T 1545/06 (Bindungspartner für 5-HT5-Rezeptoren/ABBOTT) of 24.9.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T154506.20090924
Datum der Entscheidung: 24 September 2009
Aktenzeichen: T 1545/06
Anmeldenummer: 00901526.4
IPC-Klasse: A61P 9/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Bindungspartner für 5-HT5-Rezeptoren zur Migränebehandlung
Name des Anmelders: Abbott GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Änderungen - Erweiterungen (bejaht) - Merkmalskombination in Haupt- und Hilfsantrag nicht individualisiert offenbart
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 00 901 526.4 wurde unter dem Aktenzeichen PCT/EP00/00142 eingereicht, als WO 00/41472 publiziert und mit der am 28. April 2006 zur Post gegebenen Entscheidung der Prüfungsabteilung nach Artikel 97(1) EPÜ 1973 zurückgewiesen.

II. Der Wortlaut der unabhängigen Patentansprüche 1 und 8 nach Hauptantrag (Anspruchssatz A, wie mit Schreiben vom 9. September 2005 eingereicht) war:

"1. In vitro-Screening-Verfahren zur Identifizierung von Verbindungen zur Behandlung migräneartiger cerebrovasculärer Störungen, dadurch gekennzeichnet, daß man die Affinität von Verbindungen für einen 5-HT5-Rezeptor bestimmt und diejenigen 5-HT5-Bindungspartner ausliest, deren Bindungsaffinität für den 5-HT5-Rezeptor mindestens um den Faktor 10 größer ist als deren Bindungsaffinität für einen 5-HT1D-Rezeptor.

8. Verwendung wenigstens eines Bindungspartners für einen 5-HT5-Rezeptor, dessen Bindungsaffinität für den 5-HT5-Rezeptor mindestens um den Faktor 10 größer ist als dessen Bindungsaffinität für einen 5-HT1D-Rezeptor, zur Herstellung eines Mittels zur Behandlung migräneartiger cerebrovasculärer Störungen."

III. Die Prüfungsabteilung führte in ihrer Entscheidung unter Bezug auf die Bescheide vom 29. März 2005 und vom 31. Oktober 2005 letztlich aus, dass der Gegenstand der Anmeldung in Form des geltenden Anspruchs 8 des Hauptantrags, das entspricht dem Anspruchssatz A, wie mit Schreiben vom 9. September 2005 eingereicht, und der jeweils entsprechenden Ansprüche 8 beziehungsweise 7 der Hilfsanträge 1 bis 4, das waren die Anspruchssätze B bis E gleichen Datums, wegen Mängeln im Hinblick auf Artikel 83 EPÜ 1973 nicht patentierbar sei.

IV. Die Anmelderin (Beschwerdeführerin) hat gegen diese Entscheidung Beschwerde erhoben und einen neuen Anspruchssatz eingereicht.

Die darin weiterhin enthaltenen unabhängigen Patentansprüche 1 und 8 beziehen sich nun auf die konkrete Erkrankung Migräne an Stelle der "migräneartigen cerebrovasculären Störungen" und lauten somit:

"1. In vitro-Screening-Verfahren zur Identifizierung von Verbindungen zur Behandlung von Migräne, dadurch gekennzeichnet, daß man die Affinität von Verbindungen für einen 5-HT5-Rezeptor bestimmt und diejenigen 5-HT5-Bindungspartner ausliest, deren Bindungsaffinität für den 5-HT5-Rezeptor mindestens um den Faktor 10 größer ist als deren Bindungsaffinität für einen 5-HT1D-Rezeptor.

8. Verwendung wenigstens eines Bindungspartners für einen 5-HT5-Rezeptor, dessen Bindungsaffinität für den 5-HT5-Rezeptor mindestens um den Faktor 10 größer ist als dessen Bindungsaffinität für einen 5-HT1D-Rezeptor, zur Herstellung eines Mittels zur Behandlung von Migräne."

V. Die Kammer hat in einem zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung zur Post gegebenen Bescheid auf möglicherweise bestehende Mängel dieser Anspruchsfassung, insbesondere hinsichtlich der Artikel 123(2), 83 und 84 EPÜ sowie des Artikels 57 EPÜ hingewiesen.

