T 1257/06 () of 15.2.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T125706.20080215
Datum der Entscheidung: 15 Februar 2008
Aktenzeichen: T 1257/06
Anmeldenummer: 01983255.9
IPC-Klasse: B66B 29/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Sicherheitseinrichtung für Rolltreppen und Rollsteige
Name des Anmelders: Kone Corporation
Name des Einsprechenden: INVENTIO AG
Otis Elevator Company
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 27. April 2001 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 2. Juni 2000 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 01983255.9 wurde das europäische Patent Nr. 1 289 871 mit 12 Ansprüchen erteilt.

Die erteilten Ansprüche 1 und 6 lauten:

"1. Einrichtung zur Überwachung des Vorhandenseins von Stufen (4) oder Paletten (4') einer Rolltreppe oder eines Rollsteiges, gebildet durch mindestens einen berührungslos arbeitenden Initiator (7, 7'), der in Wirkverbindung mit einer Auswerte- und Steuerelektronik (11) steht, die bei Feststellen von fehlenden Stufen (4) oder Paletten (4') innerhalb des Stufen- (5) oder Palettenbandes (5') den Antrieb der Rolltreppe oder des Rollsteiges stillsetzt, dadurch gekennzeichnet, daß die Auswerte- und Steuerelektronik (11) mehrere, das bzw. die Signale des bzw. der Initiatoren (7, 7') kontrollierende unabhängig voneinander arbeitende, sich gegenseitig überwachende Prozessoren (16, 17) beinhaltet, und daß die Prozessoren (16, 17) Statusmeldungen des jeweiligen Betriebszustandes einerseits des bzw. der Initiator(en) (7, 7') und andererseits des eigenen Zustandes innerhalb vorgebbarer Zeitintervalle untereinander austauschen.

6. Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß je Laufrichtung der Rolltreppe oder des Rollsteiges mindestens ein Initiator (7, 7') in der Nähe des jeweiligen Umlenkbereiches (2, 3), insbesondere im jeweiligen Rücklauftrum, angeordnet ist."

II. Gegen das erteilte Patent wurden, gestützt auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) und b) EPÜ, zwei Einsprüche mit Antrag auf Widerruf des Patents eingelegt.

III. Die Einspruchsabteilung widerrief das Patent mit ihrer am 16. Juni 2006 zur Post gegebenen Entscheidung.

Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Gegenstände des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 und 2 das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf den entgegengehaltenen Stand der Technik nicht erfüllten und dass der Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 dem Klarheitserfordernis nicht genügte.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 9. August 2006 Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt und am 23. Oktober 2006 die Beschwerdebegründung zusammen mit einem neuen Hauptantrag und einem Hilfsantrag eingereicht.

V. Die Beschwerdekammer teilte in ihrem Bescheid vom 25. Oktober 2007 ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage mit, wonach der jeweilige Anspruch 1 das Klarheitserfordernis des Artikels 84 EPÜ nicht erfülle und die Zulässigkeit der Änderungen im Sinne von Artikel 123 (2) und (3) fraglich sei.

VI. Am 15. Februar 2008 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, in der folgende, für die Entscheidung wesentliche Entgegenhaltungen wieder aufgegriffen wurden:

D2: US-A-5 361 887

D8: WO-A-99/29 612

D12: DIN EN 115, Sicherheitsregeln für die Konstruktion und den Einbau von Fahrtreppen und Fahrsteigen, Juni 1995

VII. Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis der während der mündlichen Verhandlung vorgelegten Ansprüche 1 bis 5.

Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende 01 und 02) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

VIII. Der neue Anspruch 1 ist durch Zusammenfassung der erteilten Ansprüche 1 und 6 gebildet, wobei "insbesondere" in der vorletzten Zeile des Anspruchs 6 gestrichen wurde.

Die Beschwerdeführerin brachte dazu u.a. vor, der besondere Vorteil der nun beanspruchten Lösung gegenüber D2, wonach die beiden Sensoren am Stufenband gegenüberliegend angeordnet seien, liege darin, dass die zwei an sich bekannten redundanten Sensoren (Initiatoren) jeweils in der Nähe der beiden Umlenkbereiche angeordnet seien. Der Vergleich der von den voneinander entfernten Sensoren abgegebenen Impulse funktioniere in gleicher Weise wie bei gegenüberliegenden Sensoren, jedoch werde die Überwachung damit vereinfacht. So sei die Sicherheitsabschaltung unter geringerem Bauaufwand für beide Laufrichtungen mit insgesamt nur zwei Sensoren gewährleistet.

