European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2008:T126606.20081030 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 30 October 2008 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1266/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01929431.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08F 10/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Herstellung von Polyethylen | ||||||||
Name des Anmelders: | Basell Polyolefine GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Akzo Nobel N.V. | ||||||||
Kammer: | 3.3.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Aufgabe und Lösung (bejaht) Erfinderische Tätigkeit - rückschauende Betrachtungsweise |
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Orientierungssatz: |
zur Aussagekraft von Vergleichsversuchen (vgl. Nr. 3.4 bis 3.6) |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Der Hinweis auf die Erteilung des europäischen Patents Nr. 1 263 812 mit dem Titel "Verfahren zur Herstellung von Polyethylen" auf die unter Beanspruchung der Priorität einer deutschen Voranmeldungen (10012727) vom 16. März 2000 als internationale Patentanmeldung PCT/EP2001/002796 am 13. März 2001 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 01 929 431.3 wurde am 14. Juli 2004 (Patentblatt 2004/29) bekanntgemacht. Das Patent enthielt vier Ansprüche mit dem folgenden Anspruch 1:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Daran schlossen sich die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 an.
Im Folgenden betreffen Verweise auf das "EPÜ" die neue Fassung des EPÜ vom Jahr 2000, solche auf die alte Fassung sind durch "EPÜ 1973" bezeichnet. Hinweise in unterstrichenen eckigen Klammern beziehen sich auf die erteilte Fassung des Streit patents, solche in unterstrichener Kursivschrift auf die als WO-A-01/68 723 veröffentlichte ursprüngliche Fassung der Anmeldung (z.B. [Anspruch 1] bzw. Anspruch 1). Außerdem steht "TPN" für 3,6,9-Trimethyl-3,6,9-triethyl-1,4,7-triperoxonan und "DTBP" für Di-tert.-butylperoxid.
II. Gegen das Streitpatent wurde am 13. April 2005 Einspruch unter Hinweis auf die Artikel 100 a) und 100 c) EPÜ 1973 eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden fehlende Neuheit, mangelnde erfinderische Tätigkeit und unzulässige Erweiterung geltend gemacht. Im Einspruchsschriftsatz wurde unter anderem die folgende Literatur zitiert:
D1: WO-A-96/27620 und
D7: US-A-3 142 666.
Der Einwand unter Artikel 100 c) EPÜ 1973 wurde mit dem Fehlen einer Basis für "1 bis 50 Mol-% eines oder mehrerer trimerer Ketonperoxide" und "50 bis 99 Mol-% eines oder mehrerer konventioneller Polymerisations initiatoren" von [Anspruch 1] in der Anmeldung begründet.
In einer mündlichen Verhandlung am 17. Mai 2006 vor der Einspruchsabteilung bestätigte die Einsprechende dann aber auf eine entsprechende, im Hinblick auf ihren schriftlichen Vortrag gestellte Frage des Vorsitzenden der Einspruchsabteilung (Protokoll Punkt 3), dass sie die Einwände fehlender Neuheit und unzulässiger Erweiterung nicht weiter aufrechterhalte. Da die Einspruchsabteilung ihrerseits diese ursprünglichen Einspruchsgründe als unbegründet ansah (Artikel 114(1) EPÜ 1973), wurden diese auch von Amts wegen nicht weiterverfolgt. Ergänzend hierzu wurde in der Streit entscheidung zu den Änderungen vor der Erteilung auf Seite 4, Zeilen 13 bis 24 verwiesen (Seite 7, Nr. 2).
III. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung, deren Begründung am 19. Juni 2006 zur Post gegeben wurde, dann aber den Widerruf des Streitpatents wegen Nichterfüllung des Erfordernisses von Artikel 56 EPÜ 1973.
(1) Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wurde von D7 als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen, da zwischen dieser Druckschrift und dem Streitpatent nur ein Unterschied vorliege, nämlich die Verwendung der cyclischen Peroxide.
(2) Zu D1 seien nach Ansicht der Einsprechenden hingegen zwei Unterschiede zwischen D1 und dem Streit gegenstand festzustellen gewesen, die Verwendung eines Rohrreaktors und die spezifische Konzentration der cyclischen Peroxide von 1 bis 50 Mol-%. Zudem habe die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung noch zwei weitere Unterscheidungsmerkmale identifiziert, die Verwendung spezieller Peroxide aus der Gruppe der durch die Formel (II) auf Seite 4 von D1 definierten Verbindungen, in denen die dort als R**(1), R**(3) und R**(5) bezeichneten Reste jeweils eine Methylgruppe darstellen müssten, und die spezielle Verwendung dieser Peroxide in der Ethylen-Polymerisation.
Die Einsprechende habe hinsichtlich D1 aber auf die Tatsache hingewiesen, dass zehn von 19 Ketonen, die auf Seite 6, Zeilen 25 bis 32 beschrieben seien, zu cyclischen Keton-Verbindungen führten, die die erwähnte R**(1), R**(3) und R**(5) betreffende Bedingung des Streitpatents erfüllten. Zudem seien in den auf Seite 17 bis 19 von D1 beschriebenen Zusammensetzungen A, B, C, D, J und K cyclische Keton-Verbindungen gemäß [Anspruch 1] beschrieben. Auch weise die Offenbarung auf Seite 4, Zeilen 2 bis 5 auf die Verwendung der cyclischen Peroxide in Kombination mit anderen Peroxiden hin. Seite 7, Zeilen 18 bis 21 offenbare die Herstellung von Ethylen-Copolymeren, Seite 7, Zeilen 26 und 27 den beanspruchten Druckbereich und Seite 8, Zeilen 4 und 5 den beanspruchten Temperaturbereich.
(3) Auf der anderen Seite sei in D7 die Hochdruck polymerisation von Ethylen in einem Rohrreaktor mit hohem Umsatz in Druck- und Temperaturbereichen (D7: Spalte 1, Zeilen 36 bis 38 und Anspruch 1) gemäß [Anspruch 1] beschrieben. Zudem seien auf Spalte 3, Zeilen 64 bis 70, Mischungen von Peroxiden mit unterschiedlichen Zerfallstemperaturen offenbart, während Spalte 4 (Zeilen 68 bis 70) ein Molverhältnis von 33 bis 67 % offenbart habe und Tabelle 1 ein Verhältnis von 50:50 Mol-% zeige.
