sich in der Konstruktion der Energieabsorber nieder. So ist bei den aus der E1 oder E2 bekannten und über eine Faltung bzw. Stauchung Energie aufnehmenden Absorbern keine anfängliche Verformung (Umstülpung) vorgesehen, wie sie in der Patentschrift dargestellt ist.

2.4.4 Der Fachmann, der vor der objektiven Aufgabe steht, den Energieabsorber aus Dokument E2 hinsichtlich der Energieabsorption zu verbessern, erhält weder aus Dokument E2 selbst, noch aus Dokument El einen Hinweis, an Stelle der aus beiden Dokumenten bekannten Faltrohre einen Absorber zu verwenden, bei dem die Energieabsorption durch abrollende Verformung erfolgt.

2.4.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents ergibt sich somit nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik und beruht demgemäß auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.5 Die abhängigen Ansprüche betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen des Gegenstands des Anspruchs 1 und haben in Zusammenhang mit diesem Bestand.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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