T 1289/06 () of 4.2.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T128906.20090204
Datum der Entscheidung: 04 Februar 2009
Aktenzeichen: T 1289/06
Anmeldenummer: 97944699.4
IPC-Klasse: B65H 19/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 21 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Transportwagen für Papierrollen
Name des Anmelders: Koenig & Bauer Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: vR Systems AG
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention 1973 R 57a
Schlagwörter: Zulässigkeit eines weiteren unabhängigen Anspruchs unter Regel 57a EPÜ (1973) ja
Klarheit (ja)
Unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 0 925 247 in geändertem Umfang aufrechterhalten worden ist, Beschwerde eingelegt.

Im Einspruchsverfahren war das gesamte Patent unter Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit, Artikel 54 EPÜ, und mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ) angegriffen worden.

II. Am 4. Februar 2009 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat daran nicht teilgenommen.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 3 gemäß Hauptantrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung.

IV. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Anspruch 3 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"3. Anlage mit einem Transportwagen (41) zum Transport von Rollen (44; 53) zu einem Rollenwechsler (2) mit auf Führungen (17) abrollenden Laufrollen (18), wobei der Transportwagen (41) mindestens eine senkrecht zu seiner Transportrichtung verlaufende Aufnahme (43) aufweist, in der ein zweiter Laufrollen (18) aufweisender, mit einer vorbereiteten Rolle (24) beladener Transportwagen (16) angeordnet ist, wobei der Transportwagen (41) eine zweite, parallel zur ersten verlaufende Aufnahme (42) aufweist, in die während oder nach dem Entladen des mit der vorbereiteten Rolle (24) beladenen Transportwagens (16) ein dritter, mit einer ausgewechselten Restrolle (44) beladener Transportwagen (16) auffahrbar ist."

VI. Im Beschwerdeverfahren wurde auf folgendes Dokument verwiesen:

D21: Vorbenutzung einer Rollenwechsleranlage bei "Magdeburger Verlags- und Druckhaus GmbH", Konstruktionszeichnungen

VII. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Anspruch 3 gemäß Hauptantrag sei klar und sein Gegenstand in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart.

Als nächstliegenden Stand der Technik könne man Dokument D21 ansehen. Dort sei ein Transportwagen mit zwei Aufnahmen allerdings an anderer Stelle gezeigt, nämlich beim Transport von Abfallbehältern. Dieser Transportwagen eigne sich zudem nicht für die gleichzeitige Aufnahme zweier Behälter. Dokument D21 könne somit nicht nahelegen, zwei, noch dazu unterschiedliche Rollen auf einem Transportwagen zu transportieren. Somit beruhe der Gegenstand des Anspruchs 3 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VIII. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren, soweit es auch den geltenden Anspruch 3 betrifft, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die von der Beschwerdeführerin vorgenommenen Änderungen seien nicht durch Einspruchsgründe veranlasst und somit unter Regel 57a EPÜ (1973) nicht zulässig. Dies betreffe insbesondere die Einführung des weiteren unabhängigen Anspruchs 3.

Zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit hat sich die Beschwerdegegnerin nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

1. Der Hauptantrag der Beschwerdeführerin enthält drei Ansprüche, darunter die unabhängigen Ansprüche 1 und 3. Die Ansprüche 1 und 2 sind identisch zu den Ansprüchen 1 und 2 der verändert aufrechterhaltenen Fassung des Streitpatents. Diese Ansprüche können wegen des Verbots der reformatio in peius somit nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sein. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin richtet sich folgerichtig auch nur gegen die Nichtzulassung unter Regel 57a EPÜ (1973) des Anspruchs 3 durch die Einspruchsabteilung.

2. Anspruch 1 und Anspruch 3 sind gegenüber dem erteilten einzigen unabhängigen Anspruch 1 durch unterschiedliche Merkmale eingeschränkt. Eine Einschränkung eines unabhängigen Anspruchs ist generell geeignet, den Einspruchsgründen unter Artikel 100 a) EPÜ, die im Einspruchsverfahren geltend gemacht wurden, zu begegnen. Diese Einspruchsgründe können es im berechtigten Interesse eines maximalen Patentschutzes der Patentinhaberin durchaus erforderlich machen, einen einzigen unabhängigen Anspruch durch zwei unabhängige zu ersetzen. Sofern beide Ansprüche, wie im vorliegenden Fall, durch unterschiedliche Merkmale gegenüber dem gewährten einzigen unabhängigen Anspruch eingeschränkt sind, ist dies unter Regel 57a EPÜ (1973) prinzipiell zulässig. Die Frage, ob die gemachten Einschränkungen tatsächlich auch die Neuheit und erfinderische Tätigkeit herstellen können, ist eine Frage der Bewertung der Anspruchsmerkmale, nicht jedoch eine Frage der Zulässigkeit unter Regel 57a EPÜ (1973).

Anspruch 3 ist somit unter Regel 57a EPÜ (1973) zulässig.

3. Anspruch 3 definiert eine Anlage mit einem Transportwagen mit zwei parallelen Aufnahmen, wobei in einer davon ein zweiter Transportwagen angeordnet und in die zweite während oder nach dem Entladen des mit der vorbereiteten Rolle beladenen Transportwagens ein dritter mit einer Restrolle beladener Transportwagen auffahrbar ist. Diese Definition ist nach Ansicht der Kammer klar und eindeutig. Aus ihr ergeben sich implizit auch geeignete Abstände der parallelen Aufnahmen. Ein derartiger Transportwagen ist auch durch die Beschreibung gestützt (vgl. Spalte 3, Zeilen 39 bis 51, und Spalte 4, Zeilen 46 bis 58). Anspruch 3 genügt somit den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ.

4. Die oben unter Punkt 3 zitierten Stellen des Streitpatents finden sich in identischer Form auch in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, nämlich Seite 7, erster vollständiger Absatz, Seite 9, letzter Absatz). Der Gegenstand des Anspruchs 3 entspricht somit den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ.

5. Im während des Einspruchsverfahrens und des Beschwerdeverfahrens zitierten Stand der Technik findet sich kein Transportwagen zum Transport von Rollen zu einem Rollenwechsler mit zwei parallelen Aufnahmen im Sinne des Anspruchs 3. Ein Transportwagen mit zwei Aufnahmen zum Transport von Abfallbehältern kann nach Ansicht der Kammer einen solchen Transportwagen auch dann nicht nahelegen, wenn es sich, wie bei Dokument D21, um Abfalltransport in einer Rollenwechsleranlage handelt. Das Auswechseln von Rollen im Rollenwechsler und dem damit verbundenen Transport der neuen Rollen und der Restrollen lässt sich nur sehr allgemein mit dem Transport von Abfallbehältern vergleichen, selbst wenn eine Restrolle nach deren Entnahme vom Rollenwechsler später dem Abfallbehälter zugeführt wird. Deshalb kann man nicht in naheliegender Weise, ausgehend von einem Transportwagen mit zwei Aufnahmen für Abfallbehälter, zu einem Transportwagen mit zwei getrennten Aufnahmen für eine vorbereitete Rolle und für eine Restrolle gelangen.

Der Gegenstand des Anspruchs 3 ist somit neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

a) Patentansprüche 1 bis 3, eingegangen in der mündlichen Verhandlung

b) Beschreibung: Seite 2, eingegangen am 17. Oktober 2008, Seite 4, eingegangen in der mündlichen Verhandlung, Seiten 3 und 5, wie erteilt,

c) Zeichnung: Figuren 1, 3, 4, wie erteilt, Figur 2, eingereicht am 17. Oktober 2008.

Quick Navigation