Mit dieser Analyse der Druckschriften habe sich die Patentinhaberin einverstanden erklärt.
(4) Im Weiteren führte die Einspruchsabteilung dann aus, D7 liege auf demselben technischen Gebiet wie das Streitpatent, nämlich dem der Herstellung von Polyethylen niedriger Dichte (häufig als PE-LD bzw. LDPE bezeichnet) mit effizienten Peroxid-Initiatoren.
(5) Zwar sei aus [Tabelle 1] ein technischer Effekt erkennbar, nämlich eine Erhöhung des Umsatzes und eine Erniedrigung des Peroxidverbrauchs, insbesondere des als Hochzerfaller bezeichneten Peroxids ([0017]: mit einer Halbwertszeit von 0,1 h bei >140ºC). Jedoch sei aus der Tabelle nicht erkennbar, welches technische Merkmal zu den besagten Effekten führe, denn in den Beispielen 1, 2 und 3 sei im Vergleich zu den Vergleichsbeispielen A, B und C nicht nur das Ketonperoxid TPN gegen DTBP, sondern auch die Gesamtmenge des Initiators und die relative Zusammensetzung der verwendeten Peroxid-Gemische verändert worden. Daher habe die Tabelle keinen Beweis dafür geliefert, dass der technische Effekt von dem unterscheidenden Merkmal herrühre.
Außerdem offenbare D7 in Spalte 8, Zeilen 14 bis 17, dass kleine Änderungen der Menge und der Zusammensetzung des Peroxid-Gemisches zu verbessertem Umsatz und zu einer Veränderung der Polymereigenschaften führten. Auch habe die Patentinhaberin dargelegt, die Anpassungen in den Versuchen seien notwendig gewesen, um Polymer mit vergleichbarer Dichte und vergleichbarem Schmelzfluss index herstellen zu können.
(6) Die Einspruchsabteilung sah die gegenüber D7 zu lösende Aufgabe daher nur darin, ein weiteres Verfahren zur Herstellung von Polyethylen zur Verfügung zu stellen.
(7) Die Lösung dieser Aufgabe durch die Verwendung der cyclischen Peroxide als Hochzerfaller, die bereits aus D1 bekannt gewesen seien, beinhaltete nach Ansicht der Einspruchsabteilung keine erfinderische Tätigkeit, da deren Verwendung zur Ethylen-Polymerisation bereits allgemein in D1 offenbart worden sei.
IV. Gegen diese Entscheidung erhob die Patentinhaberin am 14. August 2006 unter Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde.
(1) In ihrer am 20. Oktober 2006 eingereichten Beschwerdebegründung (BeschwB) widersprach die Beschwerdeführerin der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in der Streitentscheidung und ergänzte in einer Anlage 1 die in [Tabelle 1] bereits enthaltenen experimentellen Daten durch die Ergebnisse zusätzlicher Vergleichsbeispiele A-1, B-1, B-2, C-1 und C-2. Außerdem verfolgte sie ihren Hauptantrag weiter, der auf die Aufrechterhaltung des Streitpatents in seiner erteilten Fassung gerichtet war, wobei sie die erteilte Fassung der Ansprüche als Anspruchssatz A bezeichnete (Abschnitt I, oben), und legte darüber hinaus als Hilfsanträge 1, 2 und 3 drei weitere Anspruchssätze B, C und D vor.
(2) Im Einzelnen trug die Beschwerdeführerin vor, die Beweiswürdigung in der angefochtenen Entscheidung lasse außer acht, dass Versuche nur dann vergleichbar seien, wenn auch die Produkte konstant gehalten würden. Dies gelte insbesondere für die für den Verarbeiter wesentlichen Kenngrößen Dichte und Schmelzflussindex MFI.
Die neuen Versuche A-1, B-2 und C-2 zeigten, dass bei Nichtanpassung der Initiatormengen an das veränderte Zerfallsverhalten der anderen Initiatoren-Gemische die Polymerisation wegen eintretender Zersetzung des Produktes jeweils habe abgebrochen werden müssen. In den Vergleichsbeispielen B-1 und C-1 habe eine im Vergleich zur TPN-Menge erhöhte DTBP-Menge in allen drei Reaktionszonen eingesetzt werden müssen, um die gleiche Maximaltemperatur wie in den Beispielen 2 und 3 zu erreichen, dies habe aber zu einer geringeren Dichte des Polymers geführt. Die Verringerung der Menge an TPN in den Beispielen im Vergleich zu DTBP sei nötig gewesen, da, wie aus den abgebrochenen Vergleichsbeispielen A-1, B-2 und C-2 ersichtlich, ansonsten eine ausreichende Wärmeabfuhr nicht mehr sichergestellt gewesen und Zersetzung eingetreten wäre. Die zusätzlichen Versuche zeigten nach Ansicht der Beschwerdeführerin deutlich, dass ein Versuch unter Beibehaltung aller Prozessgrößen außer dem unterscheidenden Merkmal, wie ihn die Einspruchsabteilung gefordert habe, technisch nicht zu bewerkstelligen sei. Aus den [Beispielen] gehe aber eindeutig hervor, dass sich die Produkte bei gleicher Dichte und MFI mit höherem Umsatz, weiterhin besseren mechanischen und optischen Eigenschaften und insgesamt reduzierter Peroxid-Menge herstellen ließen.
(3) Ausgehend von D7, dem nächstliegenden Stand der Technik, sei daher die zu lösende Aufgabe, wie aus [0008] und [0046] ersichtlich, in der Bereit stellung eines Verfahrens zur Hochdruckpolymerisation mit erhöhtem Umsatz und vermindertem Peroxid-Verbrauch zu sehen, das gleichzeitig zu gleichwertigen oder sogar verbesserten Produkteigenschaften führe (BeschwB, Seite 4, Punkt 2).
(4) Es sei aber für den Fachmann nicht zu erwarten gewesen, dass die Peroxidmischung gemäß [Anspruch 1] in der Lage wäre, diese Aufgabe zu lösen. Zwar zeigten die Vergleichsbeispiele, dass mit den herkömmlichen Peroxiden jeder Parameter wie Dichte, MFI, Umsatz, für sich variabel sei, durch die im Streitpatent angebotene Lösung sei aber ein Weg zur Verfügung gestellt worden, mit dem erstmals der Umsatz und damit die Anlagen kapazität habe erhöht werden können, ohne die anderen Parameter in unerwünschter Weise zu beeinflussen.
