T 1291/06 () of 4.4.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T129106.20070404
Datum der Entscheidung: 04 April 2007
Aktenzeichen: T 1291/06
Anmeldenummer: 98100770.1
IPC-Klasse: C08F 2/30
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verwendung eines hydrophilen Polyurethans in wässrigen Systemen
Name des Anmelders: Henkel Kommanditgesellschaft auf Aktien
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
Schlagwörter: Neuheit - nach Änderung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0925/98
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die am 31. März 2006 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung mit der Nr. 98 100 770.1 (veröffentlicht unter EP-A-0 839 832) zurückzuweisen.

Grundlage der Entscheidung waren die mit Schreiben vom 15. Februar 2005 eingereichten Ansprüche 1-9. Anspruch 1 lautete:

"Verwendung eines hydrophilen hochmolekularen nichtionischen wasserlöslichen Polyurethans mit einer spezifischen Viskosität von mindestens 0,4 (1 %ige wäßrige Lösung bei 20ºC) in einem wäßrigen System als Stabilisator bei der Emulsionspolymerisation oder als Verdickungsmittel, wobei das Polyurethan die folgenden Struktureinheiten aufweist:

a) -O(-CH2-CH2-O)n-,

wobei n = 8 bis 500, insbesondere 20 bis 300 ist

b) -CO-NH-X-NH-CO-,

wobei X ein aliphatischer, alicylischer oder aromatischer Rest ist, und

c) -O-Y-O-,

wobei Y ein hydrophober Rest ist, insbesondere entweder

(-CH2-CH(CH3)-O)m-CH2-CH(CH3)-,

(-CH2CH(C2H5)-O)m-CH2-CH(C2H5)- und

(-CH2-CH2-CH2CH2-O)m-CH2-CH2-CH2CH2-)

mit m = 8 bis 500, insbesondere 20 bis 300, oder aber Alkylen- oder Cycloalkylen-Gruppen mit 6 bis 44, insbesondere bis 36 C-Atomen ausgewählt aus 1,10-Decandiol, 1,12-Dodecandiol, 1,12-Octadecandiol, Dimerfettsäurediol, 1,2-Octandiol, 1,2-Dodecandiol, 1,2-Hexadecandiol, 1,2-Octadecandiol, 1,2-Tetradecandiol, 2-Buten-1,4-diol, 2-Butin-1,4-diol, 2,4,7,9-Tetramethyl-5-decin-4,7-diol, Ethoxylierungsprodukte des 2,4,7,9-Tetramethyl-5-decin-4,7-diols mit bis zu 30 Molen EO, Monofettsäureester des Glycerins mit Fettsäuren, welche bis zu 22 C-Atomen enthalten, insbesondere Glycerinmonoester der Behensäure, Ölsäure, Stearinsäure oder Myristinsäure,

wobei c) von 5 bis 40, insbesondere 5 bis 30, vorzugsweise 5 bis 25 Gew.-%, bezogen auf a) + c) im Polyurethan ausmacht."

Die abhängigen Ansprüche 2-9 betrafen bevorzugte Ausführungsformen des Gegenstandes des Anspruchs 1.

II. Die Prüfungsabteilung stützte ihre Entscheidung darauf, dass das Dokument

D1: US-A-4 496 708

dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Artikel 54 EPÜ neuheitsschädlich entgegenstehe. Insbesondere verwies sie auf die in den Beispielen 1-10 von D1 hergestellten Polyurethane, die alle in Anspruch 1 geforderten Merkmale aufweisen.

III. Gegen diese Entscheidung legte der Beschwerdeführer (Anmelder) am 29. Mai 2006 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein. Zusammen mit der Beschwerdebegründung, eingegangen am 7. Juni 2006, reichte der Beschwerdeführer neue Anspruchssätze (Haupt- und 1. Hilfsantrag) ein.

IV. In einem Bescheid, der der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, hat die Kammer gegenüber den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anspruchssätzen Bedenken geäußert, insbesondere im Hinblick auf Artikel 84, 123(2) und 54 EPÜ.