Mit Bezug auf Artikel 123(2) EPÜ wurde ausgeführt, dass ein Screening-Verfahren, wie in Patentanspruch 1 formuliert, möglicherweise aus dem ursprünglichen Patentanspruch 18 wegen der dortigen Rückbezüge und aus der Beschreibung wegen der dort damit verbundenen zusätzlichen Details nicht abzuleiten wäre.

Bezogen auf die Patentansprüche 1 und 8 seien im Übrigen die Merkmale "10-fache Bindungsaffinität" und "5-HT1D-Rezeptor" möglicherweise der ursprünglichen Anmeldung im beanspruchten, direkten Zusammenhang nicht entnehmbar.

VI. Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 24. Juli 2009 Stellung genommen und zusätzlich eine Anspruchsfassung nach Hilfsantrag 1 vorgelegt.

VII. Die mündliche Verhandlung hat am 24. September 2009 stattgefunden. In ihrem Verlauf hat die Beschwerdeführerin den Hilfsantrag 1 durch eine Anspruchsfassung mit dem folgenden Patentanspruch 1 ersetzt.

Er lautet:

"In vitro-Screening-Verfahren zur Identifizierung von Verbindungen zur Behandlung von Migräne, dadurch gekennzeichnet, daß man Verbindungen mit einen 5-HT5-Rezeptor aufweisenden zellulären Systemen in Kontakt bringt, die Affinität der Verbindungen für den 5-HT5-Rezeptor bestimmt und diejenigen 5-HT5-Bindungspartner ausliest, deren Bindungsaffinität für den 5-HT5-Rezeptor mindestens um den Faktor 10 größer ist als deren Bindungsaffinität für einen 5-HT1D-Rezeptor, einen 5-HT1B-Rezeptor, oder für einen 5-HT1D-Rezeptor und einen 5-HT1B-Rezeptor, wobei die Bindungsaffinität der Verbindungen für die Rezeptoren die im Kompetitionsexperiment unter Verwendung von [**(3)H]-5-CT als Vergleichsbindungspartner bestimmte Hemmkonstante Ki ist."

VIII. Der Vortrag der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Die ursprüngliche Offenbarung der Merkmale in Patentanspruch 1 nach Hauptantrag sei dadurch gegeben, dass auf der Grundlage der beanspruchten selektiven Bindungspartner für den 5-HT5-Rezeptor auch im beanspruchten Screening-Verfahren bezüglich der Selektivität als Verhältniszahl von Bindungsaffinitäten in einer Einheit nach der Maßzahl und nach dem Bezug zu fragen sei. Daraus ergebe sich einheitlich die Zusammenstellung

- der Zahl 10 aus den offenbarten Verhältniszahlen für relative Bindungsaffinitäten gegenüber 5-HT5-Rezeptoren

- mit dem Bezug zu den Bindungsaffinitäten gegenüber 5-HT1D-Rezeptoren.

Im Übrigen sei die Offenbarung eines "ersten" erfindungsgemäßen Verfahrens gegenüber "weiteren erfindungsgemäßen Verfahren" bereits als bevorzugte Stellung zu sehen und zumindest der IC50-Wert und die Hemmkonstante Ki seien bereits wegen ihrer Berechnung nach der bei Beispiel 2 angegebenen Formel für die Bildung eines Verhältnisses solcher Werte mathematisch völlig gleichbedeutend und austauschbar.

Im Hinblick auf Patentanspruch 1 des Hilfsantrags sei ausgehend von einer Kombination aus den ursprünglichen Patentansprüchen 18 und 13 die Verwendung der Referenzsubstanz [**(3)H]-5-CT ([**(3)H]-5-Carboxamidotryptamin) in den Kompetitionsexperimenten zusammen mit der Verhältniszahl größer als 10 für die Bindungsaffinität zum 5-HT5-Rezeptor gegenüber der Bindungsaffinität zu 5-HT1D-Rezeptor, 5-HT1B-Rezeptor oder 5-HT1D-Rezeptor und 5-HT1B-Rezeptor klar und eindeutig offenbart, gegebenenfalls auch mit Blick auf das Referenzbeispiel 4.

IX. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent auf Basis entweder ihres Hauptantrags (eingereicht am 7. September 2006 mit der Beschwerdebegründung) oder ihres Hilfsantrags (eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer) zu erteilen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Anspruchsfassung nach dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrag wird zum Verfahren zugelassen, weil es sich um einen bona fide Versuch handelt, die von der Kammer in der Verhandlung aufgeworfenen Einwendungen auszuräumen.

