T 1225/06 () of 31.7.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T122506.20080731
Datum der Entscheidung: 31 Juli 2008
Aktenzeichen: T 1225/06
Anmeldenummer: 01113409.5
IPC-Klasse: A61B 17/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Entfernen von Körpersteinen mit einem intrakorporalen Lithotripter
Name des Anmelders: Ferton Holding SA
Name des Einsprechenden: Karl Storz GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 52
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat am 3. August 2006 gegen die am 6. Juni 2006 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 1163882 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr ist am 3. August 2006 entrichtet und die Beschwerdebegründung am 13. Oktober 2006 eingereicht worden.

II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der gegen das Patent erhobene Einspruchsgrund, der mangelnden erfinderische Tätigkeit, der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegenstehe.

III. Folgende Dokumente sind für die vorliegende Entscheidung relevant:

D1 = DE - A - 20 32 501

D2 = DE - A - 20 20 345

D3 = DE - A - 44 05 656

D4 = DE - A - 196 09 019

D5 = US - A - 4 178 935

D6.1 = "URO-Geräte 4", Karl Storz - Endoskope "5-92".

D6.2 = Rechnung vom 17.12.99 für einen Calcuson Ultraschall-Generator Katalognr. 27610001 mit einem Wandler, Katalognr. 27610030.

D6.3 = Technische Zeichnungen und Stückliste für den Wandler, Gerätenummer 27610030.

D6.4 = Technische Zeichnungen und Stückliste für die Sonde No. 27093LL.

D6.5 = Abbildung von einem Calcuson- und einem Calcusplitgerät.

D6.6 = Rechnung vom 10. April 2000.

D7.1 = Technische Zeichnung No. 27630030.

D7.2 = Technische Zeichnung vom 13. Juli 1995.

D7.3 = Technische Zeichnung vom 10. Oktober 1995.

D7.4 = Brochure ENDO WORLD Nr. 18-D 1995 "Calcusplit: Ein altes Prinzip - zu einem optimalen Lithotripsiesystem weiterentwickelt".

D7.5 = Rechnung No. 6010711 vom 22. März 1996.

D7.6 = Ausführungsbescheinigung vom 22. März 1996.

D8 = EP - A - 317 507

D9 = Pschyrembel, 258. Auflage, 1998, Seite 937.

IV. Am 31. Juli 2008 wurde mündlich verhandelt.

Wie mit Schreiben vom 30. Juni 2008 angekündigt, ist die Beschwerdeführerin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Im schriftlichen Verfahren beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

V. Anspruch 1 wie erteilt lautet wie folgt:

"Vorrichtung zum Entfernen von Körpersteinen mit einem intrakorporalen Lithotripter, welcher eine hohle Metallsonde bzw. Sonotrode aufweist, die für eine mit ihrem distalen Ende veranlaßte Steinzertrümmerung in den Arbeitskanal eines Endoskops eingesetzt und durch einen elektrisch angesteuerten Ultraschallwandler zu longitudinalen Schwingungen angeregt wird, wobei der Ultraschallwandler mit wenigstens einer piezokeramischen Scheibe gebildet ist, die innerhalb eines umgebenden Gehäuses zwischen einem Reflektor und einem die Sonotrode tragenden Horn verspannt ist dadurch gekennzeichnet, daß das Gehäuse (15) eine mit der hohlen Sonotrode (8) axial fluchtende Führungshülse (23) für ein reversibel angetriebenes Schlagteil (22) aufnimmt, welches zur Ausübung einer Stoßkraft gegen einen Massekörper (21) an dem über den Reflektor (3) des Ultraschallwandlers axial nach rückwärts in die Führungshülse (23) vorstehenden proximalen Ende einer Stosssonde (20) angeordnet ist, die zu ihrem distalen Ende hin durch eine axiale Durchgangsbohrung (18) des Ultraschallwandlers hindurchgeführt und in dem Hohlraum der Sonotrode (8) aufgenommen ist."

VI. Zur Stützung ihrer Anträge hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes vorgebracht:

Das einzige wesentliche kennzeichnende Merkmal, wonach das Gehäuse eine mit der hohlen Sonotrode fluchtende Führungshülse für ein reversibel angetriebenes Schlagteil aufnimmt, sei so zu verstehen, dass das Gehäuse lediglich zur Aufnahme eines solchen Schlagteils geeignet sein müsse. Diese Auffassung werde auch durch die Beschreibung gestützt, aus der hervorgehe (Spalte 6, Absatz 19), dass der Stoßwellen-Lithotipter als einzelne Komponente aus der beanspruchten Vorrichtung entnommen werden könne und dass die beiden Zertrümmerungsverfahren als Alternativen zu benutzen seien. Folglich habe Anspruch 1 nur ein einziges kennzeichnendes Merkmal, nämlich das, wonach das Gehäuse dazu geeignet ist, eine mit der hohlen Sonotrode axial fluchtende Führungshülse für ein reversibel angetriebenes Schlagteil (22) aufzunehmen.

