T 1343/06 (Schaumprodukt zur Haarbehandlung/WELLA AG) of 16.9.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T134306.20100916
Datum der Entscheidung: 16 September 2010
Aktenzeichen: T 1343/06
Anmeldenummer: 03008416.4
IPC-Klasse: A61K 7/11
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Aerosolschaum- oder Pumpschaumprodukt zur Haarbehandlung
Name des Anmelders: Wella Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Änderungen (zulässig)
Erfinderische Tätigkeit (ja): wegweisende Lehre im Stand der Technik
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 29. März 2006 eingegangene Beschwerde richtet sich gegen die am 3. März 2006 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit welcher die europäische Patentanmeldung Nr. 03 008 416.4 mit der Veröffentlichungsnummer EP-A-1 362 576 zurückgewiesen wurde.

II. Die Prüfungsabteilung vertrat die Auffassung, dass unter anderem im Hinblick auf die Druckschriften

(3) EP-A-0 943 312 und

(6) WO 99/66888

der Gegenstand der Ansprüche gemäß damals geltendem Hauptantrag und Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ beruhe.

III. Die Prüfungsabteilung führte in der angefochtenen Entscheidung insbesondere aus, dass der Gegenstand der Ansprüche gemäß der damals geltenden Anträge neu sei gegenüber den zitierten Druckschriften. Ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik, wie in Druckschrift (3) beschrieben, habe die objektive technische Aufgabe darin bestanden, weitere Schaumprodukte zur Haarbehandlung bereitzustellen. Die Lösung, nämlich die Verwendung eines kationischen Cellulosederivates anstelle des in den Beispielen von Druckschrift (3) eingesetzten kationischen Vinylpyrrolidonderivates sei jedoch bereits durch Druckschrift (3) allein nahegelegt. Daher beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 der damals geltenden Anträge nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

IV. In einer Mitteilung der Kammer vom 23. September 2009, sowie mit einem Annex zu Ladung gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 23. Juni 2010 teilte die Kammer dem Anmelder die Mängel hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit mit.

V. Der Beschwerdeführer reichte in der mündlichen Verhandlung am 16. September 2010 vor der Kammer geänderte Ansprüche 1 bis 8 ein. Der Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 1 dieses Antrages lautet wie folgt:

"1. Aerosolschaum- oder Pumpschaumprodukt zur Haarbehandlung, bestehend aus einer verschäumbaren Zusammensetzung mit einem Gehalt an

(a) mindestens einem kationischen Cellulosederivat, das ausgewählt ist aus Copolymeren aus Hydroxyethylcellulose und Diallyldimethylammonium-chlorid (Polyquaternium-4)

(b) Chitosan,

(c) mindestens einer Säure zur Neutralisation des Chitosans, wobei die Säure ausgewählt ist aus Ameisensäure, Weinsäure, Äpfelsäure, Zitronensäure, Pyrrolidoncarbonsäure und Salzsäure und

(d) einem geeigneten Lösungsmittelsystem,

wobei das Gewichtsverhältnis des kationischen Cellulosederivats (a) zum Chitosan (b) kleiner als 2 ist und die Zusammensetzung entweder zusammen mit mindestens einem Treibmittel (e) in einer druckfesten Verpackung oder ohne Treibmittel in einer Verpackung mit einer mechanischen Vorrichtung zum Verschäumen abgefüllt ist, sowie gegebenenfalls mindestens einem Tensid (f),

mindestens einem haarfärbenden Stoff, Parfümölen in einer Menge von 0,01 bis 0,5 Gew.%; Konservierungsmitteln in einer Menge von 0,01 bis 1,0 Gew.%; Puffersubstanzen in einer Menge von 0,1 bis 1,0 Gew.%; Pflegestoffen in einer Menge von 0,1 bis 5 Gew.%; physiologisch verträglichen Silikonderivaten in einer Menge von 0,05 bis 20 Gew.%; Lichtschutzmitteln, Antioxidantien, Radikalfängern, Antischuppenwirkstoffen, Glanzgebern und Kämmbarkeitsverbesserern in einer Menge von je 0,01 bis 2 Gew.%, sowie gegebenenfalls mindestens einem nichtionischen filmbildenden Polymeren."