3. Hauptantrag; ursprüngliche Offenbarung (Artikel 123(2) EPÜ):

3.1 Mit Bezug auf den Begriff Selektivität im Zusammenhang mit den ursprünglich beanspruchten selektiven Bindungspartnern für 5-HT5-Rezeptoren (siehe ursprünglich eingereichter Patentanspruch 1) wird auf Seite 4, Zeilen 9 bis 13 der ursprünglich eingereichten Beschreibung ausgeführt, dass besondere Bindungspartner diejenigen seien, deren Bindungsaffinität für 5-HT5-Rezeptoren größer sei als für 5-HT1-Rezeptoren, insbesondere für 5-HT1D- und/oder 5-HT1B-Rezeptoren.

Zudem sei "für die vorstehend geschilderte Selektivität maßgebend", dass sich die Bindungsaffinitäten für 5-HT5-Rezeptoren einerseits und für einen oder mehrere von 5-HT5 verschiedene 5-HT-Rezeptoren andererseits hinreichend unterschieden. Bevorzugt seien Affinitätsunterschiede, wonach Bindungsaffinitäts-Verhältnisse von wenigstens 2, vorteilhafter von wenigstens 5, besonders vorteilhaft von wenigstens 10, vorzugsweise von wenigstens 20, besonders bevorzugt von wenigstens 50 und insbesondere von wenigstens 100 vorlägen (Seite 4, Zeilen 18 bis 26).

Eine individualisierte oder gar hervorgehobene Offenbarung von 5-HT5-Bindungspartnern, deren Bindungsaffinität für den 5-HT5-Rezeptor gerade mindestens um den Faktor 10 größer ist als deren Bindungsaffinität für einen 5-HT1D-Rezeptor (und etwa nicht für einen 5-HT1B-Rezeptor oder für beide) ist den zitierten Textstellen nicht zu entnehmen.

3.2 Auch aus dem restlichen Beschreibungstext ist eine individuelle Hervorhebung des Faktors 10 oder des 5-HT1D-Rezeptors, insbesondere hinsichtlich einer eigens um diesen Faktor verschiedenen Bindungsaffinität anspruchsgemäß geeigneter Bindungspartner nicht erkennbar.

3.3 Zusätzlich ist mit Bezug auf das im Patentanspruch 1 definierte Screening-Verfahren anzumerken, dass im dafür einschlägigen Offenbarungsteil, nämlich bei der Offenbarung des Verfahrensanspruchs im Gegensatz zum Sachanspruch, in den Ursprungsunterlagen mehrere verschiedene Screening-Verfahren als anmeldungsgemäß vorgestellt wurden.

3.3.1 Als "Gegenstand der vorliegenden Erfindung" sind sie auf Seite 9 der Beschreibung ab Zeile 23 eingeführt. Ab Seite 10, Zeile 20 ist zunächst ein "erstes erfindungsgemäßes Verfahren" charakterisiert, welches zur Bestimmung der Affinität und/oder Selektivität von Bindungspartnern für 5-HT5-Rezeptoren dient. Zu diesem Zweck bringe man den Bindungspartner mit 5-HT5-Rezeptoren in Kontakt, und bestimme die Bindungsaffinität.

Es wird also als eine von drei Varianten auch ein Verfahren zur Bestimmung der Selektivität vorgestellt, wobei der danach folgende Satz offensichtlich dafür wesentliche Merkmale zu seiner Durchführung enthält, nämlich das in Kontakt bringen und die Bestimmung der Bindungsaffinität als entscheidenden Parameter (mit nachfolgenden Definitionen der Bindungsaffinität in der weiteren Beschreibung). Diese Merkmale sind im vorliegenden Patentanspruch 1 des Hauptantrags nicht repräsentiert; eine besondere Hervorhebung des Verfahrens zur Bestimmung der Selektivität gegenüber der Bestimmung der Affinität oder der Bestimmung von beiden ist auch nicht erkennbar.