Unter Berücksichtigung dieser Interpretation sei der Gegenstand von Anspruch 1 durch D1 allein oder in Kombination mit D3/D8, D4 oder D5, insbesondere unter Berücksichtigung von D9 nahegelegt.

Schließlich seien durch die Dokumentensammlungen D6 und D7 offenkundige Vorbenutzungen eines Ultraschall Lithotripsie-Systems (Calcuson) und eines Systems für die pneumatische Lithotripsie (Calcusplit) nachgewiesen, deren Kombination ebenfalls in naheliegender Weise zur erfindungsgemäßen Vorrichtung führe.

VII. Die Beschwerdegegnerin bestritt die Ausführungen der Gegenpartei und trug im wesentlichen folgendes vor:

D9 sollte nicht mehr zugelassen werden, weil es verspätet vorgelegt worden und nicht relevant sei. Weder die verschiedenen Kombinationen der entgegengehaltenen Dokumente zum Stand der Technik, noch die Kombination der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen legten den Gegenstand des Anspruchs 1 nahe.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Einführung von D9

D9, das erstmals mit der Beschwerdebegründung zitiert wurde, besteht aus einem Auszug des im deutschen Raum meistverbreiteten klinischen Wörterbuchs Pschyrembel. Da mit diesem Dokument lediglich das allgemeine Fachwissen nachgewiesen werden soll, wird es entgegen dem Antrag der Beschwerdegegnerin, D9 nicht zu berücksichtigen, in das Verfahren eingeführt.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Der dem Gegenstand nach Anspruch 1 am nächsten kommende Stand der Technik wird gebildet von D1 in Verbindung mit D2. D2 ist die Hauptanmeldung und D1 ein Zusatzpatent hierzu, das auf eine Erweiterung und Verbesserung dieses Hauptpatents abzielt; (siehe D1, Seite 1, erster Absatz). D1/D2 offenbart eine Vorrichtung zum Entfernen von Körpersteinen mit einem intrakorporalen Lithotripter, welcher eine hohle Metallsonde bzw. Sonotrode (D1: 3a) aufweist, die für eine mit ihrem distalen Ende veranlasste Steinzertrümmerung in den Arbeitskanal eines Endoskops einsetzbar ist und durch einen elektrisch angesteuerten Ultraschallwandler (D2: 2, 2a) zu longitudinalen Schwingungen angeregt wird, wobei der Ultraschallwandler mit wenigstens einer piezokeramischen Scheibe (D2: 2, 2a) gebildet ist, die innerhalb eines umgebenden Gehäuses zwischen einem Reflektor (D2: 1) und einem die Sonotrode tragenden Horn (D2, 4c) verspannt ist.

3.2 Hiervon ausgehend ist die Aufgabe der Erfindung darin zu sehen, die bekannte Vorrichtung derart auszubilden, dass eine flexiblere Steinzertrümmerung durchführbar ist.

3.3 Zur Lösung dieser Aufgabe ist nach Anspruch 1 vorgesehen, dass das Gehäuse eine mit der hohlen Sonotrode axial fluchtende Führungshülse für ein reversibel angetriebenes Schlagteil aufnimmt, welches zur Ausübung einer Stosskraft gegen einen Massekörper an dem über den Reflektor des Ultraschallwandlers axial nach rückwärts in die Führungshülse vorstehenden proximalen Endes einer Stosssonde angeordnet ist, die zu ihrem distalen Ende hin durch eine axiale Durchgangsbohrung des Ultraschallwandlers hindurchgeführt und in dem Hohlraum der Sonotrode aufgenommen ist.

3.4 Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Auslegung der kennzeichnenden Merkmale, wonach nur das erste Merkmal wesentlich ist und dieses ein rein funktionelles Merkmal darstellt, ist nicht überzeugend. Zum einen gibt es keinen Grund dafür, das Wort "aufnimmt" als "zur Aufnahme geeignet" umzudeuten und zum anderen würde eine solche Auslegung im Widerspruch zu den übrigen kennzeichnenden Merkmalen stehen, welche die Aufnahme des Schlagteils in der Führungshülse im Gehäuse voraussetzen.