(5) Nach ihrer Ansicht finde der Fachmann jedoch in D1 keinen Hinweis auf die beanspruchte Lösung. D1 offenbare zwar cyclische Peroxide als solche, jedoch nicht die Verwendung cyclischer trimerer Ketonperoxide gemäß der Formel I von [Anspruch 1]. Derartige Verbindungen würden in D1 nur im Rahmen der dortigen generischen Formel (II) zusammen mit anderen cyclischen Ketonperoxid-Grund gerüsten der Formeln (i) und (III) genannt. Ketonperoxide mit drei Methyl-Substituenten (wie im Streitpatent) seien nur in den Beispielen von D1 im Zusammenhang mit anderen Polymerisationen (Styrol, Methylmethacrylat, Methacrylsäure usw.), nicht aber mit der Ethylen-Polymerisation genannt worden. Zudem seien diese Ketonperoxide in D1 nur in reiner Form und nicht in Abmischungen eingesetzt worden. Schon aus diesem Grund habe der Fachmann nicht erwarten können, dass eine Umsatzsteigerung und eine Verminderung des Bedarfs an Peroxid bei konstanter Dichte und MFI durch Abmischungen mit herkömmlichen Peroxiden erreicht werden könnten. Ausgehen von D7, führe D1 daher den Fachmann nicht zu der erfindungsgemäßen Lösung, sondern eher davon weg.
V. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer BeschwB hat die Beschwerdegegnerin in ihrem Schriftsatz vom 23. Februar 2007 unter gleichzeitiger Nennung zweier zusätzlicher Dokumente
D9: BE-A-643 980 und
D10: undatierte Akzo Nobel Broschüre "Initiators for High Polymers", jedoch laut Angabe im Schriftsatz aus dem Jahr 1995
widersprochen und erneut die Aussagekraft der Beispiele und Vergleichsbeispiele der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Entscheidungen T 181/82 (ABl. EPA 1984, 401), T 955/96 vom 19. April 2001 (nicht im ABl. EPA veröffentlicht) und T 939/92 (ABl. EPA 1996, 309) bezweifelt. Darüber hinaus erhob sie neben dem bereits in der angefochtenen Entscheidung abgehandelten Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit einen weiteren solchen Einwand auf der Grundlage von D9 als nächst liegendem Stand der Technik und bezweifelte im Hinblick auf die neuen Versuche der Beschwerdeführerin, dass die geltend gemachte technische Aufgabe im Bereich der Ansprüche gelöst würde.
Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin unterschied sich das Streitpatent von D9 nur durch dasselbe Merkmal wie von D7, die Verwendung des trimeren Ketonperoxids der Formel I als Hochzerfaller. Diesem Unterschied maß sie aber im Lichte von D1 keine entscheidende Bedeutung zu, ebenso wenig wie der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Auswahl des trimeren Ketonperoxids der Formel I gegenüber den Ketonperoxiden der Formeln (i), (II) und (III) von D1. So es sei kein Nachweis geführt worden, dass zwischen dem einen trimeren Ketonperoxid der Ansprüche und den drei cyclischen Peroxiden in D1 ein technischer Unterschied bestehe. Zum Beleg der Richtigkeit dieses Arguments verwies die Beschwerde gegnerin dann auf [0010], worin auf eine Parallel anmeldung zu D1 verwiesen worden sei, nach deren Verfahren man die Peroxide der Formel I des Streit patents herstellen könne. Ansonsten folgte sie in ihrer Argumentation weitgehend den Entscheidungsgründen in der angefochtenen Entscheidung.
Dieselbe Meinung zur erfinderischen Tätigkeit vertrat sie im Übrigen auch gegenüber den drei Hilfsanträgen.
VI. Am 30. Oktober 2008 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der die Beschwerdegegnerin bestätigte, dass sie die im Einspruchsverfahren zunächst erhobenen Einwände unter den Artikeln 54 und 100 c) EPÜ 1973/EPÜ nicht weiterverfolge. Damit beschränkte sich das weitere Verfahren auf die Debatte über die Frage, ob der Streit gegenstand auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Dabei wiederholten die beiden Parteien in weitem Umfang ihre bereits schriftlich vorgetragen Argumente, so dass sich die Beschreibung des Ablaufs der Verhandlung hier hauptsächlich auf neue Aspekte/wesentliche Ergänzungen schon vorgetragener Argumente beschränken kann.
(1) So verwies die Beschwerdeführerin in Ergänzung zu den Daten in [Tabelle 1] bzw. in der Anlage 1 (d.h. der nachgereichten Fassung dieser Tabelle; Abschnitt IV (1), oben), worin die Umsatzänderungen bzw. der jeweilige Peroxid-Verbrauch in der Polymerisation angegeben waren, auch auf die verbesserten mechanischen und optischen Eigenschaften der erfindungsgemäß hergestellten Produkte bzw. daraus hergestellten Folien in [Tabelle 2] und verwies dazu auch noch auf die Beschreibung in [0046].
Gegenüber der Druckschrift D7, die sie als nächst liegenden Stand der Technik ansah, sah die Beschwerde führerin die zu lösende Aufgabe in der Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung von Polyethylen für Folien mit verbesserten optischen Eigenschaften.
Die Lösung dieser Aufgabe könne nicht nur als triviale Alternative zum nächstliegenden Stand der Technik angesehen werden, da im allgemeinen Verbesserungen der optischen Eigenschaften eines Verfahrensproduktes mit Umsatzeinbußen einhergingen.
Aus D7 sei zudem eine Kombination verbesserter Effekte, wie sie in den von ihr vorgelegten experimentellen Daten nachgewiesen worden seien, weder bekannt noch zu erwarten gewesen. Ein wesentlicher Unterschied des beanspruchten Verfahrens gegenüber D7 bestehe in der Tatsache, dass in der Druckschrift strukturähnliche Peroxide überhaupt nicht angesprochen seien, geschweige denn Verbindungen gemäß der Formel I des Streitpatents.
(2) In D1 würden zwar Ketonperoxide offenbart, allerdings nicht die speziellen Verbindungen, wie sie durch die Formel I des Streitpatents definiert sind, auch beschreibe D1 keineswegs das spezielle Polymerisationsverfahren, sondern betreffe die Polymerisation einer breiten Palette verschiedenster Monomer-Klassen. Folglich sei bezüglich mindestens dreier Aspekte eine Auswahl zu treffen gewesen: die Herstellung von Polyethylen, die Auswahl von Verbindungen gemäß der Formel (II) der Druckschrift und daraus wiederum eine begrenzte Auswahl von Verbindungen mit einer bestimmten Substitution, d.h. von solchen Verbindungen, die sich von einem Methylketon ableiten. Die spezielle Kombination gemäß Anspruch 1 sei schon deshalb durch D1 nicht vorskizziert worden.