3.3.2 Darüber hinaus sind danach (ab Seite 10, Zeile 26) sogar weitere erfindungsgemäße Verfahren genannt, die die Bestimmung der Aktivität von Bindungspartnern für 5-HT5-Rezeptoren, nämlich die Bestimmung agonistischer, teilagonistischer, antagonistischer und/oder teilantagonistischer Wirkung beträfen. Zu diesem Zweck bringe man den Bindungspartner mit 5-HT5-Rezeptoren in Kontakt und bewerte die durch die Bindung hervorgerufenen Effekte. Von der Wortwahl her stellen sich diese weiteren Verfahren gleichberechtigt neben das "als erstes" genannte Verfahren; der Begriff "erstes" dient dabei nur der Herstellung der Reihenfolge in der Nennung und ist kein besonderes Hervorhebungsmerkmal.

Völlig konsequent in dieser Linie wird anschließend im von Seite 10 auf 11 übergreifenden Absatz der Beschreibung ein dreistufiges Verfahren als bevorzugt herausgestellt, bei dem Bindungspartner einem primären Screening unterzogen werden, indem man ihre Bindungsaffinität zu 5-HT5-Rezeptoren mit einem [**(3)H]-5-CT- oder [**(3)H]-5-LSD-Kompetitionsexperiment bestimmt. Diejenigen Bindungspartner, die eine Hemmkonstante IC50 im Bereich von 10**(-6)M oder weniger aufwiesen, würden dann einem sekundären Screening unterzogen, indem man ihre Effektorfunktion insbesondere im Hinblick auf die GTP-Bindung und/oder die intrazellulären Calcium-Spiegel bewerte. Schließlich würden die so ausgewählten Bindungspartner zur Selektivitätsbestimmung einem Gegen-Screening unterzogen, indem man ihre Bindungsaffinität zu weiteren 5-HT-Rezeptoren gegebenenfalls unter Verwendung der für den jeweiligen Rezeptor spezifischen Liganden bestimme. Beispielsweise könne man [**(3)H]-8-Hydroxy-di-propylaminotetralin ([**(3)H]-8-DPAT) für Bindungsstudien an 5-HT1A-Rezeptoren verwenden, während 5-HT1B- und 5-HT1D-Rezeptoren mit [**(3)H]-5-CT-Kompetitionsexperimenten untersucht werden könnten.

3.3.3 Das mit dem Hauptantrag beanspruchte in vitro-Screening-Verfahren, bei dem lediglich die Affinität von Verbindungen für einen 5-HT5-Rezeptor bestimmt wird und diejenigen 5-HT5-Bindungspartner ausgelesen werden, deren Bindungsaffinität für den 5-HT5-Rezeptor mindestens um den Faktor 10 größer ist als deren Bindungsaffinität für einen 5-HT1D-Rezeptor und bei dem weiter anspruchsgemäß zumindest zunächst gar keine anderen Effekte untersucht werden, ist der auf das Screening-Verfahren bezogenen Offenbarung lediglich als eine von verschiedenen, gegenüber der bevorzugten sogar nachgeordnete Variante entnehmbar und das auch nur indirekt, indem bereits aus den Alternativen der "Bestimmung der Affinität und/oder Selektivität von Bindungspartnern für 5-HT5-Rezeptoren" von mehreren möglichen genau die beanspruchte Lehre ausgewählt wurde.

3.4 Aus all diesen Gründen ist der mit dem Hauptantrag vorgelegte Patentanspruch 1 wegen unzulässiger Erweiterung im Sinne des Artikels 123(2) EPÜ nicht gewährbar.

4. Hilfsantrag; ursprüngliche Offenbarung (Artikel 123(2) EPÜ):

4.1 Die Merkmale des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag leiten sich - dem Vortrag der Beschwerdeführerin folgend - von einer Kombination der Patentansprüche 18 und 13 aus der ursprünglich eingereichten Anmeldung ab.

Das entspricht einem

in vitro-Screening-Verfahren zur Identifizierung eines 5-HT5-Rezeptor-Bindungspartners, wobei ein Verfahren zur Bestimmung der Affinität von Bindungspartnern für 5-HT5-Rezeptoren zur Anwendung kommt, bei dem man den Bindungspartner mit 5-HT5-Rezeptoren aufweisenden zellulären Systemen in Kontakt bringt und die Bindungsaffinität bestimmt.

Damit wäre ein eindeutiger Zusammenhang mit dem vorstehend unter Punkt 3.3.1 dieser Entscheidung dargestellten "ersten erfindungsgemäßen Verfahren" mit der "Bestimmung der Affinität und/oder Selektivität von Bindungspartnern für 5-HT5-Rezeptoren" hergestellt, wobei aber immer noch offen ist, warum damit gerade der Faktor 10 zwischen Bindungsaffinitäten einer Testsubstanz und der Vergleichssubstanz verknüpft sein soll, und zwar bei einer Messung der Hemmkonstante Ki als Maßzahl für die Bindungsaffinität mit [**(3)H]-5-CT als Referenz im Kompetitionsexperiment.