Daher könne D2 auch in Kombination mit D8 nicht zur beanspruchten Erfindung führen, weil dann insgesamt vier Sensoren für die Überwachung erforderlich wären.

IX. Die Beschwerdegegnerinnen argumentierten, die Anordnung der Sensoren sei von der ursprünglichen Problemstellung des Patents (Absatz [0006]) völlig unabhängig, so dass lediglich eine Merkmalsaggregation vorliege. Für beide Problembereiche gebe der Stand der Technik bereits Lösungen vor, die der Fachmann jedenfalls aufgreifen und anwenden würde.

Im Anspruch sei nicht definiert, dass die Rolltreppe oder der Rollsteig, bei der oder dem die Überwachungseinrichtung angewendet würde, überhaupt zwei Laufrichtungen aufweise und daher zwei Sensoren vorhanden sein müssten, so dass die aus D2 bekannte Sensoranordnung diese Teillösung bereits vorwegnehme.

Redundante und sich gegenseitig überwachende Prozessoren seien zur Lösung der vergleichbaren Aufgabe aus D8 bekannt, so dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergebe.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen (Artikel 123 (2), (3) EPÜ)

Da der Anspruch 1 durch Zusammenfassung des erteilten Anspruchs 1 und des auf ihn rückbezogenen Anspruchs 6 gebildet ist, ist er formal zulässig. Die Entfernung von "insbesondere" (im Rücklauftrum) als fakultativer Ausbildung ist ebenfalls nicht zu beanstanden, da sie den beanspruchten Gegenstand auf das konkrete Merkmal (im Rücklauftrum) einschränkt.

3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Mangelnde Neuheit der Einrichtung nach Anspruch 1 wurde von den Beschwerdegegnerinnen in der mündlichen Verhandlung nicht mehr weiter verfolgt. Auch die Kammer kommt zu dem Ergebnis, dass keine der unbestritten vorveröffentlichten Entgegenhaltungen alle Merkmale des Anspruchs 1 offenbart. Ob die im Einspruchsverfahren vorgebrachte offenkundige Vorbenutzung, für welche die Einsprechende 01 die Beweislast zu tragen hätte, die Neuheit der beanspruchten Lösung in Frage stellt, kann dahinstehen, da der Gegenstand des Anspruchs 1 aus einem anderen Grund nicht patentfähig ist.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

4.1 In D2 ist eine Einrichtung zur Überwachung des Vorhandenseins von Stufen 18 oder Paletten einer Rolltreppe oder eines Rollsteiges offenbart (Spalte 1, Zeilen 16, 17), gebildet durch einen berührungslos arbeitenden Initiator (Sensor 52), der in Wirkverbindung mit einer Auswerte- und Steuerelektronik ("microprocessor, not shown") steht (Spalte 4, Zeilen 35 bis 60), welche bei Feststellung fehlender Stufen innerhalb des Stufenbandes den Antrieb der Rolltreppe stillsetzt (Figuren 3, 4). Der Sensor 52 ist in Laufrichtung der Rolltreppe in der Nähe des Umlenkbereiches 26 im Rücklauftrum angeordnet (Figur 1).

4.2 Ausgehend von diesem Stand der Technik ist in der Patentschrift angegeben, Ziel des Erfindungsgegenstandes sei es, eine Einrichtung zur Überwachung des Vorhandenseins von Stufen oder Paletten einer Rolltreppe oder eines Rollsteiges dahingehend weiterzubilden, dass das Fehlen von Stufen bzw. Paletten unverzüglich registriert wird, so dass eine Stillsetzung des Antriebes bereits erreicht wird, bevor der fehlende oder defekte Teil in den sichtbaren Bereich der Rolltreppe oder des Rollsteiges eintritt (Spalte 1, Zeilen 46 bis 54).

4.3 Außerdem soll eine neuartige Auswertemöglichkeit auf Grundlage sicherheitsgerechter und normkonformer Maßnahmen geschaffen werden, die auch bei Ausfall des Mikroprozessors noch wirksam ist (Spalte 1, Zeilen 54 bis 57).