(3) Was nun die von der Beschwerdegegnerin unter Hinweis auf die Rechtsprechung kritisierten Vergleichs versuche angehe, so seien die Unterschiede der in D7 aufgezählten Peroxid-Klassen von denen der Komponente A) des Streitpatent so groß, dass das in der Rechtsprechung verlangte Prinzip der größtmöglichen Strukturähnlichkeit im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, wie die nachgereichten abgebrochenen Versuche belegten. Voraussetzung für die Aussagekraft von Vergleichsversuchen sei im vorliegenden Fall aber der Erhalt vernünftiger Produkte, d.h. solcher Polymeren, die für deren Weiterverarbeitung und Anwendung gleiche oder möglichst gleiche Haupteigenschaften aufwiesen. Die Wichtigkeit dieser Eigenschaften, nämlich Dichte und MFI, sei auch in Spalte 2, Absatz 1 von D7 schon dargelegt worden. Dies sei z.B. bei den Produkten des Beispiels 1 und des Vergleichsbeispiels A der Fall gewesen. In den weiteren Eigenschaften jedoch seien die erfindungsgemäß hergestellten Produkte von Beispiel 1 gegenüber denen des Vergleichsversuchs A zumindest gleich oder aber besser gewesen, wie aus Tabelle 2 zu entnehmen sei. Bei ihrer Polymerisation sei daher wegen der Unterschiede in den chemischen Eigenschaften der verschiedenen in den Versuchen eingesetzten Peroxide (insbesondere ihrer Zerfallstemperaturen) eine Änderung des eingesetzten Peroxid-Cocktails und der Peroxid-Mengen notwendig gewesen, um ein bestimmtes Temperaturprofil zu erreichen und gleichzeitig die Zersetzung des entstehenden Polymers zu verhindern. Die Beschwerdeführerin verwies dabei auch auf die Randbedingungen der Polymerisation wie z.B. die Merkmale des eingesetzten Reaktors, das Erfordernis einer ausreichenden Wärmeabfuhr und die Notwendigkeit, "Hotspots" zu vermeiden. Diese Problematik trete stets auf, so dass sich der Fachmann immer damit befasse. Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass die vorgelegten Vergleichsversuche vernünftig konzipiert worden seien und den einzigen vernünftigen Vergleich geboten hätten, obgleich (mit Hinweis auf T 390/88 vom 20. Februar 1990, nicht im ABl. EPA veröffentlicht) eigentlich keine Vergleichsversuche von Seiten der Beschwerdeführerin notwendig gewesen wären, dennoch habe sie schon ursprünglich und nochmals in diesem Verfahren solche Versuche vorgelegt.
(4) In D7 hat gemäß der Beschwerdeführerin die Aufgabe nur darin bestanden, in der Hochdruckpolymerisation von Ethylen den Umsatz zu steigern. Einen Hinweis auf die Lösung der vorliegenden technischen Aufgabe habe D7 nicht geben können und folglich auch nicht gegeben.
(5) Zu D1 trug die Beschwerdeführerin vor, dass darin nirgends die Herstellung eines PE-LD erwähnt worden sei, demzufolge hätten auch die Eigenschaften eines solchen Polymers oder die einer daraus herstellbaren Folie darin keine Beachtung gefunden.
In D1 sei die Polymerisation verschiedener Monomeren beschrieben, die nichts mit den speziellen Problemen der PE-LD-Herstellung in Rohrreaktoren zu tun hätten, so befassten sich alle Beispiele mit der Herstellung von Styrol- bzw. Acrylpolymeren in Autoklaven. Dies hätte z.B. auf den Kettenaufbau und damit auf die Molekular gewichtsverteilung großen Einfluss. Zudem sei in D1 nie die Verwendung von Gemischen der darin beschriebenen Ketonperoxide mit anderen Peroxiden in Betracht gezogen worden. Die entsprechende Darstellung in der Streit entscheidung werde nicht durch D1 bestätigt, und sie verwies hierzu auf Seite 8, Zeile 16 ff. von D1.
(6) Auch die Beschwerdegegnerin sah D7 als nächst liegenden Stand der Technik an. D9 ändere daran nichts ("D9 does not make a difference"). Der Streitgegenstand unterscheide sich von D7 nur durch den Ersatz eines Peroxids durch ein Ketonperoxid. Die Eigenschaften des Produktes seien bei der Feststellung der unterscheidenden Merkmale aber irrelevant. Nun sei aus Spalte 8, Zeilen 14 bis 17 von D7 schon bekannt, dass schon kleine Änderungen der Menge und des Verhältnisses von Peroxiden in Initiatorgemischen erhöhten Umsatz und Änderungen der Polymereigenschaften hervorriefen. Daher zeigten die Vergleichsversuche (wie durch die neuen Vergleichsbeispiele A-1, B-2 und C-2 bewiesen), dass durch den Ersatz eines Peroxids durch Ketonperoxid ohne weitere Änderungen kein Vorteil erreicht würde. Folglich könne als relevante Aufgabe gegenüber D7 allenfalls die Bereitstellung einer Alternative zu D7 anerkannt werden.
(7) Überdies zeigten die genannten Vergleichsbeispiele, dass die zugrundeliegende Aufgabe nicht im ganzen Bereich von Anspruch 1 gelöst werde, denn der einfache Ersatz von DTBP durch TPN verursachte unter sonst gleichen Bedingungen Zersetzung. Dabei verwies sie auf T 939/92 (ABl. EPA 1996, 309).
Um der Kritik an ihren Vergleichsversuchen zu begegnen, wäre es der Beschwerdeführerin möglich gewesen, den Vergleichversuch mit der Änderung gegenüber [Beispiel 1] durchzuführen, dass die dort verwendete TPN-Menge durch die gleiche Menge DTBP ersetzt worden wäre. Ein solcher Versuch liege aber nicht vor.