V. Der Beschwerdeführer hat daraufhin mit Schreiben vom 2. März 2007 einen neuen (einzigen) Anspruchsatz als Hauptantrag vorgelegt und die früheren Ansprüche gemäß Haupt- und 1. Hilfsantrag zurückgezogen.

VI. Am 4. April 2007 hat eine mündliche Verhandlung vor der Kammer stattgefunden. Nach der Diskussion des vorliegenden Hauptantrags hat der Beschwerdeführer einen neuen Anspruchssatz mit den Ansprüchen 1-10 als Hauptantrag eingereicht.

a) Anspruch 1 lautete:

"Verwendung eines hydrophilen hochmolekularen nichtionischen wasserlöslichen Polyurethans mit einer spezifischen Viskosität von mindestens 0,4 (1 %ige wässrige Lösung bei 20ºC) in einem wässrigen System als Stabilisator bei der Emulsionspolymerisation oder als Verdickungsmittel, wobei das Polyurethan die folgenden Struktureinheiten aufweist:

a) -O(-CH2-CH2-O)n-,

wobei n = 8 bis 500 ist und wobei sich die Einheit -O(-CH2-CH2-O)n- von als Diole eingesetzten Polyethyleglykolen (sic) ableitet,

b) -CO-NH-X-NH-CO-,

wobei sich die Gruppe -CO-NH-X-NH-CO- von einem Diisocyanat ableitet und X ein aliphatischer, alicylischer oder aromatischer Rest ist, und

c) -O-Y-O-,

wobei sich die Gruppe -O-Y-O- von einem Diol ableitet, das ausgewählt ist aus:

c1) ethergruppenhaltigen hydrophoben Diolen mit Molgewichten von 250 bis 6000, ausgewählt aus: Polypropylenglykol, Polybutylenglykol, Polytetrahydrofuran, Polybutandiol,

c2) 1,10-Decandiol, 1,12-Dodecandiol, 2-Buten-1,4-diol, 2-Butin-1,4-diol,

wobei c) von 2 bis 40 Gew.-%, bezogen auf a) + c) im Polyurethan ausmacht."

Die abhängigen Ansprüche 2-10 betrafen bevorzugte Ausführungsformen des Gegenstandes des Anspruchs 1.

b) Die Kammer erhob keine Einwände gegen diesen Anspruchssatz im Hinblick auf Artikel 123(2), 84 und 54 EPÜ.

c) Der Beschwerdeführer beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und die Angelegenheit an die Vorinstanz zur weiteren Prüfung der erfinderischen Tätigkeit zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 EPÜ und der Regel 64 EPÜ und ist daher zulässig.

2. Änderungen

2.1 Der geänderte Anspruch 1 basiert auf einer Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 und 6, wobei die Struktureinheiten a) bis c) durch Merkmale näher charakterisiert wurden, die in der ursprünglich eingereichten Beschreibung wörtlich genannt sind:

Für die Struktureinheit a) wurde das Merkmal hinzugefügt, dass sich diese Einheit von als Diolen eingesetzten Polyethylenglykolen ableitet. Dieses Merkmal stützt sich auf Seite 5, 2. Absatz der ursprünglich eingereichten Beschreibung.

Dass sich die Struktureinheit b) von einem Diisocyanat ableitet und X ein aliphatischer, alicyclischer oder aromatischer Rest ist, basiert auf Seite 7, 4. Absatz der ursprünglich eingereichten Beschreibung.

Die Diole der Gruppen c1) und c2) der Struktureinheit c) sind im 2. Absatz der Seite 6 der ursprünglich eingereichten Beschreibung offenbart. Der Anteil der Struktureinheit c), 2-40 Gew.-% bezogen auf a) + c), ergibt sich aus der Kombination eines allgemeinen Bereichs (0-40) mit einem bevorzugten engeren Bereich (2-30), die beide im ursprünglichen Anspruch 6 offenbart sind. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist damit der Bereich von 2-40 Gew.-% eindeutig durch die ursprünglichen Unterlagen gestützt (siehe T 925/98 vom 13. März 2001, nicht im ABl. EPA veröffentlicht).