4.2 Wie auch im Bescheid zur mündlichen Verhandlung schon dargestellt, gibt es in den ursprünglich eingereichten Unterlagen bereits drei verschiedene Definitionen der Bindungsaffinität.

Als Maßzahl für die Bindungsaffinität kommen nämlich

- die Dissoziationskonstante (Beispiel 1 auf Seite 21)

- der IC50-Wert (Seite 5, Zeilen 26 bis 36) oder die

- Hemmkonstante Ki (Seite 5, Zeilen 38 bis 46)

in Frage.

4.3 Darüber hinaus sind bei den Methoden zur Bestimmung der Bindungsaffinität im Absatz von Seite 7 zu Seite 8 der Beschreibung drei Referenzsubstanzen aufgeführt, nämlich "bekannte Liganden für 5-HT-Rezeptoren, wie 5-HT oder 5-CT oder LSD (Seite 8, Zeile 2).

Im Zusammenhang mit den im selben Absatz als bevorzugt genannten radioaktiven und optischen Markierungen für Bindungsstudien an 5-HT5-Rezeptoren sollen dann "erfindungsgemäß 5-CT oder LSD insbesondere in Form von [**(3)H]-LSD" verwendet werden, selbst das wären aber immer noch zwei mögliche Varianten.

4.4 Somit ist aus den Anmeldungsunterlagen die im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag gewählte Ausführungsform hinsichtlich

- des Faktors 10,

- der Maßzahl für die Bindungsaffinität und

- der chemischen Natur der Referenzsubstanz im Kompetitionsexperiment

nicht individualisiert entnehmbar.

Auch der Gegenstand dieses Patentanspruchs stellt sich als unzulässige Erweiterung gegenüber der Offenbarung in den ursprünglich eingereichten Unterlagen dar. Er ist damit ebenfalls nicht gewährbar.

5. Die weiteren Argumente der Beschwerdeführerin können unter diesen Umständen ebenfalls nicht greifen:

5.1 Die Beschwerdeführerin wollte für die beanspruchte Relation der Bindungsaffinitäten der Testsubstanz gegenüber 5-HT5-Rezeptoren und gegenüber anderen Rezeptoren die Zahl für das Verhältnis dieser Bindungsaffinitäten zusammen mit der Festlegung des Bezugsrezeptors als einheitliches, zusammengehöriges Merkmal sehen.

Selbst wenn der Fachmann jedoch zur Darstellung eines bestimmten Sachverhalts die Angabe von zwei Parametern erwartet, so sind diese dennoch noch nicht automatisch so verbunden, dass sie ein einziges Merkmal im patentrechtlichen Sinne darstellen.

Speziell im vorliegenden Fall braucht man sowohl die beanspruchte Verhältniszahl als auch die Bezugssubstanz, aber dennoch sind beide unabhängig voneinander wählbar; sie sind durch keine Regel aus dem Fachwissen des zuständigen Fachmanns miteinander verbunden und bleiben daher auch zwei verschiedene Merkmale.

In der Folge davon hätten sie bereits ursprünglich im beanspruchten Zusammenhang offenbart sein müssen, was wie vorstehend dargestellt, für den Patentanspruch 1 des Hauptantrags nicht der Fall ist.

5.2 Bezüglich Patentanspruch 1 des Hilfsantrags argumentierte die Beschwerdeführerin, dass als nach der Beschreibung mögliche Maßzahlen für die Bindungsaffinität der IC50-Wert und die Hemmkonstante Ki im anspruchsgemäßen Zusammenhang im Grunde austauschbar und gleichbedeutend seien.

Zunächst kommt es aber darauf alleine gar nicht an, zumal bereits für die Definition der Bindungsaffinität schon drei Varianten offenbart sind und weil auch - wie vorstehend dargestellt - noch weitere Merkmale in den ursprünglichen Unterlagen nicht in der beanspruchten Zusammenstellung individualisiert offenbart sind.