Zu D1 verwies sie auf die Nennung der Herstellung von "ethylenic (co)polymers" auf Seite 7, Zeilen 19 und 26 von D1. Zudem sei im Streitpatent selbst auch auf eine Parallel-Druckschrift zu D1 verwiesen und damit die Eignung der Ketonperoxide für das strittige Verfahren anerkannt worden.
Insgesamt vertrat die Beschwerdegegnerin daher die Ansicht, dass die Kombination von D7 und D1 den Streitgegenstand nahelege, da D1 auf jeden Fall bei der Suche nach einer Alternative in Betracht gezogen würde.
(8) Zu D9 verwies die Beschwerdegegnerin noch auf Beispiel 2 der Druckschrift (Seiten 17/18), das zeige, dass auch mit niedrigen DTBP-Mengen Ethylen-Polymere mit ähnlichen Dichten und MFI-Werten wie in [Beispiel 3] hergestellt worden seien.
(9) Als die Parteien äußerten, sie beabsichtigten keine weiteren Äußerungen zur erfinderischen Tätigkeit des Hauptantrags, wurde die Debatte hierüber geschlossen und die mündliche Verhandlung für die Beratung der Kammer über den Antrag unterbrochen.
VII. Die Antragslage stellte sich zu diesem Zeitpunkt wie folgt dar:
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatents in seiner erteilten Fassung, hilfsweise im Umfang eines der drei mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge.
Die Beschwerdegegnerin beantragte hingegen die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Auch im Hinblick auf die Darlegungen in den Punkten 2 und 3 der Anlage zur Ladung vom 23. Februar 2006 zur mündlichen Verhandlung am 17. Mai 2006 und in Punkt 3 des Protokolls dieser Verhandlung sowie der Bestätigung der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 30. Oktober 2008 (Abschnitt VI, oben) sieht die Kammer keinen Grund, die im Einspruch ursprünglich erhobenen Einwände unter Artikel 54 und 100 c) EPÜ gegen den Hauptantrag, d.h. die [Ansprüche 1 bis 4], von Amts wegen aufzugreifen.
3. Aufgabe und Lösung
3.1 Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Ethylen-Homo- und -Copolymeren durch kontinuierliche Polymerisation in einem Rohrreaktor mittels eines Peroxid-Initiator-Gemisches bei hohem Druck.
3.2 Ein derartiges Verfahren ist schon aus der Druckschrift D7 bekannt, die schon in der Streitentscheidung wie auch von beiden Parteien dieses Beschwerdeverfahrens als nächstliegender Stand der Technik bezeichnet wurde (Abschnitte III (1), IV (3), VI (1) und VI (6), oben). Die Kammer sieht keinen Grund, davon abzuweichen.
3.2.1 In der Druckschrift D7 aus dem Jahre 1964 wird die Polymerisation von Ethylen mittels eines lösungs mittelfreien kontinuierlichen Verfahrens im Rohrreaktor mit hohem Umsatz durch Verwendung einer Kombination freie Radikale bildender Niedrig- und Hochtemperatur-Initiatoren zusammen mit besonderen Kettenreglern beschrieben. Die Produkte sind normalerweise feste hoch molekulare thermoplastische Polymere des Ethylens (Spalte 1, Absatz 1 und Zeilen 36 bis 43, Spalte 3, Zeilen 36 bis 51). Zwei Eigenschaften werden als für die Verarbeitung und Anwendung der Ethylenpolymeren von höchster Wichtigkeit bezeichnet, nämlich die Dichte und die Fließcharakteristik (oft als Schmelzindex bzw. melt flow index/rate ausgedrückt; MI/MFI/MFR). Der MFI wird durch verschiedene Charakteristika des Polymers wie Molekulargewicht, Verzeigungsgrad, Verzweigungsart und Vernetzungsgrad beeinflusst (Spalte 2, Zeilen 2 bis 10).
3.2.2 Ab Spalte 1, Zeile 43 wird zum Stand der Technik dargelegt, dass zuvor Polyethylen mit einer akzeptabel hohen Dichte mit Niedrigtemperatur-Initiatoren (wie Lauroylperoxid mit einer 1-min-Halbwertstemperatur von 115ºC) und durch den Zusatz von Regler auch mit einem befriedigend hohen Schmelzindex erhalten worden sei, jedoch bei niedrigen Umsätzen. Versuche, die Umsätze durch Erhöhung der verwendeten Initiatormenge zu verbessern, wurden wegen des als "cheesy product having poor tensile properties" bezeichneten Produktes als Fehlschläge angesehen. Der Einsatz von Hochtemperatur-Initiatoren wie Sauerstoff oder DTBP führte, besonders in hohen Konzentrationen, hingegen zu guten Umsätzen bei leidlich hohen Reaktionstemperaturen, jedoch hatten die Produkte niedrige Dichten und/?oder schlechte Zugeigen schaften. Weitere Probleme hinsichtlich der Produkt-Qualität bei kontinuierlichen Verfahren zur Herstellung von Polyethylen sind in Spalte 3, Zeilen 11 bis 35 genannt: Wandanlage, Verkokung, Entstehung körnigen Polymers, schlechte Wärmeabfuhr, "operation at economic conversion" und Regelung von Dichte und Molekulargewicht. Dort wird auch gewarnt, dass die Änderung einer Reaktionsvariablen zur Behebung eines Problems oft zur Verschärfung eines anderen Problems führe. So mindere z.B. die Reduzierung der O2-Menge die Explosions- oder Verkokungsgefahr, erhöhe dafür aber das Molekulargewicht bei unwirtschaftlichem Umsatz. Auch weitere komplizierte Wechselwirkungen hinsichtlich der Reaktionsvariablen werden erwähnt.
3.2.3 Als Lösung bietet die Druckschrift die Kombination von Nieder- und Hochtemperatur-Initiatoren in Kombination mit speziellen Reglern an (Spalte 3, Zeilen 36 bis 39). Als Initiatorgemische werden Kombinationen verschiedener Peroxide oder von mindestens einem Peroxid und O2 genannt, wobei die Starttemperaturen der Initiatoren sich signi fikant unterscheiden müssen (Spalte 3, Zeilen 40 bis 51). Dabei wird in Kauf genommen, dass die Steigerung des Umsatzes durch den Hochtemperatur-Initiator (Peroxy verbindung oder O2) bei hohen Temperaturen mit einem gewissen Verlust an wünschenswerten Eigenschaften des Produktes erkauft wird, was aber durch die Mitverwendung des Niedertemperatur-Initiators kompensiert werden könne, der bereits während der Aufheizung auf die hohen Temperaturen zu einer wesentlichen Polymerisation unter Verbesserung der Polymereigenschaften und eventuell auch des Umsatzes führe.