VI. Der Beschwerdeführer argumentierte, dass Druckschrift (3), wie auch die Streitanmeldung, das Ziel hätten, die Bildung von Rückständen auf dem Haar zu verringern. Die Aufgabe werde in Druckschrift (3) durch den Zusatz einer fluorierten Säure gelöst, während die Verwendung von fluorierten Säuren im Streitpatent ausgeschlossen sei. Da Druckschrift (3) somit von der Lösung des Streitpatentes weg weist, beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ. Die während des schriftlichen Verfahrens mit Schriftsatz vom 27. März 2006, sowie mit Schriftsatz vom 26. März 2010 eingereichten Anträge verfolgte er nicht mehr weiter.

VII. Der Beschwerdeführer beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen: Ansprüche 1 bis 8, eingereicht während der mündlichen Verhandlung.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde die Entscheidung verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig

2. Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)

Der geltende unabhängige Anspruch 1 (siehe Paragraph V supra) basiert auf dem Wortlaut des ursprünglichen Anspruchs 1 und wurde dahingehend abgeändert, dass die Komponente (a) auf Copolymere aus Hydroxyethylcellulose und Diallyldimethylammoniumchlorid (Polyquaternium-4) und die Komponente (c) auf Säuren ausgewählt aus Ameisensäure, Weinsäure, Äpfelsäure, Zitronensäure, Pyrrolidoncarbonsäure und Salzsäure beschränkt wurden. Diese Änderungen finden ihre Grundlage in den ursprünglichen Ansprüchen 2 und 6 der Streitanmeldung. An das Ende des ursprünglichen Anspruchs 1 wurde angefügt, dass das Produkt aus den Komponenten (a) bis (d) besteht, "sowie gegebenenfalls mindestens einem Tensid (f)," basierend auf dem ursprünglichen Anspruch 7, "mindestens einem haarfärbenden Stoff," basierend auf dem ursprünglichen Anspruch 11, "Parfümölen in einer Menge von ...., Glanzgebern und Kämmbarkeitsverbesserern in einer Menge von je 0,01 bis 2 Gew.%," basierend auf der Testpassage Seite 20, Zeile 24 bis Seite 21, Zeile 5 der Streitanmeldung, "sowie gegebenenfalls mindestens einem nichtionischen filmbildenden Polymeren" basierend auf dem ursprünglichen Anspruch 9. Die Änderung der offenen Formulierung des ursprünglichen Anspruchs 1 von "umfassend" in die geschlossene Formulierung "bestehend aus" findet ihre wesentliche Basis auf Seite 20, Zeile 22 der Streitanmeldung. Diese Passage offenbart für das erfindungsgemäße Produkt über die Komponenten (a) bis (d) hinaus lediglich die weiteren, nunmehr im Anspruch genannten, üblichen Zusatzbestandteile. Der jeweils in den geltenden Anspruch 1 aufgenommene Gegenstand der ursprünglichen Ansprüche 2, 6, 7, 9 und 11 ist durch entsprechende Rückbezüge in diesen Ansprüchen in Kombination offenbart.

Daher erfüllen die vorgenommenen Änderungen die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.

3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

In der angefochtenen Entscheidung wurde die Neuheit des Gegenstandes des damaligen, breiteren Anspruchs 1 von der Erstinstanz nicht infrage gestellt. Da der geltende Anspruch 1 durch zusätzliche technische Merkmale beschränkt ist, sieht auch die Kammer keine Veranlassung, von sich aus die Neuheit des Gegenstandes des geltenden Anspruchs 1 in Zweifel zu ziehen, so dass sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

4.1 Anspruch 1 der Streitanmeldung betrifft ein Aerosolschaum- oder Pumpschaumprodukt zur Haarbehandlung, welches geringe Rückstandsbildung aufweist und welches aus mindestens einem kationischen Polymer, Chitosan, einer Säure zur Neutralisation des Chitosans in einem geeigneten Lösungsmittelsystem, sowie aus weiteren Zusatzstoffen besteht.