Dieses technischen Problem wird patentgemäß dadurch gelöst, dass die Auswerte- und Steuerelektronik mehrere, das bzw. die Signale des bzw. der Initiatoren kontrollierende unabhängig voneinander arbeitende, sich gegenseitig überwachende Prozessoren beinhaltet, und daß die Prozessoren Statusmeldungen des jeweiligen Betriebszustandes einerseits des bzw. der Initiator(en) und andererseits des eigenen Zustandes innerhalb vorgebbarer Zeitintervalle untereinander austauschen.

4.4 Die erstgenannte Aufgabe (siehe Punkt 4.2) des Erfindungsgegenstands wird bereits durch die aus D2 bekannte Sicherheitseinrichtung gelöst, bei welcher der Sensor 52 in Laufrichtung der Rolltreppe in der Nähe des Umlenkbereiches 26 im Rücklauftrum angeordnet ist. Bei dieser Anordnung den entsprechenden Sensor in einem solchen Abstand vor der Kammschnittlinie anzubringen, dass unter Berücksichtigung des Bremsweges der Anlage bis zum Stillstand das Eintreten eines fehlenden oder defekten Teils in den sichtbaren Bereich der Rolltreppe oder des Rollsteiges sicher verhindert wird, liegt zweifellos im normalen Können des Durchschnittsfachmanns.

4.5 Zur Lösung der zweitgenannten Aufgabe, die in keinem funktionellen Zusammenhang mit der ersten Teilaufgabe steht (siehe Punkt 4.3), ist aus D8 eine Einrichtung zur Überwachung von Funktionseinheiten an Rolltreppen und Rollsteigen, bestehend aus mehreren unabhängig voneinander vorgebbare Parameter der jeweiligen Funktionseinheit kontrollierenden Prozessoren bekannt (Seite 1, 1. Absatz). Um Risiken zu vermeiden, die sich aus dem Weiterbetrieb der Anlage bei Ausfall eines Microcomputers ergeben (Seite 1, letzter Absatz bis Seite 2, 1. Absatz), ist dort vorgesehen, dass die Prozessoren mit Sicherheitskontakten zum unverzüglichen Stillsetzen der Rolltreppe bzw. des Rollsteigs verbunden sind (Seite 10, Anspruch 1). Hierzu tauschen die Prozessoren Statusmeldungen des jeweiligen Betriebszustandes einerseits der Funktionseinheiten und andererseits des eigenen Zustandes innerhalb vorgebbarer Zeitintervalle untereinander aus (Seite 11, Anspruch 4).

Aufgrund der vergleichbaren Problemstellungen wird der Fachmann die in D8 angebotene Lösung aufgreifen und sie bei der aus D2 bekannten Anlage für die Verarbeitung der vom Sensor 52 abgegebenen Signale anwenden. Damit gelangt er in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1, der demzufolge nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

4.6 Das Argument der Beschwerdeführerin, es seien lediglich zwei Sensoren zur Erfassung jeder Laufrichtung erforderlich, kann nicht durchgreifen, weil der Anspruch 1 nach seinem gesamten Inhalt nicht darauf beschränkt ist, dass die Überwachungseinrichtung immer für zwei Laufrichtungen ausgelegt sein muss. Dies ergibt sich eindeutig aus den Formulierungen "mindestens ein Initiator" sowie "des bzw. der Initiator(en)". Beim Betrieb mit nur einer Laufrichtung genügt folglich der Sensor an nur einer Stelle in der Nähe des Umlenkbereiches im Rücklauftrum (wie in D2 offenbart) und wird auch so beansprucht.

4.7 Auch unter Berücksichtigung einer Auslegung der Rolltreppe oder des Rollsteigs für zwei entgegengesetzte Laufrichtungen könnte die beanspruchte Überwachungseinrichtung nicht als erfinderisch gelten. Wie sich nämlich aus D12 (Seite 20, Punkt 14.2.2.4.1 l)) ergibt, muss ein automatisches Anhalten immer erfolgen, wenn ein Teil der Stufe oder Palette absinkt. Bei der Abschaltung muss sichergestellt werden, dass die abgesenkte Stufe oder Palette die Kammschnittlinie nicht erreicht. Somit wird der Fachmann bei Einrichtung der Rolltreppe oder des Rollsteigs für zwei Laufrichtungen schon aus Sicherheitsgründen je Laufrichtung der Rolltreppe oder des Rollsteiges einen Sensor (Initiator) anordnen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

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