Als organische Peroxide werden solche mit 1-min-Halb wertstemperaturen von etwa 110 bis 260ºC und vorzugs weise höchstens 200ºC genannt. Innerhalb der darauf folgenden Aufzählung solcher Substanzen in der Tabelle in Spalte 4 wird nicht zwischen Niedertemperatur- und Hochtemperatur-Initiatoren unterschieden. Im vorletzten Absatz der Spalte 4 werden dann spezielle Kombinationen benannt. In Anspruch 1 wird die Kombination von Lauroyl peroxid (LPO) und DTBP verlangt (wie sie in Beispiel 6 eingesetzt worden ist). In den anderen Beispielen wurden DTBP und Benzoylperoxid (BzO), tert.-Butylperbenzoat (TBPB) und BzO bzw. O2 und BzO verwendet. In Vergleichs versuchen wurden einzelne Initiatoren eingesetzt, namentlich "t-benzoyl peroxide", TBPB oder LPO.
In diesem Zusammenhang wurde auch die von der Beschwerdegegnerin zitierte Aussage gemacht: "The fact that only a slight change in the amount and ratio of the peroxides causes improved conversion and change in polymer properties is a positive indication of the importance of the mixed catalyst." (D7, Beispiel 3, Spalte 8, Zeilen 14 bis 17; Abschnitt VI (6), oben).
3.2.4 Gemäß Spalte 5, Zeilen 3 bis 16 können die Initiator-Mengen im Verfahren von D7 über die üblichen Mengen erhöht werden, ohne die Produktqualität zu ändern.
3.2.5 Ab Zeile 17 von Spalte 5 werden die Regler besprochen. Spalte 9, Zeilen 37 bis 45 nennt bevorzugte Bedingungen, darunter 32000 bis 37000 psi, d.h. ca. 2200 bis 2500 bar, Kühlmanteltemperaturen von 180 bis 230ºC und Temperatur spitzen im Reaktor von 225 bis 300ºC.
3.2.6 Von Ketonperoxiden ist in D7 jedoch nirgends die Rede, ebenso wenig von optischen Produkteigenschaften.
3.3 Die gegenüber D7 zu lösende technische Aufgabe kann daher, wie schon in der Streitentscheidung angesprochen (Abschnitt III (5), oben), in der Bereitstellung eines Hochdruckverfahrens zur Polymerisation von Ethylen mit erhöhtem Umsatz bzw. vermindertem Initiatorverbrauch gesehen werden, welches zudem zu Ethylen-Polymeren mit verbesserten optischen Eigenschaften und daher mit besonders guter Eignung für Folien oder Filme führen sollte, wie dies von der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf [0046] und [Tabelle 2] geltend gemacht worden ist (Abschnitte IV (2) und VI (1), oben).
3.4 Dies Aufgabe wurde nach Ansicht der Kammer in allen ihren Aspekten durch die Maßnahmen von Anspruch 1 glaubhaft gelöst, wie die [Beispiele] und [Vergleichs beispiele] sowie die mit der BeschwB eingereichten zusätzlichen experimentellen Daten in Anlage 1 zeigen. Allerdings machte die Beschwerdegegnerin geltend, es sei nicht überzeugend durch Versuche gezeigt worden, dass die Effekte durch die Verwendung des trimeren Ketonper oxids bewirkt worden seien. Die Rechtsprechung verlange aber, dass überzeugend gezeigt würde, dass "the alleged advantages have their origin in the distinguishing feature of the invention vis-à-vis the closest prior art." Die Versuche unterschieden sich aber in mehr als einem Merkmal, nämlich auch in der Menge und Zusammen setzung des Peroxid-Gemisches (Abschnitt V, oben).
3.5 Diese Argumentation der Beschwerdegegnerin kann aus den folgenden Gründen nicht überzeugen.
3.5.1 So betraf keiner der den Entscheidungen T 181/82 und T 955/96 (oben) zugrundeliegenden Fälle Ansprüche, die auf ein Verfahren gerichtet waren. Vielmehr handelte es sich bei den dort beanspruchten Gegenständen um chemische Verbindungen einer bestimmten Strukturformel bzw. um eine pharmazeutische Zusammensetzung mit bestimmten ein Pharmazeutikum enthaltenden Strukturen aus bestimmten Materialien. Daher erhob sich dort die Frage der Ähnlichkeit von Strukturen der dort per se beanspruchten Substanzen bzw. der Ähnlichkeit des durch eine bestimmte Struktur bedingten Wirkmechanismus der beanspruchten Zusammensetzungen mit den Strukturen des Standes der Technik. Im vorliegenden Fall wird aber weder ein bestimmter Initiator noch eine bestimmte Kombination von Initiatoren per se beansprucht.
Vielmehr sind die vorliegenden Ansprüche auf ein chemisches Verfahren gerichtet, also eine Tätigkeit, die eine Kombination technischer Maßnahmen umfasst, die bei ihrer gemeinsamen Anwendung durch ihr Zusammenwirkung ein bestimmtes Ergebnis erzielen sollen. Gerade die in [Tabelle 1] bzw. Anlage 1 dargelegten Versuchsergebnisse zeigen eindeutig, wie bezüglich der [Tabelle 1] schon von der Einspruchsabteilung anerkannt, dass durch die vom Stand der Technik verschiedenen Kombinationen von Maßnahmen ("distinguishing feature(s)") der gewünschte Effekt hinsichtlich chemischem Umsatz bzw. Verminderung des Initiatorbedarfs in den Beispielen gemäß [Anspruch 1] eintrat. Auch die Eigenschaften der Produkte dieser Beispiele haben sich, wie in [Tabelle 2] gezeigt, vorteilhaft von denen der Vergleichsbeispiele abgehoben.
Die Frage, was unter "distinguishing feature" zu verstehen ist, wird noch weiter unten untersucht werden.