4.2 Druckschrift (3) offenbart ebenfalls ein derartiges Produkt, nämlich ein Mittel zur Haarbehandlung mit verbessertem Rückstandsverhalten, welches Chitosan enthält und als Schaumprodukt in Form eines Aerosolsprays oder Pumpsprays bereitgestellt wird. Es können ebenfalls Polymere, die unter der Bezeichnung "Polyquaternium" bekannt sind, eingesetzt werden. Zur Neutralisation des Chitosan können neben den fluorierten Säuren auch Säuren wie Ameisensäure, Weinsäure, Äpfelsäure, Zitronensäure, Pyrrolidoncarbonsäure und Salzsäure mitverwendet werden, die Anwesenheit mindestens einer fluorierten Säure ist jedoch obligatorisch (siehe Ansprüche 4, 10, 14 und 16; Beispiele 1, 2, 4, 6, 7; Seite 3, Zeilen 54 bis 55; Seite 4, Zeilen 19 bis 23; Seite 6, Zeilen 20 bis 38).

In Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung, sowie dem Beschwerdeführer, stellt diese Druckschrift daher den nächstliegenden Stand der Technik dar.

4.3 Wie vom Beschwerdeführer während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragen, war es die Aufgabe der Streitanmeldung, ausgehend von diesem Stand der Technik alternative Schaumprodukte mit geringer Rückstandsbildung bereitzustellen.

4.4 Als Lösung dieser Aufgabe schlägt die Streitanmeldung das Aerosolschaum- oder Pumpschaumprodukt gemäß Anspruch 1 vor, in welchem die Anwesenheit von fluorierten Säuren ausgeschlossen ist.

4.5 Zum Beleg für eine erfolgreiche Lösung verweist der Beschwerdeführer auf Seite 2, Zeilen 19 bis 26 der Streitanmeldung, in der die Rückstandsproblematik bei Verwendung von neutralisierten Chitosanen erwähnt wird, die durch das anmeldungsgemäße Produkt vermieden werden. Es erscheint glaubhaft, dass die angebotene Lösung, welche eine Alternative zu den Produkten des nächstliegenden Standes der Technik darstellt, die unter Punkt 4.3 supra formulierte Aufgabe erfolgreich löst.

4.6 Es bleibt nunmehr zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann eine Anregung bot, die unter Punkt 4.3 supra genannte Aufgabe durch Weglassen der fluorierten Säure zu lösen.

4.7 Die Vermeidung der Bildung von Rückständen wird in der nächstliegenden Druckschrift (3) gerade dadurch gelöst, dass dem Produkt obligatorisch eine fluorierte Säure zugesetzt wird (Seite 2, Zeilen 26 bis 28). Somit hätte der Fachmann ausgehend von dieser Druckschrift nicht in Betracht gezogen, fluorierte Säuren weg zu lassen, wenn er ein alternatives Produkt mit ebenfalls geringer Rückstandsbildung angestrebt hätte, da er der Druckschrift (3) die Lehre entnimmt, dass diese geringe Rückstandsbildung ursächlich auf die Verwendung der fluorierten Säuren zurückzuführen ist. Diese Lehre weist somit von der gemäß Streitanmeldung angebotenen Lösung weg, gemäß welcher die Verwendung von fluorierten Säuren ausgeschlossen wird.

Auch die Druckschrift (6), welche ein Haarpflegeprodukt auf Basis von Polyquaternium-4 und Chitosan offenbart, kann dem Fachmann keinen Hinweis auf die erfindungsgemäße Lösung der unter Punkt 4.3 supra genannten technischen Aufgabe geben, da diese Druckschrift weder die Rückstandsproblematik anspricht, noch die Säuren offenbart, welche gemäß der Streitanmeldung zur Neutralisation des Chitosans eingesetzt werden.

4.8 Die Kammer kommt daher zum Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 dem Fachmann durch keine der angezogenen Druckschriften, weder einzeln noch in Kombination nahegelegt wird und damit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 8 betreffen weitere Ausführungsformen des Verfahrens des Anspruchs 1 und werden von dessen Patentfähigkeit getragen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit den Ansprüchen 1 bis 8, eingereicht während der mündlichen Verhandlung und einer noch anzupassenden Beschreibung zu erteilen.

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