Auch die Ausführungen in Absatz 13 in Spalte C des angegriffenen Patents sind nicht dazu geeignet, die Auslegung der kennzeichnenden Merkmale, wie sie die Beschwerdeführerin vorgenommen hat, zu stützen. Hieraus ist zwar zu entnehmen, dass die als Stoßwellen-Lithotripter einsetzbaren Bauteile eine Baugruppe bilden, die von der patentgemäßen Vorrichtung abgenommen werden können. Dies bedeutet aber nicht, dass Anspruch 1 eine Vorrichtung ohne diese Baugruppe betrifft.

3.5 Unter Berücksichtigung der voranstehenden Ausführungen ist festzustellen, dass D1/D2 keines der kennzeichnenden Merkmale von Anspruch 1 offenbart und auch keine Hinweise in Richtung auf die Erfindung gemäß Anspruch 1 enthält.

Ferner enthält D1/D2 nicht einmal Anhaltspunkte, um anzunehmen, dass das Gehäuse nach D1/D2 geeignet sei, eine mit der hohlen Sonotrode axial fluchtende Führungshülse für ein reversibel angetriebenes Schlagteil zusammen mit den weiteren Spezifizierungen des Anspruchs 1 aufzunehmen.

3.6 D9 zeigt, dass es bekannt ist, Nieren- oder Gallensteine durch Ultraschall oder Stosswellen zu zertrümmern. Es enthält jedoch keinen Hinweis darauf, die zwei Funktionsweisen in einem einzigen Gerät zu kombinieren.

D3/D8 beschreibt eine Vorrichtung zum Entfernen von Körpersteinen mit einem Gehäuse, das eine Führungshülse (D3: 3) für ein reversibel angetriebenes Schlagteil aufnimmt, welches zur Ausübung einer Stosskraft gegen einen Massekörper (D8: 10) an dem axial nach rückwärts in die Führungshülse vorstehenden proximalen Ende einer Stosssonde (2) angeordnet ist. Die in D3/D8 offenbarte Vorrichtung entspricht daher im wesentlichen einer Vorrichtung mit den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1. D3/D8 gibt aber auch keinen Hinweis darauf, eine Stosssonde mit einer Sonotrode zu kombinieren.

D4 und D5 betreffen Vorrichtungen, die zwei verschiedene Lithotripsie-Methoden miteinander verbinden. D4 beschreibt eine Stosssonde mit elektrohydraulische Druckwellen erzeugenden Elektroden und D5 beschreibt die alternative Verwendung von Ultraschall und elektrohydraulischen Druckwellen.

3.7 Nachdem es in den vorangehend genannten Dokumenten keinen Hinweis darauf gibt, eine Sonotrode und eine Stoßsonde in einer Vorrichtung zum Entfernen von Körpersteinen zusammenzufassen, können weder D1/D2 alleine, noch in Kombination mit D3/D8, D4 oder D5 sowie D9 in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen.

3.8 D6.1/2/3/4/6 besteht aus einer Reihe von Dokumenten, die die offenkundige Vorbenutzung des Gerätes Calcuson, ein Ultraschall-Lithotripsie-System, beweisen sollen, während D7.1/2/3/4/5/6 die offenkundige Vorbenutzung des Gerätes Calcusplit, ein System für die pneumatische Lithotripsie, zeigen sollen.

In Analogie zu den vorangehenden Ausführungen sind die beiden geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen, unabhängig davon, ob sie ausreichend bewiesen wurden, nicht geeignet, einen Hinweis in Richtung auf das erfindungsgemäße Gerät zu geben, das sowohl eine Sonotrode als auch eine Stosssonde beinhalt.

D6.5 besteht aus einer Photokopie ohne Datum und ohne weitere Angaben. Die Kopie ist mit der Benennung "Calcusplit und Calcuson" versehen und soll offenbar zeigen, dass ein Calcusplitsystem und ein Calcusonsystem zusammenbaubar sind.

D6.5 kann aber weder zum Beweis der offenkundigen Vorbenutzung eines Calcusplitsystems zusammen mit einem Calcusonsystem dienen, noch zum Beweis, dass die beiden Geräte kombinierbar sind, da unklar ist, was es zeigt und wann es angefertigt wurde.

Folglich sind auch die beiden geltend gemachten Vorbenutzungen nicht geeignet aufzuzeigen, dass der Gegenstand nach Anspruch 1 in naheliegender Weise geschaffen werden konnte.

3.9 Dementsprechend beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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