Dennoch ist zum zitierten Argument dieser Austauschbarkeit folgendes anzumerken:

Im Bescheid zur mündlichen Verhandlung wurde - ergänzend zur Nennung der Dissoziationskonstante als dritte Möglichkeit - schon beispielhaft erläutert, dass sich aus den von der Beschwerdeführerin in den Tabellen zum Beispiel 2 selbst genannten Werten bereits zeige, dass bei einem Wechsel vom IC50-Wert zur Hemmkonstante Ki mit abweichenden Ergebnissen für die Quotienten von Bindungsaffinitäten zu rechnen ist.

Auch der Begleittext zu den Tabellen in Beispiel 2 (Seiten 21 und 22 der Beschreibung), der besagt, dass nach der Bestimmung der IC50-Werte "in einer weiteren Testreihe" auch die Hemmkonstanten Ki "bestimmt" wurden, lässt grundsätzlich eine rein rechnerische Ermittlung durch Multiplikation der IC50-Werte mit einer als Formel angegebenen konstanten Größe (1/(1+C/Kd)) nicht zu (Formel in Zeile 43 auf Seite 21).

Somit lässt sich die Aussage der Beschwerdeführerin im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung, IC50-Werte und Ki-Werte seien abgesehen von einer Konstante beziehungsweise im Rahmen der Messgenauigkeit als konstant zu beurteilenden Größe rein rechnerisch voneinander ableitbar und somit im Hinblick auf die Bestimmung eines Vergleichsfaktors wie etwa 10 zwischen zwei Bindungsaffinitäten als quasi identisch zu beurteilen, auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Wissens des Durchschnittsfachmanns, zumindest nicht klar und eindeutig aus den vorgelegten Unterlagen ableiten.

Selbst wenn es so wäre, bliebe als weitere Variante hinsichtlich der anspruchsgemäßen Bindungsaffinität nach Beispiel 1 immer noch die Dissoziationskonstante, die an Stelle von IC50- oder Ki-Werten auch in Frage käme und als zusätzliche Größe dazu führt, dass die anspruchsgemäße Zusammenstellung von Ki-Wert für Bindungsaffinität und Verhältniszahl 10 nicht individualisiert in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart ist.

5.3 Im Hinblick auf eine eindeutige Offenbarung der Verwendung von [**(3)H]-5-CT als Referenzsubstanz in den Kompetitionsexperimenten hat die Beschwerdeführerin auf die Ausführungen in den ersten drei Zeilen der Beschreibung auf Seite 11 und auf das Referenzbeispiel 4 hingewiesen.

Die Fundstelle auf Seite 11 betrifft nun aber gerade das bevorzugte Screening-Verfahren, das durch die Offenbarungsbasis "ursprüngliche Patentansprüche 18 und 13" ausgegrenzt worden ist. Es wird dort als bevorzugt angegeben, dass als Gegen-Screening nach dem sekundären Screening der Effektorfunktion die Bindungsaffinität zu weiteren 5-HT-Rezeptoren bestimmt wird, und zwar gegebenenfalls unter Verwendung der für den jeweiligen Rezeptor spezifischen Liganden. Dabei könnten 5-HT1B-Rezeptoren und 5-HT1D-Rezeptoren mit [**(3)H]-5-CT-Kompetitionsexperimenten untersucht werden.

Sogar an dieser Stelle wird aber auch nur von "gegebenenfalls" und von "können" gesprochen, ohne konkrete Zuordnungen zu treffen. Darüber hinaus geht es dabei um die Bestimmung von Bindungsaffinitäten in einem dem Screening der Effektorfunktion nachgeschalteten Schritt. Eine allgemeine und gar festlegende Bedeutung für die Bildung einer Verhältniszahl von Bindungsaffinitäten mit Bezug auf 5-HT1D- und 5-HT1B-Rezeptoren ist an dieser Stelle nicht erkennbar, ebenso, wie Referenzbeispiel 4 in seinem Abschnitt a) zwar die Bestimmung einer Bindungsaffinität unter Verwendung von [**(3)H]-5-CT beschreibt, im Abschnitt b) dieses Referenzbeispiels aber bereits [**(3)H]-LSD verwendet wird.

6. Nachdem, wie vorstehend dargestellt, keine der mit Hauptantrag oder Hilfsantrag vorliegenden Anspruchsfassungen einen gewährbaren Patentanspruch 1 enthielt, war die Anmeldung insgesamt zurückzuweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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