3.5.2 Die Frage von Strukturähnlichkeiten zwischen Substanzen oder Zusammensetzungen (auf die sich die obige Recht sprechung bezog) können im vorliegenden Fall also allenfalls bezüglich der in den Experimenten erhaltenen Produkte in Betracht kommen, nicht aber bezüglich des beanspruchten Verfahrens. Voraussetzung wäre dann zudem, dass bei der Durchführung verschiedener Versuche tatsächlich charakterisierbare Produkte erhalten werden, die miteinander verglichen werden können. Dies war bei den Versuchen A-1, B-2 und C-2 in Anlage 1 aber anerkannterweise eindeutig nicht der Fall (Abschnitt IV (2), oben).
3.5.3 Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin, die daraufhin mit dem Argument, das beanspruchte Verfahren löse nicht im gesamten Bereich von [Anspruch 1] die zugrundeliegende Aufgabe, einen weiteren auf T 939/92 (oben) gestützten Einwand gründete, fielen die Versuche A-1, B-2 und C-2 aber in den Rahmen von [Anspruch 1] (Abschnitte VI (6) und VI (7), oben). Dem kann die Kammer allerdings schon deshalb nicht zustimmen, weil [Anspruch 1] nicht auf ein "Verfahren zur Polymerisation von Ethylen" gerichtet ist, sondern auf ein "Verfahren zur Herstellung von Ethylen homopolymeren und -copolymeren". Dieser Wortlaut von [Anspruch 1] beinhaltet nach Ansicht der Kammer nämlich, dass durch dieses Verfahren charakterisierbare Polymere hergestellt werden. Zersetzungsprodukte (z.B. durch "carbonization"; vgl. D7, Spalte 3, Zeile 16; vgl. die BeschwB, Abschnitt IV (2), oben) werden von ihr nicht als solche Produkte eingestuft.
3.5.4 Abgesehen davon, liegt in einem inter-partes-Fall wie dem vorliegenden, d.h. im Gegensatz zum ex-parte-Fall von T 939/92, die Beweislast für das Vorbringen, die Ergebnisse in [Tabelle 1] seien nicht zugunsten des Streitgegenstands aussagekräftig, bei der Einsprechenden bzw. Beschwerdegegnerin. Folglich wäre es an ihr gewesen, ihr Vorbringen durch eigene Versuche, wie sie sie gemäß Abschnitt VI (7) (oben), Absatz 2 von der Beschwerde führerin gefordert hatte, zu substantiieren.
3.5.5 Nun zum "distinguishing feature of the invention vis-à-vis the closest prior art" (Abschnitt 3.4, oben), zu dem die Kammer zur Ansicht gelangt ist, dass die dies bezügliche Argumentation in der Streitentscheidung, der die Beschwerdegegnerin offensichtlich auch folgt und mit der den experimentellen Daten in [Tabelle 1] fehlende Aussagekraft attestiert wurde, nicht überzeugt (Abschnitte III (5), 3.4 und 3.5.1, oben).
Die Einspruchsabteilung hat zu den damaligen Vergleichs beispielen drei Unterscheidungsmerkmale definiert: (1) Ersatz von TPN durch DTBP sowie Änderungen (2) der Gesamt-Initiator-Menge und (3) der relativen Zusammen setzung der eingesetzten Peroxid-Gemische (angefochtene Entscheidung, Seite 9, Absatz 3).
Nun besitzt jede chemische Verbindung gewisse inhärente Eigenschaften. Dazu gehören z.B. die Schmelz- und Siedepunkte, aber auch gegebenenfalls die Zersetzungs temperatur und ?-geschwindigkeit, wie sie gerade bei freie Radikale bildenden Initiatoren für deren Einsatz und die dafür zu wählenden Reaktionsbedingungen eine Rolle spielen. Außerdem haben diese Eigenschaften und Bedingungen großen Einfluss auf die Reaktionsprodukte, z.B. die damit hergestellten Polymeren (Abschnitt VI (3), oben). So steht für die Kammer außer Frage, dass sich bei gegebenen Bedingungen eine gegebene Menge eines Gemisches bestimmter Mengen zweier hochreaktiver Peroxide anders verhält als die gleiche Menge eines Gemisches aus den gleichen Mengen weniger reaktiver Peroxide. Der Einfluss solcher Unterschiede auf die Polymerisation von Ethylen wird in den Spalten 1 bis 3 von D7 ausführlich diskutiert und wurde durch die Versuche A-1, B-2 und C-2 bestätigt.
Damit ergibt sich für die Kammer aber zwangsläufig, dass die in Absatz 2 dieses Abschnitts benannten drei Unter scheidungsmerkmale nicht als drei voneinander unabhängig wählbare Freiheitsgrade des Polymerisationsverfahrens angesehen werden können, als die sie in der Streit entscheidung gewertet wurden. Dem widerspricht auch nicht die in Abschnitt 3.2.4 (oben) erwähnte Aussage in D7, dass "The present invention ... makes it feasible to employ larger total amounts of catalyst ... the present invention provides for the employment along with a transfer agent in a continuous polymerization system of higher concentrations of a combined catalyst than could feasibly be employed with a single catalyst under the same conditions or to produce polymer of the same quality - as measured, for example, by density."
3.6 Aus diesen Überlegungen heraus ist die Kammer daher zum Schluss gekommen, dass die Vergleichsbeispiele der Beschwerdeführerin im Streitpatent und in der Anlage 1 als aussagekräftig im Sinne des Vortrags der Beschwerde führerin angesehen werden müssen. Daraus folgt dann, dass die zugrundeliegende Aufgabe im Hinblick auf die Verbesserungen des Verfahrens (Erhöhung des chemischen Umsatzes bzw. Verminderung des Initiatorbedarfs) und auch bezüglich der angestrebten Eigenschaften der Polymerprodukte (insbesondere bezüglich der optischen Eigenschaften) glaubhaft gelöst worden ist.
4. Erfinderische Tätigkeit
Es bleibt zu entscheiden, ob sich die gefundene Lösung für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem von der Beschwerdegegnerin zitierten Stand der Technik ergibt.
4.1 Wie aus den Betrachtungen zu Inhalt und Lehre von D7 in den Abschnitten 3.2 bis 3.2.6 (oben) ersichtlich, gibt D7 keinerlei Anregung, die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe in all ihren Aspekten zu lösen, geschweige denn dies durch ein Verfahren mit den Merkmalen von [Anspruch 1] zu erreichen.
Folglich wird das beanspruchte Verfahren nicht durch die Druckschrift D7 als solche nahegelegt.
4.2 Die zweite zitierte Druckschrift D1 beschreibt die Herstellung von (Co)Polymeren unter Verwendung cyclischer Ketonperoxide und die Verwendung dieser Verbindungen zu diesem Zweck.