2.2 Die abhängigen Ansprüche 2-8 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2, 3, 4 (teilweise), 5, 7, 9 und 10. Die abhängigen Ansprüche 9 und 10 haben im ursprünglichen Anspruch 6 genannte bevorzugte Bereiche der Struktureinheiten a) und c) zum Gegenstand.

2.3 Somit erfüllen die vorliegenden Ansprüche 1-10 die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ. Auch im Hinblick auf Artikel 84 EPÜ sind die Ansprüche nicht zu beanstanden.

3. Neuheit

3.1 Das in der angefochtenen Entscheidung zitierte Dokument D1 offenbart wasserlösliche Polyurethane, die ein hydrophiles Polyether-Rückgrat aufweisen und kammartig daran hängende monovalente hydrophobe Gruppen ausreichender Größe aufweisen, um eine geeignete hydrophile/lipophile Balance (HLB) zu erzeugen (Abstract). Die Kammpolymere enthalten Struktureinheiten, die sich von einem organischen Polyisocyanat, einem Polyethylenglykol-Homo- oder Copolymer und einem hydrophoben Reaktand ableiten (Spalte 3, Zeilen 52-56).

Das gemäß Anspruch 1 verwendete Polyurethan weist eine Struktureinheit c) auf, die sich von den Diolen der Gruppen c1) und c2) ableitet, bei denen die -OH-Gruppen an den beiden Enden kettenförmiger Moleküle sitzen. Diole der Gruppen c1) und c2)sind in D1 nicht offenbart. Durch die Verwendung dieser speziellen Diole wird der hydrophobe Molekülrest als vollständiger Teil in die lineare Polyurethankette eingebaut. Strukturen mit kammartig von der Hauptkette abstehenden hydrophoben Gruppen, die das entscheidende Merkmal von D1 darstellen, entstehen durch die Diole der Gruppe c1) und c2) nicht.

Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 und der Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2-10 gegenüber D1 neu (Artikel 54 EPÜ).

3.2 Das im ersten Bescheid der Prüfungsabteilung erwähnte Dokument

D2: EP-A-0 334 032

beschreibt ein Verfahren zur Herstellung von wässrigen Polymerisatdispersionen unter Verwendung von hydrophil modifizierten, Urethangruppen-aufweisenden Emulgatoren. Bei diesen Emulgatoren handelt es sich um Oligourethane, deren mittleres Molekulargewicht unter 30 000 liegt, und die eine verzweigte Molekülstruktur aufweisen (Anspruch 1). Ausgangsmaterialien für die Oligourethane sind organische Polyisocyanate, organische Verbindungen mit gegenüber Isocyanatgruppen reaktionsfähigen Gruppen des Molekulargewichtsbereichs 60-10 000, und Aufbau komponenten mit hydrophilen Gruppen, wie z. B. anionische und kationische Salzgruppen und hydrophile Polyetherketten (Seite 2, Zeile 49 bis Seite 3, Zeile 17). Die im vorliegenden Anspruch 1 zwingend erforderliche Kombination der Struktureinheiten a)-c), und insbesondere die Kombination mit den hydrophoben Diole der Gruppe c1) und c2), wird in D2 nicht offenbart.

Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 und der Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2-10 gegenüber D2 neu (Artikel 54 EPÜ).

4. Erfinderische Tätigkeit

Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung beantragt, die Angelegenheit zur weiteren Prüfung der erfinderischen Tätigkeit an die Vorinstanz zurückzuverweisen (Punkt VI c), oben). Da außerdem in der angefochtenen Entscheidung die erfinderische Tätigkeit nicht erörtert worden ist, folgt die Kammer dem Antrag des Beschwerdeführers.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags mit den Ansprüchen 1-10 zurückverwiesen.

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