4.2.1 Auf Seite 4 werden drei Strukturen von Ketonperoxiden genannt, von denen nur die Formel (II) die Verbindungen gemäß [Formel I] umfasst, allerdings - im Gegensatz zum Streitpatent - ohne auf Derivate unsubstituierter Methyl-Alkyl- und Methyl-Aryl-Ketone beschränkt zu sein (vgl. D1, Seite 4, Zeilen 5 bis 28 gegenüber [0009]). Dies wird auch durch die lange Liste geeigneter Ausgangsketone bestätigt (D1, Seite 5, Zeile 31 bis Seite 6, Zeile 17). Die unten auf Seite 6 aufgezählten Ketone umfassen auch einige Methylketone, aber eine Hervorhebung gegenüber den weiteren dort genannten Ketonen kann darin nicht gesehen werden. Im Übrigen werden in D1 hinsichtlich der Polymerisation zwischen den drei verschiedenen Strukturen (i), (II) und (III) keine Unterschiede gemacht (Seite 7, Absätze 3 ff.).
4.2.2 Was die von der Beschwerdegegnerin angesprochene Herstellung von Ethylen(co)polymeren angeht, so wird nur auf den dabei (wegen des Ethylens) vorzugsweise hohen anzuwendenden Druck verwiesen, dies kann aber nicht als Hinweis auf eine besondere Eignung bestimmter Keton peroxide für die Ethylen-Polymerisation angesehen werden (Seite 7, vorletzter Absatz). Für diese Einschätzung spricht auch die Nennung des Ethylens inmitten der langen Aufzählung von Monomeren auf Seite 9, ab Zeile 4 bis Seite 10, Zeile 10. Daran anschließend wird nur noch besonders auf die Einführung funktioneller Gruppen in Polymere hingewiesen und Ethylen wird im experimentellen Teil überhaupt nicht mehr erwähnt (D1, Seite 11, Zeilen 15 bis 17). Dort ist nur noch von "High solids acrylics" (Seite 22), "Expandable Polystyrene (EPS)" (Seite 26), "Styrene butylacrylate copolymers" (Seite 28) und "Styrene mass-polymerization" (Seite 29) die Rede.
4.2.3 Die Verbindungen gemäß den drei Formeln (i), (II) und (III) sollen besser als ihre nichtcyclischen Dialkyl ketonperoxid-Gegenstücke und vergleichbar zur Leistung anderer kommerziell verfügbarer Peroxid-Typen sein. Als weiterer Vorteil wird die beträchtliche Reduzierung der Menge unerwünschter Nebenprodukte genannt "which are generated by side-reactions of the peroxides during their decomposition" (Seite 5, Zeilen 10 bis 14). Auch auf Seite 8, vorletzter Absatz von D1 werden Vorteile nur gegenüber nichtcyclischen Ketonperoxiden heraus gestellt. Dort wird auch verdeutlicht, dass die in der Streitentscheidung (Seite 8, Absatz 1) referierten Angaben in D1, Seite 4, Zeilen 2 bis 5 zum aktivem Per oxidgehalt und zur angeblichen Kombination mit anderen Peroxiden ausschließlich dem Zweck der Abgrenzung gegen die nichtcyclischen Ketonperoxide dienen sollten.
4.2.4 Andere Arten von Peroxiden stehen in der gesamten Offenbarung von D1 überhaupt nicht zur Diskussion.
4.2.5 Im Hinblick auf die Darstellung auf Seite 8, Absatz 1 der Streitentscheidung sei zudem auf die Vielzahl fehlender Daten in der Tabelle auf Seite 19 von D1 ("n.d." = nicht bestimmt; z.B. in den "Compositions C,E,G,H,I und J"; "Composition F" ist überwiegend nichtcyclisch) hingewiesen, die es unmöglich machen, die "Compositions" einer bestimmten Struktur der Formeln (i), (II) oder (III) zuzuordnen. So ist auch nicht einmal ersichtlich, welche der in den Beispielen beschriebenen als cyclisch bezeichnete Peroxide tatsächlich eine trimere Struktur gemäß Formel (II) und nicht nur die eines Dimers gemäß Formel (i) besaßen.
4.2.6 Die vorstehend dargelegten Unklarheiten und fehlenden Informationen sowie die im Gegensatz zu den Definitionen des Streitpatents stehenden Darlegungen in D1 machen die in der angefochtenen Entscheidung aus D1 gezogenen Schlüsse (vgl. Abschnitt III (2), oben) für die Kammer nicht nachvollziehbar.
4.2.7 Infolgedessen kann die Kammer auch nicht erkennen, dass, geschweige denn wie D1 zur Lösung der relevanten Aufgabe (Abschnitt 3.3, oben) beitragen könnte. Folglich ergibt sich der Streitgegenstand auch gegenüber einer Kombination D7 und D1 nicht in naheliegender Weise. Vielmehr kann eine derartige Kombination dieser beiden Druckschriften nur als in Kenntnis des Streitpatents gewonnenes Ergebnis einer rückschauenden Betrachtung beurteilt werden.
4.3 Die Beschwerdegegnerin selbst war, wie in Abschnitt VI (6) (oben) erwähnt, der Ansicht, dass die Druckschrift D9 nichts über D7 Hinausgehendes beitragen könne, auch wenn sie später (Abschnitt VI (8), oben) noch auf deren Beispiel 2 verwies. Die Kammer pflichtet dieser Ansicht der Beschwerdegegnerin bei, denn in D9 wird wie in D7 ausschließlich die Erhöhung des chemischen Umsatzes durch Verwendung mehrerer Radikalinitiatoren bei der Hochdruckpolymerisation von Ethylen angestrebt (D9, Seite 2, letzter Absatz).
Folglich ist die Kammer zu D9 zum gleichen Schluss wie hinsichtlich D7 und gegebenenfalls D1 gekommen.
4.4 Aus diesen Gründen sieht die Kammer den Gegenstand von [Anspruch 1] als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend an.
Das gleiche gilt aus denselben Gründen auch für die von [Anspruch 1] abhängigen [Ansprüche 2 bis 4].
5. In Anbetracht des Erfolgs des Hauptantrags der Beschwerdeführerin erübrigt es sich, ihre Hilfsanträge noch näher zu betrachten.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Streitpatent wird in der erteilten Fassung aufrechterhalten.